6 Zusammenfassung „Man könnte fast sagen, dass nach der Katastrophe vor der Katastrophe ist. Denn neben der Nothilfe müssen Maßnahmen getroffen werden, um bei künftigen verheerenden Ereignissen Folgeschäden zu mindern oder zu vermeiden.“ - MACAMO & JÖCKEL 2005, S. 390 - 6 Zusammenfassung In der vorliegenden Forschungsarbeit stehen die Bedeutung geographischer Bildungsarbeit nach katastrophalen Naturereignissen und die projektbezogene Analyse eines entsprechenden geographischen Bildungsprojektes im Mittelpunkt. Hierbei handelt es sich um das TEP, das ein Bestandteil der deutschen Hilfsmaßnahmen nach dem Tsunami 2004 in Sri Lanka war. Es wurde in den Jahren 2006 und 2007 an den vom Tsunami betroffenen südlichen und östlichen Küstengebieten Sri Lankas durchgeführt und hat ausgewählte Zielgruppen über die Ursachen von Erdbeben und Tsunamis aufgeklärt. Die Untersuchung war induktiv und ideographisch geprägt und wurde in Sri Lanka sowie Deutschland durchgeführt. Ihr lag ein Methodenmix zugrunde, der zum einen standardisierte Interviews mit den Zielgruppen des TEP sowie mit Vertretern von Bildungsbehörden in Sri Lanka umfasste. Zum anderen wurden Experteninterviews mit Schulleitern und Universitätsdozenten in Sri Lanka, staatlichen und nichtstaatlichen humanitären und entwicklungspolitischen Akteuren in Sri Lanka und Deutschland sowie mit Experten der Katastrophenvorsorge geführt. Anhand des TEP wird das Potenzial geographischer Bildungsarbeit als Teil katastrophenpräventiver Maßnahmen in der deutschen humanitären Hilfe und EZ aufgezeigt. Dass Katastrophenvorsorge gerade für weniger entwickelte Länder von Bedeutung ist, wurde durch den Tsunami am 26. Dezember 2004 mehr als deutlich. Dem Tsunami ging ein Erdbeben im nördlichen Sundagraben vor Indonesien voraus, das mit einer Magnitude von 9,3 MW ungewöhnlich stark war und sich in einer Region ereignete, die über Jahrzehnte seismisch eher ruhig und unauffällig war. Der Druck entlang der Plattengrenze konnte sich somit über einen langen Zeitraum aufbauen, bevor es Ende 2004 zu einer plötzlichen Entlastung kam. Die Bruchzonenausdehnung infolge des Bebens war dabei ebenso ungewöhnlich wie die Magnitude. Es kam zu einem enormen vertikalen Versatz am Meeresboden, der zu der Entstehung von Tsunamiwellen führte. In Zukunft muss vor allem im südlichen Teil des Sundagrabens mit weiteren starken Beben gerechnet werden. Sie können erneut überregionale Tsunamis im Indischen Ozean bedingen, was die Bedeutung von zukünftiger Katastrophenvorsorge in der Region verdeutlicht. Die Auswirkungen des Tsunami waren für Sri Lanka katastrophal. Es gab keine Frühwarnung und die Mehrheit der Küstenbewohner war nicht in der Lage, die natürlichen Zeichen der bevorstehenden Tsunamiwellen als Gefahr zu deuten. Über zwei Drittel der sri lankanischen Küste wurde in Mitleidenschaft gezogen, wobei die östlichen Provinzen die höchste Anzahl an Todesopfern und die größten Sachschäden zu beklagen hatten. Mit 31.000 Toten und einer halben Millionen Obdachloser war Sri Lanka nach Indonesien das am stärksten betroffene Land, wenngleich der wirtschaftliche Schaden den von Indonesien noch übertraf. Private Häuser und ein Großteil der öffentlichen Infrastruktur wurden komplett zerstört. 