Imagebroschüre MPG-ASMB - Max-Planck

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Max-Planck-Arbeitsgruppen für
strukturelle Molekularbiologie
Forschungsthemen im Überblick
Die Max-Planck-Arbeitsgruppen wurden 1985 gegründet, um die am
Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) vorhandene Synchrotronstrahlung für die Untersuchung der Struktur und Dynamik von Biomolekülen einzusetzen.
Die Kenntnis der Struktur von Biomolekülen ist wesentliche Voraussetzung für das Verständnis von biologischen Prozessen auf molekularer und zellulärer Ebene, sowie für Anwendungen in Biotechnologie,
Medizin oder Pharmazie. Die bei DESY vorhandene Synchrotronstrahlung erlaubt es wegen ihrer hohen Intensität und variablen Wellenlänge, Röntgenstrukturanalysen von Biomolekülen schnell, schonend und
mit hoher Auflösung durchzuführen. Nur so gelingt es, den steigenden
Bedarf an Strukturanalysen zu befriedigen und die Methoden einem
internationalen Kreis von Nutzern zur Verfügung zu stellen. Dazu werden
Techniken der Strahlführung, Probenbehandlung, Datenerfassung und
-verarbeitung entwickelt.
Durch die Aufklärung des Genoms des Menschen und anderer Organismen, sowie durch den Bedarf an rekombinanten Proteinen in Biotechnologie und Medizin wird die Nachfrage nach Strukturanalysen stark
zunehmen. Diese wird nur durch die verstärkte Nutzung der Synchrotronstrahlung befriedigt werden können. Dies ist besonders wichtig
vor dem Hintergrund des bei DESY geplanten freien Elektronenlasers
(TESLA-FEL) und des Ausbaus des Speicherrings PETRA-III für Synchrotronexperimente. Diese Anlagen werden in einigen Jahren die weltweit
stärksten Quellen von Röntgenlicht darstellen.
Hier fehlt noch das Hintergrundbild!
Die drei Arbeitsgruppen bearbeiten unterschiedliche biologische
Forschungsprojekte:
Die Gruppe Ribosomenstruktur beschäftigt sich mit der Aufklärung der
Struktur und Funktion des Ribosoms, eines Aggregats aus vielen Proteinen und Nukleinsäuren, das in der lebenden Zelle für die Herstellung
neuer Proteine (Proteinbiosynthese) und damit für die Übersetzung der
Erbinformation verantwortlich ist. Wegen seiner Komplexität ist die
Analyse von Ribosomen ein Testmodell für die Leistungsfähigkeit der
Kristallographie mit Synchrotronstrahlung.
Bei der Gruppe Proteindynamik geht es um Reaktionsmechanismen von
Enzymen und um schnelle Konformationsänderungen bei Proteinen, die
die biologischen Funktionen bestimmen. Ein Schwerpunkt ist die „zeitaufgelöste Proteinkristallographie“, bei der die Intensität der Synchrotronstrahlung eingesetzt wird, um Strukturveränderungen im Mikro- bis
Nanosekundenbereich zu erfassen.
Die Gruppe Zytoskelett befasst sich mit den Proteinfasern der Zelle,
speziell mit Mikrotubuli und Motorproteinen, die für Zellbewegung, Zellteilung und Differenzierung wichtig sind. Von besonderer Bedeutung ist
hier das Tau-Protein, das bei der Alzheimer-Krankheit in den Nervenzellen aggregiert und ein Merkmal für ihre Degeneration darstellt.
Hier fehlt noch das Hintergrundbild!
Ribosomen: Proteinfabriken der Zelle
Die Erzeugung von Proteinen ist für
jeden Organismus existenziell. In der Zelle erfolgt die Produktion der Eiweiße im
Rahmen der Protein-Biosynthese. Dieser
komplexe Prozess besteht aus einer Vielzahl individueller Schritte, unter Beteilung vieler unterschiedlicher Helfer oder
Co-Faktoren, die wiederum zum größten
Teil nichts anderes als eben solche Proteine sind. Zentrales Element der ProteinBiosynthese ist jedoch das Ribosom.
