2 Theorie und Praxis der Wechselund Drehstromtechnik Die Grundlage der Wechsel- und Drehstromtechnik basiert auf einem „vollständigen“ Stromkreis mit Spannungsquelle, Leitungen und Verbraucher. Die Spannungsquelle befindet sich in der Regel in einem Kraftwerk. Für eine Verbraucheranlage kann man anstelle der Spannungsquelle auch den Anschluss bzw. die Anschlussklemmen setzen. Zwischen der Spannungsquelle und dem Verbraucher befinden sich die elektrischen Leitungen. Je nach Aufbau und Isolierung sind sie für eine oder mehrere Installationsarten zugelassen. Die nachgeschalteten Schaltgeräte schließen bzw. unterbrechen den Stromkreis. Diese Schaltgeräte werden entweder handgetätigt (elektromechanische Schalter) oder fremdgetätigt (elektronische, elektromagnetische, hydraulische, pneumatische u. ä. Systeme). In der Praxis hat man als stationäre Messeinrichtung nur den Elektrizitätszähler in der Zuleitung für die Erfassung der elektrischen Arbeit. 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises Für die Grundlagen des Wechselstromkreises muss das Verhalten des ohmschen Widerstands R, des Kondensators C und der Spule L als Einzelbauelement und als Reihen- bzw. Parallelschaltung untersucht werden. Dabei interessieren den Anwender in der Praxis im Wesentlichen nur zwei Punkte: Phasenlage zwischen Spannung und Strom Frequenzabhängigkeit des Bauelements Durch die Messgeräte des Simulators lassen sich die Schaltungen messen und abändern, sodass zahlreiche Versuche möglich sind. H. Bernstein, Elektrotechnik/Elektronik für Maschinenbauer, DOI 10.1007/978-3-8348-8322-3_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 77 78 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik 2.1.1 Erzeugung von Wechselspannung Das magnetische Feld ist die bestimmende Größe im Elektromaschinenbau. Die drei Wirkungen eines magnetischen Feldes unterscheiden sich durch Kraftwirkung auf bewegte Ladungsträger oder stromdurchflossene Leiter Kraftwirkung auf ferromagnetische Stoffe (Verhalten: stark magnetisch) Induktionswirkung Die drei Erscheinungsformen des magnetischen Feldes unterteilt man in jeder magnetische Ladungstransport (stromdurchflossener Leiter) verursacht in seiner Umgebung ein elektromagnetisches Feld, wobei man mittels Gleichstrom ein konstantes Magnetfeld und durch Wechselstrom ein sich kontinuierlich veränderbares Wechselmagnetfeld erzeugen kann in der Umgebung von Dauermagneten entsteht ein magnetisches Feld das magnetische Erdfeld Die Stärke des magnetischen Feldes kann durch die Wirkung bestimmt werden, die auf einen im Inneren des Magnetfeldes befindlichen Probemagneten ausgeübt wird. Ist kein Magnetfeld allein vorhanden, richtet sich der Probemagnet nach dem magnetischen Erdfeld aus. Es entsteht also ein Drehmoment, das den Probemagneten in Nord-Süd-Richtung bringt. In der Praxis unterscheidet man zwischen dem geographischen und dem magnetischen Nord- bzw. Südpol. Wird ein Strom durch eine Spule geleitet, entsteht ein Magnetfeld und der Probemagnet verändert seine Lage, d. h. es entsteht ein Drehmoment. Dieses Drehmoment ist ein Maß für die magnetische Feldstärke an dieser Stelle. Schließt man eine Wechselspannung mit f D 10 Hz an, führt der Probemagnet eine Drehbewegung aus und kann man die Frequenz verstellen, ergibt sich eine einstellbare Umdrehungszahl. Bei einer Zylinderspule ist die Windungszahl und die Stromstärke proportional und die Spulenlänge umgekehrt proportional. Die Richtung der Feldstärke stimmt in jedem Punkt des Magnetfeldes mit der Richtung der Feldlinien überein. Sie richtet im Inneren der Spule den Probemagneten vom Süd- zum Nordpol und außerhalb vom Nord- zum Südpol aus. In der Praxis unterscheidet man zwischen Außen- und Innenpolmaschine, wie Abb. 2.1 zeigt. Bei der Außenpolmaschine befindet sich auf dem Stator (stehender Teil bzw. Ständer) die Wicklung für die Erzeugung des Magnetfelds, während bei der Innenpolmaschine die Erregerwicklung auf dem Rotor (drehendes Teil bzw. Läufer) vorhanden ist. Bei der Außenpolmaschine wird im Rotor durch die Spulen die Wechselspannung erzeugt, bei der Innenpolmaschine dagegen im Stator. Der erzeugte Wechselstrom wird bei der Innenpolmaschine über zwei Schleifringe (Bürsten), welche auf der Läuferwelle angebracht sind, abgenommen. Der Gleichstrom für die Erzeugung des magnetischen Kraftlinienfeldes wird bei der Innenpolmaschine über zwei Schleifringe den Magnetwicklungen zugeführt. 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 79 Abb. 2.1 Aufbau und Wirkungsweise eines Wechselstromgenerators; links: Außenpolmaschine, rechts: Innenpolmaschine Die Außenpolmaschine ist nur für die Erzeugung kleine Wechselstromleistungen geeignet, da über die Schleifringe sehr große Ströme fließen. 2.1.2 Kraft auf parallele Stromleiter Wenn durch einen elektrischen Leiter ein Strom fließt, baut sich um diesen ein entsprechendes Magnetfeld auf. Bringt man parallel dazu einen zweiten Leiter an, kommt es zu einer Kraftwirkung zwischen den beiden Leitern. Abbildung 2.2 zeigt die Wirkungsweise zwischen zwei stromdurchflossenen Leitern (Stromschienen). Das Kreuz in der schraffierten Fläche symbolisiert dabei einen in die Zeichenebene hineinfließenden Strom, ein Punkt einen aus der Zeichenebene herausfließenden Strom. Die Berechnung lautet 0 l I1 I2 F D 2 b F 0 l b I1, I2 = Kraft in N = magnetische Feldkonstante (4 106 = Leiterlänge in m = Leiterabstand in m = Leiterstrom in A Vs Am oder 1;256637 106 Vs ) Am 80 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.2 Wirkung der Kraft zwischen zwei stromdurchflossenen Leitern (Stromschienen). Durch die entgegengesetzte Stromrichtung stoßen sich die beiden Leiter ab Parallele Leiter mit gleicher Stromrichtung ziehen sich an; parallele Leiter mit entgegengesetzter Stromrichtung stoßen sich ab. Beispiel Zwei parallele Leitungen mit einer Länge von l D 10 m sind im Abstand von b D 10 cm angeordnet. Es fließt jeweils ein Strom von I1 D I2 D I D 1000 A. Wie groß ist die Kraft? F D Vs 10 m 1;256 106 Am 0 l I1 I2 D 1000 A 1000 A D 20 N 2 b 2 3;14 0;1 m Im Kurzschlussfall kann es deshalb in Schaltschränken häufig zu Problemen kommen. Nicht nur die hohe Wärmeentwicklung führt zu Verformungen bei den Leitern, sondern auch die Kraft zwischen den Stromschienen. 2.1.3 Kraft auf stromdurchflossene Leiter im Magnetfeld Magnetische Felder üben auf Ladungsträger entsprechende Kräfte aus, wenn sich diese relativ zum Feld bewegen. Dabei ist es unerheblich, ob sich diese frei im Raum bewegen oder als elektrischer Strom durch einen Leiter fließen. Die Richtung der Kraft ist immer rechtwinklig zur Bewegung und zum Feld. In diesem Fall hat man eine „Lorentz-Kraft“. Bewegt man einen stromdurchflossenen Leiter in einem Magnetfeld, entsteht eine Kraft, die man folgendermaßen berechnet F DB I l z F = Kraft in N I = Leiterstrom z = Leiterzahl 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 81 Abb. 2.3 Wirkung der Kraft auf stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld und die Wirkungsweise der Links-Hand-Regel B = magnetische Flussdichte in T l = wirksame Leiterlänge in m In Abb. 2.3 ist die Entstehung einer Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld gezeigt. Die Feldlinien können von oben nach unten oder umgekehrt verlaufen und „schneiden“ dabei den Leiter. Die Feldlinien sind durch Kreuze symbolisiert und fließen in die Zeichenebene hinein. Hat man Punkte, fließen sie aus der Zeichenebene heraus. In der Abbildung hat man nur einen wirksamen Leiter, also z D 1. Beispiel Durch einen Dauermagneten lässt sich eine magnetische Flussdichte von B D 0;1 T erreichen. Der Leiterstrom wird gemessen mit I D 1 A, die wirksame Leiterlänge beträgt l D 2 m und die Leiterzahl beträgt z D 10. Wie groß ist die Kraft? F D B I l z D 0;1 T 1 A 2 m 10 D 2 N Aus diesem Beispiel erkennt man, dass sich durch eine größere Flussdichte, höheren Leiterstrom, Vergrößerung der wirksamen Leiterlänge oder Erhöhung der Leiterzahl die Kraft auf den stromdurchflossenen Leiter erheblich ansteigen lässt. Jeder Strom in einem Leiter besteht aus bewegten Ladungen, auf die ebenfalls die Lorentz-Kraft wirkt. Die Richtung der Kraft und die daraus resultierende Bewegung des Leiters lassen sich durch die Links-Hand-Regel bestimmen, wie auch in Abb. 2.3 gezeigt ist. Hält man die linke Hand so, dass die magnetischen Feldlinien in die innere Handfläche eintreten und die gestreckten Finger in Stromrichtung zeigen, deutet der abgespreizte Daumen die Richtung der Kraft an. Wenn man diese Formel anwendet, kommt man beispielsweise zum Wechselstrommotor. In den sich drehenden Anker werden nicht nur einer oder zwei Leiter eingelegt, sondern eine größere Anzahl von Leitern, die hintereinander verschaltet sind. Die beiden Enden der dadurch entstehenden Ankerwicklung werden zu zwei Schleifringen geführt und hier fließt der Strom über die Kohlen bzw. Bürsten zu den Wicklungen auf dem Rotor. 