5 Nucleinsäuren – Schlüsselmoleküle des Lebens 52.1 Bausteine der DNA Symbol Phosphorsäure O HO P OH P O– H + Symbol Zucker (Pentose) HO 5’CH2 O OH H 1’C C4’ H H C 3’ 2’ C H OH H Desoxyribose Pyrimidinbasen NH2 N3 O C 5 C H H N3 6 C H O C2 4 C2 1 N O C 1 N H 5 C CH3 6 C H 4 H C T Cytosin (C) Thymin (T) Purinbasen O NH2 N1 C 5 C 4 C 6 N H N1 7 8 H C2 3 C H 9 N N C 5 C 4 C 6 Adenin (A) 7 8 H2N C2 3 N C H 9 N H H A N G Guanin (G) Analysiert man den Inhalt von Zellkernen auf ihre chemischen Bestandteile hin, so findet man neben Proteinen vor allem fädige Riesenmoleküle, die Nucleinsäuren. Nachdem man vermutete, dass hier die Erbinformation verschlüsselt vorliegt, begann in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, vor allem in Amerika und England, ein wissenschaftlicher Wettlauf, Bau und Struktur der Nucleinsäuren aufzuklären. Dem Amerikaner JAMES WATSON sowie den Engländern FRANCIS CRICK und MAURICE WILKINS gelang es schließlich, den Aufbau der Desoxyribonucleinsäure (DNA) aufzuklären. Eine chemische Analyse der (DNA) (desoxyribonucleic acid) ergab, dass sie aus Zucker- und Phosphorsäuremolekülen sowie verschiedenen Molekülen organischer Basen bestand. Der Zucker der DNA ist die Desoxyribose. Anders als bei vielen anderen Zuckern ist bei ihr die OH-Gruppe am zweiten C-Atom durch ein H-Atom ersetzt (desoxy = ohne Sauerstoff). Als organische Basen kommen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) vor. Durch chemische und physikalische Methoden fand man heraus, wie die Bausteine der Desoxyribonucleinsäure zu langen Kettenmolekülen verknüpft sind. Dabei bilden abwechselnd Zucker- und Phosphorsäuremoleküle eine Kette, das so genannte Rückgrat des Moleküls. Jedes Zuckermolekül bindet immer eine der vier Basen, die wie die Zinken eines Kammes P O RT R ÄT WATSON und CRICK Aufgrund der chemischen Befunde des Biochemikers E. CHARGAFF und aus physikalischen Daten über die Raumerfüllung des Moleküls entwickelten die Biochemiker J. WATSON und F. CRICK 1953 ein Modell der DNA-Struktur. Es gelang ihnen damit, eines der großen Geheimnisse des Lebens zu enthüllen. Das Modell wurde durch die Untersuchungen mit Röntgenstrahlen von ROSALIND FRANKLIN gestützt. WATSON und CRICK erhielten für die Entwicklung ihres DNA-Modells 1962 den Nobelpreis. 52.2 Watson und Crick mit ihrem DNA-Molekül 52 Organische Stoffe – Moleküle des Lebens vom Rückgrat des DNA-Stranges abstehen. Die DNA besteht also aus sich wiederholenden Grundbausteinen mit je einem Zuckermolekül, einem Phosphorsäurerest und einem Basenmolekül. Man nennt diese Grundbausteine Nucleotide. Die Anknüpfung der Basen an die Zuckermoleküle erfolgt immer zwischen einem der Stickstoffatome der Base und einem C-Atom des Zuckermoleküls. Die Kettenverlängerung erfolgt über die C-Atome 5 und 3 mit jeweils einer Phosphatgruppe. Man spricht daher vom 5´- bzw. 3´-Ende einer DNA-Kette, an dem jeweils der Anschluss erfolgt. 53.1 Desoxyribonucleinsäure (EM-Bild) Einen wichtigen Hinweis auf die Raumstruktur von Nucleinsäuren ergaben bereits 1948 Untersuchungen des Österreichers ERWIN CHARGAFF, der die Basenzusammensetzung der DNA untersuchte. Er fand heraus, dass zwar die Mengenanteile der vier Basen in verschiedenartigen Zellen unterschiedlich waren, dass aber der Anteil von Adenin immer dem von Thymin und der von Cytosin immer dem von Guanin entsprach. Durch den Einsatz vor allem der Röntgenstrukturanalyse durch ROSALIND FRANKLIN gelang es schließlich, den räumlichen Bau der DNA aufzuklären. 