Das Ribosom ist – an biologischen
Maßstäben gemessen – ein gewaltiges
Molekül, mit einem Molekulargewicht
von mehr als 2 Millionen Dalton. Bis zu
50.000 dieser Zellorganellen, die mehr
als 80% der Zellenergie konsumieren,
kann eine Zelle beherbergen.
Das Ribosom setzt sich immer aus zwei
verschieden großen ribosomalen Untereinheiten zusammen, die im Falle des
prokaryontischen Ribosoms auch als 30S
und 50S Untereinheiten bezeichnet werden. Beide Untereinheiten, die jeweils
für spezifische Aufgaben in der Proteinsynthese verantwortlich sind, bestehen
zu etwa 2/3 aus ribosomaler RNA und
einer verschiedenen Anzahl ribosomaler
Proteine. Der modulare, flexible Aufbau
und die räumliche Entkopplung der verschiedenen molekularen Mechanismen
machen das Ribosom zu einer außerordentlich effizienten Proteinfabrik.
Der erste Schritt der Proteinsynthese ist
die Initiation, die im Wesentlichen die
mRNA für das Ribosom verfügbar macht,
also die fehlerfreie Übersetzung und Verifizierung des genetischen Codes durch
die kleine (30S) Untereinheit einleitet.
Das Start-Codon der mRNA bindet die
komplementäre Initiator-tRNA, die die
erste Aminosäure des zu erzeugenden
Proteins bereit stellt. In der Folge werden
die verschiedenen Aminosäuren von den
jeweiligen tRNA-Molekülen geliefert und
entsprechend dem genetischen Bauplan
miteinander verknüpft (Elongation).
Diese fundamentale Reaktion wird durch
die 50S Untereinheit, oder genauer durch
deren 23S rRNA, im Peptidyl-Transferase-Zentrum (PTC) katalysiert.
Das Ende der Proteinsynthese wird dem
Ribosom schließlich durch ein Stop-Codon auf der mRNA signalisiert, der Prozess mithilfe verschiedener Release- und
Termination-Faktoren beendet (Termination) und die ribosomalen Untereinheiten
für weitere Aufgaben wiederverwertet.
Die Proteinsynthese ist gleichzeitig ein
bevorzugtes Ziel einer großen Zahl
verschiedener Antibiotika, die diesen
Prozess zum Erliegen bringen, und so
eine Zelle, vorzugsweise eines Erregers,
eliminieren.
Um die zugrunde liegenden Mechanismen
der Proteinsynthese - aber auch deren
Hemmung durch Antibiotika - zu verstehen, muss man den Aufbau des Ribosoms
und dessen Wechselwirkungen mit verschiedenen Substraten möglichst präzise
bestimmen. Die Struktur der 30S Untereinheit von Thermus thermophilus (Bild
links) gibt Aufschluss über die Prozessierung der mRNA, also der Übersetzung des
genetischen Codes.
Pharmakologisch nutzvoll sind Untersuchungen an Komplexen mit Antibiotika,
wie zum Beispiel Edeine und Tetracycline
(rechts).
Edeine ist eines der Antibiotika, die eine
spezifische Konformation des Ribosoms
einfrieren, und so die notwendige Mobilität unterbinden. Edeine bindet an einer
phylogenetisch konservierten Region,
also einem Bereich des Ribosoms, der in
allen Organismen praktisch identisch ist.
Als Folge stört Edeine die Proteinsynthese
nicht nur in bakteriellen Erregern, sondern
in jeder Zelle, was dieses Antibiotikum als
Medikament weitgehend unbrauchbar
macht. Tetracycline, eines der ersten Breitband-Antibiotika, bindet im Gegensatz zu
Edeine an vielen verschiedenen Stellen
innerhalb des Ribosoms. Primär wichtig
aber ist ein Tetracycline-Molekül, das die
Positionierung der tRNA an die Dekodierungs-Stelle und somit den Aufbau des
Proteins verhindert.
