Dissertation Sonja Ries

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Untersuchung von zytotoxischem Effekt und Wirkmechanismus verschiedener
Nicht-nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitoren
Aus der Strahlenklinik der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Direktor: Prof. Dr. med. R. Fietkau
Der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr. med.
vorgelegt von
Sonja Eva-Maria Ries
aus Schrobenhausen
Als Dissertation genehmigt von der
Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
Vorsitzender des Promotionsorgans:
Prof. Dr. Dr. h.c. J. Schüttler
Gutachter:
PD Dr. L. Distel
Gutachter:
Prof. Dr. R. Fietkau
Tag der mündlichen Prüfung:
07. März 2016
Inhaltsverzeichnis
1
Zusammenfassung
1
1.1
Hintergrund und Ziele
1
1.2
Methoden
1
1.3
Ergebnisse und Beobachtungen
1
1.4
Praktische Schlussfolgerungen
2
2
Summary
3
2.1
Background and Purpose
3
2.2
Methods
3
2.3
Results
3
2.4
Conclusion
4
3
Einleitung
5
3.1
HIV – Die Entstehung einer Pandemie
5
3.2
Der Zusammenhang von AIDS, NNRTI und Krebs
8
3.3
NNRTI und das Cannabinoidsystem
9
3.4
p53, der Zellzyklus und Apoptose
11
3.5
Ziele und experimentelle Modelle
13
4
Material und Methoden
14
4.1
Zellkulturen
14
4.2
Medikamente
14
4.3
Flusszytometrische Messungen
15
4.3.1 Prinzip
15
4.3.2 Farbstoffe
15
4.4
4.3.2.1 Hoechst 33342 und der Zellzyklus
15
4.3.2.2 Annexin-V-APC/7AAD und Apoptose/Nekrose
16
4.3.3 Bearbeitung
17
4.3.4 Auswertung
17
Koloniebildungstests
19
4.4.1 Prinzip
19
4.4.2 Bearbeitung
20
4.4.3 Auswertung
20
4.5
Western Blot
20
4.5.1 Prinzip
20
4.5.2 Antikörper
22
4.5.3 Bearbeitung
22
4.5.3.1 Proteinisolierung
22
4.5.3.2 Proteinaufbereitung
26
4.5.3.3 Western Blot
27
4.5.3.4 Stripping
28
4.5.4 Auswertung
28
5
Ergebnisse
29
5.1
Flusszytometrische Messungen
29
5.1.1 Zelltod
29
5.1.2 Zellzyklus
32
5.2
Koloniebildungstests
38
5.3
Western Blot
40
6
Diskussion
45
6.1
NNRTI und Tumortoxizität
45
6.2
Ursachen des tumortoxischen Effekts der NNRTI
55
7
Anhang
63
7.1
Abkürzungsverzeichnis
63
7.2
Lösungen
65
7.2.1 Zellkulturen
65
7.2.2 Proteinisolierung
65
7.2.3 Western Blot
67
8
Literaturverzeichnis
68
9
Danksagung
81
10
Lebenslauf
82
1
1
Zusammenfassung
1.1
Hintergrund und Ziele
HIV-1-infizierte Patienten werden aus einer Kombination aus mindestens drei
antiretroviralen
Medikamenten
behandelt.
In
Verbindung
mit
dieser
Kombinationstherapie (HAART) konnte auch ein Rückgang von analen und
zervikalen Dysplasien bei HIV-Infizierten verzeichnet werden. Da ein tumortoxischer
Effekt des Nicht-nukleosidischen Reverse Transkriptase Inhibitors (NNRTI)
Efavirenz, der ein häufiger Bestandteil der HAART ist, in vitro bereits nachgewiesen
wurde, lässt dies Grund zur Annahme, dass diese Wirkstoffe ursächlich für die
Rückbildung der Präkanzerosen sind. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die
sechs verschiedenen NNRTI einen zytotoxischen Effekt bei Tumorzellen in vitro
aufweisen. Außerdem ist es Ziel dieser Arbeit, den Wirkmechanismus zu
analysieren, der für die antineoplastische Wirkung verantwortlich ist.
1.2
Methoden
Innerhalb der Medikamentengruppe der NNRTI wurde der zytotoxische Effekt der
Wirkstoffe Efavirenz (EFV), Nevirapin (NVP), Rilpivirin (RPV), Etravirin (ETR),
Delavirdin (DLV) und Lersivirin (LSV) auf die Pankreastumorzelllinie BxPC-3 anhand
flusszytometrischer Messungen
untersucht. Durch
Färbung mit Annexin-V-
APC/7AAD und Hoechst 33342 wurden hierbei Informationen hinsichtlich Apoptose,
Nekrose
und
Zellzyklusphasen
gewonnen.
Anschließend
wurden
Koloniebildungstests für Efavirenz und Rilpivirin durchgeführt, um die Ergebnisse
der flusszytometrischen Messungen zu verifizieren. Mithilfe von Western Blots sollte
der Wirkmechanismus der NNRTI weiter erforscht werden. Hierfür wurden
Pankreastumorzellen (BxPC-3) sowie Glioblastomazellen (T98G), die zuvor mit
Efavirenz behandelt wurden, verwendet. Beurteilt wurde die Phosphorylierung der
Wachstumsfaktoren Erk und Akt sowie des Tumorsupressorproteins p53.
1.3
Ergebnisse und Beobachtungen
Alle untersuchten NNRTI zeigten in den flusszytometrischen Messungen eine
dosisabhängige Zunahme der Summe apoptotischer und nekrotischer Zellen. Die
EC50 der verschiedenen Wirkstoffe betrug: EFV: 31,5mol/l, NVP: 239mol/l, ETR:
89,0mol/l, RPV: 24,4mol/l, LSV: 543mol/l und DLV 171mol/l. Somit war die
antineoplastische Wirkung bei EFV und RPV im Vergleich zu den anderen NNRTI
bei den niedrigsten Dosierungen nachweisbar. Durch die flusszytometrischen
Messungen konnte eine Differenzierung zwischen Apoptose und Nekrose erfolgen.
2
Der Anteil der apoptotischen Zellen nahm mit steigender Dosis zunächst zu. Bei
Erreichen deutlich zytotoxischer Konzentrationen dominierte der Anteil nekrotischer
Zellen.
In den Koloniebildungstests betrug die EC50 der Überlebensratio für EFV 40M und
für RPV 16M und die EC50 der Kolonieflächen 28M für EFV und 12M für RPV.
Mithilfe der flusszytometrischen Messungen konnte außerdem der Einfluss der
Medikamente auf den Zellzyklus dargestellt werden, wobei sich mit steigender Dosis
zunächst eine Zunahme der Zellen in der G1/G0-Phase mit gleichzeitiger Reduktion
der S- und G2/M-Phase manifestierte. Für EFV bewirkte die Dosis 20M einen
Anstieg von G1/G0 um 14%, bei gleichzeitigem Rückgang der S-Phase um 12%
und der G2-Phase um 2%. Am deutlichsten war dieses Ergebnis bei ETR in der
Dosis 10M mit einem Zuwachs von G1/G0 um 21% und Abnahme der S-Phase um
11% sowie G2 um 10%. Eine weitere Erhöhung der Dosis ließ den Anteil der Zellen
in subG1- Phase deutlich ansteigen. In den Western Blots führte EFV zu einer
leichten Abnahme der Bandenfärbung von pAkt-308 bei BxPC-3. Die restlichen
Phosphorylierungsstellen von Akt und Erk bei BxPC-3 und T98G wurden nicht
beeinflusst. Außerdem verursachte EFV eine gesteigerte Phosphorylierung des
Tumorsuppressorproteins p53 in T98G-Zellen.
1.4
Praktische Schlussfolgerungen
Aufgrund der Tatsache, dass NNRTI bereits bei niedrigen Konzentrationen zu einem
beträchtlichen Absterben von Tumorzellen führen, wäre ein Einsatz dieser
Medikamentengruppe
in
der
Tumortherapie
durchaus
denkbar.
Besonders
Efavirenz, das auch bei Patienten relativ hohe Blutspiegel erreicht, wäre prinzipiell
gut geeignet. Die Aktivitätsabnahme von Akt in BxPC-3 sowie die gesteigerte
Phosphorylierung von p53, die eine Aktivierung des Tumorsuppressorgens bewirkt,
unterstützen die Beobachtung, dass Efavirenz antineoplastisch wirkt. Allerdings
muss
hierbei
berücksichtigt
werden,
dass
die
experimentell
ermittelten
zytotoxischen Dosierungen der übrigen NNRTI über den momentan zugelassenen
bzw. empfohlenen Dosierungen in der HIV/AIDS-Therapie liegen. Diese Ergebnisse
unterstützen den Einsatz von Efavirenz zur Tumortherapie innerhalb klinischer
Studien.
3
2
Summary
2.1
Background and Purpose
The treatment of HIV-infected patients consists of a combination of at least three
antiretroviral drugs. This combination of drugs (HAART) seems to be associated
with a decline of anal and cervical dysplasia in HIV-1-infected patients. As an
antitumorigenic effect of Nonnucleoside Reverse Transcriptase Inhibitors (NNRTI)
like Efavirenz has already been demonstrated in vitro, one might conclude that
NNRTIs are responsible for these effects. In the following, the cytotoxic effect of
Efavirenz and five other NNRTIs will be studied. Furthermore, the mechanism of the
antineoplastic effect of this drug will be investigated.
2.2
Methods
The NNRTIs Efavirenz (EFV), Nevirapine (NVP), Rilpivirine (RPV), Etravirine (ETR),
Delavirdine (DLV) and Lersivirine (LSV) were studied. A pancreatic cancer cell line
(BxPC-3) was treated with these drugs and cell death was evaluated with flow
cytometry. Annexin-V-APC/7AAD and Hoechst provided insight into apoptosis,
necrosis and cell cycle distribution. Furthermore, colonogenic assays were carried
out with Efavirenz and Rilpivirine in order to confirm the results of the flow cytometric
analyses. The mechanism of action was examined with Western Blots. The
pancreatic cancer cell line BxPC-3 and the glioblastoma cell line T98G, which had
previously been treated with Efavirenz, were used. The phosphorylation of the
growth factors Akt and Erk and the tumor suppressor protein p53 was studied.
2.3
Results
A remarkable cytotoxic effect on tumor cells was demonstrated by flow cytometry for
every NNRTI mentioned above. The percentage of dead cells increased with
increasing doses of the drugs. The EC50 of the different NNRTIs were: EFV:
31,5mol/l, NVP: 239mol/l, ETR: 89,0mol/l, RPV: 24,4mol/l, LSV: 543mol/l and
DLV 171mol/l. So, Efavirenz and Rilpivirine were cytotoxic at the lowest
concentrations compared to the other NNRTIs. In the colonogenic assays the EC50
of the survival fraction was 40M for EFV and 16M for RPV and the EC50 of the
colony area was 28M for EFV and 12M for RPV. When cell death was
distinguished between apoptosis and necrosis, the apoptotic fraction of cells
increased with rising drug doses. As soon as definite cytotoxic doses were reached,
the necrotic fraction dominated.
4
Moreover, flow cytometry provided information on the influence of NNRTIs on the
cell cycle. Initially, the fraction of cells in G1/G0-phase grew with increased doses,
while the percentage of cells in S- and G2/M-phase decreased. 20M EFV led to an
increase of G1/G0 by 14%, and a decrease of S-Phase by 12% and G2-phase by
2%. 10M ETR caused an increase of G1/G0 by 21% and a decrease of S-Phase
by 11% and G2 by 10%, which is the most significant result of this test series.
Further escalation of drug doses led to an aggregation of cells in subG1-phase.
Western Blot analyses indicated a reduced the phosphorylation of pAkt-308 in
BxPC-3 after Efavirenz treatment. However, EFV did not influence other
phosphorylation sites of the growth factors Erk and Akt in BxPC-3 and T98G.
Furthermore, it increased phosphorylation of the tumor suppressor protein p53 in
glioblastoma cells.
2.4
Conclusion
Taking into account that NNRTIs lead to a remarkable cell death of tumor cells, it
might be possible to use them as chemotherapeutic drugs against cancer. The
decreased activation of growth factor Akt in BxPC-3 and increased phosphorylation
of p53, which causes an activation of the tumor suppressor protein, maintains the
observation that Efavirenz is toxic against cancer cells. Nevertheless, one has to
consider that the cytotoxic doses, which were experimentally determined, are often
higher than drug levels of NNRTIs in HIV/AIDS- therapy. Only the EC50 of EFV was
close to the drug levels in HIV-infected patients. An escalation of doses might lead
to a higher rate of adverse events. So it seems rather improbable to use the other
NNRTIs as chemotherapeutic drugs. The treatment of cancer with Efavirenz and a
possible dose escalation should be studied in clinical trials.
5
3
Einleitung
3.1
HIV – Die Entstehung einer Pandemie
Die Geschichte von HIV/AIDS begann offiziell im Frühjahr 1981, als Michael Gottlieb
einen Bericht über vier junge homosexuelle Männer veröffentlichte. Jeder einzelne
von ihnen wurde aufgrund einer Pneumocystis carinii Pneumonie (PCP) in
Kalifornien behandelt. Der Ausbruch dieser seltenen opportunistischen Infektion
setzt ein stark geschwächtes Immunsystem voraus und in der Tat wurde bei den
betroffenen Männern eine erniedrigte Anzahl an T-Zellen festgestellt (Gottlieb et al.
1981). Im Laufe der folgenden Monate wurden weitere Fälle von PCP und anderen
opportunistischen Infektionen sowie das Auftreten von Kaposi Sarkomen bei
homosexuellen Männern beobachtet. Schnell wurde eine sexuell übertragbare
Infektion hinter der rätselhaften Krankheit vermutet, die bald als AIDS, das Aquired
Immunodeficiency Syndrome, bezeichnet wurde. Das infektiöse Agens blieb jedoch
weiterhin namenlos. Erst im Jahre 1983 konnte die Arbeitsgruppe um Luc
Montagnier den Erreger als Retrovirus identifizieren, das im Folgenden als HIV, also
als Human Immunodeficiency Virus, Medizingeschichte schrieb (Barré-Sinoussi et
al. 1983). 1984 wurde die Verbindung von HIV und AIDS durch Nachweis der Viren
in AIDS-Patienten und durch einen Bluttest für HIV-Antikörper bestätigt, der ab 1985
in Transfusionszentren verfügbar war (Gallo et Montagnier, 2003). Weshalb diese
Krankheit so plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte, wird bis heute kontrovers
diskutiert. Die meistvertretene Theorie ist, dass Lentiviren afrikanischer Affen durch
infektiöses Blut auf den Menschen übertragen wurden und die heute bekannten
HIV-Stämme Ergebnis zahlreicher unterschiedlicher Mutationen sind, die sich erst
aufgrund soziokultureller Änderungen und unsteriler Impfkampagnen im Zuge der
Kolonisierung und Urbanisierung des 20. Jahrhunderts rasch und in gigantischem
Ausmaß verbreiten konnten (Chitnis et al. 2000, Sharp et al. 2010). Seitdem wuchs
die Epidemie unaufhaltsam zur Pandemie mit momentan 34 Millionen HIV Infizierten
weltweit. Seit dem ersten Auftreten des Virus vor mehr als 30 Jahren starben etwa
35 Millionen Menschen an AIDS (WHO, 2013). Der Großteil dieser Infektionen
betrifft ärmere Länder, vor allem Asien und die Länder Afrikas südlich der Sahara;
dies hatte weitreichende Folgen: die natürliche Bevölkerungsstruktur wurde stark
verzerrt, Millionen von Waisen sowie auch das wirtschaftliche Wachstum leiden bis
heute deutlich unter der Tatsache, dass unzählige Erwachsene in ihren Funktionen
als Erzieher und Erwerbstätige der Krankheit zum Opfer fielen. Allerdings lässt sich
im Laufe des letzten Jahrzehnts ein Rückgang an AIDS bedingten Todesfällen
verzeichnen, was neben einer sinkenden HIV-Inzidenz besonders den Erfolgen und
6
der erhöhten Verfügbarkeit der antiretroviralen Therapie zugeschrieben wird
(UNAIDS, 2012).
Der Goldstandard in der Behandlung von HIV ist heute die Highly Active
Antiretroviral Therapy, bekannt unter dem Akronym HAART. Diese umfasst eine
Kombination aus mindestens drei antiretroviralen Wirkstoffen.
Seit dem Auftreten des HI-Virus im Jahre 1981 wurden zahlreiche Wirkstoffe aus
insgesamt sechs Medikamentenklassen entwickelt; zwei davon greifen direkt an der
Reverse Transkriptase (RT) an. Dieses Enzym katalysiert die Umschreibung der
viralen genomischen RNA in eine DNA-Kopie, die anschließend in das menschliche
Genom der infizierten Zelle integriert wird. Das erste Präparat, das bereits 1985
entwickelt und 1987 zur HIV-Therapie zugelassen wurde, war Zidovudin (AZT). Es
ist ein Vertreter der Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI).
Diese Nucleosid-Analoga sind Prodrugs, die nach intrazellulärer dreifacher
Phosphorylierung von der RT als alternative Substrate anstatt physiologischer
Nukleoside in die DNA integriert werden. Diese „falschen Bausteine“ hemmen
kompetitiv durch Kettenabbruch des wachsenden DNA-Stranges die weitere
Polymerisation und somit Virusreplikation. Zusätzlich werden auf diese Weise
jedoch auch menschliche Polymerasen gehemmt, was Nebenwirkungen zur Folge
hat. Eng verwandt mit den NRTI ist die Gruppe der Nukleotidischen Reverse
Transkriptase- Inhibitoren (NtRTI), die einen Phosphorsäurerest besitzen, demnach
ihre Wirkung bereits nach zwei intrazellulären Phosphorylierungen entfalten können.
Der Wirkmechanismus der Nicht-Nukleosidischen Reverse Transkriptase-Inhibitoren
beruht auf der direkten, nicht-kompetitiven Bindung an die RT nahe der
Substratbindungsstelle, was zur spezifischen Blockade der katalytischen Aktivität
des viruseigenen Enzyms führt (De Clercq 2009).
Die ersten Vertreter dieser
Gruppe und damit erste Generation der NNRTI waren Nevirapin (Viramune),
Delavirdin (Rescriptor) und Efavirenz (Sustiva, Stocrin), die jeweils 1996, 1997 und
1998 zugelassen wurden. Allerdings sind diese Medikamente sehr anfällig für
Resistenzen, die bereits durch einzelne Punktmutationen ausgelöst werden können
und schließlich in Kreuzresistenzen der NNRTI untereinander resultieren. Aus
diesem Grund wurden die NNRTI der zweiten Generation entwickelt, die die RT auf
eine neuartige Weise binden, robuster gegen die Entwicklung von Resistenzen sind
und durch die herkömmlichen Mutationen in ihrer Aktivität meist unbeeinträchtigt
bleiben. Hierzu zählen Etravirin (TMC125, Intelence), Rilpivirin (TMC278) sowie
Lersivirin (Corbau et al. 2010, Goebel et al. 2006, Schiller et al. 2009, Vingerhoets
et al. 2005).
7
Außerdem werden in der HIV-Therapie Proteaseinhibitoren eingesetzt, die als
Peptidanaloga kompetitiv an das aktive Zentrum des Enzyms binden. Durch die
Blockade der viruscodierten Protease können nun virale Polypeptidketten nicht
mehr gespalten werden, sodass der Reifungsprozess und somit die Bildung neuer
infektiöser Viruspartikel unterbunden wird. Proteaseinhibitoren wie Saquinavir sind
ein sinnvoller Kombinationspartner für Nukleoside, weil sie die Virusvermehrung
über einen anderen Mechanismus hemmen.
Eine neuere Therapieoption stellt der Fusionsinhibitor Enfuvirtide dar, der durch
Interaktion mit dem viralen Glykoprotein gp41 die Fusion des HIV Virions mit der
äußeren Zellmembran der Wirtszelle und dadurch deren Neuinfektion verhindert.
Zusätzliche Möglichkeiten sind Integraseinhibitoren, die den Einbau der von der RT
produzierten viralen DNA in das Genom der Wirtszelle unterbinden, und KorezeptorAntagonisten wie Maraviroc, der im Gegensatz zu allen anderen genannten
Substanzklassen kein virales Enzym, sondern einen humanen Rezeptor blockiert,
der bei einem Großteil der HI-Viren für den Eintritt des Virus in die Zielzelle benötigt
wird (Björndal et al. 1997).
Das gegenwärtig empfohlene Therapieschema der HAART besteht aus zwei
nukleosidischen RTI in Verbindung mit einem nicht-nukleosidischen RTI oder einem
Proteaseinhibitor (Hammer et al. 2008).
