Zusammenfassung des Referates von Herrn Professor Dr. med. Ulrich H. Thome bei der 19. Ergebniskonferenz der Frauen- und Kinderärzte am 29.11.2011 Es wurde die Kasuistik eines neugeborenen Jungen präsentiert. Es handelte sich um das erste Kind gesunder Eltern mit unauffälliger Feindiagnostik während der Schwangerschaft, das nach 39 1/7 Schwangerschaftswochen mit einem Gewicht von 3140 g geboren wurde. Der Junge war überraschenderweise postnatal schlaff, zeigte keine Eigenatmung und wurde von den eiligen zugerufenen Kinderärzten endotracheal intubiert und mechanisch beatmet. Darunter setzte eine Eigenatmung ein, so dass bei geringen Risikofaktoren für postnatale Atemstörung eine Extubation versucht wurde. Danach trat jedoch eine erneute Apnoe auf, so dass der Junge reintubiert und dann in diesem Zustand auf die Neonatologische Intensivstation verlegt wurde. Auch hier wurde erneut versucht den Jungen von der Beatmung zu entwöhnen und zu extubieren, es trat jedoch erneut eine therapiebedürftige Apnoe auf, so dass ein transnasaler Rachentubus gelegt und der Patient stimuliert wurde. Außerdem wurde Theophyllin verabreicht. Darunter stabilisierte sich zunächst die Eigenatmung. Eine kalkulierte antibiotische Therapie wurde eingeleitet, jedoch bei negativen Infektparametern wieder abgesetzt. Es zeigte sich im weiteren Verlauf eine neurologische Symptomatik bestehend aus muskulärer Hypotonie, auffälligen Bewegungsmustern mit Schmatzen, Fäusteln und schrillem Schreien eine wechselhafte Eigenatmung. Später kamen klinisch offensichtliche cerebrale Krampfanfälle, die schlecht auf eine Phenobarbitaltherapie ansprachen, hinzu. Probatorisch wurde deshalb zusätzlich mit Aciclovir und Vitamin B 6 behandelt. Das erste EEG war unauffällig, ebenso wurde bei der ersten Schädelsonographie keine Auffälligkeit festgestellt. Bei weiteren rezidivierenden Krampfanfällen wurde zusätzlich ab dem zehnten Lebenstag eine Therapie mit Levetirazetam begonnen. Das EEG war weiterhin unauffällig, ebenso eine Lumbalpunktion und das Stoffwechselscreeening. Aufgrund der rezidivierenden Krampfanfälle war am neunten Lebenstag eine Re-Intubation notwendig. Ein weiteres Schädelsonogramm am Lebenstag 15 zeigte eine milde aber progrediente Erweiterung der Seitenventrikel und der äußeren Liquorräume. Unter fortbestehender schwerer neurologischer Symptomatik wurde trotz der unauffälligen Schädelsonogramme am 17. Lebenstag ein MRT des Schädels angefertigt. Dieses zeigte eine schwere frontoparietal betont, aber generalisiert zu findende Polymikrogyrie. Dabei handelt es sich um eine Migrationsstörung der Neurone mit abnormaler Faltung der Großhirnrinde und subcortikal gelegenen Inseln mit grauer Substanz. Die Ursache der Polymikrogyrie ist bisweilen genetisch, in vielen Fällen kann jedoch keine Ursache gefunden werden. Die Prognose hängt von der Aussage des Befundes ab, bei dem hier vorgestellten Patienten musste sie aufgrund der Ausgedehntheit des Befundes als eher schlecht eingeschätzt werden. Therapeutisch steht lediglich eine symptomatische Therapie zur Verfügung. Trotz diverser Versuche mit verschiedenen Therapieregimen gelang es nicht, die Krampfanfälle vollständig unter Kontrolle zu bringen. Der Patient konnte jedoch wieder extubiert werden und atmete spontan. Bei einer Fallkonferenz wurde im Einvernehmen der behandelnden Ärzte und der Eltern beschlossen, den Patienten nicht wieder zu re-intubieren. Weiterhin wurde versucht, Krampfanfälle zu kontrollieren und das Trinkverhalten zu bessern, um eine Entlassung möglich zu machen. Das Kind geriet jedoch im Alter von 55 Tagen in einen Status epilepticus, in dem es verstarb. Eine Obduktion wurde von den Eltern abgelehnt. Von der Polymikrogyrie sind verschiedene Formen beschrieben, diese sind die bilaterale frontale Polymikrogyrie, die bilaterale frontoparietale Polymikrogyrie, die bilaterale perisylvische Polymikrogyrie, die bilaterale parasagittale parietooccipitale Polymikrogyrie und eine bilaterale generalisierte Polymikrogyrie. Für die meisten Formen sind noch keine Genloci bekannt. Die Ursache für die bilaterale perisylvische Polymikrogyrie konnte auf Chromosom Xq28 lokalisiert werden. Für die bilaterale frontoparietale Polymikrogyrie wurden Mutationen im GPR56-Gen nachgewiesen. Zur Klärung der Ätiologie in dem vorgestellten Fall veranlassten wir deshalb eine Sequenzierung des GPR56-Genes, bei der jedoch keine Mutation nachgewiesen werden konnte. Auch im daraufhin sequenzierten TUBB2Gen fanden wir keine Mutation. Das Neugeborenenscreening war unauffällig, ebenso der Karyotyp und es fand sich kein Hinweis auf eine peroxisomale Speichererkrankung. Die nebenbefundlich im Stoffwechselscreening festgestellte Beta-Aminoisobutyraturie ist nicht als Krankheitsverursacher anzusehen, da diese bei bis zu zehn Prozent der gesunden Bevölkerung vorliegt. Abschließend bleibt festzustellen, dass der neugeborene Junge eine schwere Polymikrogyrie mit therapieresistenten Krampfanfällen aufwies, die eine schlechte Prognose aufgrund des ausgedehnten Befundes aufwies. Es konnte keine genetische Ursache gefunden werden. Die Kandidatengene zeigten keine Sequenzabweichungen. Da eine Pränataldiagnostik nur bei bekannter Mutation möglich ist, kann den Eltern keine Pränataldiagnostik für folgende Schwangerschaften angeboten werden. Auch eine Ultraschallfeindiagnostik ist nicht möglich, da die Erkrankungen sich vorwiegend in einer fehlenden beziehungsweise pathologischen Faltung der Großhirnrinde zeigt, welche zur Zeit der sonografischen Feindiagnostik ohnehin noch nicht ausgeprägt ist und daher nicht untersucht werden kann.