Die ersten Versuche, Ribosomen zu kristallisieren, wurden bereits in den frühen
1980ern unternommen, aber erst in den
letzten Jahren durch die Bestimmung der
Röntgenstrukturen von Erfolg gekrönt.
Alle Ribosomen, die bislang kristallisierbar waren, entsprangen sehr robusten Organismen. Exemplarisch ist Deinococcus
radiodurans (unten links), auch bekannt
als Conan the Bacterium, das selbst extreme Strahlung überstehen kann. Ursprünglich aus verdorbenem Dosenfleisch
isoliert, dient es heute zur Dekontaminierung hochgiftiger Stoffe - und soll nach
Plänen der NASA demnächst den Mars
besiedeln.
Die 50S Untereinheiten dieses ansonsten
harmlosen Bakteriums haben so gute und
stabile Kristalle geliefert, dass die Interpretation der Elektronendichtekarte (mitte
links) ein zu 99% vollständiges Bild der
Struktur (rechts) mit einer Auflösung von
3Å ergab. Weitere Komplexe mit verschiedenen Substraten und Co-Faktoren haben
es erlaubt, die Geheimnisse der Proteinsynthese, der katalytischen Aktivität der
Ribosomen weitgehend zu lüften.
Das katalytische Zentrum des Ribosoms
ist zudem Angriffspunkt wichtiger Klassen
von Antibiotika, so dass diese Ergebnisse
damit auch den Weg zur Entwicklung
dringend benötigter, neuer Antibiotika ein
wenig geebnet haben.
Mit der Verknüpfung der einzelnen Aminosäuren zu einer linearen Polypeptidkette
ist allerdings noch kein funktionelles Protein gewonnen. Dies erfordert die Faltung
der linearen Kette in ihre komplexe dreidimensionale Struktur. Damit das ungefaltete Protein nicht vorzeitig beschädigt
wird, wird es durch den ribosomalen Exit
Tunnel der 50S Untereinheit gefädelt (Bild
links). Am Eingang des Tunnels wirken die
Makrolide-Antibiotika, Erythromycin und
dessen semi-synthetische Abkömmlinge.
Die Makrolide blockieren den Eingang
zum Tunnel (rechts oben), und verhindern
so die Passage der Polypeptidkette. Wer
den Hamburger Elbtunnel durchqueren
muss, erfährt bisweilen, wie wirkungsvoll
dieser Mechanismus sein kann. Das Ribosom kann also auch in der Anwesenheit
der Makrolide noch eine kurze Peptidkette
synthetisieren. Manche Zellen nutzen diese Eigenschaft zur Resistenz mittels der
Produktion von Penta-Peptiden, die die
Makrolide bildlich aus dem Tunnel heraus
bürsten, und die Aktivität des Ribosoms
wieder herstellen.
Eine der neuesten Makrolide-Entwicklungen ist Azithromycin, das sich durch besondere pharmakokinetische Eigenschaften auszeichnet. Es ist auch in anderer
Hinsicht speziell, da es bislang das einzige
Antibiotikum ist, das zwei eng miteinander verbundene Bindungsstellen aufweist,
und so die eigene Wirkung potenziert
(unten rechts).
Die Struktur der 50S Untereinheit mit
einem anderem Makrolid, Troleandomycin, wies eine unerwartete Änderung der
Struktur des Tunnels auf. Normalerweise
läuft Protein L22 an der Wand des Tunnels
entlang (Bild oben), durch die Bindung von
Troleandomycin wird jedoch eine Konformationsänderung von L22 induziert, dessen Loop nunmehr quer durch den Tunnel
weist, und an der gegenüber liegenden
Tunnelwand eine neue Bindung eingeht
(mitte), und somit den Tunneldurchgang
stark verengt. Dieses Ergebnis weist auf
einen universellen Mechanismus hin:
Bei der Produktion des Secretory Monitoring Proteins (SecM) legt das Ribosom
eine Pause ein, und zwar nur, wenn eine
spezifische Aminosäure-Sequenz innerhalb des Tunnels im Bereich von L22 liegt.