Durch diese Fortschritte wird HIV-Patienten, die durch eine Langzeittherapie CD4Spiegel von mehr als 500 Zellen/ml erreichen, eine annähernd normale
Lebenserwartung ermöglicht (Lewden et al. 2007). Aufgrund von Nebenwirkungen,
Entwicklung von Resistenzen und Kosten der HAART wird die Suche nach einer
vollständigen Heilung fortgesetzt. Diese blieb bislang allerdings erfolglos, da zum
einen das Virus nach Integration ins menschliche Genom in einem latenten Zustand
persistieren kann, hierbei also nicht angreifbar ist und zum anderen durch eine
beispiellose Vielzahl immer neuer Mutationen eine extrem hohe Variabilität vorliegt.
Auch die Entwicklung eines Impfstoffs scheint nach unzähligen vergeblichen
Anläufen noch in weiter Ferne zu liegen (Finzi et al. 1999, Fauci 2008, Cohen 2013).
8
3.2
Der Zusammenhang von AIDS, NNRTI und Krebs
Rund 30 Jahre sind seit der Ausbreitung von HIV/AIDS vergangen, etwa 17 Jahre
seit mit HAART 1997 erstmals eine erfolgreiche Kombinationstherapie im Kampf
gegen das Virus eingesetzt werden konnte. Der Erfolg zeichnete sich schnell ab, als
sowohl die Zahl der Sterbefälle an AIDS, als auch das Auftreten AIDS definierender
Erkrankungen drastisch sank. Gleichzeitig stieg jedoch die Zahl anderer
Todesursachen, die nicht direkt durch AIDS bedingt waren, an (Bonnet et al. 2009,
Deeken et al. 2012). Nach wie vor ist das Risiko an Krebs zu erkranken für HIVInfizierte im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung auffällig erhöht und beträgt 30 bis
40% (Burgi et al. 2005, Bonnet et al. 2009). Verantwortlich sind hierfür vermutlich
das
chronisch
geschwächte
Immunsystem
mit
stark
verminderter
CD4-
Konzentration und die bei HIV-Infizierten häufig vorliegenden Koinfektionen mit
onkogenen Viren. Hierzu zählen unter anderem das Ebstein-Barr-Virus (EBV), das
Humane Herpesvirus 8 (HHV 8) und das Humane Papilloma Virus (HPV). 1993
wurden Non-Hodgkin-Lymphome, Kaposi-Sarkome und Zervixkarzinome aufgrund
des charakterisitischen Auftretens bei HIV-Infizierten als die AIDS-definierenden
Krebserkrankungen klasszifiziert, welche häufig durch die soeben genannten Viren
verursacht werden (Centers for Disease Control and Prevention 1992). Seit Beginn
der HAART-Ära konnte ein deutlicher Rückgang dieser Erkrankungen verzeichnet
werden (Nasti et al. 2003, Firnhaber et al. 2012, Memiah et al. 2012). Allerdings
wurde in den folgenden Jahren eine erhöhte Prävalenz anderer Tumore bei HIVPatienten nachgewiesen, die in zunehmender Zahl zum Tode führten (Franzetti et
al. 2013). Interessant ist aber, dass bei Patienten mit konsequent durchgeführter
HAART das Risiko, eine maligne Neoplasie zu entwickeln, deutlich verringert war
(Burgi et al. 2009, Grulich 2009). Dies steht in Einklang mit den Beobachtungen
zahlreicher Studien, besonders im Hinblick auf HPV. Demnach wurde eine HPVInfektion bei Männern und Frauen unter HAART deutlich seltener festgestellt als bei
Patienten, die diese Behandlung nicht erhielten. Dies gilt ebenso für die von HPV
induzierten Karzinome: bei homosexuellen Männern wurden wesentlich seltener
anale Neoplasien registriert (van der Snoek et al. 2012, Memiah et al. 2012). Auch
HIV-infizierte Frauen wiesen neben einer verminderten Inzidenz und Progression
von zervikalen Zellatypien sogar eine Rückbildung von präkanzerösen Läsionen im
Zervixepithel auf (Adler et al. 2012, Omar et al. 2011). Des Weiteren liegen Berichte
über Patienten vor, die durch alleinige HAART eine Remission sowohl bei Non
Hodgkin Lymphomen als auch bei Kaposi Sarkomen erfuhren (Girard et al. 2005,
Baraboutis et al. 2009, Murdaca et al 2002).
9
Diese Entwicklungen mögen ihren Ursprung zum Teil in der Wiederherstellung eines
intakten Immunsystems haben, welches der Entstehung maligner Neoplasien
entgegenwirkt. Nach neuesten Erkenntnissen scheint es jedoch plausibel, dass eine
bestimmte Komponente der HAART einen tumortoxischen Effekt ausübt und
dadurch die Proliferation neoplastischer Zellen hemmt. Möglicherweise sind die
Wirkstoffe der Nicht-Nukleosidischen Reverse- Transkriptase- Inhibitoren für diese
Beobachtung verantwortlich. So konnte bisher sowohl für Nevirapin als auch für
Efavirenz ein zytotoxischer Effekt auf Tumorzellen in vitro nachgewiesen werden
(Mangiacasale et al. 2003, Apostolova et al. 2010, Hecht et al. 2013). Interessant ist
nun herauszufinden, ob diese Medikamente und vielleicht sogar die gesamte
Substanzgruppe der NNRTI aufgrund ihres antineoplastischen Potenzials auch in
der Tumortherapie eingesetzt werden könnten.
3.3
NNRTI und das Cannabinoidsystem
Doch wodurch ist nun die tumortoxische Wirkung von Nevirapin und Efavirenz zu
erklären? Schon lange ist bekannt, dass HIV-Patienten, die mit Efavirenz behandelt
werden, ein falsch-positives Testergebnis hinsichtlich Tetrahydrocannabinol (THC)
aufweisen können (La Porte et al. 2006, Rossi et al. 2006, Röder et al. 2007). THC
ist natürlicher Bestandteil der Cannabis Pflanze und hauptverantwortlich für deren
psychoaktive Wirkung. Daneben gibt es auch körpereigene Endocannabinoide, die
wie THC über CB1 und CB2 Rezeptoren ihre Wirkung entfalten. Schon im Jahre
1975 wurde von Munson et al. entdeckt, dass Cannabinoide tumortoxische
Eigenschaften besitzen. In dieser Studie zeigte sich, dass THC das Wachstum von
Lungenkarzinomzelllinien in vitro und ebenfalls im Tiermodell in vivo inhibierte
(Munson et al. 1975). Seitdem wurde dieser antiproliferative und pro-apoptotische
Effekt wiederholt anhand zahlreicher verschiedener Tumorarten sowohl in vitro als
auch im Mausmodell bestätigt und die Mechanismen hinter dieser Beobachtung in
vielen präklinischen Studien untersucht (Carracedo et al. 2006, Sanchez et al. 2001,
Cianchi et al. 2008, Casanova et al. 2003).
Die Überlegung der vorliegenden Arbeit ist, dass der antineoplastische Effekt von
Efavirenz mit den Signalkaskaden des Cannabinoidsystems möglicherweise in
direktem Zusammenhang steht.
Auf welchem biochemischen Mechanismus genau die zytotoxische Wirkung der
Cannabinoide beruht, ist bislang nicht bekannt. Das Netz aus Signalwegen im
Cannabinoidsystem ist komplex, sodass mehrere Varianten denkbar scheinen.
Folgende Abbildung bietet einen Überblick:
10
Abb.
1:
Verschiedene
Signalwege
des
antineoplastischen
Effekts
von
Cannabinoidagonisten. Pisanti et al. 2013
Heute weiß man, dass Cannabinoide in der Lage sind, die Zellproliferation zu
hemmen, Zelltod durch Apoptose zu induzieren sowie auch die Angiogenese und
Metastasierung von Tumoren zu verhindern. Mögliche Ursachen hierfür sind unter
anderem die Induktion der de novo-Synthese des pro-apoptotischen Sphingolipids
Ceramid unter Einfluss von TNF-, die Aktivierung von Kaspasen durch den
p38MAPK (mitogen-activated protein kinase) Signalweg, die Beeinflussung
gewisser Gene durch Stress auf das Endoplasmatische Retikulum, die Modulation
mitochondrialer Membranpotenziale im Sinne einer Depolarisation oder auch die
Hemmung bestimmter Wachstumsfaktoren wie Erk und Akt durch Verhinderung
ihrer Phosphorylierung, was einen Zellzyklusarrest zur Folge hat und somit das
Wachstum von Tumorzellen hemmt (Calvaruso et al. 2012, Cianchi et al. 2008,
Hermanson et al. 2011, Pisanti et al. 2009, Pisanti et al.
2013). Auch das
Tumorsuppressorprotein p53, das sowohl einen Zellzyklus-Arrest als auch Apoptose
direkt bewirken kann und somit als „Wächter des Genoms“ eine essenzielle
Schutzfunktion gegen Tumorwachstum erfüllt,
wird durch die Signalwege des
Cannabinoidsystems beeinflusst (Brown et al. 2013). So wurde gezeigt, dass durch
den Cannabinoid-Agonisten WIN-55,212-2 die Protein Expression von p53
hochreguliert wird. Dies wirkt nun unter anderem auf den Wachstumsfaktor Akt: p53
11
kann über die Lipid-Phosphatase PTEN die PI3 Kinase durch Dephosphorylierung
inaktivieren. Dadurch wird schließlich der Wachstumsfaktor Akt gehemmt, welcher
für das zelluläre Überleben eine wichtige Funktion übernimmt (Fridman et al. 2003,
Sarfaraz et al. 2006).
3.4
p53, der Zellzyklus und Apoptose
Da einige der oben genannten Signalkaskaden den Zellzyklus beeinflussen, wurde
in
der
vorliegenden
Arbeit
auch
ein
besonderes
Augenmerk
auf
die
Zellzyklusphasen gelegt, die nach einem festen und periodischen Schema
durchlaufen werden: auf die Mitose folgt die G1-Phase, anschließend die S-Phase
und danach die G2-Phase. Am Ende der G2-Phase beginnt wieder die Mitose, in
der die Zellteilung vollzogen wird. Die G1-Phase umfasst das Wachstum der Zelle
sowie die gesteigerte Proteinsynthese. Von hier aus können Zellen in die G0-Phase
übergehen, in der die Zelle ruht und keine Syntheseleistung wahrnimmt. Werden
entsprechende Signale übermittelt, erfolgt der Übergang von der G0- in die G1Phase, sodass die Zelle wieder aktiv am Zellzyklus teilnimmt und in die S-Phase
übergehen kann. Diese dient zur Replikation der DNA indem die Chromatiden
verdoppelt werden. In der G2- Phase liegt somit der doppelte DNA-Gehalt vor. Die
Zelle wächst, bildet Organellen und bereitet sich auf diese Weise auf die Mitose vor.
Damit die Stabilität dieser Reihenfolge und der korrekte Ablauf jeder einzelnen
Phase gewährleistet werden kann, sind zwischen die einzelnen Abschnitte
insgesamt zwei Kontrollpunkte eingebaut, die die Progression des Zellzyklus
steuern. Diese Kontrollpunkte liegen an der G1/S Grenze und an der G2/M Grenze.
Ein Kontrollpunkt ist ein biochemisches Signalübertragungssystem, das eine
Verbindung von zwei verschiedenen Prozessen bewirkt, die andernfalls voneinander
biochemisch unabhängig wären (Elledge et al. 1996). Sind die Bedingungen für
einen erfolgreichen Durchlauf des Zellzyklus, zum Beispiel bei DNA-Schäden, nicht
gegeben, können diese Kontrollstationen die weitere Progression und damit
Replikation fehlerhafter Zellen verhindern oder auch das Überleben der Zelle bei
widrigen
Bedingungen
sichern.
Wie
außerordentlich
wichtig
das
perfekte
Funktionieren der Kontrollpunkte ist, wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass
ein Schaden in diesem System in genetischer Instabilität resultiert, woraus sich eine
maligne Neoplasie entwickeln kann (Hartwell et al. 1994). Jeder der zwei
Kontrollpunkte wird durch ein komplexes Netzwerk an Signalwegen kontrolliert,
deren Herzstück die Cyclin-dependent Protein Kinasen (Cdks) und die Cycline sind,
welche mit den Cdks aktive Enzymkomplexe bilden. Werden die Cdks inaktiviert,
arretiert der Zellzyklus an der jeweils spezifischen Stelle. Zahlreiche zelluläre
12
Prozesse sind mittlerweile bekannt, welche die Cdks und Cycline in ihrer Aktivität
beeinflussen.
Eine zentrale Rolle in der Regulation des Zellzyklus hat das Protein p53. p53 wird
durch verschiedene Trigger aktiviert. Dazu zählen allen voran eine Schädigung der
DNA, aber auch Hypoxie oder fehlerhafte Onkogen-Expression. Folgen einer
Aktivierung von p53 sind Induktion von Zellzyklusarrest, von DNA-Reparatur sowie
von Apoptose. Hierbei kann p53 auch die oben genannten Kontrollpunkte steuern
(Fridman et al. 2003). Während des Zellzyklus wird p53 durch zahlreiche Faktoren
blockiert und ist in gesunden Zellen kaum nachweisbar. Besonders wichtig für die
Hemmung von p53 ist das Protein MDM2, welches sich hierzu verschiedener
Mechanismen, darunter Ubiquitinierung, bedient (Balint et al. 2001). Sollte ein
Schaden in der
DNA entstehen,
zum
Beispiel durch Einfluss toxischer
Medikamente, wird MDM2 durch Phosphorylierung inaktiviert, sodass die Spiegel
von p53 im Zellkern nun rapide ansteigen und das Protein seine Wirkung entfalten
kann (Goldman et al. 1996, Shaulsky et al. 1990). Diese besteht unter anderem aus
der Induktion von p21, mit dessen Hilfe durch Hemmung der Cdks der Zellzyklus in
der G1/G0- Phase angehalten wird (Oren et al. 1985, Vermeulen et al 2003,
Wawryk-Gawda et al. 2013). Aufgrund dieser Beobachtung erhielt p53 den
Beinamen „Wächter des Genoms“ (Fridman et al. 2003). Allerdings ist p53 in einen
weiteren zellulären Prozess involviert, nämlich in die Initiierung der Apoptose. Um
dies zu erreichen, hemmt p53 über verschiedene biochemische Mechanismen antiapoptotische Faktoren wie Bcl-2 und aktiviert gleichzeitig
pro-apoptotische
Proteine. Diese bewirken einen Verlust des mitochondrialen Membranpotenzials
und der Freisetzung von Cytochrom c (Balint et al. 2001). Dadurch wird nun eine
selbstverstärkende Signalkaskade von Caspasen induziert, die als CysteinProteasen für die Zelle essenzielle Proteine spalten und auf diese Weise schließlich
zur Apoptose führen. Typische Kennzeichen der Apoptose sind die Kondensierung
der Zelle und ihres Kerns, ein Zusammenbruch der Membranasymmetrie mit
Auftreten von Phosphatidylserin auf der Außenseite der Zellmembran, die spezielle
Fragmentierung der DNA sowie die schnelle Phagozytose der membranumhüllten
apoptotischen Körperchen, die sich aus der degenerierenden Zelle abkapseln
(Saraste et al. 2000).
Etwa 50% aller malignen Tumore weisen Mutationen in p53 auf, sodass dieses Gen
als der in menschlichen Karzinomen am häufigsten mutierte Tumorsuppressor gilt
(Elledge 1996, Novak et al. 2002). Neben Mutationen kann p53 in seiner
Wildtypform durch die Genprodukte bestimmter kanzerogener Viren, wie etwa durch
das Onkoprotein E6 von HPV inaktiviert werden (Hartwell et al. 1994, Vermeulen et
13
al. 2003, Kessis et al. 1993). Als Folge können sich die entarteten Zellen
unkontrolliert, unter ständiger Ausbildung neuer Mutationen, replizieren. Demnach
ist eine Aktivierung und ein perfektes Funktionieren von p53 eine bedeutende
Voraussetzung, um Tumorentstehung und –wachstum zu verhindern. Deshalb bietet
p53 und die Manipulation seines Netzwerkes einen Ausgangspunkt für die
Identifizierung von Strategien bezüglich der Behandlung von Krebs.
3.5
Ziele und experimentelle Modelle
Nachdem
in der Vergangenheit in vitro nachgewiesen werden konnte, dass
Nevirapin und Efavirenz das Wachstum von Tumorzellen selektiv hemmen und auch
in vivo bei HIV-Infizierten unter HAART (highly active antiretroviral therapy) bei
bestimmten Krebserkrankungen ein Rückgang verzeichnet werden konnte, war es
Ziel der vorliegenden Arbeit, nun die gesamte Gruppe der Nicht-Nukleosidischen
Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) hinsichtlich dieser Beobachtung zu
untersuchen. Denn sollte sich der zytotoxische Effekt als relevant erweisen, wäre
der
zukünftige
Einsatz
dieser
Medikamente
in
entsprechend
adaptierten
Konzentrationen als potenzielle Tumortherapeutika denkbar.
Gearbeitet wurde mit den Wirkstoffen Efavirenz (EFV), Nevirapin (NVP), Delavirdin
(DLV), Etravirin (ETR), Rilpivirin (RPV) und Lersivirin (LSV). Um die zytotoxische
Wirkung dieser sechs Substanzen zu veranschaulichen, erfolgten zunächst
flusszytometrische Messungen, mit deren Hilfe eine genaue Differenzierung
zwischen lebenden Tumorzellen, Apoptose und Nekrose erfolgte.
Außerdem konnte durch die FACS-Analysen demonstriert werden, auf welche
Weise die Verteilung der einzelnen Zellzyklusphasen durch die NNRTI beeinflusst
wurde.
Koloniebildungstests sollten anschließend als Ergänzung zur Flusszytometrie die
tumortoxische Wirkung reproduzieren.
Zuletzt wurde die Western Blot Methode angewandt, um den biochemischen
Wirkmechanismus der NNRTI zu erschließen. Auf diese Weise konnte der Einfluss
von Efavirenz auf die Phosphorylierung und folglich auf den Aktivierungsstatus der
Wachstumsfaktoren Akt (Protein Kinase B) und Erk (extracellular signal regulated
kinase) überprüft werden. Schließlich wurde das Tumorsuppressorprotein
p53
mithilfe der Western Blot- Technik hinsichtlich seines Phosphorylierungszustandes
nach EFV–Behandlung beurteilt.
14
4
Material und Methoden
4.1
Zellkulturen
In den Versuchen kamen zwei Zelllinien zum Einsatz, die in einem Brutschrank bei
37°C und 5% CO2 kultiviert wurden.
Zum einen wurde mit der Zelllinie der Pankreastumorzellen BxPC-3 gearbeitet,
deren Zellkulturmedium RPMI (Firma: Pan Biotech GmbH, PAA Laboratories
GmbH) mit 10% FBS superior (fetal bovine serum), 2% L-Glutamin und 1%
Penicillin/Streptomycin versetzt wurde.
Zum anderen wurde die Zelllinie der Glioblastomazellen T98G verwendet. Deren
Kultivierung erfolgte mithilfe des Mediums DMEM (Firma: Pan Biotech GmbH) mit
Zusatz von 10% FBS superior sowie 1% Penicillin/Streptomycin.
Das Umsetzen der Zelllinien erfolgte in der Regel zweimal pro Woche unter
Anwendung von 1x PBS (Phosphate Buffered Saline (Dulbecco)) und Trypsin.
4.2
Medikamente
Für die vorliegende Arbeit wurden folgende Nicht- Nukleosidische ReverseTranskriptase- Inhibitoren eingesetzt: Efavirenz (EFV), Nevirapin (NVP), Rilpivirin
(RPV), Etravirin (ETV), Delavirdin (DLV) und Lersivirin (LSV).
Alle genannten Medikamente wurden von der Firma Sequoia Research Products
erworben. Die einzelnen Wirkstoffe wurden in pulverisierter Form geliefert und
anschließend mithilfe von autoklaviertem DMSO (Dimethylsulfoxid) zu einer
10mmol/l Stammlösung verarbeitet.
Efavirenz wurde in folgenden Konzentrationen verwendet: 20, 40, 60 und 80mol/l.
Die Versuche mit Nevirapin wurden mit den Konzentrationen 100, 200, 400 und
600mol/l durchgeführt. Für Delavirdin, Etravirin, Rilpivirin und Lersivirin wurde mit
den Konzentrationen 1, 3, 10, 30, 100, 300 und 1000mol/l gearbeitet.