82 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Um ein konstantes Magnetfeld für den Elektromotor zu erhalten, wird eine Gleichstromquelle an den Schleifringen angeschlossen. Bei Gleichstrommotoren muss ein Anker mit Wicklungen und Kommutator (mechanischer Polwender) vorhanden sein. Außerdem benötigt man Feldmagnete mit ihren Feldwicklungen, die zur Erzeugung eines magnetischen Feldes dienen. Das Motorgestell (teilweise als Leiter des magnetischen Feldes von Pol zu Pol benützt) ist mit Lagern, Bürstenhalter, Klemmbrett usw. ausgerüstet. Da ein Anker und Feldwicklungen vorhanden sind, lassen sich für die Praxis drei Schaltungsmöglichkeiten realisieren: Nebenschluss, d. h. Feld und Anker sind parallel Reihenschluss, wenn Feld und Anker hintereinander geschaltet sind, sich also in Reihe befinden Doppelschluss, wenn das Nebenschlussfeld am Netz (neben dem Anker) und das Reihenschlussfeld in Reihe mit dem Anker verbunden sind Damit ergeben sich für die Praxis entsprechende Vor- und Nachteile: a) Der Nebenschlussmotor arbeitet häufig im Leerlauf und Drehzahl darf von der Belastung nicht sehr abhängig sein, d. h. jede Lastaufschaltung bringt eine große Drehzahländerung mit sich b) Der Reihenschlussmotor darf nicht im Leerlauf betrieben werden, bietet aber das größte Drehmoment c) Der Doppelschlussmotor bietet hohe Anzugskraft bei fast gleichbleibender Drehzahl Die Drehrichtung lässt sich dadurch ändern, wenn man die Stromrichtung nur in den Magnetfeldern (Reihenschluss und Nebenschluss) umkehrt oder nur im Anker. Wenn die Stromrichtung in den beiden Leitern verschieden ist, stoßen sie sich ab. Wenn man nun die Stromrichtung in der Zuführungsleitung umkehrt, fließt nicht nur der Strom in dem Leiter anders, sondern auch im anderen Leiter. Der Erfolg ist, dass die Stromrichtung wieder in beiden Leitern verschieden ist und sich wieder abstoßen. Die Drehrichtung bleibt in diesem Fall vorhanden. Die Drehrichtung ändert sich aber nur dann, wenn man durch entsprechende Schaltung nur die Stromrichtung in einem Leiter umkehrt, die Stromrichtung im anderen Leiter aber beibehält. Damit werden sich die Leiter anziehen, d. h. die Richtung der Kraftwirkung ist umgekehrt wie zuerst. Aus diesem Grunde hat man Wendepole und diese sind in Verbindung mit dem Anker zu betrachten. 2.1.4 Kraft im Magnetfeld Hat man eine Spule mit Eisenkern, lässt sich ebenfalls eine Kraft erzeugen und diese berechnet sich aus B2 A F D 2 0 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 83 Abb. 2.4 Entstehung einer magnetischen Zugkraft an der Polfläche A F A B 0 = Kraft in N = Fläche in m2 = magnetische Flussdichte in T = magnetische Feldkonstante (4 106 Vs=Am oder 1;256637 106 Vs=Am) Abbildung 2.4 zeigt einen Querschnitt durch einen Elektromagneten und die Entstehung der magnetischen Zugkraft. Beispiel Bei einer Spule ist die magnetische Flussdichte von B D 10 T und eine Fläche von A D 10 cm2 gegeben. Wie groß ist die Kraft? F D .10 T/2 10 104 m2 B2 A D D 39:809 N Vs 2 0 2 1; 256 106 Am Damit lässt sich die Last m berechnen, die mit diesem Elektromagneten bewegt werden kann F 39:809 N mD D 4058 kg 4 t D g 9;81 m=s2 Die Kraft wird im Wesentlichen von der magnetischen Flussdichte und der Polfläche bestimmt, „g“ ist die Fallbeschleunigung. Die Kraft im Magnetfeld wird bei den Relais ausgenützt. Ein Relais besteht aus zwei Hauptteilen, dem Elektromagneten mit dem Anker und dem Schaltgerät, das durch die Ankerbewegung betätigt wird. In der Regel liegt die Wicklung des Relais in einem Stromkreis (Steuerkreis), während der Schaltkontakt zu einem zweiten Stromkreis (Leistungskreis) gehört. Meist benutzen diese Stromkreise verschiedene Stromquellen, d. h. der Steuerkreis arbeitet mit +5 VDC (Gleichspannung) bzw. +12 VDC und der Leistungskreis mit 230 VAC (Wechselspannung) oder 400/230 VAC (Drehstrom). Die Leistungsfähigkeit des Elektromagneten hängt von den vier Faktoren B (magnetische Flussdichte), I (Strom), l (Länge) und z (Wicklungsanzahl) ab. Man unterscheidet zwischen der Anzugskraft, die benötigt wird, um den Anker anziehen zu können, der Haltekraft, die zum sicheren Halten des Ankers genügt, und der „Abfallkraft“, bei der der Anker gerade abzufallen beginnt. 84 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik 2.1.5 Induktion der Bewegung Wenn man sich die Induktion der Bewegung betrachtet, kennt man in der Praxis folgende zwei Regeln: Links-Hand-Regel (Motorregel): Hält man die linke Hand so, dass die Feldlinien (vom Nordpol kommend) auf die Handfläche auftreffen und zeigen die ausgestreckten Finger in Stromrichtung, gibt der abgespreizte Daumen die Bewegungsrichtung des Leiters an. Rechts-Hand-Regel (Generatorregel): Hält man die rechte Hand so, dass die Feldlinien (vom Nordpol kommend) auf die Innenfläche der Hand auftreffen und zeigt der abgespreizte Daumen in die Bewegungsrichtung, so geben die ausgestreckten Finger die Richtung des Induktionsstromes an. Die Induktion der Bewegung in Abb. 2.5 lässt sich berechnen nach U0 D B l v z U0 l z B v = induzierte Spannung in V = wirksame Leiterlänge in m = Leiterzahl = magnetische Flussdichte in T = Geschwindigkeit in m=s Beispiel Ein Leiter mit der Leiterzahl z D 10 und einer Länge von l D 10 cm wird mit einer Geschwindigkeit von v D 1 m=s durch eine magnetische Flussdichte von B D 5 T bewegt. Wie groß die induzierte Spannung U 0 ? U0 D B l v z D 5 T 0;1 m 1 m=s 10 D 5 V Es steht an den Anschlussklemmen eine Spannung von U0 D 5 V zur Verfügung. Abb. 2.5 Induktion der Bewegung und die Wirkungsweise der Rechts-Hand-Regel 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 85 Beispiel Eine Versuchsanordnung mit der Leiterzahl z D 100 und einer Länge von l D 10 cm liegt an einer Gleichspannung von U0 D 100 V. Die magnetische Flussdichte beträgt B D 5 T. Welche Geschwindigkeit ergibt sich? vD U0 100 V D D 2 m=s B l z 5 T 0;1 m 100 Mit der Induktion der Bewegung kann man Gleich-, Wechsel- und Drehstromgeneratoren realisieren. Bei den Wechsel- und Drehstromgeneratoren unterscheidet man zwischen Außenpol- und Innenpolmaschine. Bei der Außenpolmaschine enthält der stehende Teil (Ständer) zwei oder mehr Magnetpole mit Wicklungen, welche durch eine eigene Stromquelle mit Gleichstrom versorgt werden. Der Läufer enthält die Wicklungen, in welchem der Wechsel- bzw. Drehstrom erzeugt wird. Der erzeugte Wechsel- oder Drehstrom wird über Schleifringe, die auf der Läuferwelle angebracht sind, abgenommen. Bei der Innenpolmaschine enthält der sich drehende Teil (Läufer) zwei oder mehr Magnetpole mit Wicklungen, welche durch eine eigene Stromquelle mit Gleichstrom betrieben werden. Der Ständer enthält die Wicklungen, in dem der Wechsel- bzw. Drehstrom erzeugt wird. Der Gleichstrom für die Erzeugung des magnetischen Kraftlinienfeldes wird über zwei Schleifringe den Feldwicklungen zugeführt. Zur Wechsel- oder Drehstromabnahme bei Außenpolmaschinen bzw. zur Gleichstromzuführung bei Innenpolmaschinen werden auf dem Läufer Schleifringe benötigt. Auf diesen aus Messing oder Bronze hergestellten Schleifringen „schleifen“ die am Maschinengehäuse angebrachten Bürsten. Die Bürsten aus Kohle oder Kohle-Bronze-Mischung werden durch „Bürstenhalter“ getragen. Um den Druck der Bürsten auf die Schleifringe zu erreichen, sind entweder die Bürstenhalter drehbar angeordnet und der ganze Halter mit der Bürste wird mit Federkraft auf den Schleifring gedrückt, oder der Bürstenhalter ist fest und die Bürste wird innerhalb einer Führungsvorrichtung mit Federkraft gegen die Schleifringe gepresst. Vom Druck der Bürsten auf die Schleifringe ist der Reibungsverlust der Maschine wesentlich abhängig. Die Zahl der Bürsten richtet sich nach der Polzahl der Maschine und nach dem Strom, der über diese fließen muss. Bei der Rechts-Hand-Regel hält man die rechte Hand so, dass die magnetischen Feldlinien in die innere Handfläche eintreten und der abgespreizte Daumen in Bewegungsrichtung zeigt, so geben die gestreckten Finger die Stromrichtung an. Bewegt sich der Leiter mit konstanter Geschwindigkeit v, so überstreicht er in der Zeit t die Fläche