Diese vorübergehende Unterbrechung der
Proteinsynthese ist ein wichtiger Regulations-Mechanismus, der ausschließlich
durch die Struktur des Tunnels bestimmt
wird.
Modifiziert man einige Aminosäuren innerhalb des Loop, so dass L22 nicht mehr
in der Lage ist, die alternative Konformation einzunehmen, so findet auch die
Unterbrechung der Proteinsynthese nicht
mehr statt, und SecM wird unabhängig
von der Sequenz kontinuierlich erzeugt.
Die Vermutung liegt nahe, dass L22 verantwortlich für die Regulation von SecM
ist (unten).
Proteindynamik:
Enzyme in Aktion
Viele biologische Prozesse erfordern zu ihrem
Verständnis die Kenntnis der räumlichen Struktur der beteiligten Proteine und ihrer Änderung
im Verlauf der Reaktionen. Ein Beispiel, das
sowohl für Grundlagenforschung als auch für
industrielle Pharmaforschung von Bedeutung ist,
sind enzymatische Reaktionen. Die Bestimmung
des dreidimensionalen Aufbaus der Enzyme ist
eine Voraussetzung zur Untersuchung ihrer Wirkungsweise und zur gezielten Entwicklung medizinischer Wirkstoffe. Dazu müssen die Lagen der
einzelnen Atome dieser Makromoleküle mit einer
Genauigkeit von etwa einem Zehntel eines Atomdurchmessers bestimmt werden. Dieses Ziel
kann mit Hilfe der Kristallstrukturanalyse erreicht
werden. Hierzu müssen Proteinkristalle gezüchtet
und in einer Serie von Röntgenbeugungsaufnahmen untersucht werden. Die MPG betreibt
zu diesem Zweck eine Messstation an einem
DESY-Synchrotron, das die erforderliche extrem
intensive Röntgenstrahlung zur Verfügung stellt.
Die kristallographische Auswertung der äußerst
umfangreichen Messdaten erfolgt mit Hilfe eines
leistungsfähigen Verbundes von Rechnern.
Die Forschung mit Synchrotronstrahlung ist eines der dynamischsten Gebiete der molekularen
Strukturbiologie und anderer experimenteller
Naturwissenschaften. Durch die Weiterentwicklung der vorhandenen Synchrotronstrahlungsquellen und den Bau eines Röntgenlasers (FEL)
nimmt das DESY einen Spitzenplatz im weltweiten
Vergleich ein.
Bestimmung der dreidimensionalen
Struktur von Proteinen
Aus den Beugungsaufnahmen kann durch mathematische Verfahren die Elektronendichteverteilung berechnet und die Lage der Atome bestimmt werden. Die dazu
durchgeführte Fouriertransformation erfordert insbesondere die Kenntnis der Phasen von Strukturfaktoren.
Dieses zentrale Problem der Kristallstrukturanalyse
kann mit Hilfe der anomalen Dispersion und der Durchstimmbarkeit der Synchrotronstrahlung gelöst werden.
Das Ergebnis dieses „MAD-Verfahrens“ ist ein Strukturmodell, das die Grundlage für weitere Untersuchungen
wie etwa die der Bindung von Reaktionspartnern bildet.
Die Methoden der Datensammlung und –auswertung
werden zur Zeit weiter beschleunigt und automatisiert.
Dies ermöglicht die schnelle Bestimmung von Proteinstrukturen, etwa für Strukturgenomik.
