17/385 - Niedersächsischer Landtag

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Drucksache 17/385
Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort
Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 28.05.2013
Gefahren durch Krähenkot
Jüngsten Forschungsergebnissen zufolge tragen Krähen dazu bei, krankheitserregende Prionen in
der Umwelt zu verteilen. Prionen sind Proteine, die im tierischen Organismus sowohl in normalen
(physiologischen) als auch anormalen und dann krank machenden (pathogenen) Strukturen vorliegen können. Es handelt sich dabei also um organische Gifte mit virusähnlichen Eigenschaften. Sie
können gehirnzerstörende Krankheiten wie beispielsweise Rinderwahn oder die Creutzfeldt-JakobKrankheit beim Menschen verursachen. Da die Krähen meistens in Kolonien auftreten, erscheint
die Gefahr einer Infektion durch Prionen besonders groß.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.
Wie schätzt die Landesregierung die Gefährdung der Menschen durch Prionen ein?
2.
Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung zum Schutz der Menschen vor durch
Krähenkot übertragene Prionen?
3.
Inwieweit sieht die Landesregierung einen Vorrang beim Krähenschutz vor dem Schutz der
Gesundheit der Menschen?
4.
Inwieweit sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Populationsentwicklung eine besondere Schutzbedürftigkeit bei Krähen?
5.
Inwieweit sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund der Kolonienbildung der Vögel eine
besondere Gefährdung der Menschen?
(An die Staatskanzlei übersandt am 05.06.2013 - II/72 - 110)
Antwort der Landesregierung
Niedersächsisches Ministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- 203-42290-10 -
Hannover, den 02.07.2013
Unter Prionen versteht man Proteinstrukturen (Eiweißpartikel), die im tierischen und menschlichen
Organismus vorkommen. Unter diesen gibt es krankmachende Varianten, deren Entwicklung verschiedene Ursachen haben kann. Diese Varianten sind verantwortlich für die Entstehung der sogenannten transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE), die bei unterschiedlichen Tierarten
und beim Menschen beobachtet werden können. Prionen-assoziierte Infektionen, wie die Rinderseuche BSE (bovine spongiforme Encephalopathie), die Traberkrankheit bei Schafen (Scrapie), der
chronische Kräftezerfall (Chronic Wasting Disease; CWD) bei Rotwild oder Kuru - eine durch Kannibalismus übertragbare Prionenerkrankung -, führen zu schwammartigen Veränderungen der Gehirnsubstanz. Die Fachwelt bezeichnet sie deshalb insgesamt auch als TSE (transmissible
schwammartige Encephalopathien).
In einem im Jahr 2012 veröffentlichten wissenschaftlichen Experiment konnte gezeigt werden, dass
Prionen, die Krankheitssymptome bei Mäusen hervorrufen, nach Passage durch den Darmtrakt von
Krähen die krankmachende Eigenschaft nicht verlieren. Die Wissenschaftler verabreichten den
Krähen eine Lösung, die Gehirnmasse erkrankter Mäuse enthielt, direkt über eine Sonde in den
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Drucksache 17/385
Magen. Der Kot der Vögel wurde aufbereitet und in den Bauchraum von Mäusen gespritzt. Sofern
die so behandelten Mäuse nicht vorzeitig verstarben, entwickelten alle klinische Krankheitssymptome einer TSE. Die Vögel selbst erkrankten nicht.
Aus dem Versuchsaufbau wird deutlich, dass es den Forschern um die Frage ging, ob Prionen
während der Passage im Magen-Darm-Trakt einer Krähe ihre krankmachende Eigenschaft verlieren. Alle weiteren Mechanismen, die für eine mögliche Krankheitsübertragung von Bedeutung sind,
wurden im Versuch nicht berücksichtigt. Die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse können daher nicht auf die Umwelt- und Lebensrealität übertragen werden. Insbesondere kann daraus nicht
die Schlussfolgerung gezogen werden, Krähenkot enthalte den Menschen gefährdende Prionen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Krähen oft Standvögel sind, aber auch teilweise Kurz- bis
Mittelstreckenzieher. Mitteleuropäische Populationen ziehen zu etwa 60 % in klimatisch günstigere
Gebiete ab, wobei die Zugentfernungen in der Regel 1 000 Kilometer nicht überschreiten. Auf jeden
Fall kann davon ausgegangen werden, dass diese Überwinterungsgebiete der in Deutschland lebenden Krähen noch im Bereich der EU liegen. Die BSE ist im Bereich der EU unter Kontrolle und
tritt nur noch äußerst vereinzelt auf. Durch die generelle Entfernung der spezifizierten Risikomaterialien bei allen Tieren ab einer relevanten Altersgrenze sowie die komplette unschädliche Beseitigung der Tierkörper von den wenigen festgestellten BSE-Fällen in der EU ist davon auszugehen,
dass einheimische Krähen keinen Zugang zu BSE-Erreger-haltigem biologischem Material haben.
Grundsätzlich enthält jede Form von Kot in großem Maß Bakterien und gegebenenfalls auch
Krankheitserreger. Durch die Austrocknung sowie Einwirkung von Licht und UV-Strahlen sterben
die Erreger im Laufe der Zeit unter freiem Himmel ab.
Im Verschmutzungsfalle sind die umwelthygienisch notwendigen Schritte zur ordnungsgemäßen
Beseitigung der Vogelkot-Ansammlungen zu ergreifen. Hierfür existiert beispielsweise die „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung nach Biostoffverordnung (BioStoffV) - Gesundheitsgefährdungen durch Taubenkot“ der Berufgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU). Sie ist öffentlich zugänglich.
Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Nicht jede Prionenkrankheit beruht auf einer Infektion. Beim Menschen tritt zum Beispiel die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), eine tödlich verlaufende Erkrankung des zentralen Nervensystems,
sporadisch oder familiär-vererblich auf. Bis in die 1980-er Jahre war nicht bekannt, dass CJK auch
über chirurgische Operationen am Gehirn oder die Verabreichung von Wachstumshormonen übertragen werden kann (sogenannte iatrogene CJK). Bei diesen Formen der Erkrankung kommt es
ohne Infektion von außen zu einer Fehlfaltung der Prionproteine. Die sporadische CJK wird bei älteren Menschen statistisch bei etwa einem Fall pro einer Million Einwohner beobachtet.
Die von infektiösen BSE-Prionen verursachte Variante dieser Erkrankung (vCJK), an der in Großbritannien zwischen 1995 bis 2012 176 Menschen starben (weltweit insgesamt 229 - Stand Februar
2013), betraf dagegen eher junge Erwachsene. vCJK steht in direktem Zusammenhang mit der
Aufnahme von BSE-Prionen über die Nahrung. Eine direkte Übertragung der vCJK von Mensch zu
Mensch wurde bisher nicht beobachtet. Unsicherheit besteht aber bei der Übertragung von vCJK
durch Blut und Blutprodukte, Organe, Gewebe oder kontaminierte chirurgische Instrumente und
Medizinprodukte.
Seit 1994 besteht eine gesetzliche Meldepflicht für humane spongiforme Enzephalopathien. Bislang
ist in Deutschland noch kein Fall einer vCJK-Erkrankung beim Menschen bekannt geworden.
Das Gefährdungspotenzial durch TSE, die bei Tieren vorkommen, ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. So wurden seit Juni 2009 in Deutschland keine Fälle von BSE bei Rindern
mehr festgestellt. Der letzte BSE-Fall in Niedersachsen wurde im Juli 2008 im Landkreis Verden
amtlich festgestellt.
Auch die Zahl der Scrapie-Fälle bei Schafen ging in den letzten Jahren zurück. Hier trat der letzte
Fall in Niedersachsen im Februar 2012 bei einem Schaf in einer kleinen Privathaltung im Landkreis
Harburg auf.
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Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen schätzt die Landesregierung die Gefährdung der Menschen durch Prionen aktuell als sehr niedrig ein.
Zu 2:
Die Landesregierung sieht derzeit keine Gefährdung, dass Menschen durch Krähenkot an einer
TSE erkranken könnten. Sie hält daher darauf ausgerichtete Schutzmaßnahmen nicht für erforderlich.
Zu 3:
Die Gesundheit des Menschen hat höchste Priorität. Der in der Anfrage unterstellte Konflikt zwischen dem Schutz von Krähen und dem Schutz der menschlichen Gesundheit ist nicht gegeben.
Zu 4:
Alle heimischen Krähenvögel (Kolkrabe, Rabenkrähe, Saatkrähe, Elster, Eichelhäher, Tannenhäher) sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG besonders geschützt. Für alle besonders geschützten
Arten gelten die Verbote des § 44 BNatSchG, die von den in Niedersachsen zuständigen Unteren
Naturschutzbehörden verpflichtend durchzusetzen sind. Der Kolkrabe unterliegt bundesweit zusätzlich dem Jagdrecht, hat aber in Niedersachsen eine ganzjährige Schonzeit. Die Arten Rabenkrähe
und Elster sind in Niedersachsen ebenfalls dem Jagdrecht (§ 5 Niedersächsisches Jagdgesetz) unterstellt worden. Die Rabenkrähe besitzt eine Jagdzeit vom 1. August bis zum 20. Februar. Für die
Elster ist die Jagdzeit auf den Zeitraum 1. August bis 28. Februar festgesetzt worden.
Eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Krähenvögeln wird derzeit als nicht
erforderlich erachtet.
Zu 5:
Eine besondere Gefährdung des Menschen wird derzeit nicht gesehen.
Wenn es zu einem gehäuften Auftreten (Koloniebildung) kommt, ist auch mit vermehrter Verschmutzung durch Kot zu rechnen. Bei starker Verschmutzung sollte diese sachgerecht entfernt
werden. Wie einleitend beschrieben, existieren hierfür speziell für Taubenkot bereits ausführliche
Hinweise, die auch für Krähenkot im Bedarfsfall zu beachten wären.
Christian Meyer
(Ausgegeben am 17.07.2013)
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