Um eine bestmögliche Beurteilung der Dosis-Wirkungs-Beziehung zu erzielen, sollte
ein umfangreiches Spektrum abgedeckt werden, das von möglichst niedrigen
Werten über die momentan in der HIV/AIDS-Therapie empfohlenen bis hin zu
extrem hohen Konzentrationen reicht.
Die Stammlösung dieser Medikamente wurde in den jeweiligen Versuchen dem
Zellkulturmedium in der für die gewünschten Konzentrationen erforderlichen Menge
beigefügt.
15
4.3
Flusszytometrische Analysen
4.3.1 Prinzip
Die Methode der Flusszytometrie ermöglicht Zellanalysen, indem die zu
untersuchenden Zellen in suspendierter Form kontinuierlich nacheinander durch
eine feine Kapillare fließen, wobei sie einen fokussierten Lichtstrahl passieren. Trifft
dieser Laser auf die Zellen, entsteht in Abhängigkeit ihrer Größe, Oberfläche und
Granulation Streulicht, welches nun durch Detektoren qualitativ und quantitativ
bestimmt wird. Man unterteilt in Vorwärtsstreulicht, das Auskunft über die Zellgröße
gibt, und Seitwärtsstreulicht, mit dem die äußere Form sowie Granularität beurteilt
werden kann.
Zusätzlich
können
Zellen
mit
speziell
fluoreszenzmarkierten
Verbindungen
behandelt werden, die bestimmte Organellen der Zelle oder deren DNA anfärben.
Werden die angefärbten Zellen nun an dem Laser vorbeigeführt, emittieren besagte
Fluorochrome nach Absorption von Lichtenergie ihre spezifische Fluoreszenz, die
wiederum von den Detektoren des Flusszytometers gemessen wird. Mit geeigneten
Farbstoffen wird es ermöglicht, zwischen lebenden Zellen, Apoptose und Nekrose
zu differenzieren. Außerdem gibt die Bestimmung des jeweiligen DNA-Gehalts
mittels Fluorochromen, die sich direkt in die DNA einlagern, Aufschluss über die
Verteilung der Zellzyklusphasen der untersuchten Zellsuspension.
4.3.2 Farbstoffe
4.3.2.1 Hoechst 33342 und der Zellzyklus
Das Fluorochrom Hoechst 33342 wird in der Durchflusszytometrie angewandt, um
spezifisch DNA anzufärben. Es lagert sich vor allem an die AT-Basenpaare
doppelsträngiger DNA an, wodurch der DNA-Gehalt einer Zelle bestimmt werden
kann. Mithilfe des DNA-Gehalts lässt sich wiederum eine Aussage über die
Zellzyklusphase treffen, in der sich die untersuchten Zellen jeweils befinden. In der
G0/G1-Phase, also der Ruhe- bzw. Präsynthesephase, ist in den Zellen der
einfache DNA-Satz vorhanden. In der folgenden S-Phase, in der die Replikation des
Genoms erfolgt, wird ein höherer DNA-Gehalt gemessen, der jedoch kleiner ist als
in der G2/M-Phase. Die Zellen mit dem größten DNA-Anteil werden schließlich der
G2/M-Phase zugeordnet, da hier die vollständig replizierte DNA in doppelter Form
vorliegt. Mit subG1 werden sämtliche Zellen bezeichnet, deren DNA-Gehalt unter
dem der G0/G1- Phase liegt. Diese Zellen werden als apoptotisch betrachtet, da die
Kondensierung
des
Chromatins
sowie
die
Fragmentierung
der
DNA
16
charakteristische Merkmale der Apoptose sind. Allerdings ist ein Vorkommen
fragmentierter DNA auch in nekrotischen Zellen möglich. In diesem Fall werden sie
ebenfalls der subG1-Phase zugeteilt (Darzynkiewicz et al. 1997, Omerod et al.
1993, Pozarowski et al. 2004).
Angeregt wird die Fluoreszenz von Hoechst 33342 durch UV-Licht (ca. 350nm). Das
Emissionsmaximum liegt bei einer Wellenlänge von 461nm und damit im blauen
Bereich des Spektrums.
4.3.2.2 Annexin-V-APC/7AAD und Apoptose/Nekrose
In der vorliegenden Arbeit galt besonderes Interesse auch der Detektion und
Differenzierung von lebenden Zellen, Apoptose und Nekrose. Zu diesem Zweck
dienten die Farbstoffe Annexin-V-APC und 7AAD. Das Emissionsmaximum von
Annexin-V-APC liegt bei ca. 530nm, das von 7AAD bei etwa 650 nm.
Die Zellmembran besteht hauptsächlich aus einer Doppelschicht amphiphiler Lipide,
in die zusätzlich bestimmte Proteine eingelagert sein können. Das Bilayer ist
heterogen und asymmetrisch aufgebaut. So befinden sich die Phospholipide
Phosphatidylserin und Phosphytidylethanolamin bei lebenden Zellen ausschließlich
an der Innenseite der Membran, während Phosphatidylcholin und Sphingomyelin in
der äußeren Schicht liegen. Dieser spezielle Aufbau mit seiner Asymmetrie ist für
die Funktionen vieler enzymatischer Prozesse essenziell (Bruckheimer et al. 1996).
Um das Ungleichgewicht aufrechterhalten zu können, benötigt die Zelle Energie,
was während der Apoptose nicht mehr gewährleistet werden kann. Bezüglich
apoptotischer Zellen ist bekannt, dass Phosphatidylserin auf die Außenseite der
Zellmembran transloziert wird. Es dient den Makrophagen vermutlich als Signal zur
Phagozytose, sodass eine rasche Beseitigung der apoptotischen Zellen ermöglicht
wird (Schlegel et al. 2001). Annexin-V-APC bindet spezifisch an Phosphatidylserin,
was nur während der Apoptose möglich ist, wenn dieses Phospholipid auf der
Außenseite der Membran exponiert wird. Annexin-V-APC ist nicht in der Lage
Zellmembranen zu penetrieren und somit kann dieser Farbstoff Auskunft über das
Ausmaß der Apoptose geben (Martin et al. 1995).
Mit Apoptose bezeichnet man den kontrollierten physiologischen und aktiven
Zelltod. Während das Chromatin kondensiert und die Zelle schrumpft, bleiben
Organellen und Membran jedoch intakt. Anders ist dies bei nekrotischen Zellen, wo
der Zelltod passiv und degenerativ vollzogen wird: es kommt zur Ruptur der
Zellmembran, woraufhin zytoplasmatische Bestandteile wie proteolytische Enzyme
freigesetzt werden und inflammatorisch wirken (Darzynkiewicz et al. 1997).
17
7-Aminoactinomycin, kurz 7AAD, färbt spezifisch GC – reiche Regionen der DNA
von Zellen, deren Membran durch nekrotische Schäden permeabel für diesen
Farbstoff geworden ist. Die intakte Membran gesunder Zellen kann durch 7AAD
nicht passiert werden, sodass 7AAD als Indikator für Nekrose verwendet wird.
Außerdem zeigen nekrotische Zellen ebenfalls eine positive Färbung mit Annexin-V,
da Phosphatidylserin durch Verlust der Membranintegrität für dieses Fluorochrom
erreichbar wird.
4.3.3 Bearbeitung
Für die flusszytometrischen Analysen wurde mit den Pankreastumorzellen BxPC-3
gearbeitet. Zu Beginn der Versuche wurden für jede Zellkulturflasche mithilfe eines
CASY Cell Counters (Innovatis® AG) 100000 Zellen abgezählt. Nach dem Einsäen
wurden die Zellen mit dem unter 4.1 beschriebenen Medium für 48 Stunden
inkubiert. Erst dann erfolgte die Behandlung mit den Medikamenten. Durch dieses
Intervall sollte das Anwachsen der Zellen sowie deren Regeneration hinsichtlich
einer Normalisierung des Zellzyklus ermöglicht werden. Nach einer Einwirkzeit der
Medikamente von 72 Stunden wurden die Zellen mit PBS gewaschen, mittels
Trypsin aus ihren Zellkulturflaschen gelöst, zentrifugiert und mit Ringerlösung
resuspendiert. Jede Probe wurde dabei auf zwei FACS-Röhrchen aufgeteilt, um
eine Doppelmessung zu ermöglichen. Danach erfolgte eine Anfärbung jeder 200l
Zellsuspension mit 2l Hoechst 33342 und deren anschließende Inkubation bei
37° C im Brutschrank für 90 Minuten. Nach erneutem Zentrifugieren und
Resuspendieren in 200l Ringerlösung, wurden die Zellen mit jeweils 5l der
Farbstoffe Annexin-V-APC und 7AAD versetzt. Daraufhin folgte eine 30 minütige
Inkubation auf Eis. Im Anschluss wurde die Messung mit dem Gallios Flow
Cytometer und der Software Gallios Cytometer 1.1 der Firma Beckmann Coulter
durchgeführt, wobei für jede Probe 10000 Zellen analysiert wurden.
4.3.4 Auswertung
Zur Auswertung der flusszytometrischen Messungen diente die Software Kaluza
Flow Cytometry Analysis 1.0 der Firma Beckmann Coulter. Bezüglich der Farbstoffe
Annexin-V-APC und 7AAD wurden die Zellen entsprechend ihrer Fluoreszenz vier
Klassen zugeordnet.
Zellen, bei denen kein Signal registriert werden konnte,
wurden in die Gruppe An/7A neg./neg. eingeteilt. Dabei handelt es sich um lebende,
gesunde Zellen mit intakter Zellmembran. Wurde hingegen eine Fluoreszenz im
Wellenlängenbereich von Annexin-V-APC gemessen, nicht aber von 7AAD,
entspricht das mit An/7A pos./neg. dem Anteil, der als apoptotisch betrachtet
18
werden muss. Die Zellen, die sich im Zustand der Nekrose befanden, wurden mit
An/7A pos./pos. klassifiziert, da hier von beiden Fluorochromen ein Signal detektiert
wurde.
Der vierte mögliche Bereich ist An/7A neg./pos., wobei die Zellen weder Apoptose
noch Nekrose eindeutig zugeordnet werden können und somit nicht in die folgenden
Auswertungen eingehen (siehe Abb. 2).
Mithilfe von Hoechst 33342 erfolgte die Analyse des Zellzyklus, der in Kaluza in vier
Abschnitte geteilt wird: die G1/G0–Phase umfasst alle Zellen mit einfachem DNASatz, die G2/M-Phase beinhaltet sämtliche Zellen mit verdoppelter DNA. Diejenigen
Zellen, deren DNA-Gehalt keinem dieser Bereiche eindeutig zugeordnet werden
kann, sondern dazwischen liegt, werden der S-Phase zugeordnet, in der die
Replikation der DNA stattfindet. Wird für eine Zelle ein geringerer DNA-Gehalt als in
der G1/G0-Phase gemessen, gilt sie als apoptotisch und wird zum Bereich subG1
gezählt (siehe Abb. 3)
Kontrolle
EFV 80µmol/l
Abb. 2: Quadrantenanalyse: Darstellung von lebenden Zellen (An/7A --),
Apoptose (An/7A +-) und Nekrose (An/7A ++) als Dot Plot: jede Zelle wird
durch einen Punkt repräsentiert; Färbung mit Annexin-V-APC und 7AAD;
links: EFV Kontrolle; rechts: EFV 80M
19
Abb. 3: Gating des Zellzyklus; Färbung mit Hoechst 33342;
Die Signale, die auf der Abszisse nach der G2-Phase erkennbar sind, sind
als mehrkernige oder aneinander hängende Zellen zu werten.
4.4
Koloniebildungstests
4.4.1 Prinzip
Ein Koloniebildungstest dient in erster Linie dazu, die Radiosensibilität bestimmter
Zellen im Rahmen der Strahlenforschung darzustellen. Er ist allerdings auch dazu
geeignet, den Einfluss bestimmter Medikamente auf das zelluläre Überleben zu
untersuchen. Der Versuch basiert auf der Tatsache, dass eine intakte Einzelzelle
durch ihre Fähigkeit zur mitotischen Teilung nach etwa sechs Zellteilungszyklen
eine Kolonie von mehr als 50 Zellen bildet, entsprechend 2^6=64. Wird diese Zahl
erreicht, gilt die Zelle als klonogen und es ist möglich, die einzelnen Kolonien
makroskopisch zu betrachten. Werden durch Bestrahlung oder Medikamente
Schäden in einer Zelle induziert, verliert sie ihre Teilungsaktivität oder stirbt ab und
scheidet somit für die Koloniebildung aus. Für die Auswertung relevant ist sowohl
die Anzahl der gebildeten Kolonien als auch deren Fläche, da hieraus wiederum die
Proliferationsgeschwindigkeit beurteilt werden kann.
20
4.4.2 Bearbeitung
Die Koloniebildungstests wurden ebenso wie die flusszytometrischen Versuche mit
der Pankreastumorzelllinie BxPC-3 und dem dazugehörigen Medium durchgeführt.
Hierzu wurden pro getesteter Dosis jeweils drei Petrischalen mit je 600 Zellen und
3ml Medium versetzt. Ein Zeitraum von 24 Stunden sollte den Zellen das
Anwachsen an die Schale ermöglichen. Nach Verstreichen dieses Intervalls wurden
die Zellen mit Efavirenz oder Rilpivirin behandelt, wobei die verwendeten
Konzentrationen denen der Flusszytometrischen Versuche entsprachen. Die
Einwirkdauer der Medikamente betrug 72 Stunden. Danach wurden die Zellen
gewaschen und mit frischem Medium versorgt, welches im Folgenden jede Woche
durch neues ersetzt wurde. Anschließend inkubierten die Zellen bei 37° C im
Brutschrank, bis sie schließlich am 18. Tag mit Methylenblau angefärbt wurden.
4.4.3 Auswertung
Das Absorptionsmaximum von Methylenblau liegt bei einer Wellenlänge von 565nm.
Der Scanner, der zum Einlesen der Petrischalen verwendet wurde, bedient sich
gelb-grünen Lichts genau dieser Wellenlänge. Anschließend wurde die Anzahl und
Fläche der eingescannten Kolonien mithilfe eines speziellen Computerprogramms
vollautomatisch ausgewertet.
4.5
Western Blot
4.5.1 Prinzip
Die Western Blot Technik dient zum Nachweis von Proteinen. Diese müssen
zunächst aus den Zellkulturen isoliert und aufbereitet werden.
Für die SDS-Polyacrylamid–Gel-Elektrophorese (SDS-PAGE) der vorliegenden
Arbeit wurde das diskontinuierliche Lämmli-System gewählt. Dabei werden zwei
Polyacrylamidgele, nämlich ein Trenngel und ein Auftragsgel, auf Basis von TrisGlycin-Puffern verwendet, was der erhöhten Trennschärfe der Proteinbanden dient
(Laemmli et al. 1970). Das Auftragsgel unterscheidet sich hinsichtlich Ionenstärke,
Porengröße und pH-Wert vom Trenngel. Generell kann man Gele unterschiedlicher
Porengröße erzeugen, welche vor allem durch die Konzentration von Acrylamid und
Methylenbisacrylamid bestimmt wird. In dieser Arbeit wurden ausschließlich 10prozentige Gele hergestellt, die optimal für die Elektrophorese von Proteinen mit
einem Molekulargewicht von 15 bis 180kDa sind. Die Gele werden in den
Zwischenraum zweier aufeinanderliegender Glasplatten gegossen, wobei zuerst das
21
Trenngel eingebracht wird. Ist dieses polymerisiert, folgt das Auftragsgel, dessen
Menge etwa ein Fünftel des Trenngels entspricht. Nach dessen Polymerisierung
werden im nächsten Schritt die Proteinproben in jeweils gleicher Konzentration in
die Taschen des Sammelgels pipettiert. In der Elektrophorese wird nun entlang des
Gels eine elektrische Spannung angelegt, woraufhin die durch SDS einheitlich
negativ geladenen Proteine zur Anode wandern. Dabei ist durch Aufbereitung mit
SDS
Sample
Loading
Molekulargewicht
Buffer
und
die
anschließende
geschwindigkeitsbestimmend,
sodass
Denaturierung
die
Proteine
das
in
Abhängigkeit dieses Parameters unterschiedlich weit wandern. Mithilfe eines
Markers, der zeitgleich mit den Proteinen in die erste Geltasche pipettiert wird,
können die einzelnen Banden später dem Proteingewicht zugeordnet werden.
Anschließend wird der eigentliche Blot vollzogen: das Bandenmuster auf dem Gel
wird durch ein weiteres elektrisches Feld, welches senkrecht zur Trennrichtung
ausgerichtet ist,
auf eine feste Phase, in diesem Fall auf eine proteinbindende
PVDF-Membran (Polyvenylidenfluorid), transferiert und fixiert. Mithilfe dieser
Membran kann die Inkubation mit den antigenspezifischen Primärantikörpern
erfolgen, die direkt an ihre entsprechenden Epitope auf den Proteinbanden binden.
Durch einen Waschvorgang werden die überschüssigen Primärantikörper von der
Membran entfernt, welche jetzt mit den Sekundärantikörpern getränkt wird. Die
Primärantikörper wurden aus einer bestimmten Tierspezies isoliert. Gegen diese
Spezies sind nun die Sekundärantikörper gerichtet, sodass sie spezifisch an die von
den Primärantikörpern exponierten Epitope binden. Für die vorliegende Arbeit
wurden Sekundärantikörper gewählt, die mit einem speziellen Enzym, nämlich der
Meerrettichperoxidase (horseradish peroxidase, HRP)
konjugiert sind, um die
Bindung der Primärantikörper an die zugehörigen Banden nachweisen zu können.
Ein
weiterer
Waschschritt
ermöglicht
die
Beseitigung
der
ungebundenen
Sekundärantikörper. Versetzt man die Membran nun mit einem bestimmten
Substrat, wird durch das angeregte Enzym eine Lichtemission katalysiert. Diese
Chemolumineszenz kann mithilfe eines Röntgenfilms dargestellt werden. Beurteilt
wird der Western Blot visuell. Die Kriterien für die Beurteilung sind das
Vorhandensein sowie die Intensität der Bandenfärbung.
22
4.5.2 Antikörper
Tabelle 1:
Primärantikörper
Antikörper
Spezies
Firma
Verdünnung
Molekulargewicht
Anti-pAkt
Rabbit
Cell Signaling
1:1000
55 kDa
Rabbit
Santa Cruz
1:500
55 kDa
Rabbit
Santa Cruz
1:200
42/44 kDa
Goat
Santa Cruz
1:200
42/44 kDa
Rabbit
Calbiochem
1:1000
53 kDa
Anti-Akt1/2/3
Rabbit
Santa Cruz
1:200
55 kDa
Anti-ERK2
Mouse
Santa Cruz
1:200
42 kDa
Anti-P53
Rabbit
Cell Signaling
1:1000
53 kDa
Anti--Aktin
Mouse
Abcam
1:15000
43 kDa
Ser473
Anti-pAkt
Thr308
Anti-pERK1/2
Thr177
Anti-pERK1/2
Thr202/Tyr204
Anti-pP53
Ser15
Tabelle 2:
Sekundärantikörper
Antikörper
Firma
Verdünnung
Goat anti Mouse HRP
Abcam
1:4000
Shb anti Rabbit HRP
Abcam
1:4000
Donkey anti Goat HRP
Abcam
1:4000
4.5.3 Bearbeitung
4.5.3.1 Proteinisolierung
Für die Western Blot Versuche wurde mit Proteinen der Pankreastumorzelllinie
BxPC-3 sowie der Glioblastomazelllinie T98G gearbeitet. Die Zellkulturen wurden
zunächst mit Efavirenz zu den entsprechenden Bedingungen behandelt (siehe
Tabelle 3 und 4). Es wurden Dosierungen verwendet, bei denen zuvor in den
flusszytometrischen Messungen zytotoxische Effekte auftraten. Die Einwirkungszeit
von EFV wurde so gewählt, dass im Rahmen von 10 Minuten bis hin zu 72 Stunden
ein möglichst breites Spektrum abgedeckt werden konnte. Zusätzlich wurden
Proteine unbehandelter Zellen isoliert, die als Kontrolle dienten.