243 6 Zusammenfassung Der Tsunami ereignete sich in einer innenpolitisch höchst instabilen Lage. Das Wirtschaftswachstum konzentrierte und konzentriert sich nach wie vor auf den Großraum Colombo und die westlichen Provinzen, die östlichen und nördlichen Provinzen partizipieren daran nicht. Das führt u.a. zu einer Verschärfung des seit der Unabhängigkeit 1948 wiederholt eskalierenden ethnisch-politischen Konflikts zwischen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und der tamilischen Minderheit. Seit der Aufkündigung des Waffenstillstandsabkommens durch die Regierung Anfang 2008 ist der Bürgerkrieg zwischen ihr und den tamilischen Rebellen der LTTE, die einen unabhängigen tamilischen Staat einfordern, erneut offen ausgebrochen. Der Norden und Osten leiden besonders unter den Folgen des Krieges, der das Land politisch dominiert. Die stetig steigenden Militärausgaben, eine hohe Inflation und weit verbreitete Korruption gefährden die derzeit noch positive Wirtschaftsentwicklung, die durch den Tsunami nur kurzzeitig beeinträchtigt war. Der Tsunami hatte jedoch nicht nur physische Auswirkungen, sondern im beträchtlichen Maße auch psychische Folgen für die betroffene Bevölkerung. Entlang der Küstengebiete etablierte sich bei der lokalen Bevölkerung ein grundsätzliches Erklärungsdefizit über die Tsunamiursache. Im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Erklärung kam es zu lokalen Erklärungsmustern, die sich vor allem aus Gerüchten und Aberglaube zusammensetzten. Als Ursachen des Tsunami galten vor allem entlang der Ostküste der Monsun, die Mondphasen und ein Atombombenabwurf der USA vor Indonesien. Wiederholt kam es zu unbegründeten, aber teils konkret terminierten Vorhersagen neuer Tsunamis, die sogar von lokalen Zeitungen und Radiosendern aufgegriffen wurden. Die Gerüchte verbreiteten sich aufgrund der engen Sozialstruktur der sri lankanischen Gesellschaft mit einer hohen Geschwindigkeit und hatten oftmals einen klaren religiösen Bezug. Lokale und einflussreiche Vertreter des Buddhismus, Hinduismus und des Islam als die drei wichtigsten Religionen des Landes predigten wiederholt die Strafe einer höheren Macht als Grund für den Tsunami. Die Gerüchte führten zu einer erheblichen Verunsicherung und zu Ängsten der Betroffenen. Mentaler Stress bis hin zu Alkoholismus und häuslicher Gewalt können als soziale Folgen in Verbindung mit den Gerüchten gesetzt werden. Die sich aus den Gerüchten oft ergebenden fatalistischen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die eigene Vulnerabilität behinderten die Fähigkeit, sich auf evtl. zukünftige extreme Naturereignisse rational und angemessen vorzubereiten. Darüber hinaus hatten die Gerüchte schwere wirtschaftliche Folgen, da sich z.B. viele Fischer aufgrund diffuser Ängste vor dem Meer weigerten, ihren Beruf wieder aufzunehmen. Die Gründe für die tsunamibezogenen Gerüchte sind vielschichtig. Neben der Dominanz der religiösen Deutungen lassen sich der mangelhafte Zugang zu unabhängigen und seriösen wissenschaftlichen Informationen sowie eine unzureichende Berichterstattung in den sri lankanischen Medien als weitere Ursachen des Erklärungsdefizits identifizieren. Die vom staatlichen Center for Disaster Management initiierten Aufklärungsmaßnahmen waren ineffizient. Informationen, die die kommunale Dorfebene erreichten, steigerten die Verunsicherungen oftmals mehr, als dass sie sie beseitigten. Als zentrale Ursache für das wissenschaftliche Erklärungsdefizit und die damit einhergehenden Gerüchte in Sri Lanka ist die geographische Ausbildungssituation an den Schulen und Universitäten anzusehen. Sie weist erhebliche Mängel vor und auch nach dem Tsunami 2004 auf. Zudem ist das Schul- und Universitätssystem mit den verknüpften Verantwortungsbereichen relativ komplex und spiegelt 244 6 Zusammenfassung das stark bürokratisierte Verwaltungssystem des Landes wider. Als oberste staatliche Behörde ist das MoE für die nationale Schulpolitik und die Entwicklung der Lehrpläne verantwortlich, die Umsetzung obliegt einer großen Anzahl von Bildungsbehörden auf provinzieller und kommunaler Ebene. Der Schulbesuch ist kostenlos und landesweit gewährleistet. Das Angebot an Studiengängen ist sehr vielseitig und verteilt sich auf insgesamt 15 