A, sodass sich der magnetische Fluss um ˚ D B l A ändern kann. 2.1.6 Feldlinien Ein elektrisches Feld wird durch Kraftlinien oder Feldlinien dargestellt. Die Feldlinien geben in jedem Punkt eines elektrischen Feldes die Richtung die auf eine positive Ladung 86 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.6 Feldlinienverlauf von magnetischen Feldern in a bei einem stromdurchflossenen unendlich langen geraden Leiter, b bei einer stromdurchflossenen Leiterschleife (Hin- und Rückleitung), c bei einer stromdurchflossenen Zylinderspule mit drei Wicklungen wirkende Kraft an. Die Feldlinien verlaufen von der positiven zur negativen Ladung, d. h. sie weisen einen Anfang und ein Ende auf. Sie treten stets senkrecht durch die Oberfläche eines leitenden Körpers aus. In Richtung der Feldlinien herrscht „Zug“, quer zu ihnen „Druck“. Je nach Verlauf der Feldlinien bezeichnet man das Feld als „radial“, „homogen“ (bei parallelen Feldlinien) oder „inhomogen“ (bei nicht parallelen Feldlinien). Die Stärke des elektrischen Feldes wird durch die Kraft ausgedrückt, die auf eine kleine Punktladung (Probeladung) in diesem Feld wirkt. Unter einer Feldstärke versteht man das Verhältnis der auf eine Ladung im Feld wirkenden Kraft zur Größe dieser Ladung. Für den Linienverlauf von magnetischen Feldern kennt man drei Möglichkeiten, wie Abb. 2.6 zeigt. Bei dem Feldlinienverlauf des stromdurchflossenen unendlich langen geraden Leiters symbolisiert das Kreuz in dem schraffierten Leiter, dass der Strom in die Zeichenebene hineinfließt. Dadurch entsteht ein Feldlinienverlauf in Uhrzeigerrichtung. Fließt der Strom aus der Zeichenebene, hat man einen Feldlinienverlauf gegen die Uhrzeigerrichtung. Betrachtet man sich den Feldlinienverlauf von magnetischen Feldern bei einer stromdurchflossenen Leiterschleife (Hin- und Rückleitung), erkennt man die verstärkende Wirkung, wie das bei Spulen der Fall ist. Wenn man mehrere Windungen direkt aneinander wickelt, kommt es zu dem gewünschten Feldlinienverlauf. 2.1.7 Induktionsgesetz Voraussetzung einer Induktion ist immer eine zeitliche Änderung des magnetischen Flusses, die durch Veränderung des Magnetfeldes oder Bewegung des Leiters im Feld erzielt werden kann. Ein Leiter wird mit konstanter Geschwindigkeit v durch ein homogenes, zeitlich konstantes (stationäres) Magnetfeld der magnetischen Flussdichte B senkrecht zum Feld bewegt. Unter den genannten Bedingungen entsteht eine zeitlich konstante Spannung an den Klemmen und die induzierte Spannung ist positiv. Hat man dagegen ein inhomogenes Magnetfeld oder die Geschwindigkeit ist nicht konstant, so ergibt sich eine Spannung als Funktion der Zeit. 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 87 Abb. 2.7 Aufbau eines Wechselstromgenerators bzw. -motors In Abb. 2.7 erkennt man die beiden Hauptteile eines Generators bzw. Motors: den Stator (Ständer) und Rotor (Läufer). Der Stator ist ein Teil des feststehenden Motors und besteht aus dem Gehäuse, Kugellagern, die den Rotor tragen, Lagerböcke für die Anordnung der Lager, ein Lüfterrad und als Abschluss die Abdeckungen. Über die beiden Schleifringe erhält die Erregerwicklung die Gleichspannung zum Aufbau eines kontinuierlichen Magnetfeldes. Das Prinzip der elektromagnetischen Induktion: In einem quer durch ein Magnetfeld B bewegten Leiter wird eine Spannung induziert. Befindet sich der Leiter in einem geschlossenen Stromkreis, fließt ein Strom I. Auf den bewegten Leiter wirkt eine Kraft F senkrecht zum Magnetfeld und zum Leiter. Hier unterscheidet man dann zwischen Generatorprinzip (Induktion durch Bewegung): Bei diesem Prinzip erzeugen Magnetfeld und Bewegung eines Leiters die Spannung U 0 , d. h. der Rotor in Abb. 2.7 ist beispielsweise mit einer Wasserturbine verbunden. Der Gleichstrom erzeugt das Erregerfeld und durch die Bewegung des Rotors ergibt sich eine entsprechende Spannung an der Spule. Die Spule ist nur als Leiter gezeichnet und hat die Anschlüsse 1U und 2U. Motorprinzip: In Motoren wird das Induktionsprinzip in „umgekehrter Reihenfolge“ verwendet. Ein stromführender Leiter ist in einem Magnetfeld angeordnet. Der Leiter wird dann von einer Kraft F beeinflusst, die versucht, den Leiter aus dem Magnetfeld zu bewegen. Beim Motorprinzip erzeugen Magnetfeld und stromdurchflossener Leiter die rotierende Bewegung. Im Statorgehäuse befindet sich ein Eisenkern aus dünnen 0,3 bis 0,5 mm starken Eisenblechen. Die Eisenbleche sind mit Ausstanzungen für die Phasenwicklungen versehen. Die Phasenwicklungen und der Statorkern erzeugen das Magnetfeld. Die Anzahl der Polpaare (oder Pole) bestimmt die Drehgeschwindigkeit, mit der das Magnetfeld rotiert. Wenn ein Motor an seine Nennfrequenz angeschlossen ist, wird die Drehzahl des Magnetfeldes als synchrone Drehzahl des Motors bezeichnet. 88 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Wenn man sich das Prinzip eines Generators in Verbindung mit Abb. 2.7 betrachtet, erzeugt der Gleichstrom in der Erregerwicklung ein homogenes, zeitlich konstantes (d. h. stationäres) Magnetfeld, das mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ! rotieren soll. Als Drehrichtung ist der mathematisch positive Drehsinn gewählt, der gegen den Uhrzeigersinn verläuft. Die induzierte Spannung erhält man an den beiden Anschlüssen 1U und 2U. Ist „n“ die Umdrehungszahl der Leiterschleife pro Zeiteinheit und T D 1=n die Periodendauer oder Zeit für eine Umdrehung, so gilt ! D2 nD 2 T Im Allgemeinen gilt für die synchrone Drehzahl nS von Motoren und Generatoren nS D 60 f p nS = synchrone Drehzahl in min–1 f = Frequenz in Hz p = Polpaarzahl (1 Polpaar besteht immer aus einem Nord- und einem Südpol) Beispiel Wie groß ist die synchrone Drehzahl eines vierpoligen Wechselstrommotors? nS D 60 f 60 50 Hz D D 750 min1 p 4 Es wird eine synchrone Drehzahl von 750 min–1 erreicht. In der Praxis tritt aber immer ein Schlupf s auf, damit bei einem Wechselstrommotor das entsprechende Drehmoment erreicht wird. Der Schlupf berechnet sich aus sD nS n nS Der Schlupf wird immer in Prozent angegeben und liegt zwischen 0,8 % bis 5 %. 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 89 Beispiel Bei dem vierpoligen Wechselstrommotor wird eine Umdrehungszahl von 715 min–1 gemessen. Wie hoch ist der Schlupf? sD nS n 750 min1 715 min1 D D 4;66 % nS 750 min1 Im Gegensatz zur synchronen Drehzahl ist die asynchrone Läuferdrehzahl immer etwas geringer. 2.1.8 Drehstrom Ein Drehstromsystem kann man dadurch aufbauen, dass drei Leiterschleifen verwendet werden, die mit gleicher Winkelgeschwindigkeit rotieren und zueinander um jeweils 120° räumlich versetzt sind. Natürlich würde eine solche Anordnung praktisch nicht funktionieren, da die geringste Änderung die räumliche Lage der Leiterschleifen zueinander ändern würde, d. h. es entsteht ein unsymmetrisches Drehstromnetz. Bei einem Drehstromgenerator bzw. -motor unterscheidet man zwischen dem Stator und Rotor. Den feststehenden Teil der Maschine definiert man als Ständer (Stator) und den umlaufenden Teil als Läufer (Rotor). Man unterscheidet im Aufbau Teile, die den elektrischen Strom leiten (Wicklungen und Bürsten) und Teile, die den magnetischen Fluss leiten (Metallgehäuse, Stator). Diese Anordnung wird durch Konstruktionsteile entsprechend mechanisch realisiert. Die magnetisch leitenden Teile des Stators und Rotors von Wechsel- und Drehstrommaschinen sind aus Blechen aufgebaut, um die Wirbelströme zu reduzieren. Für die Blechpakete werden 0,35 bis 1,5 mm dicke, einseitig oder doppelseitig isolierte Blechtafeln aus Elektroblech mittels Tafelscheren in Streifen geschnitten. Man verwendet auch Bänder aus Elektroblech. Auf diesen Bändern werden mit speziellen Pressen mit Folgeschnitten nacheinander Ständer- und Läuferbleche so ineinanderliegend ausgeschnitten, dass möglichst wenig Abfall entsteht. Ständer- und Läufernuten kleidet man meist mit einer Isolierung aus Pressspan aus. Diese Nutisolierung hat die Aufgabe, Unebenheiten in der Nut zu decken und die Spule vor Beschädigungen zu schützen. In die isolierten Nuten werden dann die Wicklungsdrähte eingelegt. Der Drehstrom ist ein Dreiphasenwechselstrom und wird durch einen Drehstromgenerator erzeugt. Da die drei Leiterschleifen jeweils um 120° zueinander phasenverschoben sind, ergibt sich durch den magnetischen Fluss ˚ eine Besonderheit. Infolge der Änderung des magnetischen Flusses ˚ würde in jeder Leiterschleife eine Spannung induziert aus d˚ ˚ bzw: u D N U D N t dt 90 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.8 