23
Um Proteolyse oder Dephosphorylierung zu verhindern, ist während der Isolierung
streng darauf zu achten, dass die Zellen bzw. Proteine während aller Arbeitsschritte
auf 4° C gekühlt bleiben. Dazu müssen auch alle Zentrifugen, Puffer und sonstigen
Substanzen oder Geräte auf 4° C gekühlt werden. Im ersten Schritt werden die
Zellen durch Trypsinieren aus ihren Zellkulturflaschen gelöst und zentrifugiert. Der
Überstand wird abgesaugt und mittels eisgekühltem 1xPBS resuspendiert. Es folgt
ein weiteres Zentrifugieren. Dieser Schritt wird nun zweimal wiederholt. Nach dem
dritten Zentrifugieren und Resuspendieren wird das in 1xPBS gelöste Pellet in einen
Eppendorf-Cup pipettiert. Während die Eppendorf-Cups zentrifugiert werden (5 min,
500 g), erfolgt das Ansetzten des RIPA-Lysepuffers aus RIPA Puffer (Radio Immuno
Precipitation
Assay
Buffer),
PMSF
(Phenylmethylsulfonylfluorid),
Sodium
Orthovanadate und einem Gemisch verschiedener Proteaseinhibitoren. Nach
Beendigung des Zentrifugierens wird der Überstand verworfen und der Puffer mit
dem Pellet in der erforderlichen Menge im Verhältnis 2:1 vermischt. Die Zellen
werden nun für 15 Minuten auf Eis lysiert. Anschließend wird das Lysat, welches
nun das Gesamtprotein enthält, zentrifugiert (15 min 15000 g). Das Pellet kann
verworfen werden. Der nächste Schritt erfordert die Vorbereitung einer Sarstedt
Mikrotiterplatte, mit deren Hilfe später die photometrische Quantifizierung der
Proteinkonzentration erfolgen kann. Die Mikrotiterplatte setzt sich aus zwei
Standardreihen (RIPA-Puffer und Bovine Serum Albumin, kurz BSA, in bestimmten
Verhältnis), sechs RIPA Hintergrundkorrekturen und den Proteinlysaten, die im
Verhältnis 1:10 mit RIPA vermischt werden, zusammen. Nach Zugabe von BCA
(Bicinchoninic acid) inkubiert die Platte für 30 Minuten bei 37° C im Brutschrank.
Bevor mit der Proteinquantifizierung begonnen werden kann, muss die Platte
mindestens 10 Minuten abkühlen. Jetzt wird mithilfe eines Photometers und der
Software HT Soft die Proteinkonzentration der einzelnen Proben unter Messung der
Extinktion bei der Wellenlänge von 562nm bestimmt. Die Proteinlysate werden nun
mit der berechneten Menge RIPA versetzt, sodass alle Proben in der gleichen
Konzentration vorliegen. Bis zur Verwendung der Proteine im Western Blot werden
sie eingefroren.
Will man anstatt des Gesamtproteins Kern- und Zytoplasmaprotein separat
isolieren, müssen die oben beschrieben Arbeitsschritte ergänzt werden.
Hierzu werden nach einzelnen Waschschritten die Reagenzien CER I, CER II und
NER (Thermo Scientific NE-PER® Nuclear and Cytoplasmatic Extraction Reagents
Kit) hinzugefügt, wobei die Volumina der jeweiligen Reagenzien der Menge des
vorhandenen Zellpellets anzupassen sind (siehe Anhang, Tabelle 11).
24
Nachdem die Zellen bei 500 g für 5 Minuten zentrifugiert worden sind, wird der
Überstand verworfen und zuerst eiskaltes CER I (Cytoplasmic extraction reagent)
zugegeben. Zur Herstellung von CER I wird CER I-Basislösung mit NatriumOrthovanadate, Aprotinin, Leupeptin, PMSF und Pepstatin in einem bestimmten
Verhältnis vermischt (siehe Anhang, Tabelle 12). Jetzt werden die Proben gründlich
gevortext und anschließend für 10 Minuten auf Eis gelagert. Anschließend werden
die Proben mit CER II aus dem Kit versetzt und ebenfalls sorgfältig vermischt, kurz
auf Eis inkubiert und wieder gevortext. Danach müssen die Proben für 5 Minuten bei
16000 g zentrifugiert werden. Der Überstand enthält nun die zytoplasmatische
Proteinfraktion und wird in vorgekühlten Eppendorf-Cups auf Eis gelagert.
Unterdessen wird das Pellet mit kaltem NER (Nuclear extraction reagent), einem
Gemisch aus NER-Basislösung und Natrium-Orthovanadate, Aprotinin, Leupeptin,
PMSF und Pepstatin, resuspendiert und für 40 Minuten auf Eis inkubiert (siehe
Anhang, Tabelle 13). Hierbei ist es wichtig, die Proben alle 10 Minuten auf höchster
Stufe zu vortexen. Jetzt erfolgt ein letztes, zehnminütiges Zentrifugieren bei 16000
g. Im Überstand befindet sich nun die Kernfraktion der Proteinproben. Zuletzt
müssen auch hier die Konzentrationen bestimmt werden, was, wie bereits oben
beschrieben, mithilfe einer Mikrotiterplatte und photometrischen Messungen erfolgt.
Abb. 4: Mikrotiterplatte zur Bestimmung der Proteinkonzentration mittels
Photometer; links sind die beiden Standardreihen aufgetragen, dazu sechs
BLANK-Hintergrundkorrekturen (= RIPA) und rechts die Proteinproben
25
Tabelle 3: Pipettiervorlage für die Mikrotiterplatte
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 2000g/ml
2000g/ml
BLANK*
BLANK
P1**
P2
P3
P4
P5
2 1500g/ml
1500g/ml
BLANK
BLANK
P6
P7
P8
P9
3 1000g/ml
1000g/ml
BLANK
BLANK
P10
P12
P13
P14
4 750g/ml
750g/ml
5 500g/ml
500g/ml
6 250g/ml
250g/ml
7 125g/ml
125g/ml
8 25g/ml
25g/ml
10
11
12
P19
P18
P15
P16
P17
*BLANK: 25 l RIPA, ** P1-19: Proteinprobe 1:10 verdünnt: 2,5l Probe mit 22,5l RIPA
Parameter der Western Blot Versuche
Tabelle 4:
T98G
AK
Protein
Anti-pAkt
Dosis
in M
Behandlungsdauer mit Efavirenz
20
10 min
60 min
24 h
48 h
40
10 min
60 min
24 h
48 h
80
10 min
40
10 min
80
10 min
40
10 min
80
10 min
Ser473,
anti-pAkt
Thr308,
anti-Akt1/2/3
Anti-pERK1/2
Gesamt-
Thr177,
protein
Anti-ERK 2
Anti-pERK1/2
Thr202/Tyr204
Anti-ERK2
Anti-pP53
Ser15,
Anti-P53
Kern- und
Zytoplasmaprotein
40
60 min
60 min
48 h
24 h
48 h
72 h
26
Tabelle 5:
BxPC-3
AK
Protein
Anti-pAkt
Dosis
in M
Behandlungsdauer mit Efavirenz
40
10 min
80
10 min
40
10 min
80
10 min
60 min
Ser473
Anti-pAkt
Thr308
Anti-Akt1/2/3
Gesamt-
Anti-pERK1/2
protein
60 min
Thr177,
Anti-pERK1/2
Thr202/Tyr204
anti-ERK2
Anti-pP53
Kern- und
Ser15,
Zytoplasma-
Anti-P53
protein
40
24 h
48 h
72 h
4.5.3.2 Proteinaufbereitung
Bevor die Proteine für den Western Blot verwendet werden können, müssen sie mit
6x SDS Sample Loading Buffer im Verhältnis 1:6 mit der Probe vermischt und
anschließend für 10 Minuten bei 95° C denaturiert werden. Durch die Denaturierung
werden Sekundär- und Tertiärstrukturen der Proteine zerstört. Dies ist nötig, da die
Epitope für die Antikörperbindung zuweilen tief in der 3D Struktur liegen und somit
nicht für die Antikörper erreichbar wären.
Bei SDS (Natriumdodecylsulfat) handelt es sich um ein denaturierendes anionisches
Detergens, das die hydrophoben Regionen der Proteine quasi ummantelt und
dadurch deren Eigenladung überdeckt, sodass nun alle Proteine einheitlich negativ
geladen sind. Gleichzeitig denaturiert SDS die Proteine dabei in stäbchenförmige
SDS-Polypeptidkomplexe. Die anschließende Denaturierung in heißem Wasser
ermöglicht eine vollständige Auffaltung der Proteinstruktur. Aufgrund dieser
speziellen Aufbereitung wird es ermöglicht, dass das Wandern der Polypeptidketten
während der Elektrophorese nur in Abhängigkeit ihres Molekulargewichts vollzogen
wird.
27
4.5.3.3 Western Blot
Der Western Blot beginnt mit dem Aufbau der Gelkammer: hierzu werden zwei
gereinigte Glasplatten in eine Kunststoffklemme eingespannt, die an ihrem Boden
mit Dichtungsmatten ausgestattet ist, um ein Auslaufen der Gele zu vermeiden.
Zunächst erfolgt die Zubereitung des Trenngels, das in den Spalt zwischen den
Glasplatten gegossen und sofort mit Aqua dest. überschichtet wird. Die
Polymerisierung benötigt bei Raumtemperatur etwa 30 Minuten. Danach, wenn man
die überstehende Flüssigkeit vollständig entfernt hat, wird das Auftragsgel
aufgegossen. In das Auftragsgel werden jetzt Kämme gesteckt, damit sich die
Geltaschen ausbilden können, in die später die Proteine pipettiert werden. Auch das
Auftragsgel muss für 30 Minuten polymerisieren. Sobald die Polymerisierung
abgeschlossen ist, werden die Kämme aus dem Gel gezogen und die Glasplatten in
die Elektrophoresekammer eingesetzt und mit 1x E-Buffer, dem Laufpuffer,
übergossen. Jetzt können die Proteinproben zu je 20l in jeweils gleichen
Konzentrationen neben einem Marker (10l) in die Geltaschen pipettiert werden.
Anschließend wird die Kammer mit 1x E-Buffer aufgefüllt und an eine
Spannungsquelle angeschlossen, sodass die Elektrophorese gestartet werden
kann, wobei die ersten 30 Minuten eine Spannung von 50 Volt angelegt wird.
Zunächst laufen die Proteine in das Auftragsgel. Haben sie das Auftragsgel passiert,
wandern sie für 1,5 Stunden bei 120 Volt entsprechend ihres Molekulargewichts
durch das Trenngel.
Währenddessen wird die PVDF-Membran auf die Maße des Gels zugeschnitten, 5
Sekunden mit 100% Methanol benetzt und dann für 5 Minuten in B-Buffer
equilibriert. PVDF (Polyvenylidenfluorid) weist eine hohe Proteinbindekapazität
sowie eine hohe Reißfestigkeit auf. Nach Beendigung der Elektrophorese werden
die Glasplatten mit einem Spatel voneinander getrennt und das Gel gelöst. Dieses
wird nun in direktem Kontakt mit der Membran in einem Sandwich aus Siebpad –
Filterpapier – Gel – PVDF-Membran – Filterpapier – Siebpad mithilfe einer Spange
in den Elektroblotter eingespannt und mit 1x B-Buffer, dem Transferpuffer,
übergossen. Während der nächsten 2 Stunden erfolgt das Blotten mit 80 Volt und
300mA, wobei die Blotting-Kammer auf Eis gekühlt werden sollte. Ist das Blotten
beendet, muss die PVDF-Membran in 1x TBS gewaschen und für mindestens 1
Stunde mittels Blocking Solution auf
dem Rüttler geblockt werden, um
überschüssige Proteinbindestellen abzusättigen und damit eine unspezifische
Bindung der Antikörper zu verhindern. Alle folgenden Arbeitsschritte sollten auf dem
Rüttler erfolgen, um ein Austrocknen der Membran zu vermeiden und eine
gleichmäßige Benetzung zu ermöglichen. Sobald die Membran nach dem Blocken
28
mit 1x TBST gewaschen wurde (3 x 5 Minuten), kann die Inkubation mit den
Primärantikörpern beginnen. Hierzu werden die Antikörper im vom Hersteller
angegebenen Verhältnis mit 6ml verdünnt. Die Dauer der Inkubation beträgt 2
Stunden bei Raumtemperatur oder etwa 10 Stunden bei 4° C im Kühlschrank.
Anschließend wird die Membran mit 1x TBST gründlich gereinigt (3 x 5 Minuten),
sodass nun die Sekundärantikörper zugegeben werden können (jeweils 2.5l pro
10ml Blocking Solution). Diese inkubieren nun für 60 Minuten bei Raumtemperatur.
Es folgt ein weiterer Waschschritt mit 1x TBST (3 x 5 Minuten). Nun wird die
Membran kurz durch Aqua dest. gezogen und schließlich mit 6ml Pierce Super
Signal für 5 Minuten überschichtet. Dadurch wird das auf den Sekundärantikörpern
befindliche Enzym Meerrettichperoxidase (HRP) angeregt, eine Lichtemission zu
katalysieren. Dann wird die Membran in eine Röntgenkassette gelegt. In einer
Dunkelkammer kann jetzt die Chemolumineszenz der gefärbten Banden die
Schwärzung eines Röntgenfilms bewirken.
4.5.3.4 Stripping
Um
eine
PVDF-Membran
für
mehrere
Antikörper
beziehungsweise
Proteinnachweise nutzen zu können, wurde die Membran nach Erstellung des
Röntgenfilms
gestrippt,
das
heißt,
von
den
gebundenen
Primär-
und
Sekundärantikörpern gereinigt. Dazu wurde zunächst die Chemolumineszenz durch
Waschen mit 1x TBST von der Membran entfernt. Anschließend folgte die
Inkubation mit Restore PLUS Western Blot Stripping Buffer (Thermo Scientific) für
eine Dauer von 30 Minuten. Nach einem weiteren Waschgang mit 1x TBST (3 x 5
Minuten) ist erneutes Blocken mit Blocking Lösung erforderlich. Die nächste
Antikörperinkubation kann nun wie oben beschrieben erfolgen. Für die vorliegenden
Versuche wurde die Membran in der Regel zwei- bis dreimal gestrippt, sodass pro
Membran ein Phoshpo-Antikörper, der zugehörige Gesamtantikörper sowie die
Ladungskontrolle -Aktin getestet werden konnte.
4.5.4 Auswertung
Zur Auswertung wurden die Röntgenfilme eingescannt und die gesuchten Banden
aus den Blots herausgeschnitten. Anschließend wurden die Schnitte zum direkten
Vergleich entsprechend der Reihenfolge Primärantikörper, Sekundärantikörper und
Ladungskontrolle
untereinander
angeordnet.
In
die
Vorhandensein sowie die Intensität der Bandenfärbung ein.
Auswertung
ging
das
29
5
Ergebnisse
5.1
Flusszytometrische Messungen
5.1.1 Zelltod
Mit den Flusszytometrischen Messungen wurden zwei Ziele verfolgt: zum einen
sollte der zytotoxische Effekt der Nicht-nukleosidischen Reverse TranskriptaseInhibitoren Efavirenz, Nevirapin, Delavirdin, Rilpivirin, Etravirin und Lersivirin auf die
Pankreastumorzelllinie BxPC-3 untersucht werden. Zum anderen sollte überprüft
werden,
ob
und
auf
welche
Weise
die
genannten
Medikamente
die
Zellzyklusphasen der Tumorzellen beeinflussen. Dazu wurden die Zellen für 72
Stunden mit dem jeweiligen Medikament inkubiert. Jeder Versuch erfolgte in
dreifacher Ausführung mit jeweils zwei Einzelmessungen pro Parameter, sodass pro
NNRTI für jede getestete Dosis insgesamt sechs Werte ermittelt wurden. Zusätzlich
wurde für jeden Versuch eine Kontrolle von unbehandelten Zellen, ebenfalls in
zweifacher Messung, analysiert. Somit ergeben sich die Daten in den folgenden
Diagrammen aus dem Mittelwert der sechs Einzelmesswerte.
Mit den Farbstoffen Annexin-V-APC und 7-AAD wurde der Anteil von Apoptose und
Nekrose bestimmt. Mit An/7A pos./neg. wird die apoptotische Fraktion bezeichnet,
während An/7A pos./pos. für den nekrotischen Zellanteil steht. Die Messungen
lieferten folgendes Ergebnis: bei allen Medikamenten nimmt der Anteil von
apoptotischen und nekrotischen Zellen ab der niedrigsten Dosis sukzessive mit
steigender Dosis zu. Dabei nehmen mit steigender Dosis zunächst die
apoptotischen, dann die nekrotischen Zellen zu. Bei jedem Wirkstoff beginnt ab
einer bestimmten Dosis der Anteil nekrotischer Zellen zu dominieren, wobei
gleichzeitig ein starker Rückgang der Zellen in An/7A pos./neg. verzeichnet wird.
Die Diagramme aus Abbildung 5 a-f zeigen den Verlauf des apoptotischen und
nekrotischen Zellanteils (y-Achse) in Relation zur eingesetzten Dosis, die auf der
x-Achse
logarithmisch
dargestellt
wird.
Die
einzelnen
schwarz
gefärbten
Datenpunkte im Diagramm sind der Mittelwert der abgestorbenen Zellen pro Dosis.
Diese
Messwerte
wurden
in
einer
logarithmischen
Dosis-Wirkungs-Kurve
verbunden, sodass die mittlere effektive Konzentration, die EC50, für jedes
Medikament gemäß der Formel
𝑦=
𝑥 𝑝0
𝑝1+𝑥 𝑝0
berechnet werden konnte. Die
Parameter p0 und p1 wurden gefittet.
Bei allen NNRTI zeichnet sich ein deutlicher tumortoxischer Effekt ab. Gleichzeitig
sind jedoch gravierende Unterschiede bezüglich der antineoplastischen Potenz der
30
einzelnen NNRTI feststellbar. So sind bei Efavirenz und Rilpivirin, verglichen mit den
anderen vier Medikamenten, die niedrigsten Dosen erforderlich, um ein Absterben
der Tumorzellen zu bewirken. Besonders eindrücklich wird dies anhand der
jeweiligen EC50 Werte, die bei den einzelnen Pharmaka weit auseinander klaffen.
Den kleinsten EC50 Wert zeigt RPV mit 24,4mol/l, gefolgt von EFV mit 31,5mol/l.
Während die Toxizität von Rilpivirin über das gesamte Dosisspektrum langsam
zunimmt,
steigt
die
Toxizität
von
EFV
ab
Erreichen
einer
bestimmten
Schwellendosis sprunghaft an, sodass bei Efavirenz schließlich eine niedrigere
Konzentration nötig ist, um den maximalen antineoplastischen Effekt zu erreichen.
Im Vergleich dazu betragen die EC50 Werte der übrigen NNRTI 89mol/l für ETR,
171mol/l für DLV und 239mol/l für NVP. Der höchste EC50 Wert und somit die
geringste tumortoxische Potenz lässt sich bei LSV (EC50 = 543mol/l) ermitteln.
Abb. 5a: EFV
Abb. 5b: NVP
31
Abb. 5c: RPV
Abb. 5d: ETR
Abb. 5e: LSV
32
Abb. 5f: DLV
Abb. 5a-f: Anteil der apoptotischen und nekrotischen Zellfraktion sowie
Berechnung der EC 50 nach 72-stündiger Inkubation der Zelllinie BxPC-3 mit
EFV (5a), NVP (5b), RPV (5c), ETR (5d), LSV (5e) und DLV (5f).
5.1.2 Zellzyklus
Mittels Hoechst 33342 wurde der Einfluss der NNRTI auf die Zellzyklusphasen
ermittelt (Abb. 6 a-f). Bei allen getesteten Medikamenten fällt auf, dass der Anteil
der Zellen in G1–Phase mit steigender Dosis im Vergleich zur Kontrolle zunimmt.
Gleichzeitig ist ein kompensatorischer Rückgang der Zellen in S- und G2- Phase zu
verzeichnen. Dieser Effekt zeigt sich am stärksten bei Efavirenz in der Dosis 20M
und Etravirin in der Dosis 10M. Bei EFV wird eine Zunahme der Zellen in G1/G0Phase von 14% verzeichnet. Dabei nimmt die S-Phase um 12% ab und die G2Phase um 2%. Hinsichtlich ETR ergibt sich sogar ein Zuwachs der G1-Phase von
21%, verbunden mit einer Abnahme der S-Phase um 11% und der G2-Phase um
10%. Wird die Dosis weiter erhöht, nimmt der Anteil der Zellen in G1-Phase wieder
ab und liegt bei den höchsten Dosierungen meist unter den Werten der zugehörigen
Kontrolle. Bei Efavirenz ist ab der Dosis 40mol/l ein Rückgang von G1/G0 bei
gleichzeitigem Anstieg der S- und G2-Phase zu verzeichnen. Die Ausprägung
dieses Trends nimmt zu, je weiter die Dosis steigt. Bei ETR und RPV beginnt die
Abnahme des G1/G0-Anteils ab 30mol/l, bei DLV und LSV ab 300mol/l sowie bei
NVP ab 400mol/l. Ursächlich für diese Veränderungen bei höheren Dosen ist
vermutlich keine wirkliche Zellzyklusveränderung, sondern der zunehmende Anstieg
der Zellen in der sub G1-Phase.
33
Zellzyklus der Pankreastumorzellen BxPC-3
G1
S
G2
Anteil am Zellzyklus
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
20
40
60
80
Dosis von EFV in M
Abb. 6a: EFV
Zellzyklus der Pankreastumorzellen BxPC-3
G1
S
G2
Anteil am Zellzyklus
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
100
200
400
600
Dosis von NVP in M
Abb. 6b: NVP
Zellzyklus der Pankreastumorzellen BxPC-3
G1
S
G2
Anteil am Zellzyklus
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
1
3
10
30
100
Dosis von ETR in M
Abb. 6c: ETR
300
1000
34
Zellzyklus der Pankreastumorzellen BxPC-3
G1
S
G2
Anteil am Zellzyklus
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
1
3
10
30
100
300
Dosis von RPV in M
Abb. 6d: RPV
Zellzyklus der Pankreastumorzellen BxPC-3
G1
S
G2
Anteil am Zellzyklus
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
1
3
10
30
100
Dosis von DLV in M
Abb. 6e: DLV
300
1000
35
Zellzyklus der Pankreastumorzellen BxPC-3
G1
S
G2
Anteil am Zellzyklus
120%
100%
80%
60%
40%
20%
0%
0
1
3
10
30
100
300
1000
Dosis von LSV in M
Abb. 6f: LSV
Abb. 6a-f: Zellzyklus der Zelllinie BxPC nach Inkubation mit NNRT
Außerdem wurde die subG1-Phase beurteilt (Abb. 7 a-f), die den Anteil der
apoptotischen und nekrotischen Zellen wiederspiegelt. Bei sämtlichen NNRTI zeigt
sich ein Anstieg der subG1-Phase mit Erreichen zytotoxischer Dosierungen. Bei
EFV, wo sich dieser Effekt am stärksten verzeichnen lässt, ist ein Anstieg des
Anteils von Zellen in der subG1-Phase von der Kontrolle bis zur Höchstdosis von
80M von 47,7% messbar. Bei RPV beträgt die Zunahme der subG1 Phase im
Vergleich zur Kontrolle bei der Höchstdosis von 300mol/l immerhin 43,4% und bei
NVP in der Höchstdosis von 600mol/l 34,6%. Die Wirkstoffe DLV, ETR und LSV
folgen dem gleichen Trend, allerdings in geringerem Ausmaß. So zeigt sich für DLV
ein Zuwachs der subG1-Fraktion von der Kontrolle bis zur maximal getesteten Dosis
(1000mol/l) von 11,81%. Diesbezüglich ergeben sich für ETR 12,11% und für LSV
19,22%. Insgesamt erfährt die subG1 Phase bei Dosissteigerung eine deutliche
Zunahme und ist ein Indiz für das vermehrte Auftreten apoptotisch und nekrotisch
geschädigter Zellen.
Anteil der Zellen in sub G1-Phase
36
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
20
40
60
80
Dosis von EFV in M
Anteil der Zellen in sub G1-Phase
Abb. 7a: EFV
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
100
200
400
600
Dosis von NVP in M
Abb. 7b: NVP
Anteil der Zellen in sub G1 - Phase
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
1
3
10
30
100
Dosis von ETR in M
Abb. 7c: ETR
300 1000
37
Anteil der Zellen in sub G1-Phase
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
1
3
10
30
100
300
Dosis von RPV in M
Abb. 7d: RPV
Anteil der Zellen in subG1-Phase
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
Abb. 7e: LSV
1
3
10
30
Dosis von LSV in M
100
300
1000
38
Anteil der Zellen in sub G1 - Phase
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
0
1
3
10
30
100
300
1000
Dosis von DLV in M
Abb. 7f: DLV
Abb. 7a-f: Anteil von Zellen der Pankreastumorzelllinie BxPC-3 in subG1Phase nach Inkubation mit NNRTI
5.2
Koloniebildungstests
Mit den Koloniebildungstests, die eigentlich den klassischen Versuch für die
Strahlensensibilität von Zellen darstellen, sollte die Wirkung von Efavirenz und
Rilpivirin hinsichtlich ihrer Zytotoxizität anhand der Pankreastumorzelllinie BxPC-3
bestätigt werden. Dazu wurden die gleichen Dosierungen verwendet wie zuvor in
den flusszytometrischen Messungen. Pro Versuch wurden für jeden Parameter drei
Petrischalen angelegt, sodass nach insgesamt dreifacher Durchführung dieser
Versuche pro Parameter 9 Schalen analysiert werden konnten.
Bei der Auswertung standen die Anzahl der Kolonien sowie deren Fläche im
Mittelpunkt des Interesses. Der Mittelwert der unbehandelten Kontrollschalen wurde
gleich 1 gesetzt und alle anderen Messwerte darauf normiert, um die jeweiligen
Anteile an der Kontrolle zu erhalten. Ebenso wurde mit der Analyse der Flächen
verfahren.
Die Koloniebildungstests zeigen deutlich, dass sowohl die Zahl als auch die Fläche
der Kolonien mit steigender Dosis der Medikamente abnimmt. Bei EFV wird bei der
Dosis von 40M eine Abnahme der Koloniezahl um 36% und eine Reduktion der
Fläche um 66% gemessen. Bei der Höchstdosis von 80M können, verglichen mit
den Kontrollwerten, für die Zahl der Kolonien 2,8% und für die Fläche nur noch 0.3%
39
nachgewiesen werden. Die Versuche mit Rilpivirin zeigen folgendes Ergebnis: bei
einer Dosis von 10M ist hinsichtlich der Zahl der Kolonien ein Verlust von 18,9%
und hinsichtlich der Fläche sogar von 34,2% zu verzeichnen. Bei der Höchstdosis
von 300M beträgt die Zahl der Kolonien nur noch 0,8% und deren Fläche 0,04%
verglichen mit den Werten der Kontrolle.
In den folgenden Diagrammen sind auf die y-Achse sowohl der Anteil der
überlebenden Kolonien (SF) als auch die Fläche der Kolonien (CA) projiziert. Die xAchse bildet logarithmisch die Konzentration von EFV und RPV ab. Mittels einer
gefitteten Dosis-Wirkungskurve gemäß der Formel
𝑦 = 1−
𝑥 𝑝0
𝑝1+𝑥 𝑝0
wurden die
jeweiligen EC50 Werte ermittelt. Für EFV ergibt sich im Hinblick auf den Anteil der
überlebenden Kolonien eine mittlere effektive Konzentration von 40mol/l.
Vergleicht man das Ergebnis mit der EC50 von 31,5mol/l aus den Annexin-VAPC/7AAD Färbungen, fällt auf, dass der Wert aus den Koloniebildungstests nur
geringfügig höher liegt. Die EC50 bezüglich der Fläche der Kolonien beträgt für EFV
28mol/l, was sich relativ genau mit den Daten der flusszytometrischen Messungen
deckt.
Im Gegensatz dazu liegen bei Rilpivirin sowohl der EC50 Wert für die Zahl der
überlebenden Kolonien mit 16mol/l als auch für die Fläche der Kolonien mit
12mol/l unterhalb der EC50 von 24,4mol/l aus der Annexin-V-APC/7AAD
Färbung.
Bei beiden Wirkstoffen lässt sich feststellen, dass zunächst vor allem ein Rückgang
der Fläche der Kolonien sichtbar wird, während die Anzahl der Kolonien noch stabil
bleibt. Diese Beobachtung verdeutlicht sich anhand der mittleren effektiven
Konzentration, wo die Ergebnisse für die EC50 bei EFV und bei RPV hinsichtlich der
Koloniefläche niedriger sind als die EC50 des überlebenden Anteils.
Die
Resultate
der
Koloniebildungstests
konnten
die
Ergebnisse
der
flusszytometrischen Messungen und damit den zytotoxischen Effekt von Efavirenz
und Rilpivirin bestätigen.
40
Abb. 8a: Efavirenz
Abb. 8b: Rilpivirin
Abb. 8a und b: Ergebnisse der Koloniebildungstest mit Efavirenz und
Rilpivirin
41
5.3
Western Blot
Nachdem in den flusszytometrischen Messungen und den Koloniebildungstests
eindeutig ein zytotoxischer Effekt auf Tumorzellen beobachtet und reproduziert
werden konnte, sollte nun mittels Western Blot der Wirkmechanismus untersucht
werden. Als Material dienten Proteine, die aus der Pankreastumorzelllinie BxPC-3
und der Glioblastomazelllinie T98G isoliert wurden. Zur Behandlung der Zellen
wurde ausschließlich der nicht-nukleosidische RTI Efavirenz verwendet.
Bei
den
Western
Wachstumsfaktoren
Blots
Akt
wurde
und
zunächst
Erk
mit
gearbeitet
Antikörpern
(Abb.
9a-e),
gegen
um
die
deren
Phosphorylierungszustand und somit deren Aktivierungsstatus nach Einwirkung von
Efavirenz
zu untersuchen.
Beide Wachstumsfaktoren sind Mediatoren in den
Signalkaskaden des Cannabinoidsystems und werden durch Phosphorylierung
aktiviert. Das Cannabinoidsystem könnte in direktem Zusammenhang mit dem
zytotoxischen
Effekt
der
NNRTI
stehen.
Für
die
Untersuchung
der
Phosphorylierungsstellen von Akt und Erk wurde Gesamtprotein sowohl von BxPC-3
als auch von T98G eingesetzt.
Bei diesen Blots wurde die Membran zunächst mit Antikörpern gegen die
Phosphorylierungsstellen Ser473 und Thr308 von Akt und gegen die Positionen
Thr177 und Thr202/Tyr204 von Erk inkubiert. Nach dem Strippen erfolgte die
Färbung mit den Gesamtantikörpern anti-Akt1/2/3 beziehungsweise anti-Erk2, um
alle Positionen auf eine mögliche Phosphorylierung zu testen. Zuletzt wurde die
Ladungskontrolle mittels anti--Aktin durchgeführt.
Die Resultate dieser Western Blots zeigen, dass bei der Zelllinie BxPC-3 unter
Verwendung
von
anti-pAkt-308
eine
leichte
Abnahme
der
Intensität
der
Bandenfärbung bei 40mol/l (10min, 40min Inkubationszeit) und 80mol/l (10min)
EFV im Vergleich zur Kontrolle auftritt, was in diesem Zusammenhang für eine
Aktivitätsminderung des Wachstumsfaktors Akt sprechen könnte (Abb. 9d). Diese
Beobachtung beschränkt sich allerdings auf die Zelllinie BxPC-3, da die Bande der
Phosphorylierungsstelle Thr308 des Wachstumsfaktors Akt bei der Zelllinie T98G
weitgehend unbeeinflusst von EFV bleibt. Die Färbungen mit den Antikörpern antipAkt-473, anti-pErk-177 und anti-pErk-202 lassen unter Berücksichtigung der
Ladungskontrolle -Aktin keinen eindeutigen Effekt von Efavirenz im Sinne einer
Intensitätsänderung der Banden erkennen, weder bei BxPC-3 noch bei T98G.
42
10 min
60 min
10 min
Control
Abb. 9a: Zelllinie: T98G
pERK-202
ERK 2
β-Aktin
EFV:
Zelllinie:
0
T98G
40
80 μmol/l
40
10 min
60 min
10 min
Control
Abb. 9b: Zelllinie: T98G
pAkt-473
Akt 1/2/3
β-Aktin
EFV:
Zelllinie:
0
40
BxPC-3
40
Abb. 9c: Zelllinie: BxPC-3
80 mol/l
10 min
48 h
60 min
10 min
Control
43
pERK-202
ERK 2
β-Aktin
EFV:
Zelllinie:
0
40
BxPC-3
40
40
80 μmol/l
Abb. 9d: Zelllinie: BxPC-3
10 min
60 min
40
T98G
40
40
10 min
Control
10 min
60 min
10 min
Control
Abb. 9e: Zelllinie: BxPC-3
pERk-177
ERK 2
β-Aktin
EFV:
Zelllinie:
0
40
BxPC-3
40
80
80 μmol/l
Abb. 9f: Zelllinien: T98G und BxPC-3
Abb. 9a-f: Western Blots mit den Antikörpern anti-pAkt-473, anti-pAkt-308,
anti-Akt1/2/3, anti-pErk-177, anti-pErk-202, anti-Erk2 und -Aktin und den
Zelllinien T98G und BxPC-3
44
Außerdem wurde der Phosphorylierungsstatus von p53 getestet (Abb. 10a-b), da
dieses Tumorsuppressorprotein eine zentrale Funktion bezüglich der Regulation des
Zellzyklus und der Apoptose übernimmt. Zunächst wurde Gesamtprotein für die
Versuche mit p53 eingesetzt. In diesen Blots kann p53 jedoch nicht nachgewiesen
werden. Da von diesem Tumorsuppressorprotein bekannt ist, dass sein Vorkommen
im aktivierten Zustand in der Regel auf den Zellkern beschränkt ist, entschied man
sich, Kern- und Zytoplasmaprotein separat zu untersuchen (Goldman et al. 1996,
Shaulsky et al. 1990). Zuerst erfolgte die Untersuchung der Phosphorylierung von
p53 an der Stelle Ser15, danach die Färbung mit dem Gesamtantikörper p53.
Zuletzt wurde die Ladungskontrolle mit anti--Aktin durchgeführt. Wie zu erwarten,
zeigt sich im Zytoplasmaprotein keine Färbung der p53- Bande. Im Kernprotein
hingegen kann p53 nachgewiesen werden, wobei sich bei der Zelllinie T98G
folgendes Muster abzeichnet: im Vergleich zur Kontrolle ist die Bande der Proteine,
die 24 Stunden mit 40M EFV behandelt wurden, von geringerer Intensität, was
wahrscheinlich an dem geringeren Proteingehalt liegt (siehe -Aktin, Abb. 10a).
Beträgt die Behandlungszeit bei gleicher Dosierung 48 Stunden, so zeigt sich eine
deutlich stärkere Bandenfärbung. Wirkt EFV für eine Dauer von 72 Stunden ein, ist
in den durchgeführten Versuchen keine Bandenfärbung mehr erkennbar. Allerdings
schwammen nach dieser 72-stündigen Inkubation am Tag der Proteinisolierung bei
der mikroskopischen Kontrolle alle Zellen dieser Zellkulturflasche gelöst in ihrem
Medium, sodass für den Blot nur das Protein stark geschädigter oder abgestorbener
Zellen isoliert werden konnte.
Der gleiche Versuch zu p53 wurde mit den Proteinen der Pankreastumorzellen
BxPC-3 durchgeführt. Auch hier wurden Kern-und Zytoplasmaprotein getrennt
isoliert. Bei der Analyse dieser Blots fiel auf, dass unabhängig vom jeweiligen
Parameter keine Bandenfärbung sichtbar war. Die Ladungskontrolle mit -Aktin
bestätigte das gleichmäßige Vorhandensein von Protein.
45
72 h
48 h
24 h
72 h
48 h
Control
BxPC-3 Kernprotein
24 h
Control
T98G Kernprotein
pP53-15
P53
β-Aktin
EFV:
Zelllinie:
0
T98G
40
40
40
0
40
BxPC-3
40 μmol/l
40
Abb. 10a: Zelllinie: T89G und BxPC-3
72 h
48 h
24 h
Control
72 h
Kernprotein
48 h
24 h
Control
Cytoplasmaprotein
pP53-15
P53
β-Aktin
EFV:
Zelllinie:
0
40
BxPC-3
40
40
0
40
40
40 μmol/l
Abb. 10b: Zelllinie: BxPC-3
Abb. 10a-b: Western Blot mit den Antikörpern anti-pP53-15, anti-P53 und Aktin und den Zelllinien BxPC-3 und T98G
46
6
Diskussion
6.1
NNRTI und Tumortoxizität
In der vorliegenden Arbeit wurde zunächst der zytotoxische Effekt von Nicht nukleosidischen Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) auf Tumorzellen
untersucht. Diese Substanzklasse ist seit Jahren in der HIV-Therapie als Teil des
Kombinationsschemas HAART etabliert, denn die Entdeckung und Entwicklung der
NNRTI begann bereits in den späten 1980er Jahren. Die NNRTI der ersten
Generation sind Efavirenz, Nevirapin und Delavirdin. Zur neuen, zweiten Generation
zählen Etravirin, Rilpivirin und Lersivirin. Sollte sich die antiproliferative Wirkung der
NNRTI in vitro nachweisen lassen, wäre es durchaus denkbar, dass diese
Medikamente auch in vivo zu einem Absterben von Tumorzellen führen könnten.
Damit würden die NNRTI möglicherweise einen neuen vielversprechenden
Ansatzpunkt in der Tumortherapie bieten.
Grundlage dieser Überlegungen waren die Beobachtungen zahlreicher Fallberichte
hinsichtlich HIV-Patienten unter HAART-Therapie und der damit verbundenen
Remission ihrer jeweiligen Krebserkrankung bzw. präkanzerösen Läsion. Derartige
Berichte existieren zu allen drei malignen AIDS-definierenden Erkrankungen: dem
Kaposi-Sarkom (Murdaca et al. 2002) und verschiedenen Non-Hodgkin-Lymphomen
(Girard et al. 2005, Baraboutis et al. 2009, Amengual et al. 2008), wo komplette
Regressionen erzielt wurden. Auch bezüglich des HPV-induzierten Cervixkarzinoms
existieren Berichte, dass durch HAART die Entstehung sowie Progression
präkanzeröser Läsionen bei HIV-Infizierten verhindert und eine Rückbildung erreicht
werden konnte (Omar et al. 2011, Adler et al. 2012, Firnhaber et al. 2012). In allen
diesen
Fällen
konnte
ein
Zusammenhang
mit
anderen
Medikamenten
ausgeschlossen werden und alle Patienten erhielten HAART zum Zeitpunkt der
Regression ihrer Tumorerkrankung. Ursächlich für diese Beobachtung könnte zum
einen die Rekonstruktion des Immunsystems durch die erfolgreiche HIV-Therapie
sein. Zum anderen aber wäre es möglich, dass eines dieser Medikamente direkt das
Wachstum und Überleben von Tumorzellen hemmt. Diese Überlegung führt nun zu
der Frage, welche Komponente der Kombinationstherapie im Speziellen für diesen
Effekt verantwortlich sein könnte. Schließlich umfasst die HAART den Einsatz von
mindestens drei Medikamenten aus wenigstens zwei Substanzklassen. Einen
Hinweis lieferten mehrere Studien, die in vitro eine antineoplastische Wirkung der
Nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren feststellten. So konnte in
einer
italienischen
Studie
mittels
flusszytometrischen
Messungen
anhand
zahlreicher Tumorzelllinien humanen und murinen Ursprungs gezeigt werden, dass
47
Nevirapin die Vermehrung maligne entarteter Zellen hemmt (Mangiacasale et al.
2003). Weitere Arbeiten konnten diese Beobachtung bestätigen, indem mehrfach
festgestellt wurde, dass sowohl NVP als auch EFV antiproliferativ auf Zelllinien von
menschlichen
Nierenzellkarzinomen
(RCC-1
und
RCC-2)
und
Schilddrüsenkarzinomen (FRO, ARO) wirken (Landriscina et al. 2008, Landriscina
et al. 2005, Pittoggi et al. 2008, Zhou et al. 2012). Wurde bei diesen Studien das
Hauptaugenmerk auf die bloße Hemmung der Proliferation von Tumorzellen gelegt,
so gibt es auch Berichte, die sich auf die NNRTI abhängige Induktion von Apoptose
und Nekrose fokussieren. So konnte gezeigt werden, dass EFV ab einer Dosis von
50M und einer Behandlungsdauer von 24 h, 48 h und 72 h definitiv apoptotisch auf
die Zelllinie eines Hepatozellulären Karzinoms (Hep3B) wirkt (Apostolova et al
2010). Außerdem wurde bezüglich Efavirenz eindeutig nachgewiesen, dass es zu
einem
spezifischen
Tumorzelllinien
Absterben
(BxPC-3,
T98G,
von
Tumorzellen
HCT-15
führt:
(kolorektales
bei
verschiedenen
Karzinom),
Panc-1
(Pankreaskarzinom), Jurkat (akute T-Zell-Leukämie)) konnte eine Induktion von
Apoptose und Nekrose durch EFV bereits bei einer Dosis von 40M gemessen
werden, wohingegen das Wachstum und das Überleben von Hautfibroblasten (SBL5, SBL6) durch die Inkubation mit EFV unbeeinflusst blieb. Gleichzeitig wurden
analog flusszytometrische Versuche mit den nukleosidischen RTI Tenofovir und
Emtricitabine mit Zellen von BxPC-3 und SBL-5 durchgeführt. Keines dieser beiden
NRTI zeigte in dieser Studie einen antiproliferativen oder zytotoxischen Effekt,
weder bei der Zelllinie BxPC-3 noch bei den Hautfibroblasten (Hecht et al. 2013).
Aus diesem Grund scheint es sehr plausibel, dass die Tumorrückbildung bei den
HIV-Patienten der oben erwähnten Fallberichte einem Nebeneffekt der NNRTI
zuzuschreiben ist.
Basierend auf dieser Hypothese wurde entschieden, in der vorliegenden Arbeit die
Gruppe der NNRTI zu untersuchen. Hierzu erfolgten zunächst flusszytometrische
Messungen mit EFV und NVP. Zur Detektion des zytotoxischen Effekts und
genauen Differenzierung zwischen Apoptose und Nekrose wurden die Farbstoffe
Annexin-V-APC und 7AAD verwendet. Annexin-V-APC kennzeichnet das Auftreten
von Phosphatidylserin auf der Außenseite der Plasmamembran und ist somit Marker
für die apoptotischen Veränderungen während 7AAD als Indikator für Nekrose dient,
indem dieser Farbstoff auf eine, bei Nekrose typische, Ruptur der Zellmembran
hinweist. Nach einer 72-stündigen Inkubation der Pankreastumorzelllinie BxPC-3 mit
EFV und NVP wurde ein dosisabhängiges Absterben der Zellen verzeichnet. Dabei
nahm mit steigender Dosis zuerst der Anteil der apoptotischen Zellen zu. Wurde bei
EFV die Konzentration von 60M und bei NVP die Konzentration von 400M
48
erreicht, stieg der nekrotische Prozentsatz stark und rapide an, wobei die Zahl der
Zellen im apoptotischen Zustand deutlich sank. Bei den jeweiligen Höchstdosen von
80M EFV und 600M NVP waren kaum noch lebende Zellen zu registrieren. Somit
hat sich der tumortoxische Effekt von Efavirenz und Nevirapin, der schon in den
oben genannten Studien beobachtet worden war, eindeutig bestätigt und war bei
jedem der drei durchgeführten Einzelversuche reproduzierbar.
Da diesbezüglich bisher nur Berichte zu EFV und NVP verfügbar waren, stellte sich
nun die Frage, ob die antineoplastische Wirkung auch bei anderen Vertretern der
nicht-nukleosidischen RTI
nachweisbar sein würde. Aus diesem Grund sollten
dahingehend auch Delavirdin und die NNRTI der neuen Generation, Rilpivirin,
Etravirin und Lersivirin, in gleicher Weise analysiert werden. In der Tat lässt sich bei
all diesen Medikamenten ein deutlicher tumortoxischer Effekt feststellen, wobei
dieser abhängig von der jeweiligen Dosis ist und die Nekrose die vorherrschende
Art des Zelltodes ist. Von den vier Substanzen sticht RPV als effektivster Wirkstoff
hervor, da schon ab einer extrem geringen Dosis von 10M fast 22% der Zellen als
apoptotisch gemessen werden und ab 30M der Anteil nekrotischer Zellen im Mittel
44% beträgt. RPV weist mit der EC50 von 24.4mol/l den niedrigsten Wert für die
mittlere effektive Konzentration auf. Bei EFV beträgt die EC50 31,5mol/l. Während
bei Rilpivirin die Toxizität mit steigender Dosis langsam zunimmt,
steigt die
antineoplastische Wirkung von EFV ab einem bestimmten Schwellenwert sprunghaft
sehr steil an. Dementsprechend sind bei der Dosis von 60M Efavirenz bereits 95%
aller Zellen nekrotisch. Dieses Ergebnis konnte durch keine der anderen
Substanzen erreicht werden. So ist bei 100M RPV zwar immerhin ein nekrotischer
Anteil von 75% messbar, allerdings bleibt das weit hinter den Werten für EFV
zurück. Betrachtet man die EC50 Werte der anderen NNRTI wird die Überlegenheit
von EFV und RPV im Hinblick auf ihr tumortoxisches Potenzial deutlich: Die EC50
von ETR ist ca. dreimal so hoch, die von NVP und DLV mehr als sechsmal so hoch
wie die entsprechenden Werte von Efavirenz und Rilpivirin. Die EC50 von LSV
beträgt sogar den 18-fachen Wert der mittleren effektiven Konzentration von EFV
und RPV.
Ziel war es nun, diese neuen Erkenntnisse zu vertiefen und durch ein anderes
Versuchsmodell zu ergänzen. Die Wahl fiel auf die in der experimentellen
Forschung schon lange etablierten Koloniebildungstests. Diese Methode wird für
gewöhnlich verwendet, um Zellen auf ihre Strahlensensibilität zu untersuchen. In
dieser Arbeit diente sie ausschließlich dem Zweck, die Auswirkung von EFV und
RPV auf das Wachstum und Überleben der Pankreastumorzellen BxPC-3 zu
überprüfen. Man entschied sich für diese beiden Medikamente, da bei Efavirenz und
49
Rilpivirin die antineoplastische Wirkung in den flusszytometrischen Analysen im
Vergleich zu den restlichen NNRTI am deutlichsten war und bei den niedrigsten
Dosierungen auftrat. Für den Versuch wurden die gleichen Konzentrationen gewählt
wie in der Flusszytometrie. Die Inkubationszeit betrug ebenfalls 72 Stunden.
Beurteilt wurden am Ende die Anzahl der entstandenen Kolonien sowie deren
Fläche. Es zeigt sich bei beiden Medikamenten mit steigender Dosis eine starke
Reduktion der Koloniebildung ebenso wie der Fläche der Kolonien. Für Efavirenz
wird bezüglich der überlebenden Zellfraktion eine EC50 von 40M ermittelt, für RPV
eine EC50 von 16M. Die EC50 Werte für die Koloniefläche ergeben für EFV
28mol/l und für RPV 12mol/l, was mit den Ergebnissen der Annexin-V-APC/7AAD
Färbung aus den flusszytometrischen Messungen korreliert. Hierbei ist die Fläche
der Kolonien zunächst mehr beeinträchtigt als deren Anzahl. Dies ändert sich aber
mit steigender Dosis, wo schließlich auch merklich weniger Kolonien gezählt
werden.
Somit konnte also mithilfe der Versuchsmodelle Durchflusszytometrie und
Koloniebildungstest eine antiproliferative und zytotoxische Wirkung bei sämtlichen
verfügbaren nicht-nukleosidischen RTI nachgewiesen werden.
Zu jedem der sechs NNRTI wurde bei den flusszytometrischen Messungen auch die
Verteilung der Zellzyklusphasen bestimmt, indem die Pankreastumorzellen BxPC-3
zusätzlich mit dem Fluorochrom Hoechst 33342 gefärbt wurden, das den DNAGehalt einer Zelle ermittelt und dadurch Rückschlüsse auf die jeweilige
Zellzyklusphase zulässt. Da einige zytotoxische Medikamente der Chemotherapie
ihre Wirkung phasenspezifisch entfalten beziehungsweise die Zellzyklusphasen
durch ihre Wirkung beeinflussen, gibt es auch bei den NNRTI Grund zur Annahme,
dass sich ihre antineoplastische Wirkung dahingehend in einem speziellen Muster
manifestiert (Qin et al. 2002, Edwards et al. 1991). Die Färbung mit Hoechst 33342
zeigt folgendes Ergebnis: Alle NNRTI bewirken zunächst einen Anstieg des
Zellanteils in der G0/G1-Phase des Zellzyklus, während die Menge der Zellen in SPhase und G2/M-Phase kompensatorisch abnimmt. Dies macht sich besonders bei
Efavirenz und Etravirin bemerkbar, wo der maximale Zuwachs der G1/G0-Phase
unter EFV (20M) 14.2% und 21% unter ETV-Inkubation (10M) beträgt. Steigt
jedoch die Dosis weiter an, kann ein Rückgang der in G0/G1-Phase befindlichen
Zellen verzeichnet werden, wobei jetzt ein deutlicher Zuwachs vor allem bei der
G2/M-Phase und in geringerem Ausmaß auch bei der S-Phase gemessen wird. Die
Werte für die G1/G0-Phase liegen bei den jeweiligen Höchstdosen für sämtliche
Wirkstoffe unter den Werten der Kontrolle. Vergleicht man diese Ergebnisse mit den
Daten der An/7A-Färbung, fällt auf, dass die Abnahme des Zellanteils in G0/G1-
50
Phase bei jedem der getesteten NNRTI bei genau der Dosis beginnt, bei der
gleichzeitig ein merklicher Anstieg der Nekrosekurve registriert wird und die Zellen
in der sub G1-Phase zunehmen.
Auch in anderen Studien wurde bei niedrigeren Dosierungen von Efavirenz und
Nevirapin
ein
prozentualer
Anstieg
der
G1/G0-Phase
bei
verschiedenen
Tumorzelllinien nachgewiesen (Landriscina et al. 2005, Mangiacasale et al. 2003,
Hecht et al. 2013). Zusätzlich wurde in einer spanischen Studie nach Inkubation
einer HCC-Zelllinie mit Efavirenz beobachtet, dass ab 50M EFV der Anteil von
Zellen in G2/M-Phase deutlich und in S-Phase leicht zunahm (Apostolova et al.
2010), was sich in der vorliegenden Arbeit ab einer bestimmten Dosierung bei allen
NNRTI verzeichnen lässt. Ein Arrest des Zellzyklus tritt bei gesunden Zellen immer
dann ein, wenn die DNA der Zelle durch bestimmte Einflüsse geschädigt wurde oder
keine optimalen Bedingungen für die weitere Progression der Zellteilung gegeben
sind. Für ein Anhalten des Zellzyklus in der G0/G1-Phase können verschiedene
Mediatoren wie zum Beispiel das Tumorsuppressorprotein p53 verantwortlich sein.
Durch einen weiteren Kontrollpunkt kann als Folge auf bestimmte Schäden ein
Arrest in der G2/M-Phase eintreten. Dieser hat sich in der vorliegenden Arbeit bei
den höheren Dosierungen der NNRTI zumindest angedeutet, war aber insgesamt
nicht so ausgeprägt wie der G0/G1-Arrest.
Bei Tumoren sind die Komponenten des Kontrollsystems des Zellzyklus sowie die
zugehörigen Reparaturgene und Tumorsuppressorproteine häufig mutiert oder
inaktiviert, was durch die zügellose Proliferation bei gleichzeitig mangelnder
Reparatur von DNA-Schäden schnell zu neuen malignen Mutationen und zu einer
erheblichen Größenzunahme des Tumorgewebes führen kann (Hartwell et al. 1994,
Vermeulen et al. 2003). Daher könnten Substanzen, welche die Stabilität des
Zellzyklus wiederherstellen, das Auftreten und das Wachstum von Tumorzellen
verhindern. Die Akkumulation von Zellen in G0/G1 nach einer Inkubation mit nichtnukleosidischen RTI ist entweder ein Hinweis darauf, dass primär spezielle
Kontrollfaktoren des Zellzyklus beeinflusst werden, welche die apoptotische
Signalkaskade aktivieren oder durch die Medikamente ein direkter Schaden an der
Zelle induziert wird, der sekundär zur Apoptose/Nekrose führt.
Außerdem wurde mit der Hoechst 33342 Färbung der Anteil von Zellen bestimmt,
die sich in subG1-Phase befanden. Hier weisen die Zellen einen niedrigeren DNAGehalt als in den übrigen Zellzyklusphasen auf. Diese Zellen gelten als apoptotisch,
da die Kondensierung des Chromatins und die spezielle Fragmentierung der DNA
charakteristische biochemische Merkmale der Apoptose sind (Darzynkiewicz et al.
1997, Saraste et al. 2000). Die Auswertung zeigt, dass mit steigender Dosis eine
51
wachsende Anzahl von Zellen in subG1-Phase gezählt wird. Dieser Trend setzt sich
bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstdosis fort. Dies bedeutet, dass in die
Wertung für subG1 demnach auch nekrotische Zellen eingegangen sind, da laut der
An/7A-Färbung die Apoptosekurve ab einer gewissen Medikamentenkonzentration
wieder sinkt, während die Nekrose zur dominierenden Form des Zelltodes wird.
Bisweilen ist eine exakte Grenzziehung zwischen Apoptose und Nekrose nicht
möglich. So kann unter anderem auch durch nekrotische Schäden eine
Fragmentierung der DNA resultieren, sodass diese Zellen durch ihren erniedrigten
DNA-Gehalt ebenfalls der subG1-Phase zugerechnet werden (Saraste et al. 2000).
Die Zunahme der subG1-Phase bei verschiedenen Tumorzelllinien, die mit
Efavirenz behandelt worden waren, wurde auch in zahlreichen anderen Studien
nachgewiesen (Hecht et al. 2013, Apostolova et al. 2010). Durch die vorliegende
Arbeit konnte diese Beobachtung auch im Hinblick auf die anderen nichtnukleosidischen RTI bestätigt werden.
Alles in allem zeigt sich durch die bisherigen Versuche, dass alle NNRTI einen
deutlichen tumortoxischen Effekt aufweisen und die Nekrose die vorherrschende
Form des Zelltodes ist. Nekrose repräsentiert für gewöhnlich die zelluläre Antwort
auf gravierende Schäden wie sie etwa durch eine hohe Dosis zytotoxischer
Wirkstoffe induziert werden (Darzynkiewicz et al. 1997). Dass NNRTI hauptsächlich
über Induktion von Nekrose wirken, ist als positiv zu bewerten, da durch die hier
typische
Freisetzung
intrazellulärer
Bestandteile
aufgrund
der
Ruptur
der
Zellmembran und der nukleären Lyse ein Immunstimulus, gefolgt von einer
Entzündungsreaktion des umliegenden Gewebes, induziert wird, sodass eine weit
größere Masse an Tumorgewebe involviert wird, als wenn es sich nur um
apoptotische Vorgänge handeln würde (van Cruchten et al. 2002, Darzynkiewicz et
al. 1997, Saraste et al. 2000).
Durch die Versuche der vorliegenden Arbeit konnte die Beobachtung einer
tumortoxischen Wirkung von Efavirenz und Nevirapin wie sie bisher in zahlreichen
Studien beschrieben worden war, bestätigt werden. Auch für die anderen Vertreter
der NNRTI konnte hier nun ein antineoplastischer Effekt in vitro nachgewiesen
werden. In diesem Zusammenhang wurde gezeigt, dass die Hemmung der
Zellproliferation und des zellulären Überlebens durch die NNRTI deutlich
dosisabhängig ist. Ob diese Medikamentengruppe in Zukunft tatsächlich in der
Chemotherapie von Tumorerkrankungen Anwendung findet, hängt deshalb auch
maßgeblich davon ab, ob die tumortoxischen Konzentrationen auch in vivo im
menschlichen Organismus ohne das Risiko gravierender Komplikationen erreicht
werden könnten.
52
Bezüglich EFV wurden für die Therapie von HIV-Infizierten bei der Standarddosis
von
600mg/d
Plasmaspiegel
zwischen
1000
und
4000ng/ml
als
idealer
therapeutischer Bereich festgelegt, da bei Überschreiten der 4000ng/ml vermehrt
zentralnervöse Nebenwirkungen auftraten (Marzolini
et al. 2001). In neueren
Studien mit Spitzenspiegeln von über 6000 ng/ml war diese Beobachtung allerdings
nicht reproduzierbar (Kappelhoff et al. 2005, Takahashi et al. 2007). Die im Rahmen
des Therapeutischen Drug Monitoring feststellbaren Werte im Vergleich der
Patienten untereinander waren in sämtlichen Studien sehr großen Schwankungen
unterworfen. So wurden bisher auch Spiegel von über 10000ng/ml gemessen, was
bei einem Molekulargewicht von 315,67g/mol eine Konzentration von etwa 32mol/l
ergibt (Marzolini et al. 2001, Kappelhoff et al. 2005, Lopez-Cortes et al. 2005).
Sogar Plasmakonzentrationen von über 14000ng/ml (44.4 M) sind bei 600mg
EFV/d in Einzelfällen möglich (Taylor et al. 2001). In einer anderen Studie wurde
neun HIV-Patienten, die an Tuberkulose erkrankt waren und deshalb zusätzlich mit
Rifampicin behandelt werden mussten, eine tägliche Dosis von 800mg EFV
verabreicht, da Rifampicin zu verminderten Plasmakonzentrationen von EFV führen
kann (Benedek et al. 1998, Lopez-Cortes et al. 2002). Hierbei wurden sogar
maximale Plasmaspiegel von nahezu 20000 ng/ml ermittelt, jedoch manifestierten
sich bei einem Großteil der Teilnehmer gravierende Nebenwirkungen, die vor allem
das zentrale Nervensystem betrafen. Allerdings leidet die Aussagekraft dieser
Ergebnisse unter der Tatsache, dass bei den neun Probanden nicht eindeutig
differenziert werden konnte, ob diese Nebenwirkungen auf Efavirenz alleine, auf die
anderen Komponenten der HAART- und Tuberkulose-Therapie oder gar auf
Komplikationen der Tuberkulose selbst zurückzuführen waren (Brennan-Benson et
al. 2005). Eine weitere Studie mit 40 an Tuberkulose erkrankten HIV-Infizierten
verzeichnete bei der Einnahme von 800mg EFV/d maximale Plasmaspiegel von
mehr als 20000ng/ml, umgerechnet 64mol/l, wobei diese Konzentrationen sehr gut
toleriert wurden und keine schwerwiegenden Komplikationen auftraten (Manosuthi
et al. 2005).
Im Experiment mit der Pankreastumorzelllinie BxPC-3 liegt die EC50 bei einer Dosis
von 31,5M. Das bedeutet, dass bei umgerechnet 9944ng/ml EFV die
halbmaximale Wirkung eintritt. Die oben genannten Daten legen nahe, dass diese
und höhere Konzentrationen auch in vivo erreicht werden können, ohne die Dosis
von Efavirenz drastisch erhöhen zu müssen. Außerdem lässt sich nach Analyse der
vorliegenden
Studiendaten
Nebenwirkungsrate
schließen,
verglichen
mit
den
dass
die
dabei
Komplikationen
zu
erwartende
der
klassischen
Chemotherapeutika als relativ gering anzusehen ist. Diese Annahme wird zusätzlich
53
durch die Beobachtung unterstützt, dass die maximale Plasmakonzentration etwa 5
Stunden nach Einnahme von Efavirenz erreicht wird, also in Wirklichkeit wohl noch
höher liegt als die oben genannten Werte implizieren, die meist 12 h nach Einnahme
gemessen wurden (Lopez-Cortes et al. 2005, Manosuthi et al. 2005). Außerdem
muss berücksichtigt werden, dass die Einnahme von EFV in den genannten Studien
kontinuierlich über längere Zeit erfolgte, wohingegen die Inkubationszeit im
Experiment 72 h betrug. Möglicherweise wird der tumortoxische Effekt durch die
Dauertherapie noch verstärkt.
NVP sollte im Therapeutischen Drug Monitoring von HIV-Infizierten bei der
empfohlenen Dosierung von 2 x 200mg/d relativ hohe Talspiegel von mindestens
3500ng/ml aufweisen, um einen Effekt in der antiviralen Therapie gewährleisten zu
können
(Cooper
et
al.
Plasmakonzentrationen
2006,
zeigen
Donnerer
auch
et
bei
al.
NVP
2008).
Die
insgesamt
maximalen
eine
große
Schwankungsbreite, wobei in einer Studie bei 13% der Patienten nach achtwöchiger
Therapie Spitzenwerte von mindestens 9000ng/ml messbar waren (Ratanasuwan et
al. 2012). Auch Plasmaspiegel in Höhe von 10000ng/ml und 15000ng/ml wurden in
zahlreichen Studien dokumentiert (Almond et al. 2004, Kappelhoff et al. 2005,
Ratanasuwan et al. 2012, Nafrialdi et al. 2012). Wie bei EFV muss auch bei
Nevirapin beachtet werden, dass die maximalen Plasmaspiegel etwa 4 Stunden
nach erfolgter Einnahme erreicht sind und somit vermutlich höher liegen als
10000ng/ml oder 15000ng/ml. Bei einem Molekulargewicht von 266,3g/mol ergibt
sich für 15000ng/ml eine Konzentration von 56mol/l. Die EC50 von NVP entspricht
mit 239mol/l (=63786ng/ml) etwa dem Vierfachen dieses Wertes.
