Sexualerziehung Unser Konzept zur Sexualerziehung beruht auf folgenden Grundlagen der psychosexuellen Entwicklung: 1. Sexualerziehung ist eine Lebensenergie, die in allen Phasen unseres Lebens wirksam ist, d.h. es gibt auch eine Kindersexualität. Kinder suchen Kontakt, Wärme, Zärtlichkeit, probieren aus, wie sich Umarmungen, Küsse und Berührungen anfühlen. Von Erwachsenen erleben die Kinder immer wieder Einschränkungen, manchmal Übergriffe und neuerdings häufiger Verhaltensunsicherheiten. Die öffentliche und mediale Berichterstattung zum sexuellen Missbrauch – so nötig sie ist – hat auch Nebenwirkungen. Die Zugänge zur Sexualität erfolgen über negative Aspekte, über Gefahrenvermeidungs- und Präventionsabsichten. Kindliche Sexualität als positive Erfahrung wird damit wiederum infrage gestellt und tabuisiert (vgl. Wanzeck Sielert, 2000) 2. Sexualität ist mehr als Geschlechtsverkehr und steht in enger Verbindung mit anderen Lebensbereichen. Die Medien wie auch der „Sexualmarkt“ unterstützen eine genitalfixierte Sichtweise. Die Sexualität ist ein Motor, der den Menschen voran treibt. In der psychosexuellen Entwicklung wird sehr deutlich, wie diese Kraft es uns ermöglicht, in Interaktion zu gehen, zuerst mit der Mutter (orale und anale Phase), dann in der Dreierbeziehung mit dem Vater, in der Spielgruppe (infantil-genitale Phase), dann in der Latenzzeit, einen ersten Platz in der Gesellschaft (Schule) zu finden, in der Pubertät, der Ablösung vom Elternhaus und somit die ersten genitalen sexuellen Erfahrungen. In jeder dieser Phasen gibt es Entwicklungsaufgaben, die auf nötigen Konflikten zwischen Eltern und Kind beruhen, die vom Kind gelöst werden können, um gesunde psychische Strukturen aufzubauen. Es gibt natürlich aber auch Konflikte (z.B. Verwahrlosung, sexueller Missbrauch), die eine normale Entwicklung nicht möglich machen und so kann es auch zu Entwicklungsstörungen kommen. Durch Sexualität kann sich so Sinnlichkeit, Lust und Liebe entfalten, aber auch Gleichgültigkeit, Selbsthass und Aggressionen ausdrücken. Sexualität kann dann Sprache der Trostlosigkeit oder der Gewalt werden. 3. Zusammenfassend kann man folgende Grundlagen bestimmen, die in der Zeit bis zur Vorpubertät geschaffen werden, falls eine gesunde psychosexuelle Entwicklung statt gefunden hat: - Entwicklung von Gefühlen der Sicherheit, der Bekanntheit und Vertrautheit mit der Umwelt - Entwicklung der eigenen Persönlichkeit (positives Verhältnis zu sich selbst und anderen) - Positive Grundhaltung für das eigene Geschlecht als Mädchen und Junge - Hineinwachsen in die eigene Geschlechterrolle - Das Verhältnis zu einem Partner und der Umgang mit ihm - Unbekümmerte Einstellung zur eigenen Sexualität - Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls durch die praktische Bewältigung des Lebens und der Stellung innerhalb der Gesellschaft der Altersgenossen 4. Die Sexualität wird vorwiegend dem Unbewussten zu geordnet. Ob sich Sexualität als Kraftquelle und Lebensfreude entwickeln kann und wie sie die Entwicklung der Kinder bestimmt, erfahren die Kinder schon in der Familie, auch ohne Aufklärung und ohne bewusstes pädagogisches Begleiten. Denn in welche Richtung sich die Sexualität von Kinder entwickelt, entscheiden die Erwachsenen – gewollt oder ungewollt – mit. Durch die eigenen Erfahrungen werden unbewusst emotionale Botschaften weitergegeben. „Wer Sexualität nur als „notwendiges Übel“ erlebt hat oder Gewalterfahrungen hinnehmen musste, wird andere emotionale Botschaften weitergeben als ein Mensch, dessen Gefühlsleben von der Erfahrung erfüllter und lustvoller Sexualität bestimmt Ist.“ (Wanzeck - Sielert, 2000, S. 9) 5. Sexualität ist ein Trieb. Ein Trieb ist aufgrund seines drängenden, impulsiven Charakters eine wichtige motivationale Kraft der Psyche. Das Triebziel ist Bedürfnisbefriedigung. Ein Trieb kennt nur das Lustprinzip. Daher besitzt der Sexualtrieb sehr viel Energie und muss begrenzt werden. Folgende Inhalte der Sexualerziehung in der Grundschule ergeben sich gemäß den Richtlinien: - Beziehungen und Sexualität „Die Sexualerziehung soll die Fähigkeit fördern, tragfähige Beziehungen aufzunehmen und zu gestalten“. - Geschlechterrollen - Familien und andere Formen des Zusammenlebens - Sexuelle Orientierung und Identität - Körper und Sexualität - Sexueller Missbrauch In einer pädagogischen Konferenz im Rahmen der Schulprogrammarbeit haben wir folgende Themenschwerpunkte für den fächerübergreifenden Unterricht an unserer Schule festgelegt: Themenbereich „Gefühle“ Inhaltliche Schwerpunkte: - Gefühlspfad Gefühlspantomime Wettermassage Tennisballmassage Kummerkasten Literatur: - J. Korschunow, Wuschelbär - P. Härtling, Ben liebt Anna - D. Kulot, Ein kleines Krokodil mit ziemlich viel Gefühl Themenbereich „Sexueller Missbrauch/Sexuelle Gewalt“ Inhaltliche Schwerpunkte: - Stärkung des „Ichs“ - „Lerne Nein zu sagen“ Literatur: - Gisela Baum/Dorothee Walter, Das große und das kleine Nein - Marion Merks, Kein Anfassen auf Kommando - Marion Merks, Kein Küsschen auf Kommando - O. Wachter, Heimlich ist mir unheimlich Themenbereich „Geschlechterrollen“ Inhaltliche Schwerpunkte: - Bewusstmachung der Geschlechterrollen und der entsprechenden Erwartungen von Seiten der Gesellschaft - Problematisierung der Geschlechterrollen (Elternhaus, Kinder unter sich...) als Unterrichtsgegenstand - Lernangebote und Anregungen von Seiten der Schule dürfen keine Rollenklischees unterstützen – Ziel : Auf die Befreiung von Rollenzuweisungen bei Mädchen und Jungen hinwirken - Mögliche Umsetzung im Unterricht: Domino-Spiel: Frauen und Mädchen können das und Jungen und Männer können das auch Geeignete Geschichten zum Thema (z. B. Kirsten Boie, Kann doch jeder sein wie er will) Gefühle (erkennen, beschreiben, zulassen) Thematisieren selbstgemachter Beobachtungen oder Erfahrungen in bezug af Rollenklischees Themenbereich „Sexuelle Orientierung und Identität“ Inhaltliche Schwerpunkte: - Im Unterricht auf geschlechtergerechte Sprache achten - Werbung auf Geschlechterklischees hin analysieren, Filme auf Geschlechterklischees hin analysieren ( „typisch Frau“, „ typisch Mann“) - Biblische Texte, Frauen zur Sprache kommen lassen Literatur: - R. Schindler, ...und Sara lachte - RU – Geschlechterrollen s. Grundschule 2/95 Westermann - Filme über Mädchen und Frauen s. Grundschule 2/95 Westermann