Erzeugung eines Dreiphasenwechselstroms durch einen Drehstromgenerator. Neben dem mechanischen Aufbau mit Rotor und Stator, die mechanische Anordnung der drei Spulen, die um 120° gegeneinander phasenverschoben sind, ist auch das Liniendiagramm und die elektrische Anordnung der drei Spulen dargestellt Bei der linken Formel wird die Spannung U nach dem Induktionsgesetz von Faraday berechnet, denn die Spannung ist abhängig von einer gleichmäßigen Flussänderung ˚ und der Dauer der gleichmäßigen Änderung t. Auch die Windungszahl N muss berücksichtigt werden. Bei einer ungleichmäßigen Änderung des Flusses gilt für die induzierte Spannung die rechte Formel für die Berechnung des augenblicklichen Wertes u. Das Minuszeichen in den beiden Formeln bedeutet, dass Induktionsspannung und Induktionsstrom der sie erzeugenden Flussänderung entgegenwirken (Lenzsche Regel). Bei einer Zunahme des magnetischen Flusses fließt der induzierte Strom also entgegengesetzt zu der sich aus der Korkenzieherregel ergebenden Richtung. Für die Korkenzieherregel gilt, schraubt man einen Korkenzieher in Richtung des fließenden Stroms vorwärts, so gibt sein Drehsinn die Richtung der Feldlinien an. In Abb. 2.8 ist die prinzipielle Erzeugung des Drehstroms in einem Generator mit mechanischer Anordnung der drei Spulen und dem daraus resultierenden Liniendiagramm gezeigt. Der einfache Drehstromgenerator besteht aus drei getrennten Phasenwicklungen und die einzelnen Phasenwicklungen sind um 120° oder 1/3 Periode gegeneinander verschoben. In jeder Phasenwicklung entsteht ein Wechselstrom. Infolgedessen entstehen drei getrennte Wechselströme und sie sind wie ihre Phasenwicklungen um 120° oder 1/3 Periode gegeneinander verschoben. Die Anschlüsse der drei Spulen lauten: 1 U (Anfang) und 2 U (Ende) 1 V (Anfang) und 2 V (Ende) 1 W (Anfang) und 2 W (Ende) 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 91 Je nach Zusammenfassung der drei Spulen erhält man entweder eine Stern- oder Dreieckschaltung. Bei der Sternschaltung sind die drei Enden miteinander verbunden und bilden den Mittelpunkt. Hat man eine Dreieckschaltung, muss der Anfang einer Spule mit dem Ende der vorherigen Spule verbunden sein. 2.1.9 Drehstromübertragung In der Praxis verwendet man die Drehstromübertragung von Abb. 2.9 und hier sind alle wichtigen Begriffe eingezeichnet. Auf der linken Seite hat man den Drehstromgenerator mit Gleichstromerregung, d. h. der Permanentmagnet in Abb. 2.8 wird gegen eine Gleichstromspule ausgetauscht. Dadurch benötigt man eine entsprechende Bürste (Kohle) für die Übertragung des Erregerstromes. Der Drehstromgenerator arbeitet in einer Sternschaltung, d. h. der Mittelpunkt der drei Spulen ist miteinander verbunden. Die drei Phasen des Drehstromgenerators erzeugen für den Drehstromtransformator die Primärspannung und die Primärwicklung wird in Sternschaltung betrieben. Die Sekundärwicklung arbeitet in Dreieckschaltung und die drei Phasen bilden das Hochspannungsübertragungsnetz für die Überlandleitungen. Auf der Seite des Kunden hat man einen Drehstromtransformator, der die Hochspannung entsprechend in eine Niederspannung von 230/400 V umsetzt. Danach muss man dann das entsprechende Verteilungsnetz realisieren. Für Abb. 2.9 gelten folgende Definitionen: Drehstrom ist die übliche Bezeichnung für ein dreiphasiges Wechselstromsystem Phase ist der augenblickliche Schwingungsvorgang eines periodischen Schwingungsvorgangs Phasenfolge ist in einem Mehrphasensystem die zeitliche Reihenfolge, in der die gleichartigen Augenblickswerte der Spannungen in den einzelnen Stromleitungen nacheinander auftreten Mittelpunkt bei einem Mehrphasensystem ist der „Sternpunkt“, ein Anschlusspunkt, die in Anordnung und Wirkung gleichwertiger Stränge eines Systems ausgehen Außenleiter ist der Leiter, der an einem Außenpunkt angeschlossen ist, z. B. L1, L2 und L3 Neutralleiter N ist der Leiter, der an einem Mittelpunkt oder Sternpunkt angeschlossen ist Mittelleiter ist der Neutralleiter N, der an einem Mittelpunkt angeschlossen ist Nullleiter ist der unmittelbar geerdete Leiter, meist der Neutralleiter Strang ist die Stromleitung in einem Mehrphasensystem, in der der Strom einer Phase (in Abhängigkeit vom Schwingungszustand) fließt Außenleiterspannung ist die Spannung zwischen zwei Außenleitern mit zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen, z. B. U UV , U VW und U WU 92 Abb. 2.9 Beispiel einer praxisgerechten Drehstromübertragung vom Hersteller (Elektrizitätswerk), Transformator, Überlandleitungen bis zum Verbraucher 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 93 Dreieckspannung ist der effektive Nennwert der Außenleiterspannung in einem Drehstromnetz Außenleiter-Mittelleiterspannung ist die Spannung zwischen einem Außenleiter und dem Mittelleiter (Mittelpunkt) z. B. U UN , U VN und U WN Sternspannung ist die Spannung zwischen einem Außenleiter und dem Sternpunkt Strangspannung ist die Spannung zwischen den Enden eines Stranges, unabhängig davon, in welcher Schaltung die Stränge zusammengeschlossen sind Mittelpunktspannung ist die Spannung zwischen einem Mittelpunkt (Mittelleiter) und einem Punkt mit festgelegtem Potential, z. B. der Bezugserde Sternpunktspannung ist die Spannung zwischen einem Sternpunkt und einem Punkt mit festgelegtem Potential, z. B. der Bezugserde Dreieckstrom ist eine andere Bezeichnung für den Strangstrom in einer Dreieckschaltung Sternstrom ist eine andere Bezeichnung für den Strangstrom in einem Mehrphasensystem in Sternschaltung Soll jeder einzelne Wechselstrom für sich abgeleitet werden, dann sind für jeden Wechselstrom zwei Leitungen und für alle drei Wechselströme sechs Leitungen erforderlich. In Abb. 2.9 ist der Verlauf der drei um je 120° gegeneinander verschobenen Wechselspannungen gezeigt. 2.1.10 Vergleich zwischen Stern- und Dreieckschaltung Bei der symmetrischen Belastung einer Stern- oder Dreieckschaltung gelten folgende Bedingungen: Sternschaltung p U D 3 UStr I D IStr p S D 3 UStr I D 3 U I p P D 3 UStr I cos ' D 3 U I cos ' p Q D 3 UStr I sin ' D 3 U I sin ' U p = Außenleiterspannung U 12 , U 23 , U 31 3 = Verkettungsfaktor I Str = Strangspannung U 1N , U 2N , U 3N S = Scheinleistung in VA oder kVA I = Außenleiterstrom I 1 , I 2 , I 3 Dreieckschaltung p I D 3 IStr U D UStr p S D 3 U IStr D 3 U I p P D 3 U IStr cos ' D 3 U I cos ' p Q D 3 U IStr sin ' D 3 U I sin ' 94 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.10 Gegenüberstellung der Spulenanordnungen für Stern- und Dreieckschaltung P = Wirkleistung in W oder kW U Str = Strangstrom I 12 , I 23 , I 31 Q = Blindleistung in var oder kvar Durch die Gegenüberstellung von Abb. 2.10 lässt sich der Unterschied zwischen Sternund Dreieckschaltung sofort erkennen. Bei der Sternschaltung hat man immer vier Leitungen (L1, L2, L3, N), bei der Dreieckschaltung kommt man dagegen mit drei Leitungen (L1, L2, L3) aus. Bei einer symmetrischen Belastung tritt in der Sternschaltung im Neutralleiter N kein Stromfluss auf, da die Außenleiterströme und die Verbraucherwiderstände alle gleich groß sind. Bei einer unsymmetrischen Belastung muss bei einer Sternschaltung mit Neutrallei- 2.1 Grundlagen des Wechselstromkreises 95 Abb. 2.11 Spannungen in einem Drehstromsystem ter jede Phase gesondert berechnet werden, z. B. Phase 1N: I1N D U1N cos ' R1 U U1N D p 3 P1N D U1N I1 cos '1 Bei einer unsymmetrischen Dreieckschaltung muss die Berechnung für jeden Verbraucherwiderstand ebenfalls wieder gesondert erfolgen, z. B. Zwischen L1 und L2: I12 D U cos '12 R12 P12 D U12 I12 cos '12 Der Strom im Neutralleiter lässt sich grafisch aus den Außenleiterströmen ermitteln. Diese werden entsprechend ihrem Wert unter Berücksichtigung des Phasenwinkels bzw. ihrer Richtung geometrisch aneinandergereiht. Die Strecke von Pfeil I 3 zum Anfang von I 1 ergibt den Neutralleiterstrom. Bilden die Ströme I 1 , I 2 und I 3 ein geschlossenes Dreieck, so fließt im Neutralleiter kein Strom. Dies ist aber nur bei einer symmetrischen Belastung der Fall. Gehen vom Generator vier Leitungen aus, so definiert man ein solches Netz als ein „Vierleiternetz“. Im 400-V-Vierleiternetz beträgt die Spannung zwischen je zwei Außenleitern 400 V und die Spannung zwischen jedem Strangleiter und dem Neutralleiter 230 V. Da zwei verschiedene Spannungen vorhanden sind, arbeitet man in der Praxis mit 230 V für Glühlampen und Haushaltsgeräten oder mit 400 V bei Motoren, Wärmegeräte aller Art. In der Schaltung von Abb. 2.11 sind drei Wechselspannungsgeneratoren und sechs Multimeter gezeigt. Die drei Generatoren erzeugen jeweils eine Wechselspannung von U D 230 V und sind mit der gemeinsamen Masse verbunden, die dann die PEN-Leitung bildet. Die Besonderheit in dieser Schaltung sind die eingestellten Phasenverschiebungen von U1 D 0ı , U2 D 120ı und U3 D 240ı . Damit lässt sich der typische Verlauf eines 96 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Drehstroms simulieren, da jede Phasenwicklung um 120° oder 1/3 Periode gegeneinander phasenverschoben ist. Es gilt: U1N D U2N D U3N D 230 V U12 D U23 D U31 D 400 V Befindet sich ein Multimeter zwischen Strang und Masse (Neutralleiter), gibt die Anzeige einen Wert von U D 230 V aus. Schaltet man das Multimeter zwischen die Außenleiter ein, zeigt das Multimeter einen Wert von U D 400 V an. 