Universitäten. Allerdings übersteigt die Anzahl der Studienplatzbewerber die Anzahl der von der UGC zugewiesenen Studienplätze sehr deutlich. Das Fach Erdkunde wurde vor dem Tsunami an allen weiterführenden Schulen lediglich als Teilbereich der Fächer Sozialwissenschaft und Umwelterziehung unterrichtet. Nur die Abiturjahrgänge konnten Erdkunde als eigenständiges Vertiefungsfach wählen. Obwohl das Thema Naturgefahren seit langem Teil der Lehrpläne war, wurde über die Ursachen von Tsunamis und Erdbeben in keinem Jahrgang unterrichtet. Vor Ende 2004 fand ausschließlich Unterricht über Naturgefahren wie den Monsun und daraus resultierende Erdrutsche im Hochland statt, die typisch für Sri Lanka waren. Nach dem Tsunami wertete das MoE das Fach Erdkunde durch eine Curriculum Reform auf und etabliert es bis 2010 schrittweise in den weiterführenden Jahrgängen als eigenständiges Fach. Die Lehrpläne in den Fächern Erdkunde und Englisch wurden um das Thema Tsunami ergänzt. Ab dem Zeitpunkt sollten die verantwortlichen Lehrer über die Ursachen von Erdbeben und Tsunamis unterrichten, waren aber aufgrund fehlender Fortbildungsmaßnahmen durch die Bildungsbehörden nicht mit der Umsetzung der neuen Lehrinhalte vertraut. Zeitgleich mit dem Start der Curriculum Reform wurden die Erdkundeschulbücher der siebten und achten Klasse und das Englischbuch der Klasse 9 neu aufgelegt und dienten für die überwiegende Anzahl der Lehrer als einzige Informationsquelle in Bezug auf die neuen Lehrinhalte. Die Schulbuchneuauflagen weisen allerdings erhebliche Mängel in den Texten zur Erklärung von Erdbeben und Tsunamis auf. Die Erklärungen sind größtenteils zusammenhangslos und an einigen Stellen sogar fehlerhaft. Mit den neuen Schulbüchern als einziger Informationsquelle und ohne spezielle Weiterbildung waren die Lehrer nicht in der Lage, die neuen Unterrichtsinhalte angemessen umzusetzen. An den Universitäten gestaltete sich die Lage ähnlich. In Sri Lanka ist es vor und nach dem Tsunami möglich gewesen, an neun Universitäten Geographie zu studieren, zwei Universitäten bieten Geologie als Studienfach an. Der Stellenwert von Naturgefahren war auch hier vor dem Tsunami gering und die Ursachen von Tsunamis waren an keiner Universität Bestandteil der Ausbildung. Ende 2004 wurden staatliche Forderungen zu Studiengängen für Risiko- und Katastrophenmanagement laut, von denen bisher keiner eingeführt wurde. Die einzige Änderung im universitären Bereich ist die Aufnahme des Tsunami in bestehende Seminare über Naturgefahren. Ähnlich wie an den Schulen ist auch an den Hochschulen die Ausstattung mit Fachliteratur mangelhaft. Die meisten Bibliotheken sind in einem schlechten Zustand, die vorhandene Literatur ist veraltet und die finanzielle Ausstattung für die Forschung gering. Lediglich zwei Postgraduate Institutes bieten inzwischen einen neuen Masterstudiengang in Disaster Management an. Die geographische Ausbildungssituation, die damit in Verbindung stehenden Gerüchte, die daraus resultierenden Negativfolgen für die Bevölkerung sowie die Curriculum Reform verdeutlichen den Weiterbildungsbedarf der verantwortlichen Leh245 6 Zusammenfassung rer und die Notwendigkeit, auch von außen Hilfe zu leisten. Die einzigartige Mobilisierung internationaler Hilfe nach dem Tsunami ist aber vor allem auf die großen physischen Schäden zurückzuführen. Bei den internationalen Hilfsmaßnahmen ist zwischen einer Phase der akuten Nothilfe und einer Phase der Rehabilitation und des Wiederaufbaus zu unterscheiden. Für letztere stellte die deutsche Bundesregierung insgesamt 500 Mio. Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren zu Verfügung. Die deutschen staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsmaßnahmen konzentrierten sich dabei auf Indonesien und Sri Lanka. In der Phase der akuten Nothilfe dominierten überlebenssichernde Maßnahmen wie Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung, Gesundheits- und Hygienemaßnahmen sowie der Aufbau von Notunterkünften. In der Phase der Rehabilitation und des Wiederaufbaus konzentrierte sich die deutsche Hilfe auf den privaten Hausbau, die Wiederherstellung der öffentlichen Infrastruktur sowie auf die Förderung von Kleingewerbe. In der Phase zeigten sich auch auf Seiten der sri lankanischen Regierung zunehmend Probleme bei der Koordination der Hilfe. Sie verursachte durch eine wiederholte Umstrukturierung ihrer Koordinationsmechanismen erhebliche Kommunikationsprobleme zwischen den national Verantwortlichen und internationalen Hilfsorganisationen. Im Norden und Osten führte zudem der Bürgerkrieg zu teilweise massiven Behinderungen. Zahlreiche INGOs, aber vor allem kleinere ausländische private Hilfsinitiativen, hatten außerdem zu geringe Kenntnisse über die religiösen und soziokulturellen Rahmenbedingungen und somit über den Kontext ihrer Hilfsmaßnahmen. Die Stärkung der Selbsthilfekapazitäten der betroffenen Bevölkerung in Sri Lanka wurde durch die internationale Hilfe eher vernachlässigt und notwendige Bildungsprojekte über die Ursachen des Tsunami spielten kaum eine Rolle. Sowohl auf Seiten der staatlichen als auch nichtstaatlichen deutschen Hilfe wurden vergleichsweise geringe Mittel für Bildungsprojekte zur Verfügung gestellt. Wenn Bildungsprojekte durchgeführt wurden, standen sie in Verbindung mit einkommensschaffenden Maßnahmen und hatten keinen Bezug zu geographisch wissenschaftlicher Weiterbildung. Die Ausnahme auf staatlicher deutscher Seite bildete die GTZ mit einem Projekt, das die Integration von Disaster Risk Management im sri lankanischen Bildungssystem unterstützen sollte und auch die Erklärung des Tsunami beinhaltete. Die einzige Ausnahme auf Seite der nichtstaatlichen deutschen Hilfe bildete das TEP von HELP. Das TEP ist als geographisches Bildungsprojekt aus einem ASA Projekt von InWEnt in Sri Lanka entstanden. Es lief von März 2006 bis März 2007 an der Südund Ostküste und wurde von HELP und der Stadt Bochum finanziert. Auf Grundlage einer ZOPP wurden flexible Entwicklungs- und Projektziele entwickelt, aus denen insgesamt elf Projektmodule abgeleitet wurden, welche den organisatorischen Rahmen für die Implementierung, die Durchführung und die Evaluation des Projektes bildeten. Der Schwerpunkt lag auf einer gezielten geographisch wissenschaftlichen Weiterbildung ausgewählter Multiplikatoren durch Erdkundeworkshops. Die Multiplikatoren sollten in die Lage versetzt werden, geographische Zusammenhänge über die Ursachen von Naturgefahren im Allgemeinen und von Tsunamis im Speziellen weiterzugeben. Damit sollte zur Verbesserung der geographischen Grundbildung beigetragen und ein Kontrapunkt zu den lokalen und subjektiv geprägten Erklärungsmustern gesetzt werden. Als primäre Zielgruppe wurden die Lehrer der weiterführenden Schulen im Projektgebiet identifiziert. Andere Multiplikatoren wie Mitarbeiter von (I)NGOs wurden als sekundäre Zielgruppe 246 6 Zusammenfassung fortgebildet. Die Weiterbildung sollte von lokalen Experten durchgeführt werden, die eine geographische bzw. geologische Universitätsausbildung abgeschlossen hatten. Zum Projektende fand eine Evaluation zur Beurteilung der nachhaltigen Wirkung der geographischen Bildungsarbeit an den Projektschulen statt. Das TEP war stark partnerschaftlich ausgerichtet und auf die Kooperation mit den Universitäten im Projektgebiet, eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Bildungsbehörden auf provinzieller und kommunaler Ebene sowie mit den jeweiligen Schulleitungen angewiesen. Die Verantwortung für die