Grüne Kohle aus Pflanzen - CO2

Werbung
Powered by
Seiten-Adresse:
https://www.biooekonomiebw.de/de/fachbeitrag/aktuell/gruene-kohle-aus-pflanzenco2-neutral-und-unerschoepflich/
Grüne Kohle aus Pflanzen - CO2-neutral und
unerschöpflich
Es ist eine Frage der Zeit, bis Kohle und Erdöl zur Neige gehen. Als Alternative lassen sich
Pflanzen in fossile Energieträger umwandeln - mit dem Vorteil, dass bei der Verbrennung im
Schnitt nur so viel CO2 frei wird, wie die Pflanze aus der Atmosphäre aufgenommen hat. Die
Hohenheimer Professorin Andrea Kruse entwickelt Verfahren, wie sich grüne Pflanzen
möglichst komplett industriell verwerten lassen.
Prof. Andrea Kruse erklärt, wie aus Biomasse künstliche Kohle wird. © H. Braitmaier
Als junges Mädchen in Darmstadt fand Kruse Chemie immer schrecklich. Sie kann sich noch
genau erinnern, wie ihr Vater - ein Chemiker - sie mit seinem Fachwissen überschüttete, sobald
sie es nur wagte, irgendetwas in diesem Bereich zu fragen. Dafür wollte die gebürtige
Braunschweigerin irgendetwas mit Physik machen. Das schien ihr viel interessanter zu sein.
Doch es sollte anders kommen, dank eines guten Chemie-Lehrers, der in der damaligen
Abiturientin das Feuer für die Welt der Moleküle entfachte. Kruse studierte in Heidelberg
Chemie und spezialisierte sich zunächst auf physikalische Chemie, und später auf die
anwendungsorientiertere technische Chemie. In der Nutzung von Biomasse fand sie
letztendlich ihre persönliche Herausforderung. „Biomasse ist kein Reinstoff, selbst Standort
und Wetterbedingungen haben einen Einfluss auf die Inhaltsstoffe", erklärt die 48-Jährige,
„und daraus soll ein möglichst einheitliches Produkt entstehen".
1
Der Fachbegriff, der Kruses Forschung treffend zusammenfasst, heißt Bioraffinerie. „Wir
möchten die ganze Pflanze nutzen, um viele hochwertige Produkte zu erzeugen", erklärt Kruse
und fügt hinzu: „Das schaffen wir nicht zu 100 Prozent, dann stellen wir eben noch ein paar
weniger hochwertige Produkte her." Aus nachwachsenden grünen Pflanzen will das Team um
Kruse in nur wenigen Stunden künstliche Kohle herstellen, wofür die Natur normalerweise
Millionen von Jahren benötigt. Aber auch Öl, das zu Kraftstoffen veredelt werden kann,
Wasserstoff für Brennstoffzellen und chemische Synthesen oder Basischemikalien für
Kunststoffe lassen sich daraus erzeugen, die normalerweise aus Erdöl hergestellt werden.
Alchemie im Dampfkochtopf
Biokohle sieht aus und verhält sich ähnlich wie natürliche Braunkohle. © Roland Fritz/ Christina Ceccarelli
Die meisten bisherigen Verfahren sind auf trockene Biomasse wie Heu, Stroh oder Holz
beschränkt, die nicht mehr als zehn Prozent Wasser enthalten darf. Kruses Team hingegen will
auch grüne Pflanzen mit einem Wassergehalt von 80 bis 90 Prozent nutzen. Das Prinzip
dahinter, die "hydrothermale Karbonisierung", klingt einfach: „Sie geben die breiige nasse
Biomasse in etwas, das aussieht wie ein Dampfkochtopf, und lassen die Masse bei 200 Grad
Celsius und einem Druck von circa 20 bar für vier Stunden kochen", erklärt die Chemikerin.
Heraus kommt schwarze Kohle in wässriger Lösung, die noch etwa 80 Prozent des
ursprünglichen Kohlenstoffgehalts und damit Energie des Ausgangsmaterials enthält. Aus dem
schwarzen Brei muss schließlich noch das Wasser herausgepresst werden. Bei höheren
Temperaturen und Drücken entstehen letztendlich Öle und Wasserstoff.
Die „Biokohle" sieht nicht nur aus wie natürliche Braunkohle, sie hat auch den gleichen
Heizwert und ließe sich problemlos in Kraftwerken zu Strom oder Heizwärme verfeuern - und
das klimaneutral. Noch ist es deutlich teurer Biokohle herzustellen, als Braunkohle abzubauen.
„Der eigentliche Charme besteht darin, dass man das Verfahren zum Beispiel mit
Biogasanlagen kombinieren könnte, indem man den Gärrest daraus weiter karbonisiert", sagt
Kruse. Auch Nahrungsmittelreste, die sonst vielleicht weggeworfen werden, lassen sich
2
karbonisieren, beispielsweise die Blätter von Zuckerrüben, Biertreber oder Abfälle bei der
Saftherstellung. „Im Prinzip gehen alle grünen Pflanzen", erklärt Kruse. Die ersten Firmen
stehen schon in den Startlöchern, um Biokohle kommerziell herzustellen.
Kohle für Ofen und Boden
Auf kargen Böden aufgebracht, könnte die Biokohle auch Nährstoffe und Wasser binden.
Dieses alte Wissen eines Amazonas-Volkes wäre in Zukunft auch für Deutschland interessant,
meint die Chemikerin: „Wenn es wegen des Klimawandels weniger regnet, ist eine WasserSpeicherung sinnvoll." In dem nachwachsenden Rohstoff Pflanze steckt noch viel Potenzial, das
Kruse zu nutzen gedenkt. Momentan teilt sie ihre Arbeitszeit auf zwischen dem Lehrstuhl an
der Universität Hohenheim und einer Forschungsgruppe am Karlsruher Institut für Technologie
(KIT). Die Biomasse-Expertise in Hohenheim und das ingenieurwissenschaftlich-chemische
Wissen am KIT sind eine gute Kombination, um den ganzen Weg von der Pflanze zum Produkt
zu gehen, findet Kruse.
Trotz der zeitraubenden Pendelei zwischen ihrem Wohnort in Bruchsal und den beiden
Arbeitsstätten sowie einer ausklingenden Erkältung wirkt die gelockte Frau mit der Brille stets
fröhlich. Ausgleich findet sie inmitten von zahlreichen Hortensientöpfen auf ihrem Balkon. „Ich
habe meine Hortensien aber noch nie karbonisiert", sagt sie lachend, „ginge jedoch".
Fachbeitrag
21.05.2013
hb
BioRegio STERN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. Andrea KruseInstitut für Agrartechnik/Fg. Konversionstechnologie und Systembewertung
nachwachsender RohstoffeUniversität HohenheimGarbenstr. 970599 StuttgartTel.: 0711/ 459 - 24700EMail: Andrea_Kruse(at)uni-hohenheim.de
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Umweltbiotechnologie
Industrielle Biotechnologie: Schwieriger Wechsel der Rohstoffbasis
3
4
Herunterladen