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis Betreibt man einen Widerstand im Wechselstromkreis, verändert sich dessen Wert kaum. Daher spricht man vom Wirkwiderstand R, der nicht frequenzabhängig ist. Im Gegensatz hierzu ist der Widerstandswert von Kondensator und Spule frequenzabhängig und man spricht vom kapazitiven bzw. induktiven Blindwiderstand. 2.2.1 Ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis Ein Wechselstrom in einem ohmschen Widerstand ist stets in Phase mit der Spannung. Die Nulldurchgänge von Strom und Spannung erfolgen also im gleichen Zeitpunkt. Fließt dagegen ein Wechselstrom durch einen Kondensator oder eine Spule, dann sind Strom und Spannung nicht mehr gleichphasig, denn es tritt eine entsprechende Phasenverschiebung auf. Abbildung 2.12 zeigt eine Schaltung zur Untersuchung eines ohmschen Widerstands im Wechsel- und Gleichstromkreis. Achtung! Die Messgeräte sind immer auf eine DCMessung (Direct Current, Gleichstrom) eingestellt. Wird mit einer DC-Einstellung ein Wechselstrom gemessen, erscheint keine Fehlermeldung, sondern ein „unsinniger“ Wert. In diesem Fall muss auf eine AC-Messung (Alternating Current) umgestellt werden. Wenn man den Widerstand anhand der Messwerte von Spannung U und Strom I ermittelt, zeigt sich für Gleich- und Wechselstrom das gleiche Ergebnis: RD 230 V U D I 2;3 A Durch diese Messung stellt man fest, dass der ohmsche Widerstand frequenzunabhängig ist. Bei rein ohmscher Last (Wirkwiderstand) weisen Spannung und Strom gleichzeitig die Höchstwerte bzw. Nulldurchgänge auf, d. h. Spannung und Strom sind phasengleich. Ein Stromverbraucher, bei dem Spannung und Strom stets genau in Phase sind, bezeichnet man als „Wirkwiderstand“ oder „reellen Widerstand“. Der Strom durch den Widerstand folgt sowohl mit seinem Augenblickswert i als auch mit seinem Effektivwert I 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis 97 Abb. 2.12 Untersuchung eines ohmschen Widerstands im Wechsel- und Gleichstromkreis dem ohmschen Gesetz: iD u R bzw: I D U R In einem Wirkwiderstand wird die gesamte vom Generator gelieferte Leistung verbraucht, beispielsweise in Wärme umgesetzt. Alle Augenblickswerte der Leistung PO sind demnach positiv: u D UO sin !t i D IO sin !t Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Bei höheren Frequenzen zeigen sich zusätzliche Erscheinungen (z. B. Skineffekt). Auch bei Induktivitäten und Kapazitäten gelten die nachfolgenden Formeln für die Blindwiderstände im Hochfrequenzbereich nur mit gewissen Einschränkungen. 2.2.2 Kondensator im Wechselstromkreis Besteht zwischen Strom und Spannung eine Phasenverschiebung von ' D C90ı , dann ist das ein Zeichen dafür, dass der Verbraucher die in einem gewissen Zeitraum aufgenommene Leistung anschließend restlos an den Generator zurückliefert. Das Produkt Q D U I bezeichnet man in diesem Fall als Blindleistung. Den Widerstand X D U=I eines Blindleistungsverbrauchers definiert man folglich als „Blindwiderstand“ oder „Reaktanz“. Ein verlustloser Kondensator stellt für Wechselströme einen solchen Blindwiderstand dar. Das Zustandekommen der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung lässt sich durch folgende Überlegung erklären: Legt man an einen Kondensator eine Gleichspannung an, fließt sofort ein großer Strom, da der zunächst ungeladene Kondensator spannungslos ist. Der Ladestrom fließt so lange, bis der Kondensator auf den Wert der angelegten Gleichspannung aufgeladen ist. Die auf den Kondensatorplatten befindlichen positiven und negativen Ladungen stehen sich dann gegenüber und erzeugen ein elektrisches Feld, in dem sich ein Teil der während der Aufladung von dem Gleichstromgenerator abgegebenen Energie befindet. Senkt man die Spannung auf 0 V auf, fließt ein Strom in 98 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.13 Untersuchung eines Kondensators im Wechselstromkreis umgekehrter Richtung, der die Spannungen wieder ausgleicht. Der Kondensator gibt dabei einen Teil seiner Ladung ab. Im Extremfall könnte man eine geladene Batterie gegen eine ungeladene austauschen. In diesem Fall würde der Kondensator seine gespeicherte Energie völlig verlieren. Abbildung 2.13 zeigt eine Schaltung zur Untersuchung eines Kondensators im Wechselstromkreis. Schließt man an einen Kondensator eine sinusförmige Wechselspannung an, gilt folgende Überlegung: im Nulldurchgang der Spannung ist deren Änderungsgeschwindigkeit sehr groß, weshalb auch ein großer Strom fließen muss. Beim Scheitelwert der Spannung ist die Änderungsgeschwindigkeit dagegen null, folglich fließt auch kein Strom. Ein genaues Verfolgen der Spannungsänderung ergibt dann die Tatsache, dass der ebenfalls sinusförmige Strom durch einen Kondensator der Spannung um 90° vorauseilt: erst muss ein Strom fließen, der die für eine bestimmte Spannung erforderliche Ladung auf den Kondensator bringt. Da der Strom umso größer ist, je schneller die Spannungsänderung erfolgt, ist der Blindwiderstand eines Kondensators umso geringer, je höher die Frequenz f und je größer die Kapazität C ist: 1 1 D XC D 2 f C !C Aus mathematischen Gründen steht in der Gleichung nicht die Frequenz f , sondern die Kreisfrequenz ! bzw. die Winkelgeschwindigkeit !. Es gilt: I D U U D DU !C XC 1=! C 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis 99 Beispiel In Abb. 2.13 fließt bei einer Spannung von uC D 12 V ein Strom von iC D 3;77 mA. Wie groß ist die Kapazität des Kondensators? uC 12 V D D 3;18 k iC 3;77 mA 1 1 C D D 1 F 2 f XC 2 3;14 50 Hz 3;18 k XC D Vergleicht man die Rechnung mit dem Wert in der Schaltung von Abb. 2.14, ergeben sich gleiche Werte. Der Kondensator C wird in Farad D As=V definiert und mit einer Frequenz f in 1/s ergibt sich für den kapazitiven Blindwiderstand X C die Einheit V=A D . Im Gegensatz zum Gleichstromkreis, in dem die Kapazität einen praktisch unendlich hohen Widerstand aufweist, hat diese bei Wechselstrom einen endlichen Widerstand, den kapazitiven Widerstand X C . Dieser Blindwiderstand ist nur bei Wechselstrom wirksam. Die in der Versuchsanordnung bemessene Stromstärke steigt mit zunehmender Frequenz oder größerer Kapazität. Somit ist der kapazitive Blindwiderstand X C umso kleiner, je höher die Frequenz bzw. Kreisfrequenz und je größer die Kapazität ist. 2.2.3 Spule im Wechselstromkreis Schließt man eine ideale (verlustarme) Spule an eine Gleichspannungsquelle an, widersetzt sich die Induktivität L zunächst jeglichem Stromfluss: Im Einschaltmoment liegt demnach die volle Spannung U an den Spulenklemmen. Allmählich beginnt dann der Strom nach einer e-Funktion anzusteigen, bis er den maximalen Wert erreicht hat. Dieser maximale Stromwert ist vom Gleichstromwiderstand der Spule abhängig. Wenn dieser sehr klein ist, schließt er im Endzustand die Spannungsquelle praktisch kurz. Bei einer Spule tritt also das umgekehrte Verhalten wie bei einem Kondensator auf: hier ist erst eine Spannung vorhanden, aber es fließt kein Strom, während die Spannung auf null reduziert wird, wenn der Strom seinen Höchstwert erreicht hat. Abbildung 2.14 zeigt eine Schaltung zur Untersuchung einer Spule im Wechselstromkreis. Im Wechselstromkreis hat die „verlustfreie“ Induktivität einen großen Widerstand, den man als induktiven Blindwiderstand bezeichnet. Dieser Blindwiderstand ist nur bei Wechselstrom wirksam. Mit dieser Versuchsanordnung lässt sich zeigen, dass bei Erhöhung der Frequenz der Strom durch die Induktivität sinkt, der Blindwiderstand X L also zunimmt. Für die Größe des induktiven Blindwiderstandes X L gilt die Formel XL D ! L D 2 f L Mit L in Henry D Vs=A und f in 1/s ergibt sich für den induktiven Blindwiderstand X L die Einheit des Widerstands mit V=A D . 