Weiterbildung wurde schrittweise an die lokalen Experten übergeben. Zusätzlich wurden spezielle geographische Unterrichtsmaterialien in Sri Lanka produziert und den Projektschulen nach der Teilnahme an den Erdkundeworkshops zu Verfügung gestellt. Das TEP war zusätzlich in die Koordinationsabläufe von UNOCHA in Sri Lanka eingebunden und kooperierte mit anderen im Bildungsbereich tätigen INGOs wie PLAN und UNICEF Sri Lanka. Als Teil der nichtstaatlichen Hilfsmaßnahmen war das TEP in seiner Konzeption in Sri Lanka einzigartig. Die Erdkundeworkshops haben einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Betroffenen mit ihren Erfahrungen, Problemen, Sorgen und Ängsten hergestellt und die soziokulturellen sowie anthropologisch-psychologischen Voraussetzungen der Zielgruppen bedacht. Der Ablauf eines Workshops konnte durch die Lernenden mitbestimmt werden, wobei der persönliche Bezugsrahmen der Workshopteilnehmer im Mittelpunkt stand. Von den zahlreichen didaktischen Modellen spielten im TEP vor allem die bildungstheoretische und lehrtheoretische Didaktik eine Rolle. Je nach Ausgangssituation bot sich eine Kombination von Elementen unterschiedlicher didaktischer Modelle und Methoden an. Die Workshoplernziele verteilten sich auf affirmative, kognitive, instrumentelle und affektive Lernzielbereiche. Der Lehrervortrag und Frontalunterricht mussten in der didaktischen Konzeption eine relativ dominante Stellung haben, da diese die gängigen Sozialformen im sri lankanischen Schulunterricht darstellen und die Workshopteilnehmer didaktisch nicht überfordert werden sollten. Aber auch Phasen von Gruppenarbeit und -diskussion waren in der didaktischen Konzeption von Bedeutung. Häufiges Üben und Wiederholen war bei den Aktionsformen besonders wichtig. Der Workshopcharakter wurde durch die Anwendung einer Vielzahl von teils ungewöhnlichen und kreativen Unterrichtsmedien bestimmt. Die Projektziele des TEP wurden vollständig erreicht. Insgesamt wurden drei lokale Experten ausgebildet, die im Projektverlauf die Verantwortung für die Organisation und Durchführung der Weiterbildungsmaßnahmen übernahmen. In 148 Workshops wurden fast 4.000 Personen, davon überwiegend Lehrer, weitergebildet. Die Erdkundeworkshops wurden von über 90% der befragten Teilnehmer als gut bewertet, und die mehrheitlich korrekt beantworteten Kontrollfragen lassen auf ein hohes inhaltliches Verständnis der Teilnehmer schließen. Über 350 Erdkundesets wurden verteilt, die auch ein halbes Jahr nach dem Workshop hauptsächlich von den Erdkunde- und Sozialwissenschaftslehrern genutzt wurden. Nach Aussage der für die Evaluation befragten Schulleiter hat sich der Erdkunde- und Sozialwissenschaftsunterricht vor allem im Hinblick auf die Umsetzung der Curriculum Reform und die neuen Lehrinhalte über Tsunamis deutlich verbessert. Der Kenntnisstand über die Ursachen von Erdbeben und Tsunamis hat sich bei Lehrern und 247 6 Zusammenfassung Schülern erheblich verbessert, so dass sich tsunamibezogene Gerüchte im Umfeld der Projektschulen nach den Workshops reduzierten. Geographische Bildungsarbeit wie im TEP steht in einem engen Zusammenhang zu katastrophenpräventiven Maßnahmen. In der Katastrophenvorsorge geht es um die Reduzierung von Naturrisiken durch Risiko- und Vulnerabilitätsanalysen, der Vorbeugung von Katastrophen, aber auch um die Vorbereitung auf den Katastrophenfall. Geographische Bildungsarbeit lässt sich in alle Instrumente der Katastrophenvorsorge integrieren, deren Bedeutung sowohl bei humanitären als auch entwicklungspolitischen Akteuren international erst in den letzten Jahren erkannt worden ist. Das ist auf die Erklärung der 1990er Jahre zur IDNDR durch die UN und immer häufiger auftretende extreme Naturereignisse sowie eine