1953 veröffentlichten JAMES WATSON und FRANCIS CRICK ihre Ergebnisse. Danach sind in der funktionsfähigen DNA jeder Zelle zwei Ketten aus Nucleotiden zu einem Doppelstrang zusammengefasst. Die Basen der Einzelstränge weisen aufeinander zu. Der Zusammenhalt der DNA-Einzelstränge erfolgt über Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Basen. Zwischen Adenin und Thymin sind es zwei, zwischen Guanin und Cytosin drei. 53.2 DNADoppelhelix. A Chemischer Aufbau; B WatsonCrick-Modell Diese Art der spezifischen Basenpaarung hat Konsequenzen für die räumliche Struktur der DNA. Der DNA-Doppelstrang ist wie eine Leiter aufgebaut. Die Holme entsprechen den Zucker-Phosphat-Ketten, die Sprossen werden durch die Basenpaare gebildet. Dabei stehen sich immer Adenin und Thymin bzw. Cytosin und Guanin gegenüber. Man spricht von sich ergänzenden, von komplementären Basenpaaren. Dies erklärt die Untersuchungsergebnisse von CHARGAFF. Die DNA-Leiter ist um eine gedachte Achse verdrillt. Eine solche Spirale aus zwei Nucleotidsträngen ist einer Wendeltreppe vergleichbar. Man bezeichnet sie als Doppelhelix. 5’-Ende O P O 3’-Ende O O C O O O– O O O P O O P O –O O O P O O O– O O T O Zucker A G O O P O– O O O P O– P O O– O G C O O O P O O– O G C O Wasserstoffbrücke O Phosphodiesterbindung A C A G A T C G A große Furche kleine Furche B A C G G T 3’-Ende B C A 5’-Ende 53.3 DNA-Modelle. A Originalabbildung von Watson und Crick; B Kalottenmodell Organische Stoffe – Moleküle des Lebens 53 Identische Verdopplung der DNA. Vor jeder Zellteilung muss die DNA des Zellkerns identisch verdoppelt werden. Hierzu trennen sich die beiden Stränge der DNA-Doppelhelix abschnittweise nach Art eines Reißverschlusses. Werden jetzt Nucleotide an diese beiden Einzelstränge angelagert, so kann dies wegen der Spezifität der Basenpaarung nur komplementär erfolgen: Adenin-Thymin bzw. CytosinGuanin. Ein Enzym, die DNA-Polymerase, lagert passende Nucleotide an die komplementären Basen an und katalysiert die Verknüpfung der Nucleotide jeweils zu einem vollständigen Doppelstrang. Das Ergebnis dieser identischen Replikation sind zwei völlig gleiche Tochterstränge aus jeweils einem alten und einem neuen Einzelstrang. Bau und Raumstruktur der RNA. Neben der DNA besitzen Zellen auch Ribonucleinsäure (RNA), die bei der Übersetzung der Erbinfor- mation während der Proteinbiosynthese in körperliche Merkmale eine wichtige Rolle spielt. Wie die DNA besteht auch die RNA aus den Bausteinen Zucker, Phosphorsäurerest und organische Basen. Als Zuckerbaustein findet man statt Desoxyribose die Ribose. Die Base Thymin ist bei der RNA durch Uracil ersetzt. Die Werte A : U und G : C der RNA weichen im Gegensatz zur DNA deutlich vom Verhältnis 1 : 1 ab. Daraus leitete CHARGAFF ab, dass die RNA im Wesentlichen als Einzelstrang vorliegt. Die messenger-RNA (mRNA), die als Abschrift der DNA für die Proteinbiosynthese verwendet wird, liegt vorwiegend einsträngig vor. Abschnittsweise kann es auch innnerhalb des RNA-Moleküls zur Paarung komplementärer Basen kommen. Dies ist der Fall bei der transfer-RNA (tRNA), die als Überträgermolekül für die Aminosäuren bei der Proteinbiosynthese benötigt wird. 54.1 Identische Verdopplung der DNA 54.2 Ribonucleinsäure. A Abweichende Bausteine der RNA im Vergleich zur DNA; B Raumstruktur der t-RNA HO 5’ CH2 OH O H 1’C C4’ H H C 3’ 2’ OH C H OH Symbol H N3 O C2 O C 3'-Ende 5 C H 6 C H 4 1 N H U Ribose Uracil (U) Anticodon A 54 Organische Stoffe – Moleküle des Lebens B