100 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.14 Untersuchung einer Spule im Wechselstromkreis Beispiel In der Schaltung von Abb. 2.14 fließt ein Strom von iL D 38;2 mA bei einer Spannung von uL D 12 V. Welchen Wert hat die Induktivität der Spule? XL D uL 12 V XL 314 D D 314 L D D 1H iL 38;2 mA 2 f 2 3;14 50 Hz Damit sind Mess- und Rechenergebnis identisch. 2.2.4 Zeigerbild- und Liniendiagramm Mit Hilfe des Zeigerbild- und Liniendiagramms kann man die Vorgänge zwischen dem Spannungs- und Stromverlauf darstellen, wie Abb. 2.15 zeigt. Abb. 2.15 Darstellung des Einheitskreises durch Zeigerbild- und Liniendiagramm 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis 101 Abb. 2.16 Darstellung des Bogenmaßes Man zeichnet einen Kreis mit dem Radius r D 1 und den Radius lässt man entgegen den Uhrzeigersinn umlaufen. Seine Projektion auf die senkrechte Achse (Ordinate) ist dann gleich dem Sinus des Winkels, den er im jeweiligen Augenblick mit der waagrechten Achse (Abszisse) bildet. Gibt man nun dem Radius einen Maßstab für den Scheitelwert der Spannung oder des Stroms, dann ist die Projektion des Radius auf die Ordinate gleich dem jeweiligen Augenblickswert. Der Scheitelwert ist dabei der größte während des Umlaufs vorkommende Spannungs- oder Stromwert. Er wird mit UO und IOsymbolisiert. Es gilt: u D UO sin ˛ i D IO sin ˛ Den Winkel ˛ misst man in der Mathematik nicht im Gradmaß, sondern im Bogenmaß (in „Radianten“ = rad). Darunter ist diejenige Länge des Kreisbogens auf dem Einheitskreis zu verstehen, die den Winkel ˛ einschließt, wie Abb. 2.16 zeigt. Für die ganze Umdrehung beträgt sie „2 r“ D „2 rad“. Dreht sich der Radius mit n-Umdrehungen/Sekunde, dann hat die Zeigerspitze die Geschwindigkeit v D 2 n. Bei einer Umdrehung pro Sekunde ist v D 2 rad s1 D 6;28 rad s1 und bei 50 Umdr./s ist v D 314 rad s1 usw. Bei jedem Umlauf wird die Sinuskurve einmal durchlaufen und man bezeichnet das als „Periode“. Mit n Umdr./s entstehen folglich n Perioden. Die Periodenzahl pro Sekunde definiert man als Frequenz f . Sie hat die Einheit „Hertz“ (Hz). Der Ausdruck für die Umlaufgeschwindigkeit der Zeigerspitze wird nun v D ! D 2 f . Diese Geschwindigkeit trägt die Bezeichnung „Winkelgeschwindigkeit“ oder „Kreisfrequenz“. Sie wird durch „!“ definiert. Eine Periode T dauert bei 1 Hz eine Sekunde, bei 10 Hz 0,1 Sekunde usw. Die Periodendauer T ist also gleich dem Kehrwert der Frequenz: T D 1=f . Der jeweilige Winkel ˛ des Radius mit der Abszisse berechnet sich nach der Gleichung Weg D Geschwindigkeit Zeit zu Winkel D Geschwindigkeit Zeit W ˛ D!t D2 f t 102 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Damit ergibt sich der Augenblickswert einer Spannung oder eines Stromes zu u D UO sin !t i D IO sin !t 2.2.5 Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom Ein Wechselstrom in einem ohmschen Widerstand ist stets in Phase mit der Spannung. Die Nulldurchgänge von Spannung und Strom erfolgen also im gleichen Zeitpunkt. Fließt ein Wechselstrom dagegen durch einen Kondensator oder eine Spule, dann sind Spannung und Strom nicht mehr gleichphasig. Auf die Ursachen wird in diesem Kapitel eingegangen. Der Strom in einem Verbraucher kann der Spannung bis zu 90° vor- oder nacheilen. Spannung und Strom sind im Vektordiagramm von Abb. 2.17 gezeigt. Die Spannung UO wird auf der Abszisse und den Strom IO trägt man auf der Ordinate in positiver bzw. negativer Richtung auf. Bei der Betrachtung mit einer Phasenverschiebung um +90° steigt die Spannung von 0 aus an, so hat der Strom sein Maximum bereits überschritten und beginnt abzunehmen. Abbildung 2.18 zeigt diese Verhältnisse. Die dritten Kurve stellt den zeitlichen Verlauf der Leitung p D u i dar. Im Gegensatz zum Leistungsverlauf bei einem rein ohmschen Widerstand kommen nun nicht nur positive Werte vor, sondern auch negative. Bei einer Phasenverschiebung von 90° ist die Leistung in der Summe null, da sich die Flächen oberhalb und unterhalb der Nulllinie aufheben. Die während der ersten ViertelAbb. 2.17 Vektordiagramm für eine Phasenverschiebung von ˙90ı zwischen Spannung und Strom Abb. 2.18 Spannung, Strom und Leistung bei einer Phasenverschiebung von +90° 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis 103 Abb. 2.19 Phasenverschiebung '. a Zwei Wechselgrößen, b Vor- und Nacheilen von drei Wechselgrößen gleicher Frequenz periode an den Verbraucher abgegebene Energie gibt dieser in der zweiten Viertelperiode an den Generator zurück. Das Produkt p D u i ist zwar eine Leistung, die aber über die Dauer einer Periode gesehen keine Leistung verrichten kann. Man bezeichnet diese Amplitude als „Blindleistung“. Mit einer Phasenverschiebung von –90° ergeben sich ähnliche Verhältnisse, nur beginnt die Leistungskurve mit negativen Werten und endet mit positiven. Die während einer Periode vom Verbraucher aufgenommene Energie ist auch hier null. Die Phasenverschiebung kennzeichnet die Differenz der Nullphasenwinkel zwischen mehreren Wechselgrößen, wie Abb. 2.19 zeigt. In vielen Fällen unterscheiden sich die Nullphasenwinkel mehrerer Wechselstromgrößen voneinander und weisen dadurch untereinander eine Phasenverschiebung ' auf. Die Angabe der Phasenverschiebung ' ist nur bei gleichzeitiger Angabe der Phasenlage einer Bezugsgröße '1 oder '2 sinnvoll. Für die Praxis gilt: Positiver Voreilung Phasenwinkel oder bedeutet eine Verschiebung Negativer Nacheilung der Sinusschwingung in Im Zeigerdiagramm ist der im positiver Richtung der Zeitachse. negativer voreilende Zeiger gegenüber dem Bezugszeiger nacheilende LinksSinn um den Winkel ˙ ' gedreht (Abb. 2.19) Rechts- 104 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.20 Spannung, Strom und Leistung bei einer Phasenverschiebung von +45° Als dritter Fall soll eine Phasenverschiebung von +45° betrachtet werden, wie Abb. 2.20 zeigt. Die Leistungskurve ist jetzt gegenüber derjenigen von 90° nach oben verschoben. Die Flächen oberhalb und unterhalb der Nulllinie sind daher ungleich, d. h. dass außer einer Blindleistung auch noch die wirkliche Leistung (Wirkleistung) vorhanden sein muss, weil die Flächensumme positiv ist: der Verbraucher hat während einer Periode eine gewisse Energie verbraucht, die sich durch Ausmessen der Flächen bestimmen lässt. 2.2.6 Induktive und kapazitive Blindleistung Die Leistung bei Gleichstrom berechnet sich aus P DU I Diese Formel gilt auch für Wechselspannung, wenn man sich auf die Augenblickswerte von Spannung und Strom bezieht. Liegt eine Wechselspannung an einem ohmschen Widerstand (Heizgerät), sind Spannung und Strom phasengleich. Durch Multiplikation der Augenblickswerte von Spannung und Strom ergibt sich der Augenblickswert der Leistung. Die Leistungskurve ist immer positiv, da Spannung und Strom beim Wirkwiderstand entweder gleichzeitig positiv oder negativ sind. Positive Leistung bedeutet, dass die Leistung vom Erzeuger direkt zum Verbraucher übergeht, also keine Blindleistung vorhanden ist. Liegt an einem ohmschen Widerstand eine Wechselspannung an, fließt ein bestimmter Strom und das Produkt ergibt die elektrische Leistung in Watt, wie Abb. 2.21 zeigt. P D .230 V/2 U2 D D 529 W R 100 Das Wattmeter zeigt einen Wert von P D 529 W an. Der Leistungsfaktor beträgt cos ' D 1, da es sich um einen rein ohmschen Verbraucher handelt, 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis 105 Abb. 2.21 Messung der Wechselstromleistung eines Widerstands mittels Wattmeter Die Wechselstromleistung hat den Scheitelwert bei pO D uO iO und lässt sich durch Flächenwandlung in eine gleichwertige Gleichstromleistung, der sogenannten Wirkleistung P, umwandeln. Das Wattmeter in Abb. 2.22 zeigt keine Wirkleistung an und der Leistungsfaktor beträgt cos ' D 0, da es sich um einen rein kapazitiven Verbraucher handelt. Bei einem idealen Kondensator eilt die Spannung dem Strom um 90° nach. Die Multiplikation der Augenblickswerte von Spannung und Strom führt zur Leistungskurve im positiven und negativen Bereich. Die positive Leistung bedeutet, dass aus dem Netz (Wechselspannungsquelle) eine Leistung entnommen wird, während bei der negativen Leistung die Ladung des Kondensators wieder an das Netz (Wechselspannungsquelle) zurückfließt. Die Leistung, die kurzzeitig aus dem Netz entzogen wird, dient zum Aufbau des elektrostatischen Feldes, die Leistung, die in das Netz zurückfließt, zum Abbau des elektrischen Feldes. Da keine Wirkleistung in dem Kondensator umgesetzt wird, spricht man von einer Blindleistung. Die Blindleistung