Auch hochkomplexe Multiproteinstrukturen können so
bis zu hoher Auflösung bestimmt werden, z.B. die des
Proteasoms, das in der Zelle falsch gefaltete oder sonstwie anomale Proteine beseitigt. Das 20S-Proteasom von
Hefe, dessen Struktur aufgrund von Messungen an der
Beamline der MPG-ASMB aufgeklärt wurde, besteht aus
14 verschiedenen Proteinen mit einem gesamten Molekulargewicht von 700.000. Es enthält etwa 45.000 Atome, wobei Wasserstoffatome nicht eingerechnet sind.
Für die Messungen werden im allgemeinen Kristalle mit
Kantenlängen um 0.1 mm benötigt. Zur Verringerung
von Strahlenschäden werden viele Experimente bei tiefen Temperaturen (100 K) durchgeführt. Im Falle hoher
kristalliner Ordnung können extrem hohe Auflösung
(< 1 Å) und äußerst geringe Fehler in den Atomlagen
erreicht werden.
Untersuchung dynamischer Vorgänge in Proteinen
Die Wirkungsweise von Proteinen auf molekularer
Ebene ist in der Regel mit transienten Änderungen
ihrer dreidimensionalen Struktur verknüpft. So
treten etwa bei enzymatischen Reaktionen Konformationsänderungen auf, die für die Spezifizität,
Richtung und Geschwindigkeit der Biokatalyse
wesentlich sind. Die Packung der Proteinmoleküle
im Kristall, die große mit Solvent gefüllte Zwischenräume aufweist, ermöglicht eine Untersuchung
der Kristallstruktur in verschiedenen Reaktionszuständen des Proteins. Je nach Charakteristik der
Reaktion kann sie durch Eindiffusion von Reaktionspartnern oder durch externe Anregung, etwa
mittels Laserphotolyse, im Kristall gestartet werden. Intermediäre Konformationen können auf der
Grundlage von Schockfrieren oder mit Verfahren
der zeitaufgelösten Röntgenbeugung untersucht
werden. Bei zeitaufgelöster Proteinkristallographie
sind bisher Zeitskalen bis in den Nanosekundenbereich erreicht worden; der Röntgen-FEL wird in
Zukunft die Anwendungsgrenzen hin zu wesentlichen kürzeren Zeiten (Femto- bis Pikosekunden)
und komplexeren Strukturen erweitern.
Durch Auswertung der diffusen Streuung von
Proteinkristallen kann im Prinzip Information über
korrelierte Bewegungen im Proteinmolekül bzw.
in der molekularen Packung erhalten werden.
Komplementär zu experimentellen Beugungs- und
Streuverfahren werden theoretische Verfahren
zur Simulation der Moleküldynamik eingesetzt.
Ausgangspunkt ist dabei die durch die Kristallstrukturanalyse bestimmte dreidimensionale Struktur.
Zytoskelett: Architektur und Bewegung der Zelle
Die Arbeitsgruppe „Zytoskelett“ beschäftigt sich mit dem Innengerüst der
Zelle, das für die Form von Zellen, für
die Bewegung, für Materialtransport, für
Zellteilung und Zelldifferenzierung verantwortlich ist.
Das Zytoskelett wird aus drei Fasersystemen aufgebaut, den Aktinfilamenten,
Intermediärfilamenten und Mikrotubuli.
Diese Fasern können sich aus ProteinUntereinheiten selbständig auf- und wieder abbauen, d.h. sie sind dynamisch,
und sie haben die Fähigkeit der „Selbstorganisation“. Hinzu kommen zahlreiche
Proteine, die an die Fasern andocken
können, die Fasern miteinander verbinden oder Verbindungen mit anderen
Zellkomponenten herstellen können, z. B.
der äußeren Zellmembran oder der Kernmembran.