Es wird immer noch kontrovers diskutiert, in welcher Relation die Rate an
Nebenwirkungen zur Plasmakonzentration von NVP steht. Zum einen gab es in
bisherigen Studien Hinweise sowohl auf hepatotoxische Komplikationen von NVPSpiegeln, die höher als 6000ng/ml waren (de Requena et al. 2002) als auch auf
dermatologische Begleitreaktionen bei Konzentrationen über 5300ng/ml (de Maat et
al. 2003). In anderen, groß angelegten Studien konnten diese Ergebnisse hingegen
nicht bestätigt werden (de Maat et al. 2002, Kapelhoff et al. 2005 (2), Almond et al.
2004, Ratanasuwan et al. 2012). Da in den flusszytometrischen Messungen eine
EC50 von 239mol/l verzeichnet wird, führt dies zu der Annahme, dass die NVP
Konzentration mindestens vervierfacht werden müsste, um die zytotoxische Wirkung
auch
in
vivo
zu
erzielen,
was
vermutlich
mit
einer
deutlich
erhöhten
Nebenwirkungsrate einhergehen würde.
Delavirdin-Mesylat, das in Deutschland nicht zugelassen ist, zeigt in bisherigen
Studien bei einer Dosis von 3 x 400mg/d maximale Konzentrationen von mehr als
54
30mol/l (Morse, Cohn et al. 2003, Morse, Fischl et al. 2003, Smith et al. 2005). In
einer anderen Studie wurden bei einer Dosierung von 2 x 1000mg sogar
Plasmaspiegel von über 50mol/l gemessen und toleriert (Justesen et al. 2004).
Verglichen mit der experimentell ermittelten EC50 von 171mol/l (=78072ng/ml)
sind die bisherigen Plasmaspitzenspiegel in vivo sehr gering, sodass die Dosis für
eine mögliche Chemotherapie stark gesteigert werden müsste. Die häufigste
Komplikation, bei ansonsten guter Verträglichkeit, ist ein vorübergehendes
Exanthem, das bei 18-50% der Patienten meist in den ersten Wochen der Therapie
auftritt. Auffallend ist bei DLV auch das hohe Maß an Interaktionen mit anderen
Medikamenten (Scott et al. 2000).
ETR mit einem Molekulargewicht von 435,28g/mol kann bei der Dosierung von 1 x
400mg/d
im Durchschnitt Spitzenspiegel in Höhe von fast 1400ng/ml, also
3.2mol/l, im Blut HIV-infizierter Patienten aufweisen (Peeters et al. 2008). In groß
angelegten Studien waren sogar maximale Konzentrationen von weit über
4000ng/ml, entsprechend 9.2mol/l messbar. Dabei erwies sich Etravirin bei
insgesamt guter Verträglichkeit als sehr effizientes Medikament in der HIV-Therapie,
insbesondere auch bei den Patienten, die bereits Resistenzen gegen die
klassischen NNRTI entwickelt hatten (DeJesus et al. 2010, Katlama et al. 2010,
Madruga et al. 2007, Lazzarin et al. 2007). Die häufigsten, aber insgesamt selten
auftretenden Nebenwirkungen in Langzeitstudien umfassten Hautausschlag,
neuropsychiatrische Komplikationen sowie Leberenzymerhöhung (Katlama et al.
2010). Im Hinblick auf die für ETR in vitro ermittelte EC50 von 89mol/l, was
38740ng/ml entspricht, scheint ein Einsatz von ETR in der Chemotherapie zum
jetzigen Zeitpunkt eher unrealistisch.
Für RPV, seit November 2011 in Deutschland zugelassen, wurden bei der in der
HIV-Therapie üblichen Dosis von 25 mg/d maximale Plasmakonzentrationen von bis
zu 250ng/ml gemessen (Goebel et al. 2006). Daraus ergibt sich bei einem
Molekulargewicht von 402,88g/mol eine Konzentration von 0,6mol/l. Bei einer in
Studien getesteten Dosis von 150mg/d, ließen sich auch Werte bis zu 1000ng/ml
ermitteln, woraus eine Konzentration von 2,5mol/l resultiert (Goebel et al. 2006).
Dieser Wert müsste nach den Ergebnissen der Annexin-V-APC/7AAD Färbung der
FACS-Analysen fast verzehnfacht werden, um die EC50 von 24,4mol/l zu erhalten.
Die Verträglichkeit von RPV als 150mg–Dosis ist durch Langzeitstudien belegt
(Wilkin et al. 2012). Die häufigsten Nebenwirkungen sind Exantheme und
neurologische Komplikationen. Im direkten Vergleich mit EFV zeigte RPV in der
HIV-Therapie eine ähnlich große Effektivität, wobei unter Rilpivirin häufiger
Resistenzen verzeichnet wurden. Jedoch war die Nebenwirkungsrate deutlich
55
geringer als bei EFV-Einnahme. (Cohen et al. 2013, Cohen et al. 2011, Molina et al.
2013).
Der Wirkstoff Lersivirin hebt sich von den übrigen NNRTI durch seine einzigartige
molekulare Struktur ab, die es ihm ermöglicht, an andere Stellen der Reverse
Transkriptase des HI-Virus zu binden. Dadurch weist LSV keine Kreuzresistenzen
zu den herkömmlichen NNRTI auf und schien deshalb eine vielversprechende neue
Substanz für die HAART zu sein (Corbau et al. 2010). LSV befand sich in einer
Phase IIb Studie, als die Firma ViiV Healthcare im Februar 2013 die weitere
Entwicklung vorläufig einstellte. Bisherige Studien belegten, verglichen mit EFV,
eine ähnlich große Effektivität dieses Medikaments in der HIV-Therapie sowie eine
gute Verträglichkeit und Sicherheit (Fätkenheuer et al. 2009, Vernazza et al. 2013).
In einer früheren Studie mit HIV- Infizierten wurden bei einer Dosis von 750mg/d
maximale Plasmaspiegel von etwa 1200ng/ml gemessen (Fätkenheuer et al. 2009).
Das Molekulargewicht von LSV beträgt 310,4g/mol, woraus sich eine Konzentration
von nahezu 4mol/l berechnet. In einer anderen Studie wurde Gesunden eine Dosis
von 1 x 2400mg verabreicht, was zu Spitzenspiegeln von ca. 3000ng/ml führte
(Vourvahis et al. 2012). Im Experiment mit BxPC-3 war für LSV eine EC50 von
543mol/l, entsprechend 168523ng/ml eruierbar. Aufgrund der Entwicklungsstufe
dieses NNRTI sind die aktuell verfügbaren Daten hinsichtlich Dosierung,
Plasmaspiegel und Nebenwirkungen sehr eingeschränkt, sodass ein zukünftiger
Einsatz von LSV als Chemotherapeutikum wohl nicht infrage kommt.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Verwendung von Efavirenz in
der
Chemotherapie
durchaus
möglich
erscheint,
da
die
tumortoxischen
Plasmaspiegel in vivo erreicht werden können, ohne die Dosis drastisch erhöhen zu
müssen. So könnte auch eine Behandlung von HIV-infizierten Patienten mit EFV die
Krebsentstehung verhindern sowie zu einer Regression schon vorhandener
Tumoren führen. Dem gegenüber stehen die übrigen NNRTI. Diese zeigen in vitro
zwar ebenfalls einen eindeutigen tumortoxischen Effekt, der aber erst bei hohen
Dosierungen eintritt und somit extrem hohe Plasmaspiegel der Patienten
voraussetzen würde, die in der HIV/AIDS-Therapie bisher nicht gemessen wurden
und die eine enorme Dosiseskalation erfordern würden. Dabei wäre mit einer stark
erhöhten Nebenwirkungsrate zu rechnen, sodass der Einsatz von NVP, ETR, RPV,
LSV und DLV als Chemotherapeutika eher unwahrscheinlich bleibt.
56
6.2
Ursachen des tumortoxischen Effekts der NNRTI
Da also ein zytotoxischer Effekt auf Tumorzellen durch nicht-nukleosidische RTI in
der vorliegenden Arbeit anhand zwei verschiedener Versuchsmodelle in vitro
nachgewiesen werden konnte, stellte sich nun die Frage, auf welchem
Mechanismus
diese
Wirkung
beruht.
In
bisherigen
Studien,
die
den
antineoplastischen Effekt von Efavirenz und Nevirapin nachgewiesen haben, wurde
oft argumentiert, dass die Substanzgruppe der NNRTI über eine Hemmung der
tumoreigenen
Reverse
Transkriptase
der
Proliferation
von
Tumorzellen
entgegenwirkt. Die Expression dieses Enzyms wird im nicht-pathologischen,
differenzierten Gewebe unterdrückt. In mutierten und entdifferenzierten Zellen tritt
die endogene RT jedoch häufig im aktiven Zustand auf und fördert das Wachstum
von Tumoren (Mangiacasale et al. 2003, Spadafora 2004, Landriscina et al. 2008).
Eine andere Studie berichtet über verschiedene mitochondriale Veränderungen wie
eine Verminderung des Membranpotenzials und eine Zunahme der mitochondrialen
Superoxidproduktion sowie der mitochondrialen Proteine nachdem die Tumorzellen
mit Efavirenz inkubiert worden waren (Apostolova et al. 2010).
In dieser Arbeit wurde der Zusammenhang des Wirkmechanismus der NNRTI mit
dem Cannabinoidsystem untersucht. Ausschlaggebend war die Tatsache, dass in
der Literatur diverse Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Substanzklassen
aufgefallen waren. Dazu zählt zunächst die Entdeckung, dass HIV-Patienten und
gesunde Kontrollpersonen, die mit Efavirenz behandelt wurden, ein positives
Ergebnis hinsichtlich Tetrahydrocannabinol bei einigen Drogentests aufwiesen,
wobei eine gleichzeitige Einnahme von Drogen ausgeschlossen werden konnte
(Rossi et al. 2006, La Porte et al. 2006, Röder et al. 2007).
Bezüglich der Cannabinoide ist seit über 30 Jahren bekannt, dass sie die
Proliferation von Tumorzellen inhibieren (Munson et al.1975). Dies trifft auf die
pflanzlichen (Tetrahydrocannabinol), die synthetischen (WIN-55,212-2) und die
endogenen Cannabinoide (Anandamid, 2-Arachidonoylglycerol) zu. Ursächlich
scheinen zum einen eine Hemmung der tumoreigenen Angiogenese sowie zum
anderen die Induktion von Apoptose und Zellzyklusarrest zu sein, was in vitro und
im Tiermodell in vivo gezeigt werden konnte (Casanova et al. 2003, Guzman et al.
2003, Pisanti et al. 2009).
Im gesunden Organismus liegt der CB1 Rezeptor vor allem im zentralen
Nervensystem vor, wo er die psychoaktive Wirkung der Cannabinoide vermittelt. Der
CB2 Rezeptor wird peripher hauptsächlich im Immunsystem, aber auch in anderen
Gewebearten exprimiert und hat keine psychoaktiven Effekte (Matsuda et al. 1990,
57
Munro et al. 1993, Casanova et al. 2003). Beide Rezeptoren sind G-Protein
gekoppelt (Guindon et al. 2011).
Es gibt eine wachsende Datenlage darüber, dass Cannabinoide durch die
Aktivierung ihrer Membranrezeptoren CB1 und CB2 selektiv gegen Tumorzellen
gerichtet sind und das Überleben gesunden Gewebes nicht beeinträchtigen (Cianchi
et al. 2008, Carracedo et al. 2006, Guzman et al. 2003). In diesem Zusammenhang
hat sich außerdem gezeigt, dass bestimmte Signalwege wie etwa die RASMAPK/ERK Kaskade in normalem Gewebe eine andere Regulierung durch die
Cannabinoide erfahren als im Tumorgewebe (Flygare et al. 2008). In der Literatur
gibt es außerdem zahlreiche Angaben zur Verteilung der Cannabinoidrezeptoren in
Tumoren.
So
wurden
CB1
und
CB2
Rezeptoren,
entsprechend
einer
Hochregulierung, vermehrt in Tumorgewebe und Tumorzelllinien registriert, wobei
der jeweilige Rezeptoranteil abhängig von der Art des Tumors war (Pisanti et al.
2009, Guindon et al. 2011, Sarfaraz et al. 2008, Malfitano et al. 2011). In den beiden
Zelllinien BxPC-3 und T98G, die für die Versuche der vorliegenden Arbeit eingesetzt
wurden, konnte ein Vorkommen der CB1 Rezeptors demonstriert werden. Bei T98G
konnte außerdem mRNA des Cannabinoid Co-Rezeptors GPR55 nachgewiesen
werden (Hecht et al. 2013). Des Weiteren konnte bereits ein Zusammenhang
zwischen der Wirkung von Efavirenz und der Expression von CB1 Rezeptoren
festgestellt werden, da dieser Rezeptor in allen getesteten Tumorzelllinien einer
Studie gefunden werden konnte, nicht aber in den Zelllinien von Hautfibroblasten,
deren Proliferation durch EFV nicht beeinträchtigt worden war. In besagten
Tumorzellen zeigte sich auch ein Synergismus hinsichtlich der antineoplastischen
Wirkung bei Kombination von EFV mit den Cannabinoidagonisten THC und
Win55212-2 (Hecht et al. 2013).
Außerdem gibt es auffallende Ähnlichkeiten im Nebenwirkungsspektrum von
Cannabinoiden und nicht-nukleosidischen RTI. Die meisten NNRTI weisen ein
erhöhtes Risiko hinsichtlich neuropsychiatrischer Komplikationen wie Schwindel
oder Verwirrtheit auf (Suvada et al. 2013, Cohen et al. 2011). Dies wird auch unter
Einnahme von Cannabinoiden beobachtet (Wang et al. 2008, Guzman et al. 2003).
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Tatsache, dass Cannabinoide durch
verschiedene Mediatoren einen Arrest in der G0/G1-Phase verursachen können
(Guzman et al. 2003, Sarfaraz et al. 2006). Dieser wurde in der vorliegenden Arbeit
bei allen nicht-nukleosidischen RTI beobachtet.
Der Mechanismus auf dem die tumortoxische Wirkung der Cannabinoide beruht, ist
noch nicht eindeutig geklärt. Das komplexe Netzwerk an Signalwegen im
Cannabinoidsystem bietet eine Reihe denkbarer Möglichkeiten, die ursächlich für
58
das Absterben von Tumorzellen sein könnten. In der vorliegenden Arbeit entschied
man sich, die beiden Wachstumsfaktoren Erk1/2 (Extracellular signal-regulated
kinases) und Akt zu untersuchen. In der Literatur wird die Bedeutung der Mitogenaktivierten Proteinkinase (MAPK) Erk kontrovers diskutiert. Erk wird durch
Phosphorylierung an den Stellen Thr202 und Thr204 durch die Raf-abhängige MAP
Kinase Kinase MEK1/2 aktiviert, was als klassischer anti-apoptotischer und
wachstumsfördernder Signalweg gilt (Ballif et al. 2001, Sebolt-Leopold et al. 1999).
In der Tat scheint dieser Wachstumsfaktor einen dualen Charakter zu besitzen, das
heißt, einerseits wurde vor allem bei lang andauernder Stimulation und anhaltender
Aktivierung von Erk aufgrund der Induktion von Clyklin-Kinase-Inhibitoren wie p27
auch ein Zellzyklusarrest in G0/G1-Phase und Zelltod beobachtet. Dieser Effekt war
bei Prostatakarzinomzellen nach Inkubation mit dem Cannabinoid-Agonisten WIN55,212-2 aufgetreten (Sarfaraz et al. 2008, Sarfaraz et al. 2006). Aber andererseits
begünstigt Erk in seiner aktiven phosphorylierten Form, besonders bei nur
vorübergehender Aktivierung, die Zellproliferation und erhöht somit das Risiko für
Tumorentstehung und –wachstum, sodass eine Hemmung der Erk-Signalkaskade
auch einen antineoplastischen Effekt aufweisen kann. Welche Wirkung dieser
Wachstumsfaktor entfaltet, scheint unter anderem von der Dauer des Stimulus
abhängig zu sein (Guzman et al. 2003, Guindon et al. 2011, Sarfaraz et al. 2006,
Calvaruso et al. 2012).
Die Serin/Threonin Proteinkinase Akt fördert im phosphorylierten, aktiven Zustand
das zelluläre Überleben, Angiogenese sowie Zellinvasion. Akt ist im Signalweg der
Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K) nachgeschaltet und wird durch Phosphorylierung
an den Stellen Thr308 und Ser473 aktiviert (Ellert-Miklaszewska et al. 2005,
Calvaruso et al. 2012, Pisanti et al. 2013). Wird dieser Wachstumsfaktor fehlerhaft
induziert, kann dies durch unkontrollierte Zellproliferation eine Tumorentstehung
verursachen (Greenhough et al. 2007). Die Signalwege von Erk und Akt laufen in
dem pro-apoptotischen BAD, einem Mitglied der Bcl-2 Familie, zusammen (EllertMiklaszewska et al. 2005). Die beiden Wachstumsfaktoren sind in Tumoren häufig
hochreguliert, was das Wachstum und Überleben der Tumorzellen fördert
(Greenhough et al. 2007, Li et al. 2003). Greenhough et al. haben gezeigt, dass in
Kolonkarzinomzellen die Behandlung mit THC zu einer Hemmung sowohl des RASMAPK/ERK-Signalwegs als auch der PI3K-AKT Signalkaskade führte, was von
einer Hochregulierung des pro-apoptotischen Proteins BAD begleitet wurde und ein
Absterben der Tumorzellen nach sich zog (Greenhough et al. 2007). In
Glioblastomzellen
tierischen
antineoplastische
Effekt
Ursprungs
nach
wurde
mittels
WIN-55212-2-Behandlung
Western
ebenfalls
Blot
der
auf
die
59
Inhibierung von Akt und Erk mit folgender BAD Stimulierung zurückgeführt (EllertMiklaszewska et al. 2005). Auch in mehreren Leukämiezelllinien verursachte THC
durch Hemmung von Erk die Induktion von Apoptose (Powles et al. 2005). Die
Inkubation von verschiedenen Tumorzelllinien mit Cannabinoiden verursachte eine
Hemmung von pAkt, was in einem Zellzyklusarrest in G0/G1-Phase, einer Induktion
von p27 und einer Inhibierung diverser Cykline resultierte (Park et al. 2011,
Blazquez et al. 2006). Der G0/G1-Arrest erhöht Bax-Spiegel und aktiviert bestimmte
Kinasen, was letztendlich die Apoptose einleitet (Hermanson et al. 2011). Da in den
flusszytometrischen Versuchen der vorliegenden Arbeit eine NNRTI-induzierte
Akkumulation der Zellen in G0/G1-Phase nachgewiesen wurde, scheint es durchaus
denkbar, dass diese Medikamente den Wachstumsfaktor Akt und seinen Signalweg
beeinflussen.
In der vorliegenden Arbeit wurde mithilfe der Western Blot Technik der
Phosphorylierungszustand von Erk
Pankreastumorzelllinie
unterschiedlichen
und Akt
ermittelt.
BxPC-3
und
die
Dosierungen
von
Efavirenz
Hierzu wurden die
Glioblastomazelllinie
für
T98G
unterschiedlich
mit
lange
Inkubationszeiten behandelt. Anschließend wurden die Western Blots mittels
Gesamtprotein der inkubierten Zellen durchgeführt. Verwendet wurden Antikörper
von Erk und Akt, die gegen bestimmte Phosphorylierungsstellen der beiden
Wachstumsfaktoren gerichtet sind. Würden die NNRTI Erk oder Akt durch
Dephosphorylierung inaktivieren, würde sich das in einer schwächeren Ausprägung
der Bandenfärbung zeigen. Die Intensität der Bandenfärbung ergab in den
Versuchen dieser Arbeit jedoch keine wesentlichen Unterschiede zwischen den
Kontrollen und den einzelnen Parametern. Einzig unter Verwendung des
Antikörpers anti-pAkt-308 und der Zelllinie BxPC-3 war eine leichte Abnahme der
Bandenintensität unter EFV-Inkubation zu verzeichnen. Somit konnte sich die
Theorie einer durch EFV induzierten Dephosphorylierung von Akt oder Erk eher
nicht
bestätigen.
Auch
eine
gesteigerte
Phosphorylierung
konnte
dabei
ausgeschlossen werden, da die Intensität der Färbung keine Zunahme verzeichnen
ließ.
Zusätzlich zu Erk und Akt sollte auch das Tumorsuppressorprotein p53 durch
Western Blot in Bezug auf eine Aktivierung analysiert werden. In gesunden Zellen
wird p53 durch das Protein MDM2 im inaktivierten Zustand gehalten (Balint et al.
2001). P53 spielt als „Wächter des Genoms“ eine zentrale Rolle in der Regulation
des Zellzyklus mit seinen Kontrollpunkten und der Schadensreparatur. Je nach
Größe des erfahrenen Schadens kann p53 zu DNA-Reparatur, Seneszenz sowie zu
einem Zellzyklusarrest in G0/G1-Phase führen oder die apoptotische Signalkaskade
60
direkt induzieren (Fridman et al. 2003, Oren et al. 1985, Katsumoto et al. 1995).
Aktiviert wird p53 hierbei durch verschiedene Trigger wie etwa DNA-Schäden,
Hypoxie oder fehlerhafte Onkogen-Expression über ein komplexes Netzwerk an
Signalkaskaden. Sowohl das Anhalten des Zellzyklus in G0/G1 als auch der Zelltod
durch Apoptose konnten in den flusszytometrischen Messungen als Reaktion der
Tumorzellen auf die Inkubation mit den NNRTI demonstriert werden. Somit wäre es
denkbar, dass diese Medikamente die Aktivierung von p53 induzieren.
Auch das Signalsystem der Cannabinoide steht mit p53 in Verbindung. So zeigte
sich, dass der Cannabinod-Agonist WIN-55,212-2 in Prostatakarzinomzellen die
Expression von p53 stimulierte, was über Bax-Aktivierung zur Apoptose führte
(Sarfaraz et al. 2006, Brown et al. 2013).
Des Weiteren ist bekannt, dass p53 durch das E6 Protein des Humanen
Papillomavirus (HPV) mittels Ubiquitinierung in seinen inaktiven Zustand versetzt
wird, sodass p53 nicht mehr auf DNA-Schäden reagieren kann und das Risiko für
Mutationen und Karzinomentstehung rapide steigt (Kessis et al. 1993, Vermeulen et
al. 2003, Hartwell et al. 1994). Von den NNRTI wurde berichtet, dass sie bei HIVPatienten im Rahmen der HAART zu einer geringeren Inzidenz sowie zu einer
Regression von HPV-induzierten präkanzerösen Läsionen der Cervix führten.
Möglicherweise ist diese Beobachtung in einer Reaktivierung oder Induktion von
p53 durch NNRTI im HPV-infizierten Organismus begründet.
p53
ist
das
in
menschlichen
Karzinomen
am
häufigsten
mutierte
Tumorsuppressorgen (Sarfaraz et al. 2006, Fridman et al. 2003). Ein solcher Ausfall
hat durch die Dysregulation des Kontrollsystems von DNA-Reparatur und
Zellzyklusprogression fatale Folgen. Dazu zählen eine extrem erhöhte Rate neuer
Mutationen bei gleichzeitig ungehemmter Proliferation sowie ein damit verbundenes
gesteigertes Tumorrisiko (Vermeulen et al. 2003, Hartwell et al. 1994, Kastan et al.
2007). Aus diesem Grund gab es bisher zahlreiche, teilweise erfolgreiche Anläufe,
um eine Reaktivierung der Funktion von p53 in Tumorzellen zu ermöglichen (Balint
et al. 2001). Mittlerweile gelang es bereits in Klinischen Phase I Studien die
Funktion von p53 in tumorerkrankten Patienten wiederherzustellen (Senzer et al.
2013). Wie nun mehrfach im Tiermodell festgestellt wurde, kann durch alleinige
Reaktivierung der Wildtyp-Form von p53 in maligne entarteten Zellen eine
Tumorregression erzielt werden (Ventura et al. 2007, Xue et al. 2007).
Eine Aktivierung von p53 manifestiert sich durch eine Phosphorylierung des
Proteins. Diese sollte wie bei Erk und Akt ebenfalls durch Western Blot Versuche
analysiert werden.
61
Zuerst sollte der Phosphorylierungszustand von p53 mithilfe von Gesamtprotein der
Zelllinien T98G und BxPC-3 ermittelt werden. Es wurde ein Antikörper verwendet,
der gegen Ser15 gerichtet war. Ist ein Schaden an der DNA eingetreten, wird p53
an genau dieser Stelle durch die DNA abhängige Proteinkinase (DNA-PK)
phosphoryliert, was die Interaktion mit seinem Negativregulator MDM2 reduziert
(Shieh et al. 1997). Die jeweiligen Western Blots ergaben keine Bandenfärbung,
also entschied man sich, Kern- und Zytoplasmaprotein der beiden Zelllinien getrennt
zu untersuchen. Bei T98G zeigte sich im Kernprotein bei einer Inkubationszeit von
48 Stunden mit 40M EFV eine gesteigerte Bandenfärbung und somit eine
Zunahme der Phosphorylierung, was als Aktivierung des Tumorsuppressorproteins
interpretiert wird. Im Zytoplasmaprotein von T98G konnte keine Bandenfärbung
nachgewiesen werden. Dies stimmt mit bisherigen Studien überein, in denen
festgestellt wurde, dass das aktivierte p53 im Zellkern akkumuliert (Shaulsky et al.
1990, Goldman et al. 1996). Bezüglich der Zelllinie BxPC-3 konnte weder im Kernnoch im Zytoplasmaprotein eine Färbung der 53 kDa Bande gesehen werden. Es ist
bekannt, dass in den Pankreastumorzellen BxPC-3 p53 mutiert ist (ATCC, 2015).
Dies ist bei maligne entarteten Zellen keine Seltenheit, schließlich ist p53 in etwa
50% aller menschlichen Karzinome mutiert.
Aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten zwischen den nicht-nukleosidischen
RTI
und
dem
Cannabinoidsystem,
scheint
ein
Zusammenhang
der
Wirkmechanismen sehr wahrscheinlich zu sein. Durch die Versuche mit Western
Blot konnte ein Einfluss von Efavirenz auf die Wachstumsfaktoren Erk und Akt
ausgeschlossen werden. Dagegen konnte bezüglich p53 eine Aktivierung ermittelt
werden, was in bisherigen Studien zu einer Regression von Tumoren geführt hat
(Kastan et
al.
2007).
Dieses Tumorsuppressorprotein
ist
auch Teil der
Signalkaskaden der Cannabinoide, was für einen Zusammenhang der beiden
Substanzgruppen spricht.
Betrachtet man die Komplexität des Netzwerkes von molekularen Signalwegen, wird
deutlich, dass zahlreiche weitere Mechanismen in Betracht kommen, die für den
antineoplastischen Effekt von Cannabinoiden und nicht-nukleosidischen RTI
gleichermaßen verantwortlich sind. So konnte eine Studie beobachten, dass in
Kolonkarzinomzelllinien die Aktivierung der Rezeptoren CB1 und CB2 über eine
Induktion des TNF zur vermehrten Ceramid-de-novo Synthese führte, was den
apoptotischen Zelltod der Tumorzellen bewirkte (Cianchi et al. 2008). Bezüglich der
Ceramide hat sich gezeigt, dass sie die Hochregulierung der Gene p8, ARF-4 und
TRB3 verursachen, welche zu einem Absterben von maligne entarteten Zellen
führen. In der Regel wird ARF-4 durch Stress auf das Endoplasmatische Retikulum
62
(ER-Stress) aktiviert, um mittels TRB3 die Apoptose von Tumorzellen zu induzieren.
Wie es scheint, wird dieser Signalweg durch die Cannabinoide mithilfe der
Ceramide beeinflusst. Dass das pro-apoptotische Sphingolipid Ceramid als second
messenger
der
Cannabinoide fungiert, konnte
in mehreren menschlichen
Tumorerkrankungen wie Gliomen, Lymphomen und Pankreaskarzinomen in vitro
und in vivo nachgewiesen werden (Carracedo et al. 2006, Sanchez et al. 2000,
Malfitano et al. 2011). Dass Efavirenz in der Lage ist, ER-Stress zu induzieren,
wurde in einer spanischen Studie anhand der Leberkarzinomzelllinie Hep3B ERStress entdeckt (Apostolova et al. 2013).
Ein weiterer denkbarer Signalweg ist die CB1-Rezeptor/G-Protein abhängige
Hemmung
der
Adenylatcyclase,
sodass
die
Spiegel
von
zyklischem
Adenosinmonophosphat (cAMP) und folglich auch von der Proteinkinase A (PKA)
sinken. Dies führt über Einflüsse auf spannungsabhängige Kalium-Kanäle und die
vermehrte Gen-Transkription des Cdk-Inhibitors p27 zu einer Induktion der
Apoptose (Guzman et al. 2003, Howlett et al. 2010, Hermanson et al. 2011).
Auch eine CB1 Rezeptor vermittelte Herunterregulierung und Deaktivierung des
angiogenetisch wirkenden EGFR konnte demonstriert werden (Casanova et al.
2003). In diesem Zusammenhang wurden G1-Arrest sowie Zelltod in verschiedenen
Prostatakarzinomzelllinien beobachtet (Malfitano et al. 2011, Flygare et al. 2008).
Ein weiterer Weg zur Apoptose-Induktion beeinflusst die Mitochondrien. So konnte
demonstriert werden, dass CB-Agonisten durch Freisetzung von Cytochrom C eine
Depolarisation der Mitochondrien und schließlich Apoptose induzierten (Hermanson
et al. 2011). Studien zeigten, dass Cannabinoide als mitochondriale Inhibitoren zu
einer
Abnahme
des
mitochondrialen
Membranpotenzials
und
des
Sauerstoffverbrauchs bei gleichzeitiger Steigerung der mitochondrialen Hydrogen
Peroxid Produktion führten, was schließlich den apoptotischen Zelltod bewirkte
(Pisanti et al. 2009, Ellert-Miklaszewska et al. 2005). In diesem Zusammenhang
berichteten Apostolova et al., dass der tumortoxische Effekt von EFV auf
mitochondrialer Dysfunktion und oxidativem Stress zu beruhen schien, was sich
ebenfalls in einem verminderten mitochondrialen Membranpotenzial sowie einer
erhöhten Superoxidproduktion äußerte (Apostolova et al. 2010).
Darüber gibt es antineoplastische Mechanismen der Cannabinoide, die unabhängig
von CB1 und CB2 Rezeptoren agieren. Dazu gehört die Beobachtung, dass eine
Überexpression der Cyclooxygenase 2 (COX-2), die normalerweise die Synthese
von
Prostaglandinen
aus
Arachidonsäure
katalysiert,
in
verschiedenen
Tumorzellarten nachgewiesen wurde. Dort führte die COX-2 zur Bildung von
speziellen pro-apoptotischen Prostaglandinen aus dem endogenen Cannabinoid
63
Anandamid, welche zytotoxisch auf die Tumorzellen wirkten (van Dross et al. 2013,
Malfitano et al. 2011, Pisanti et al. 2009, Hermanson et al. 2011).
Schließlich sind noch die Lipid Rafts zu erwähnen. Dabei handelt es sich um
dynamische Domänen der Zellmembran, die mit Cholesterol, Sphingolipiden und
verschiedenen Signalproteinen angereichert sind. Die Konzentration und Kontrolle
dieser Signalmoleküle ermöglicht die Weiterleitung zytotoxischer Signale der
Cannabinoide (van Dross et al. 2013).
Alles in allem bietet das Signalnetzwerk des Cannabinoidsystems zahlreiche
molekulare Wege, die sich in der Apoptose als dem gemeinsamen Endpunkt
vereinen. Durch die vorliegende Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass die
Nicht-nukleosidischen Reverse Transkriptase Inhibitoren zu einem Absterben von
Tumorzellen führen. Da ein Zusammenhang zwischen Cannabinoiden und den
Nicht-nukleosidischen Reverse Transkriptase Inhibitoren aufgrund der zahlreichen
oben genannten Gemeinsamkeiten möglich ist, wurden die Signalwege der
Wachstumsfaktoren Erk und Akt untersucht. Wie sich zeigte, konnte eine
Beteiligung
dieser
Cannabinoidsystem
Mediatoren
eine
ausgeschossen
Vielzahl
weiterer
werden,
doch
Übertragungswege,
bietet
welche
das
in
Zusammenhang mit der antineoplastischen Wirkung der NNRTI stehen. Dies sollte
weiterhin Gegenstand zukünftiger Forschung sein, da Efavirenz aufgrund seines
starken tumortoxischen Effekts in Zukunft eine vielversprechende Option in der
Chemotherapie von Tumorerkrankungen sein könnte.
64
7
Anhang
7.1
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
AIDS
Acquired Immune Deficiency Syndrome
An
Annexin-V-APC
ARF-4
ADP-ribosylation factor 4
BCA
Bicinchoninic acid
Bcl-2
B-cell lymphoma 2
BSA
Bovine Serum Albumin
C
Cytosin
CA
Colony Area
cAMP
Cyclisches Adenosinmonophosphat
Cdk
Cyclin-dependent Protein Kinase
CER
Cytoplasmic extraction reagent
COX-2
Cyclooxygenase-2
DLV
Delavirdin
DMEM
Dulbecco's Modified Eagle Medium
DMSO
Dimethylsulfoxid
EBV
Ebstein-Barr-Virus
EGFR
Epidermal Growth Factor Receptor
ETR
Etravirin
Erk
Extracellular signal regulated kinase
EFV
Efavirenz
FBS
fetal bovine serum
G
Guanin
GPR55
G protein-coupled receptor 55
HAART
Highly Active Antiretroviral Therapy
HHV 8
Humanes Herpesvirus 8
HIV
Human Immunodeficiency Virus
HPV
Humanes Papillomavirus
HRP
Horseradish Peroxidase
LSV
Lersivirin
MAPK
Mitogen-activated protein kinases
MDM2
Murine double minute-2
NER
Nuclear extraction reagent
65
NVP
Nevirapin
NNRTI
Nicht-nukleosidischer Reverse
Transkriptase-Inhibitor
NRTI
Nukleosidischer Reverse
Transkriptase-Inhibitor
NtRTI
Nukleotidischer Reverse
Transkriptase-Inhibitor
PBS
Phosphate Buffered Saline
PCP
Pneumocystis carinii Pneumonie
PI3
Phosphoinositid-3
P38MAPK
p38 Mitogen-activated protein kinase
PMSF
Phenylmethylsulfonylfluorid
PKA
Proteinkinase A
PTEN
Phosphatase and tensin homolog
PVDF
Polyvenylidenfluorid
Ras
Rat sarcoma
RCC
regulator of chromosome
condensation
RIPA
radio immunoprecipitation assay
RT
Reverse Transkriptase
SDS
Natriumdodecylsulfat
Ser
Serin
SF
Survival Fraction
TBS
Tris-buffered saline
TBST
Tris-buffered saline with Tween
THC
Tetrahydrocannabinol
Thr
Threonin
TNF
Tumornekrosefaktor
TRB3
Tribbles homolog 3
Tween
Polyoxyethylene Sorbitan Monolaurat
Tyr
Tyrosin
7A
7AAD
66
7.2
Lösungen
7.2.1 Zellkulturen
Tabelle 6: Medium der Pankreastumorzellen BxPC-3
Substanz
Volumen
Medium RPMI
500ml
FBS superior
50ml (=10%)
L-Glutamin
10ml (=2%)
Penicillin/Streptomycin
5ml (=1%)
Tabelle 7: Medium der Glioblastomzellen T98G
Substanz
Volumen
Medium DMEM
500ml
FBS superior
50ml (=10%)
Penicillin/Streptomycin
5ml (=1%)
7.2.2 Proteinisolierung
Tabelle 8: Zusammensetzung RIPA
Substanz
Menge
Tris
3,0275g
NaCl
4,383g
Deoxycholat
2,5g
NP40
5ml
SDS
0,5g
Destilliertes Wasser
auf 500ml auffüllen
Tabelle 9: Protease- und Phosphataseinhibitoren des RIPA-Lysepuffers
Substanz
Konzentration
Volumen auf 10ml RIPA
Leupeptin
1g/ml
10l
Pepstatin
1g/ml
10l
Aprotinin
1g/ml
10l
PMSF
1mmol
100l
Natriumfluoride
50mmol
500l
Natriumorthovanadate
1mmol
20l
67
Tabelle 10: Ansetzen der Standardkonzentrationen zur Proteinquantifizierung
BSA
RIPA
Konzentration
1
75l
0
2000g/ml
2
93l
31l
1500g/ml
3
81l
81l
1000g/ml
4
43l von 2
43l
750g/ml
5
81l von 3
81l
500g/ml
6
81l von 5
81l
250g/ml
7
81l von 6
81l
125g/ml
8
25l von 7
100l
25g/ml
Tabelle 11: Volumina der Extraktionsreagenzien für verschieden große Pellets
Zellvolumen (l)
CER I (l)
CER II (l)
NER (l)
10
50
5,5
50
20
100
11
100
50
250
27,5
250
100
500
55
500
Tabelle 12: Zusammensetzung von CER I
Substanzen
in
l
CER I
100
250
375
500
Leupeptin
0,2
0,5
0,75
1
Pepstatin
0,2
0,5
0,75
1
Aprotinin
0,2
0,5
0,75
1
PMSF
0,75
1,875
2,8125
3,75
Natrium-
0,2
0,5
0,75
1
Orthovanadate
68
Tabelle 13: Zusammensetzung von NER
Substanzen
in
l
NER
100
125
187,5
250
Leupeptin
0,2
0,25
0,375
0,5
Pepstatin
0,2
0,25
0,375
0,5
Aprotinin
0,2
0,25
0,375
0,5
PMSF
2
2,5
3,75
5
Natrium-
0,2
0,25
0,375
0,5
Orthovanadate
7.2.3 Western Blot
Tabelle 14: Trenngel mit 10-prozentiger Totalacrylamidkonzentration und mit
einem Vernetzungsgrad von 3,5%
Auftragsgel mit 3-prozentiger Totalacrylamidkonzentration und mit einem
Vernetzungsgrad von 3,5%
Angaben für 1 Gel:
Substanz
Trenngel
Auftragsgel
Acrylamid (ml)
1,69
0,36
Bisacrylamid (ml)
1,23
0,26
(4x) 1,5M Tris/HCl pH 8,7 1,75
(ml)
(4x) 1,5M Tris/HCl pH 6,8
1,25
(ml)
H2O (ml)
2,23
3,05
10% SDS (l)
53
50
TEMED (l)
4
5
10% APS (l)
46
25
Gesamt (ml)
7,0
5.0
69
8
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82
9
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die zur Entstehung
und Fertigstellung dieser Arbeit beigetragen haben.
Zuerst bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr. Rainer Fietkau, Leiter der
Strahlenklinik der Universität Erlangen-Nürnberg, der mir die Möglichkeit gab, diese
Dissertation zu verwirklichen.
Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn PD. Dr. Luitpold Distel sowie
meinem Betreuer Herrn Dr. Markus Hecht für das bemerkenswerte Engagement
und die ausgezeichnete, kompetente Unterstützung bei der Planung und
Realisierung der vorliegenden Arbeit. Ich bin überaus dankbar für das mir
entgegengebrachte Vertrauen, für die hervorragende Zusammenarbeit und für die
Korrektur dieser Dissertation.
Herzlichen Dank will ich Frau Doris Mehler, Frau Elisabeth Müller sowie Frau
Renate Sieber aussprechen, die mir in angenehmer Arbeitsatmosphäre und
fortwährender Hilfsbereitschaft die praktischen Fähigkeiten zur Durchführung des
experimentellen Teils dieser Dissertation vermittelten. An dieser Stelle möchte ich
auch allen Mitarbeitern des strahlenbiologischen Labors danken, die meinen Fragen
allezeit fachkundig begegneten.
Abschließend danke ich mich meinem Ehemann Johannes und bei meinen Eltern
für die bedingungslose Unterstützung und fortwährende Motivation während meines
Studiums und der Promotionsphase.
83
10
Lebenslauf
PERSÖNLICHE DATEN
Name
Sonja Eva-Maria Ries, geb. Erber
Geburtsdatum
04. Januar 1989
Geburtsort
Schrobenhausen
Staatsangehörigkeit deutsch
SCHULAUSBILDUNG
1995 - 1999
Grundschule Schrobenhausen
1999 - 2008
Gymnasium Schrobenhausen, allgemeine Hochschulreife
06/2008
HOCHSCHULAUSBILDUNG
10/2008-04/2009
Studium der Mathematik und Chemie für das Lehramt, LMU
München
04/2009-05/2015
Studium der Humanmedizin, FAU Erlangen-Nürnberg
04/2011
Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach ÄAppO 2002
04/2014
Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
05/2015
Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung mit Erlangung der
ärztlichen Approbation
BERUF
Seit 08/2015
Assistenzärztin für Nephrologie, Universitätsklinikum
Erlangen/ Klinikum Nürnberg
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