errechnet sich aus QC D U IC Die kapazitive Blindleistung hat die Bezeichnung „var“ (volt-ampere-reaktiv, reaktiv = rückwirkend). Der kapazitive Blindwiderstand errechnet sich aus XC D 1 1 D D 31;84 2 f C 2 3;14 50 Hz 100 F Die kapazitive Blindleistung ist dann QC D U2 .230 V/2 D D 1;66 kvar XC 31;84 106 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.22 Messung der Wechselstromleistung eines Kondensators mittels Wattmeter Abb. 2.23 Phasenverschiebung an einem Kondensator Die Blindleistung hat die Bezeichnung „var“ (volt-ampere-reaktiv). Aus diesem Grund zeigt das Wattmeter keine Wirkleistung an. Abbildung 2.23 zeigt die Phasenverschiebung für einen kapazitiven Blindwiderstand. Der durch einen Kondensator fließende Strom eilt der Spannung um 90° voraus. Die Berechnungen erfolgen nach u D UO C sin !t i D IOC sin !t C 2 Das Wattmeter in Abb. 2.24 zeigt keine Wirkleistung an und der Leistungsfaktor beträgt cos ' D 0, da es sich um einen rein induktiven Verbraucher handelt. Bei einer idealen Spule eilt die Spannung dem Strom um 90° vor. Die Multiplikation der Augenblickswerte von Spannung und Strom führt zur Leistungskurve im positiven und negativen Bereich. Die positive Leistung bedeutet, dass aus dem Netz (Wechselspannungsquelle) eine Leistung entnommen wird, während bei der negativen Leistung die Energie wieder an das Netz (Wechselspannungsquelle) zurückfließt. Die Leistung, die kurzzeitig aus dem Netz entzogen wird, dient zum Aufbau des elektrodynamischen Feldes, die Leistung, die in das Netz zurückfließt, zum Abbau dieses Feldes. Da keine Wirkleistung in der Spule umgesetzt wird, spricht man von einer induktiven Blindleistung. Die induktive Blindleistung 2.2 Widerstand, Kondensator und Spule im Wechselstromkreis 107 Abb. 2.24 Messung der Wechselstromleistung einer Spule mittels Wattmeter Abb. 2.25 Phasenverschiebung an einer Spule errechnet sich aus QL D U IL Der induktive Blindwiderstand errechnet sich aus XL D 2 f L D 2 3;14 50 Hz 1 H D 314 Die induktive Blindleistung ist dann QL D U2 .230 V/2 D D 168 var XL 314 Die induktive Blindleistung hat die Bezeichnung „var“ (volt-ampere-reaktiv). Das diesem Grund zeigt das Wattmeter keine Wirkleistung an. Abbildung 2.25 zeigt die Phasenverschiebung für einen induktiven Blindwiderstand. Der durch die Spule fließende Strom eilt der Spannung um 90° nach. Die Berechnungen erfolgen nach i D IOL sin !t u D UO L sin !t C 2 108 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik 2.2.7 Scheinleistung Bei der Leistungsaufnahme und deren Berechnung kennt man im Wechselstromkreis drei unterschiedliche Größen: Scheinleistung S in VA Wirkleistung P in W Blindleistung Q in var Liegt ein Kondensator oder eine Spule an einer Wechselspannung, ergibt sich eine Blindleistung, bei einem ohmschen Widerstand dagegen eine Wirkleistung. Schaltet man einen Widerstand in Reihe mit einem Kondensator oder einer Spule, tritt eine Scheinleistung auf. Die Wirkleistung errechnet sich aus P D U I cos ' Die Blindleistung ist Q D U I sin ' D p S2 P 2 Die Scheinleistung erhält man aus S DU I D p P 2 C Q2 Die Scheinleistung lässt keinen Rückschluss darüber zu, wie groß der Anteil der wirklich aufgenommenen und „verbrauchten“ Leistung ist. Wirk- und Blindleistung lassen sich im Zeigerbild zur Scheinleistung addieren, wie Abb. 2.26 zeigt. Das Verhältnis von Wirkleistung zur Scheinleistung ist der Wirkleistungsfaktor. Das Verhältnis von P zu S im Leistungsdreieck ist das Verhältnis von Ankathede zur Hypotenuse, also der Cosinus des Winkels '. Der Wirkleistungsfaktor errechnet sich aus P cos ' D S Verwendet man die beiden anderen Winkelfunktionen, kann man den Wirkleistungsfaktor auch berechnen aus Q Q sin ' D oder tan ' D S P Beispiel Ein Verbraucher nimmt an U D 230 V einen Strom von I D 21;74 A auf und hat eine Wirkleistung von P D 4 kW. Wie groß ist Scheinleistung S, der Wirkleistungsfaktor 2.3 Wechselstromkreise 109 Abb. 2.26 Leistungsdreieck für die Wirk-, Blind- und Scheinleistung cos' und die Blindleistung? S D U I D 230 V 21;74 A D 5000 VA D 5 kVA QD cos ' D P 4 kW D D 0;8 S 5 kVA q p S 2 P 2 D .5 kVA/2 .4 kW/2 D 3000 var D 3 kvar Man kann auch folgende Formeln verwenden: P D U I cos ' D S cos ' 2.3 Q D U I sin ' D S sin ' Wechselstromkreise Unter Wechselstromkreisen versteht man die Reihen- bzw. Parallelschaltung von Widerstand und Kondensator bzw. Spule. 2.3.1 Widerstand-Kondensator-Reihenschaltung Das Problem in der praktischen Messtechnik ist die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung, damit man Wirk- und Blindleistung berechnen kann. Bevor die Messung durchgeführt wird, soll zuerst die Theorie für eine Reihenschaltung betrachtet werden. Ein Widerstand mit R D 1 k und ein Kondensator mit C D 5 F liegen in Reihe an einer Wechselspannung von 230 V/50 Hz. Abbildung 2.27 zeigt die Schaltung mit den drei Messgeräten. Für den kapazitiven Blindwiderstand gilt XC D 1 1 D D 637 2 f C 2 3;14 50 Hz 5 F Der Scheinwiderstand Z errechnet sich aus q q 2 2 Z D R C XC D .1 k/2 C .0;637 k/2 D 1;185 k 110 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.27 Messung einer Widerstand-KondensatorReihenschaltung Der Strom durch die Widerstand-Kondensator-Reihenschaltung ist I D 230 V U D D 194 mA Z 1;185 k Die beiden Spannungen am Widerstand und Kondensator sind dann UR D I R D 194 mA 1 k D 194 V UC D I XC D 194 mA 637 D 123;6 V Zur Kontrolle: Uges q q 2 2 D UR C UC D .194 V/2 C .123;6 V/2 D 230 V Messungen und Rechnungen sind identisch! Die Phasenverschiebung ist dann cos ' D R Z sin ' D XC Z tan ' D XC R und für dieses Beispiel gilt: tan ' D 637 XC D D 0;637 ! 32;5ı R 1 k Es tritt eine Phasenverschiebung von 32,5° auf. Abbildung 2.28 zeigt die Schaltung zur direkten Messung der Phasenverschiebung. Die Phasenverschiebung misst man zwischen den zwei Nulldurchgängen der beiden Amplituden im Oszilloskop. Die komplette Sinusschwingung misst vier Divisionen und die Phasenverschiebung zwischen den beiden Sinusschwingungen dagegen 0,4 Divisio- 2.3 Wechselstromkreise 111 Abb. 2.28 Schaltung zur Messung der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung nen. Mittels des Dreisatzes erhält man die Phasenverschiebung mit 4 Div ! 360ı 360ı 0;4 Div D 36ı 4 Div Kennt man die Spannung, den Strom und die Phasenverschiebung, lässt sich die Wirk-, Blind- und Scheinleistung berechnen. Ein Zweikanal-Oszilloskop hat zwei identische Y-Eingänge, die mittels der Zeitablenkung zwei Amplituden über den Bildschirm anzeigen. Für die Messung der Phasenverschiebung lässt sich das Oszilloskop auf den X-Y-Betrieb umschalten. Bei dem simulierten Oszilloskop hat man hierzu die beiden Felder B/A und A/B und das Umschalten erfolgt durch Anklicken mit der Maus. Es erscheint die Lissajous-Figur von Abb. 2.29. Der A-Eingang des Oszilloskops von Abb. 2.29 erhält direkt die Eingangsspannung, während die Spannung für den B-Eingang zwischen dem Widerstand und dem Kondensator abgegriffen wird. Damit ergibt sich eine Phasenverschiebung zwischen den beiden 0;4 Div ! ‹ 112 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.29 Messung der Phasenverschiebung bei einem RC-Glied mittels Lissajous-Figur und dem Wattmeter für die Anzeige der Wirkleistung P mit dem Leistungsfaktor cos ' Eingängen. Der Elektronenstrahl wird genau entsprechend dem augenblicklichen Spannungswert der beiden Amplituden abgelenkt und damit lässt sich bei periodischen Vorgängen ein charakteristisches Kurvenbild erzeugen, die sogenannte Lissajous-Figur. Bei gleicher Amplitude, gleicher Frequenz und Phasenlage entsteht ein nach rechts um 45° geneigter Strich und bei einer Phasenverschiebung von 90° ein Kreis. In dem Oszillogramm lässt sich der Phasenverschiebungswinkel aus cos ' D 1;4 Div Y0 D D 0;77 ! 