Eine wichtige Klasse dieser assoziierten
Proteine sind die „Motorproteine“. Sie
können chemische Energie (in Form
von Adenosintriphosphat) in mechanische Energie umwandeln und dadurch
Lasten transportieren oder verschieben
(z. B. Zellorganellen wie Mitochondrien,
oder andere Komponenten des Zytoskeletts). Die Zytoskelettfasern werden
durch verschiedene „assoziierte Prote-
Abbildung rechts: Mikrotubuli bilden ein dynamisches Korsett der Zelle, das sich ständig den wechselnden Anforderungen der Zelle anpassen muss. Die Abbildung zeigt im Hintergrund eine Momentaufnahme von Mikrotubuli, die innerhalb einiger Millisekunden eingefroren wurden und so in ihrem Zustand
festgehalten wurden (Aufnahme mit Kryo-Elektronenmikroskopie). Wachsende Mikrotubuli haben gerade
Enden, während zerfallende Mikrotubuli am Ende gekrümmt und ausgefranst sind. Das Nebeneinander
von Auf- und Abbau ist typisch für den Zustand von Zellen zwischen zwei Teilungen. Es ist aber auch
möglich, alle Mikrotubuli in einer Lösung zu synchronisieren, so dass sie gleichzeitig zwischen Phasen
des Wachstums und des Zerfalls hin- und herschwingen. Dies stellt einen biochemischen Oszillator dar,
der durch den Verbrauch von energiereichen Phosphatverbindungen (Guanosintriphosphat) in Schwung
gehalten wird. Rechts unten ist eine Serie von Röntgenbeugungsexperimenten zu sehen, bei denen die
oszillierenden Mikrotubuli mit einer zeitlichen Auflösung von einigen Sekunden verfolgt wurden. Aus der
Form der Kurven kann man die Struktur der Zwischenzustände berechnen. In lebenden Zellen werden
solche Strukturumwandlungen häufig durch chemische Signalübertragungsketten reguliert. Das Bild
rechts oben zeigt einen „Strauß“ von Mikrotubuli (aufgenommen mit Video-Dunkelfeldmikroskopie), die
von einem gemeinsamen Zentrum auswachsen und durch ein Zusatzprotein (Tau-Protein) stabil gehalten
werden. Wenn das Tau-Protein abgelöst wird (indem eine Phosphatgruppe übertragen wird), werden die
Mikrotubuli instabil, der Strauß von Mikrotubuli bricht zusammen. Das Enzym, das diesen Übergang
einleitet (eine sog. Protein-Kinase), besitzt in manchen pathologischen Zuständen der Zelle eine erhöhte
Aktivität (z. B. in erkrankten Neuronen der Alzheimerkrankheit).
ine“ stabilisiert. Ein bekanntes Beispiel
für das Zusammenspiel verschiedener
Zytoskelett-Proteine ist die Zellteilung;
dabei bilden Mikrotubuli einen Spindelapparat aus, der die Chromosomen mit
Hilfe von Motorproteinen auseinanderziehen kann. Bei den Nervenzellen stellen
Mikrotubuli die „Gleise“ für den Transport
in den Zellfortsätzen (Axone, Dendriten)
dar, wo Lasten über weite Entfernungen
zu den Nervenendigungen (Synapsen)
geliefert werden müssen.
Die Abbildung links stellt die Ergebnisse der Strukturuntersuchung des Motorproteins Kinesin dar. Das
Strukturmodell (links unten) zeigt einen doppelköpfigen Protein-Komplex, bei dem die beiden Köpfe die
Funktion der „Motoren“ übernehmen; sie sind durch
eine „Deichsel“ miteinander verbunden (doppelte
alpha-Helix, rot). Der obere Bildteil veranschaulicht,
wie die beiden Motor-Köpfe des Kinesins auf dem
Gleis eines Mikrotubulus entlangwandern, indem sie
abwechselnd an die Protein-Untereinheiten andocken (blau/grün; das Gleis ist hier treppenförmig unterbrochen, um verschiedene Phasen der Bewegung
zu unterscheiden). Damit wird eine Last von links
nach rechts gezogen (am oberen Ende der Doppelhelix, hier nicht gezeigt). Obwohl die Moleküle nur wenige Nanometer Durchmesser haben, kann man die
Bewegung mit Hilfe der Videomikroskopie in Echtzeit
sichtbar machen (Modell rechts unten). Dazu bringt
man einen „Rasen“ von doppelköpfigen Motorproteinen auf einem Mikroskopierglas auf und lässt einen
Mikrotubulus (violett) darübergleiten, oder man belädt ein Vesikel (rosa) mit einem Motor und läßt es
am Mikrotubulus in Pfeilrichtung entlangwandern.
Das Verständnis solcher „Nanomaschinen“ könnte
in Zukunft dazu beitragen, Schaltelemente oder
Motoren für nanotechnologische Anwendungen zu
entwickeln.
Entsprechend ihrer grundlegenden Funktion für die „Infrastruktur“ der Zelle
spielen Proteine des Zytoskeletts bei
verschiedenen Krankheitsprozessen
eine Rolle. So besteht die KrebsKrankheit aus einer unkontrollierten
Teilung von Zellen.
Die Wirkung einiger Zytostatika
beruht darauf, die Mikrotubuli oder
Motorproteine der Teilungsspindel
zu vergiften, so dass sich die Krebszellen nicht mehr teilen können.
Krankhafte Veränderungen des TauProteins spielen unter anderem bei
der Alzheimer-Demenz eine Rolle, weil
dort das Zytoskelett zusammenbricht,
so dass das Tau-Protein zu unlöslichen
Fasern verklumpt. Es bilden sich die
„paarigen helikalen Filamente“ der Alzheimerkrankheit, die die Nervenzellen
verstopfen und sie absterben lassen.
Diese Vorgänge lassen sich im Reagenzglas oder in Zellmodellen nachstellen und untersuchen. Dabei werden
biochemische,
molekularbiologische,
zellbiologische und biophysikalische
Methoden kombiniert. Der Schwerpunkt
der Arbeiten liegt auf der Untersuchung
der Selbstorganisation der Mikrotubuli,
der Struktur Mikrotubuli-abhängiger
Motorproteine, dem Mikrotubuli-assoziierten Tau-Protein und seiner Rolle in der
Alzheimerkrankheit. Die Intensität der
Synchrotronstrahlung erlaubt es z. B.,
Wachstum und Zerfall von Mikrotubuli
in Echtzeit durch Beugung des Röntgenlichts zu verfolgen, Röntgenbilder von
sehr kleinen Proben von Alzheimer-Fasern aufzunehmen, oder die Struktur von
kristallisierten Motorproteinen mit hoher
Auflösung zu bestimmen. Die Proteine
können rekombinant in großen Mengen
in Bakterienkulturen hergestellt werden,
sie lassen sich gezielt abwandeln und
somit in ihrer Funktion überprüfen. Die
Proteine können an fluoreszierende „Laternen“ angekoppelt und in Nervenzellen
eingeschleust werden, so dass man ihre
Verteilung und Funktion direkt vor Ort in
lebenden Zellen beobachten kann.
Abbildung links: Fasern mit einer typischen Schraubenstruktur sind charakteristische Ablagerungen in
Nervenzellen, die in der Alzheimer-Krankheit langsam aber unaufhaltbar absterben. Diese „paarigen
helikalen Filamente“ bestehen weitgehend aus dem Tau-Protein, das seine normale Funktion der Stabilisierung der Mikrotubuli-Transportschienen verloren hat. Der eigentliche Auslöser der pathologischen
Entartung von Tau-Protein ist noch unbekannt, aber es konnten in den letzten Jahren einige strukturelle
Eigenschaften der anomalen Tau-Fasern aufgeklärt werden, und es ist inzwischen möglich, die Umwandlung von normalem zu pathologischem Tau-Protein im Reagenzglas zu vollziehen. Damit kann der molekulare Prozess systematisch untersucht werden, und man kann jetzt gezielt nach Substanzen suchen,
die die Entartung von Tau-Protein aufhalten oder rückgängig machen. Das Röntgenbeugungsbild (rechts
oben) zeigt, dass das anomale Tau-Protein eine neue Struktur annimmt (das sog. beta-Faltblatt), die stark
zur Vernetzung mit anderen Proteinen neigt.
Die Beispiele illustrieren, wie eine Kombination von Methoden aus der Strukturforschung, Biochemie und Zellbiologie bei Fragestellungen der biologischen Grundlagenforschung an lebenden Zellen eingesetzt werden
kann. Sie zeigen außerdem, wie sich daraus sehr direkte
Konsequenzen für biomedizinische oder biotechnologische Anwendungen ergeben können. Von der geplanten
Erweiterung der Forschungseinrichtungen mit Synchrotronstrahlung bei DESY in Hamburg (Ausbau des
Speicherrings PETRA-III, Bau des Röntgenlasers TESLAXFEL) werden in Zukunft noch wesentlich weitergehende
Impulse für die biologische Grundlagenforschung und für
die Verzahnung verschiedener Bereiche der Wissenschaft
ausgehen.
Abbildung links: Die Suche nach Bedingungen, die für das allmähliche
Absterben von Nervenzellen in der Alzheimer-Krankheit verantwortlich
sein könnten, führt unter anderem auf einen Defekt im zellulären Transportsystem hin. Es scheint, dass das Tau-Protein nicht nur Mikrotubuli
(die Gleise des Transports) stabil hält, sondern sie auch „verkleben“
und damit unbrauchbar machen kann. Das Ergebnis ist, dass die vom
Zellinneren nach außen gerichteten Transportvorgänge gestört werden,
so dass die äußeren Bereiche der Zelle unterversorgt bleiben. Die große
Abbildung zeigt Zellen, bei denen Tau-Protein mit einem grünen Fluoreszenz-Farbstoff („green fluorescent protein“, GFP) im Fluoreszenzmikroskop sichtbar gemacht wird; man sieht deutlich die Anlagerung an
die faserförmigen Mikrotubuli der Zelle. Der gelbe Bereich im Zentrum
besteht aus einer Ansammlung von Mitochondrien, den „Kraftwerken“
der Zelle. Normalerweise müßten diese Organellen gleichmäßig über
die ganze Zelle verteilt sein, aber wegen des defekten Transportsystems
bleiben sie im Inneren liegen. Besonders eindrucksvoll wird dies bei
Nervenzellen (kleines Bild). Im normalen Zustand (links) sind die Mitochondrien (rote Punkte) überall im Zellkörper und in den langen Zellfortsätzen verteilt, so dass die Zelle gleichmäßig mit Energie versorgt wird.
Wird das Transportsystem durch eine Fehlfunktion des Tau-Proteins
defekt (rechts), dann können die Mitochondrien nicht mehr in die Zellfortsätze einwandern, sondern bleiben im Zellkörper liegen. Das führt
zur Unterversorgung der Zellfortsätze, zum Absterben der Synapsen,
wo Nerven miteinander Kontakt halten, und schließlich zum Tod der
ganzen Nervenzelle.
Quelle: DESY
Max Planck-Arbeitsgruppen
für strukturelle Molekularbiologie
Arbeitsgruppe Ribosomenstruktur
Leiterin: Prof. Dr. Ada Yonath
E-mail: [email protected]
Arbeitsgruppe Proteindynamik
(Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Biochemie)
Leiter: Dr. Hans-Dieter Bartunik
E-mail: [email protected]
Arbeitsgruppe Zytoskelett
(Außenstelle des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung)
Leiter: Prof. Dr. Eckhard Mandelkow (Sprecher der Arbeitsgruppenleiter)
E-mail: [email protected]
Weitere Informationen geben wir Ihnen gerne
unter: [email protected]
MPG-ASMB
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Telefon: +49-40-8998-2801
Telefax: +49-40-8971-6810
E-mail: [email protected]
www.mpasmb-hamburg.mpg.de
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