höhere Anzahl vulnerabler Menschen in weniger entwickelten Ländern zurückzuführen. Auch die humanitären und entwicklungspolitischen Akteure in Deutschland haben erst vor wenigen Jahren begonnen, die Notwendigkeit einer konzeptionellen Einbindung von katastrophenpräventiven Maßnahmen in ihre Arbeit zu erkennen. Katastrophenvorsorge lässt sich als wichtiger Bestandteil der EON bzw. im LRRD Ansatz in die humanitäre Hilfe integrieren und ist ein Querschnittsthema der deutschen EZ. Als Akteure der Katastrophenvorsorge in Deutschland sind das AA, das BMZ, humanitäre Hilfsorganisationen, ECHO, die Durchführungsorganisationen der EZ sowie entwicklungspolitische NGOs und das DKKV zu nennen. Geographische Bildungsarbeit ist als Teil katastrophenpräventiver Maßnahmen in der Lage, sowohl die EON als auch die deutsche EZ zu unterstützen. Sie kann nach einem naturbedingten Schadensfall einen frühzeitigen Kontrapunkt zu sich etablierenden Gerüchten über die Ursachen von Naturereignissen setzen. Damit verbundene soziale und wirtschaftliche Negativfolgen, wie sie in Sri Lanka aufgetreten sind, können verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Sie kann unmittelbar zur Verbesserung der Erdkundeausbildung an den Schulen und Universitäten in vulnerablen Ländern beitragen und damit gleichzeitig die Katastrophenvorbeugung und -vorbereitung vor Ort stärken. Geographische Bildungsarbeit kann beim Aufbau von Partnerschaftsstrukturen behilflich sein, wie er im LRRD Ansatz verlangt wird, und damit dazu beitragen, die Lücke zwischen humanitärer Nothilfe und entwicklungsorientierten Projekten zu schließen und ein nachhaltigeres Zusammenspiel von humanitärer Hilfe und EZ ermöglichen. Im Rahmen der EZ kann sie bereits vor dem Eintritt extremer Naturereignisse die Vulnerabilität bestimmter Bevölkerungsgruppen senken. Sie trägt dazu bei, katastrophale Folgen von Naturereignissen und somit die Abhängigkeit von internationaler Hilfe zu reduzieren. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen geographischer Bildungsarbeit, Katastrophenvorsorge, der Sicherung wirtschaftlicher Entwicklung, der Verminderung extremer Armut und den MDGs. Die Potenziale geographischer Bildungsarbeit als Teil der Katastrophenvorsorge werden heute aber weder in der humanitären Hilfe noch in der EZ voll genutzt, was auf unterschiedliche limitierende Faktoren zurückzuführen ist. In der Vergangenheit ist Katastrophenvorsorge von den humanitären Akteuren nach katastrophalen Naturereignissen wiederholt vernachlässigt worden, und es gibt einen offensichtlichen Mangel an katastrophenpräventiven Ansätzen. Auch bei den entwicklungspolitischen Akteuren auf der Geberseite findet geographische Bildungsarbeit derzeit keine breite Anwendung. Außerdem sind Bildungsprojekte für private 248 6 Zusammenfassung Spender und die Medienberichterstattung noch zu unattraktiv. Obwohl Katastrophenvorsorge im Allgemeinen und geographische Bildungsarbeit im Speziellen langfristig ausgerichtet stattfinden müssen, fehlt es bei humanitären und entwicklungspolitischen Akteuren oft an langfristigen Ansätzen in dem Bereich. Die deutsche Spendengesetzgebung verursacht zudem bei hohen Spendenaufkommen einen Mittelabflussdruck, während sich die Förderinstrumente der Bundesregierung auf das AA und BMZ aufteilen und dabei Förderungslücken auftreten können. Vor Ort kann es zu Problemen kommen, wenn die religiösen, soziokulturellen und politischen Rahmenbedingungen von den ausländischen Akteuren nicht ausreichend beachtet werden. Andererseits wird die Bedeutung von Katastrophenvorsorge nicht nur im Norden vernachlässigt, sondern auch in den vulnerablen Ländern selbst, da der ökonomische Nutzen katastrophenpräventiver Maßnahmen häufig nicht ausreichend erkannt wird. 249