39ı Ymax 1;8 Div berechnen. Damit sind Rechenergebnis und Messung fast identisch. Aus den beiden Spannungskomponenten U R und U C ergibt sich die resultierende Gesamtspannung U ges , die mit dem Strom I den Phasenwinkel ' bildet. Obwohl es sich um einen Kondensator handelt, ist dieser Winkel nicht mehr 90°, sondern kleiner. Den feh- 2.3 Wechselstromkreise 113 Abb. 2.30 Schaltung und Vektordiagramm für eine Reihenschaltung aus Widerstand und Kondensator lenden Winkelbetrag definiert mal als „Fehlwinkel“ oder „Verlustwinkel“ ı wie Abb. 2.30 zeigt. Die Reihenschaltung aus Widerstand und Kondensator von Abb. 2.30 dient als Ersatzschaltbild für einen verlustbehafteten Kondensator. Im Widerstand R denkt man sich konzentriert alle Verluste, während der Kondensator C die ideale, verlustlose Kapazität repräsentiert. Ohne Verluste ist also R D 0 und damit auch der Fehlwinkel ı D 0. Der Fehlwinkel ı dient als Maß für die Verluste eines Kondensators. Zur zahlenmäßigen Erfassung zieht man Tangens heran und erhält: tan ı D I R UR D UC I 1=.! C / Man bezeichnet „tan ı“ auch als Verlustfaktor und dieser ist das Verhältnis der Wirkspannung U R zur Blindspannung U C . Da die Spannungen den Widerständen proportional sind, ist der Verlustfaktor zugleich das Verhältnis aus Wirk- und Blindwiderstand. Die Verluste sind auch durch einen Parallelwiderstand darstellbar, wobei aber eine andere Formel gilt. Das Wattmeter zeigt eine Leistung von P 40 W und einen Leistungsfaktor von cos ' D 0;827 an. Die Scheinleistung S berechnet sich aus SD 40 W P D D 48;37 VA cos ' 0;827 Die Blindleistung beträgt QD p S2 P 2 D q .48;34 VA/2 .40 W/2 D 27;2 var Abbildung 2.31 zeigt eine komplette Zusammenfassung der Formeln für die Reihenschaltung aus Widerstand und Kondensator. 114 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.31 Zusammenfassung der Formeln für die Reihenschaltung aus Widerstand und Kondensator 2.3.2 Reihenschaltung von Widerstand und Spule Das Problem in der praktischen Messtechnik ist die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung, damit man Wirk- und Blindleistung berechnen kann. Abbildung 2.32 zeigt eine Reihenschaltung von Widerstand und Spule. Ein Widerstand mit R D 1 k und einer Spule von 2,5 H liegen in Reihe an einer Wechselspannung von 230 V/50 Hz. Für den induktiven Blindwiderstand gilt XL D 2 f L D 2 3;14 50 Hz 2;5 H D 785 Der Scheinwiderstand Z errechnet sich aus q q Z D R2 C XL 2 D .1 k/2 C .0;785 k/2 D 1;27 k Abb. 2.32 Reihenschaltung von Widerstand und Spule 2.3 Wechselstromkreise 115 Der Strom durch die Widerstand-Spulen-Reihenschaltung ist I D 230 V U D D 180 mA Z 1;27 k Die beiden Spannungen an Widerstand und Spule sind dann UR D I R D 180 mA 1 k D 180 V UL D I XL D 180 mA 785 D 141;3 V Zur Kontrolle: Uges D q q UR2 UL2 D .180 V/2 .141;3 V/2 D 230 V Messungen und Rechnungen sind identisch! Die Phasenverschiebung ist dann cos ' D R Z sin ' D XL Z tan ' D XL R und für dieses Beispiel gilt: tan ' D 785 XL D D 0;785 ! 38ı R 1 k Es tritt eine Phasenverschiebung von 38° auf. Abbildung 2.33 zeigt die Schaltung zur direkten Messung der Phasenverschiebung. Die Phasenverschiebung misst man zwischen den zwei Nulldurchgängen der beiden Amplituden im Oszilloskop. Die komplette Sinusschwingung misst vier Divisionen und die Phasenverschiebung zwischen den beiden Sinusschwingungen dagegen 0,4 Divisionen. Mittels des Dreisatzes erhält man die Phasenverschiebung mit 4 Div ! 360ı 0; 4 Div ! ‹ 360ı 0;4 Div D 36ı 4 Div Kennt man die Spannung, den Strom und die Phasenverschiebung, lässt sich die Wirk-, Blind- und Scheinleistung berechnen. Der A-Eingang des Oszilloskops erhält in Abb. 2.34 direkt die Eingangsspannung, während die Spannung für den B-Eingang zwischen dem Widerstand und der Spule abgegriffen wird. Damit ergibt sich eine Phasenverschiebung zwischen den beiden Eingängen. Der Elektronenstrahl wird genau entsprechend dem augenblicklichen Spannungswert der beiden Amplituden abgelenkt und damit lässt sich bei periodischen Vorgängen ein charakteristisches Kurvenbild erzeugen, die sogenannte Lissajous-Figur. Bei gleicher Amplitude, gleicher Frequenz und Phasenlage entsteht ein nach rechts um 45° geneigter Strich und 116 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.33 Schaltung zur Messung der Phasenverschiebung an einem RL-Glied zwischen Strom und Spannung bei einer Phasenverschiebung von 90° ein Kreis. In unserem Oszillogramm lässt sich der Phasenverschiebungswinkel berechnen aus cos ' D Y0 1;6 Div D D 0;8 ! 36;8ı Ymax 2 Div Damit sind Rechenergebnis und Messung identisch. Das Wattmeter zeigt eine Leistung von P D 33;25 W und einen Leistungsfaktor von cos ' D 0;786 an. Die Scheinleistung S berechnet sich aus SD P 33;25 W D D 42;3 VA cos ' 0;786 Die Blindleistung beträgt QD p S2 P2 q D .42;3 VA/2 .33;25 W/2 D 26;1 var 2.3 Wechselstromkreise 117 Abb. 2.34 Messung der Phasenverschiebung mittels Lissajous-Figur und Wattmeter für die Anzeige der Wirkleistung P mit Leistungsfaktor cos ' Abbildung 2.35 zeigt eine Zusammenfassung der Formeln für die Reihenschaltung aus Widerstand und Spule. 2.3.3 Reihenschaltung von Widerstand, Kondensator und Spule Bei der Reihenschaltung ist die Betrachtung in diesem Buch auf sinusförmige Wechselspannung und -ströme beschränkt. Für die einzelnen Schaltungen ergeben sich daher übersichtliche Zeigerdiagramme. In der Reihenschaltung von Abb. 2.36 fließt durch alle drei Bauelemente immer der gleiche Strom. Der Spannungsfall U R am ohmschen Widerstand hat die gleiche Phasenlage wie der Strom. Die Kondensatorspannung U C erreicht die entsprechende Phase (Höchstwert bzw. Nulldurchgang) um 1/4 Periode (–90°) später. Die Spulenspannung U L 118 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.35 Zusammenfassung der Formeln für die Reihenschaltung aus Widerstand und Spule Abb. 2.36 Spannungen und Zeigerdiagramme für eine Reihenschaltung von Widerstand, Kondensator und Spule eilt dem Strom um 1/4 Periode (+90°) voraus. Die Phasenverschiebung zwischen den Teilspannungen U C und U L beträgt daher 1/2 Periode (180°). Da der jeweilige Spannungsfall an den beiden Blindwiderständen einander entgegengerichtet ist, wird die größere Spannung stets um den Betrag der kleineren Spannung vermindert. Für die Zeigerdiagramme gelten in der Praxis drei Betrachtungen: Bei niedrigen Frequenzen überwiegt der kapazitive Blindanteil X C des Kondensators C, während bei hohen Frequenzen der induktive Blindanteil X L der Spule L überwiegt. Im ersten Fall zeigt die Reihenschaltung ein kapazitives, im zweiten Fall ein induktives Verhalten. Bei einer bestimmten Frequenz, der Resonanzfrequenz, sind X C und X L gleich. Die beiden Blindwiderstände heben sich aufgrund ihrer entgegengesetzten Phasenlage auf und es ist nur der ohmsche Widerstand R wirksam, d. h. der Scheinwiderstand hat den kleinsten Wert. Dadurch fließt der größte Strom in der Schaltung und an den beiden Blindwider- 2.3 Wechselstromkreise 119 ständen treten bedingt durch das ohmsche Gesetz hohe Spannungen auf, die sich aber gegenseitig aufheben. Man hat jetzt eine Spannungsresonanz. Der Blindwiderstand X aus den beiden Blindwiderständen X C und X L zeigt, ob man einen kapazitiven oder einen induktiven Fall hat: XC > XL W X D XC XL (kapazitiver Fall) XC D XL W X D 0 (Resonanzfall) XL > XC W X D XL XC (induktiver Fall) Der Scheinwiderstand ist ZD p R2 C X 2 Der Strom durch die Reihenschaltung berechnet sich aus I D U Z Über den Stromfluss lassen sich die drei Spannungsfälle bestimmen mit UR D I R UC D I XC UL D I XL Die Phasenverschiebung kann man errechnen aus cos ' D UR R D Z U sin ' D X UX D Z U tan ' D X UX D R UR Man muss noch das entsprechende Vorzeichen für den kapazitiven bzw. induktiven Fall beachten. Abb. 2.37 Dimensionierte RCLReihenschaltung 120 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Beispiel Als Beispiel für eine Simulation von Abb. 2.37 soll eine RCL-Reihenschaltung untersucht werden mit R D 3 k, C D 1 F und L D 20 H an einer Spannung von U D 230 V=50 Hz. Wie groß sind die einzelnen Spannungen und die Phasenverschiebung? In der Schaltung sind bereits die Werte aus der Simulation angezeigt worden. Mittels der nachfolgenden Berechnung lässt sich die Simulation überprüfen. XC D 1 1 D D 3;18 k 2 f C 2 3;14 50 Hz 1 F XL D 2 f L D 2 3;14 50 Hz 20 H D 6;28 k .induktiverFall/ X D XL XC D 6;28 k 3;18 k D 3;1 k q p Z D R2 C X 2 D .3 k/2 C .3;1 k/2 D 4;3 k I D U 230 V D D 53;3 mA UR D I R D 53;3 mA 3 k D 160 V Z 4;3 k UC D I XC D 53;3 mA 3;18 k D 169 V UL D I XL D 53;3 mA 6;28 k D 334 V tan ' D X 3;1 k D D 1;03 ! 46ı R 3 k Zwischen der Simulation und der algebraischen Lösung ergeben sich minimale Differenzen. Zur Überprüfung der Richtigkeit der algebraischen Lösung: UX D 334 V169 V D 165 V U D q q UR 2 C UX 2 D .160 V/2 C .165 V/2 D 230 V Verstellt man die Frequenz des Generators, erkennt man, wie sich Spannungen, der Strom und die Phasenverschiebung ändern. Die Resonanzfrequenz ist bei fres D 1 1 p D p D 35;6 Hz 2 3;14 20 H 1 F 2 LC erreicht. Bei Änderung der Frequenz der Eingangsspannung einer Reihenschaltung ergibt sich für jede Frequenz ein anderer Scheinwiderstand Z. Bei Gleichspannung (f D 0) sperrt der Kondensator (Z D 1; I D 0) und bei hohen Frequenzen (f D 1) sperrt die Spule (Z D 1; I D 0). