Spektrum Ein neuer Zugang zum wahren historischen Jesus von Nazareth? Das Jesus-Buch von Papst Benedikt XVI. von Walter Schöpsdau Das Verhältnis von Glauben und Vernunft hat die Menschen zu allen Zeiten bewegt. Auch Benedikt XVI. äußert sich in seinem Jesus-Buch dazu. Doch wie versteht er Glauben und wie versteht er Vernunft, zu deren Verhältnis er sich äußert? Wenn man dem amerikanischen Religionsstatistiker Barrett glauben darf, erscheint alle sechs Stunden weltweit ein Jesus-Buch. Mancher Autor beansprucht, durch das kirchliche Dogma zum wahren Jesus vorzustoßen, den die Kirche bisher unter Verschluss gehalten habe, oder man malt sich das Innenleben Jesu aus. Aber nicht nur Christentumskritiker und Literaten, auch der christliche Glaube stellt die kritische Frage nach dem historischen Jesus. Was erhofft er sich von der historisch-kritischen Jesusforschung? Was kann sie leisten? Joseph Ratzinger hat hier immer seine Fragen gestellt, die das Jesus-Buch nun weltweit zu Gehör bringt. Historische Jesusforschung und kanonische Exegese Die historisch-kritische Jesusforschung begann, als man die Lehre von der Gottessohnschaft Jesu und der Versöhnung in Frage stellte und sich dafür auf einen unverfälschten Jesus berief. Eine erste Phase endete mit der selbstkritischen Erkenntnis, dass 34 evangelische aspekte 1/2008 man mit dem vermeintlich historischen Jesus bloß Spiegelbilder des jeweiligen theologischen Zeitgeistes hervorgebracht hatte. Dennoch bleibt die historisch-kritische Rückfrage unverzichtbar. Hätte die Verkündigung der Kirche keinen Anhalt an der Verkündigung und dem Selbstverständnis des irdischen Jesus, so wäre dies das Ende des christlichen Glaubens. Nicht, dass die historische Erkenntnis der Person Jesu den Glauben begründen könnte; aber es muss verstehbar sein, warum Gott den gekreuzigten Jesus – und nicht etwa den enthaupteten Täufer Johannes – auferweckt haben soll. Benedikts Verhältnis zur historisch-kritischen Methode ist zwiespältig. Er hält sie für unverzichtbar, weil der christliche Glaube sich auf geschichtliche Offenbarung gründet. Zugleich unterwirft er sie aber einer Verhältnisbestimmung von Glauben und Vernunft, in der sie ihren spezifischen Beitrag nicht mehr zu leisten vermag. Letztlich darf der Exeget nur historische Erkenntnisse an Dogmatik und Lehramt zur “eigentlich theologischen Interpretation” weiterreichen. Als hätte es die theologische Selbstkritik der neutestamentlichen Wissenschaft der letzten fünfzig Jahre nicht gegeben, wird der historisch-kritischen Exegese vorgeworfen, dass sie entweder den “Sohn” überhaupt aus dem Evangelium streiche, wie es vor hundert Jahren der liberale protestantische Theologe Harnack versucht habe, oder ihn nur in den geläufigen Kategorien des Sozialrevolutionärs, des Moralpredigers oder des Weisheitslehrers unterbringe. Der Generalverdacht gegen die historische Kritik gipfelt in der Feststellung, dass sie die Glaubensgewissheit untergrabe, Spektrum denn sie basiere auf einem Wirklichkeitsverständnis, nach dem Gott in der Geschichte nicht handeln könne, sodass “alles, was Gott betrifft, in den Bereich des Subjektiven zu verlegen sei”. Über den dadurch aufgerissenen Graben hilft nach Benedikts Überzeugung die Anerkennung eines “inneren Mehrwerts des Wortes”, der sich daraus ergebe, dass die Schrift auf das wandernde Gottesvolk als ihr lebendiges Subjekt verweise, in welchem derselbe Geist Gottes am Werk sei wie in den biblischen Autoren. Diese Forderung sieht der Papst in der “kanonischen Exegese” erfüllt, die davon ausgeht, dass der volle theologische Gehalt eines einzelnen Textes sich nicht allein aus diesem selbst oder im Kontext des jeweiligen Evangeliums, sondern nur im Zusammenhang des gesamten biblischen Zeugnisses erschließt. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge setzt den heutigen Leser voraus; die Tradition sprach von einem mehrfachen Schriftsinn, der sich im Licht neuer Erfahrungen auftun kann: “Die göttlichen Worte wachsen mit den Lesern” (Gregor der Große). Die moderne kanonische Exegese hat nicht zufällig ihren Ursprung im Kontext evangelischer Theologie, weil das reformatorische Schriftprinzip einen inneren Zusammenhang der Texte voraussetzt. Es besagt, dass die Bibel sich als Wort Gottes verständlich macht, wenn sie in der Glaubensgemeinschaft auf Christus hin ausgelegt wird. Die Entscheidung für eine vom Gesamtzusammenhang der Bibel ausgehenden Lektüre der Texte auf Christus hin darf allerdings die Differenz von Glaubensperspektive und historischer Erkenntnis nicht verwischen. Die Vernunft kann allenfalls fragen, inwieweit das historisch feststellbare Selbstverständnis Jesu eine Christologie “impliziert” (Bultmann), welche dann die Ostererfahrung der Jünger deuten half und ihrerseits im Licht von Ostern und einer Relektüre der alttestamentlichen Schriften neu verstanden wurde. Jesus als Verkündiger seines eigenen Persongeheimnisses? Es genügt Benedikt nicht, dass die Christologie einen Anhalt am historischen Jesus hat. Er möchte über die Auffassung der Gottessohnschaft als Interpretament des Auferweckungshandelns Gottes hinaus. Die Gestalt Jesu soll auch in historischer Betrachtung nur plausibel werden unter der Perspektive, dass er “wirklich als Mensch Gott war”. In dieser Überzeugung unternimmt das Buch den “Versuch, einmal den Jesus der Evangelien als den wirklichen Jesus, als den ‘historischen Jesus’ im eigentlichen Sinn dazustellen”. Die Anführungszeichen deuten jedoch auf eine Unklarheit im Verhältnis der beiden Größen. Zwischen den Ebenen des historisch erkennbaren Jesus und der geistgewirkten nachösterlichen Deutung lässt sich nicht so problemlos hin- und hergehen, wie das identifizierende “als” unterstellt. Verstehen von etwas “als” etwas stellt hermeneutisch einen Deutungsvorgang dar, der aus einem Repertoire von Sinnmöglichkeiten auswählt. Das gilt auch für das Verstehen der ersten Zeugen, die Jesus als den Christus erkennen. Dass er für sie der war, als den sie ihn erkannten, ändert nichts daran, dass Ist-Aussagen sprachlich eine Zuschreibung darstellen, nach deren Recht zu fragen ist. Ein breiter Konsens von Theologen beider Konfession geht dahin, dass der Bezugspunkt der christologischen Bekenntnisse im Neuen Testament nicht eine der Deutung bedürftige historische Gestalt namens Jesus von Nazareth ist, sondern der auferweckte Gekreuzigte beziehungsweise das Heilshandeln Gottes in Kreuz und Auferweckung zu unserem Heil. Hinter dieses können wir nicht zurück, weil wir immer schon in dasselbe einbezogen sind. Im Licht des Wirkens Jesu und seiner Botschaft ließ sich die doppelte Erfahrung ‘Jesus ist gekreuzigt und gestorben’ und ‘Jesus lebt’ nur so verstehen, dass Gott, den Jesus als unbedingte Liebe verkündigte, an dem Gekreuzigten festgehalten und sich so als ‘Vater’ dieses ‘Sohnes’ offenbart hat, um als ‘Heiliger Geist’ Menschen in diese Gemeinschaft hineinzuziehen. Das Bekenntnis der Gottessohnschaft wäre also nicht selbst Thema, sondern würde auf das Handeln Gottes als Grund christlichen Glaubens verweisen, das auch dieses Bekenntnis transzendiert. Benedikts Lösungsversuch macht das, was Ergebnis eines Deutungsprozesses ist, zur methodischen Voraussetzung der historischen Erkenntnis Jesu. Die Gottessohnschaft Jesu erscheint als metaphysische Wahrheit, an die bereits der irdische Jesus seine Zuhörer heranzuführen suchte. Die von ihm beanspruchte Vollmacht bestätigt eine im Prinzip bereits erkennbare Wahrheit und Würde. Kronzeuge ist das christologisch späte Johannesevangelium, das von der gottmenschlichen Identität Jesu ausgeht und einen siegreich über die Erde schreitenden Gottessohn zeichnet. Es wird von Benedikt zeitlich möglichst nahe an den irdischen Jesus herangerückt, um aus ihm Worte und Verhalten des evangelische aspekte 1/2008 35 Spektrum Jesus der drei älteren Evangelien zu erklären. Theologisch sei “der Jesus des vierten Evangeliums und der Synoptiker ein und derselbe: der wahre ‘historische’ Jesus” und als solcher “eine historisch sinnvolle und stimmige Figur”. Darf man aber die Differenzen zwischen Johannes und den Synoptikern einfach vernachlässigen? Dass die Tempelreinigung bei Johannes am Anfang, bei den Synoptikern am Ende des Wirkens Jesu steht oder dass der johanneische Jesus schon vor dem Passahfest ein Abschiedsmahl mit den Jüngern feiert und anstelle der Eucharistie die Fußwaschung einsetzt, das ist doch für die Frage nach dem wahren historischen Jesus von einigem Gewicht. Der Jude Jesus verdeckt durch den Gottessohn nur von hinten schauen darf, sondern “aus dem Sehen des Vaters” und dem “immerwährenden Dialog” mit ihm spricht. Wenn aber Jesus mit der Ansage des Reiches Gottes nur sein eigenes christologisches Persongeheimnis verkündigt haben soll, wie Benedikt mit den Kirchenvätern annimmt, dann bleibt unausgesprochen, was den irdischen Jesus mit dem Judentum verbindet. So ist auch das Vaterunser in dem Buch nur als “Gebet des Herrn” im Blick; der Jude Jesus verschwindet hinter dem Gottessohn, der immer schon christologisch im Recht ist. Dem jüdischen Gesprächspartner gegenüber argumentiert das Buch nicht mit Gottes Handeln in Kreuz und Auferstehung, sondern mit einem geheimnisvollen Vorsprung der Person Jesu, der aus der Wesenseinheit mit Gott sprach und seine Hörer “nur langsam und allmählich” zu seiner seinsmäßigen Sohneswürde “hinführen konnte”. Das klingt, als seien die Juden an einem Erkenntnisproblem gescheitert. Ihre Zeichenforderung verkenne, dass “die höchsten Wahrheiten nicht in die gleiche empirische Evidenz gezwungen werden können, die eben nur dem Materiellen eigen ist”. Wird die theologische Perspektive des Johannes zum Ausgangspunkt gemacht, dann verliert die Frage, wie aus der Verkündigung des historischen Jesus der österlich Verkündigte wird, ihren theologischen Ort. Alle christologischen Einsichten werden in dem Jesus-Buch vordatiert. Damit droht minimiert zu werden, was Karfreitag und Ostern zu einem unerwarteten Novum hat werden lassen. Schriftauslegung und Kirche Ostern macht nur “erkennbar”, was schon vorher War nach Benedikts Darstellung die Christologie im Prinzip zu erkennen war. Die Auferstehung schon vor Ostern zu haben, so müssen auch das Pe“lehrt ein neues Sehen”, weckt “das Erinnern”, das trusbekenntnis oder die Verklärung Jesu nicht länEintreten in die innere Seite der Worte und der ger als Reflex des Osterglaubens aufgefasst werden. Geschehnisse im Leben Jesu. In der Verklärung werde “sichtbar, was im Reden Das hat Konsequenzen für den Dialog mit dem Jesu mit dem Vater geschieht: die innerste DurchJudentum. Positiv ist zu bewerten, dass Benedikts dringung seines Seins mit Gott, die reines Licht Darstellung Jesus nicht wie die ältere Forschung aus wird. In seinem Einssein mit dem dem Judentum herauslöst. Das JuVater ist Jesus selbst Licht vom desein Jesu ist für ihn aber nicht Licht. Was er zuinnerst ist und nur ein historisches, sondern ein Hängt unser Glaube was Petrus in seinem Bekenntnis theologisches Faktum. Die Menschan der Erlebnisfähigzu sagen versucht hatte – das werdung Gottes impliziert, dass es der Jünger? Hatkeit wird in diesem Augenblick auch Gottes Herrschaft nicht gibt ohne sinnlich wahrnehmbar: Jesu Sein Gottes Volk, nicht ohne die Kirche, ten sie gegenüber im Licht Gottes, sein eigenes in der sich der Dialog Gottes mit den Juden die besseLichtsein als Sohn”. Jesus wird seinem Volk fortsetzt. Insofern re Metaphysik mit zur Ikone, und die deutende Subkönne die Sohnesgemeinschaft jektivität, die ausgeschaltet werJesu mit dem Vater nichts dem größerer Transpaden sollte, kommt durch die HinJudentum Fremdes sein, sondern renz für das Götttertüre wieder herein: “In großen gehöre in die VerheißungsgeAugenblicken spürten die Jünger schichte Israels, die auf einen liche? erschüttert: Das ist Gott selbst”. ‘neuen Mose’ ziele, der Gott nicht 36 evangelische aspekte 1/2008 Spektrum Hängt unser Glaube an der Erlebnisfähigkeit der Jünger? Hatten sie gegenüber den Juden die bessere Metaphysik mit größerer Transparenz für das Göttliche? Das Problem verringert sich, wenn man mit Benedikt annimmt, dass sich in den Zwölfen bereits die Verankerung der Kirche und ihres Amtes im Dialog des Sohnes mit dem Vater darstellt: Sie seien gleichsam im betenden Umgang Jesu mit dem Vater gezeugt als diejenigen, die bei ihm sein müssen, damit sie ihn in seinem Einssein mit dem Vater erkennen und das österliche “Mein Herr und mein Gott” aussprechen, in das die Kirche in ihrer Geschichte immer neu hineinpilgert. In diesem Kirchenverständnis liegt eine erste ökumenische Herausforderung. Man wird zunächst der These zustimmen, dass sich die Wahrheit über Jesus nicht der historisch-kritischen Exegese erschließt. Ein wirkliches “Kennen” Jesu und damit “eine neue Erkenntnis Gottes” ergebe sich nur im Leben mit der Gemeinschaft, die mit Jesus unterwegs ist. Nicht die Professoren, sondern “die Heiligen sind die wahren Ausleger der Heiligen Schrift. Was ein Wort bedeutet, wird am meisten in jenen Menschen verständlich, die ganz davon ergriffen wurden und es gelebt haben”. Indirekt ist damit gesagt, dass nicht ein kritisches Schriftprinzip im Gegenüber zur Kirche, sondern eine mit der Kirche lebende geistliche Existenz den Buchstaben lebendig macht und die Kirche an ihre Sendung erinnert. Die evangelische Seite muss sich fragen lassen, ob sie dem Zusammenhang von Schriftverständnis und Kirche genügend Aufmerksamkeit schenkt. Die Betonung des kritischen Gegenübers der Schrift zur Kirche bleibt abstrakt, wenn unbedacht bleibt, dass das Wort, dessen Geschöpf die Kirche ist, hermeneutisch die Gemeinde voraussetzt, die ihm begegnet und sich ihm öffnet. Die Gegenfrage muss lauten, wie sich geistgewirkter Glaubenssinn und kirchliche Schriftauslegung im Konfliktfall zueinander verhalten. Wie kann die Schrift kritisches Gegenüber bleiben, wenn die Kirche sich als “das lebendige Subjekt der Schrift” versteht? Hier liegt eine unverzichtbare Funktion der historisch-kritischen Exegese. Auch wenn die johanneische Sicht auf Jesus kein “privates Erinnern, sondern Erinnern in und mit dem Wir der Kirche” sein mag, die das eigentliche “Subjekt des Erinnerns” darstelle, so muss doch die Exegese ein Einspruchsrecht haben. Als Anwalt der Texte – und ihrer Differenzen – ist der Exeget selbst Theologe und hält die Frage wach, wie weit die Kirche dem Ursprung treu geblieben und welche Akzente sie verdrängt hat. Denn mit der Offenbarung in der Geschichte setzt sich Gott nicht nur der prinzipiellen Missdeutbarkeit geschichtlicher Phänomene aus, sondern auch der Gefahr der Bemächtigung durch die Seinen, selbst da, wo sie ihn aufnehmen (Joh. 1, 11). Glaube und Vernunft Man hat das Buch mit einem Hochamt oder einer gotischen Kathedrale verglichen, wo alles theologisch zusammenstimmt. Für den, der sich in der Kathedrale befindet, mag die “innere Freundschaft mit Jesus” und die gläubige Gebetserfahrung einen Zugang zum “Sohnesdialog” Jesu mit dem Vater und zur eigenen Teilnahme an der Sohnesgemeinschaft mit dem Vater erschließen. Ihm mögen die Wundergeschichten wie glühende Glasfenster erscheinen, vor denen die Tatsachenfrage verstummen darf. Spektrum Schwierig wird es, wenn man aus der Kathedrale hinaus muss. Draußen sieht Benedikt den Geist der “neuzeitlichen Rebellion” am Werk, der auch die historisch-kritische Exegese gefährde und Gott aus dem Wirklichkeitsverständnis ausschließe. Diese Sicht auf Glauben und Vernunft ist eine weitere Herausforderung. Bereits exegetisch sind Zweifel geboten, wenn Benedikt sein Lieblingsthema der Vernunft ausgerechnet an den neutestamentlichen Erzählungen von den Dämonenaustreibungen Jesu festmacht und diese auf eine “Rationalisierung” der Welt deutet, die auf die Synthese von göttlichem Logos und griechischer Vernunft in seiner Regensburger Rede hinausläuft. Danach bleibe die Welt vernünftig verstehbar, solange eine “wirkliche Analogie” zwischen Gottes Schöpfergeist und geschaffener Vernunft nicht geleugnet werde, wie es leider im mittelalterlichen Nominalismus und dann in der Reformation der Fall gewesen sei. Die Synthese von göttlichem Logos und geschaffener Vernunft gilt im Jesus-Buch als Dr. Walter Schöpsdas “bisher Tragende”, aus dem dau ist Pfarrer der die Neuzeit ausgezogen sei, um Evangelischen Kirdas “Wesen” mit dem Schein zu che der Pfalz (Provertauschen. testantische LanÜber der Tatsache, dass die deskirche) und Regensburger Rede den Katholiwar von 1981 bis 2005 Wissenschaftzismus als Anwalt der Vernunft licher Referent für Moral- und präsentierte, wurde kaum bePastoraltheologie am Konfessionsmerkt, dass es die kosmische kundlichen Institut des EvangeliVernunft der vorkritischen Metaschen Bundes in Bensheim. physik ist, die zur natürlichen Im vergangenen Jahr hat er das Jesus-Buch Benedikts XVI. beim Partnerin des Christentums erEvangelischen Forum Westfalen vorklärt wird. Dass der Glaube geragestellt. de auf diese Rationalitätsform angewiesen sein soll, leuchtet aber im Blick auf anderes mögliches Vernunftdenken nicht ein; man denke an Kierkegaard oder Heidegger, der die Metaphysik auch im Namen eines göttlicheren Gottes kritisiert. Freilich musste die klassische Metaphysik, wenn sie die Vielheit der Welt auf das Eine als Weltgrund bezieht, für die christliche Gottesrede von höchstem Interesse sein. Die Artikulation des Glaubens im Medium des griechischen Logos ist für den Papst indessen nicht nur ein respektables Beispiel der jeder Epoche gestellten Vermittlungsaufgabe. Er sieht in ihr keinen Zufall, sondern einen Schritt in der Offenbarungsgeschichte unter Gottes Vorsehung. Nach reformatorischer Einsicht kann jedoch bei der Frage nach Glaube und Vernunft von der Stellung dessen 38 evangelische aspekte 1/2008 nicht abgesehen werden, der diese Vernunft betätigt. Im Blick auf Gott ist die Seins- und Erkenntnisfrage nicht in neutralem Bezugsrahmen zu thematisieren; ontologische und epistemologische Probleme sind im Horizont des Heilshandelns Gottes am Menschen zu bedenken und nicht umgekehrt. Benedikt sieht die Glaubensvermittlung an einer falschen philosophischen Weltsicht scheitern, weshalb das Lehramt auch für die rechte Philosophie Verantwortung tragen muss. Luthers Problem ist der Mensch, der als Sünder auch dann, wenn er von Gott redet, nicht wollen kann, dass Gott Gott sei. Platonische Weltskepsis und Seinsvertrauen Benedikt möchte uns zu Platonikern machen, die um die Logoshaftigkeit von Gott und Welt wissen. So kann er in seiner ersten Enzyklika sagen: “Die Liebe ist möglich, und wir können sie tun, weil wir nach Gottes Bild geschaffen sind”. Was die Liebe in der Welt gefährdet, ist lediglich die Unsichtbarkeit Gottes. “Können wir Gott überhaupt lieben, den wir nicht sehen?” Das Problem ist aus reformatorischer Sicht nicht die Not der Unsichtbarkeit Gottes, sondern unsere Gefangenschaft in Gottesfeindschaft und Egonzentriertheit. Die in dem Jesus-Buch durchschlagende Weltskepsis, die manche katholischen Kritiker an protestantische Sündentheologie gemahnt, dürfte auf das Konto dieses Platonismus gehen, der schon Ratzingers Einführung in das Christentum von 1968 durchzieht und unsere Situation im platonischen Höhlengleichnis beschrieben findet. Wie die jüdische Zeichenforderung die höchste Wahrheit in die empirische Evidenz des Materiellen zwingen möchte, so seien wir in einem Wirklichkeitsverständnis gefangen, in dem “Gott gar nicht durchscheinen” könne; wir hätten uns “ins Scheinbare, ins Vorläufige” verloren, um “nur die politischen und materiellen Realitäten als Wirklichkeit anzuerkennen und Gott als Illusion beiseite zu lassen”. Man fragt sich, wie bei solcher Verderbnis eine Umwendung möglich sein soll aufgrund der “Wahrheit unseres Seins”, kraft deren wir uns “trotz aller Verschmutzungen” auf den Weg machen könnten. Und man möchte wissen, wie der Papst sich eine Politik und eine Kultur vorstellt, in der Gott wieder vorkomme, und wie dabei einer politischen Instrumentalisierung Gottes oder klerikaler Bevormundung der Gesellschaft zu entgehen sein soll. ó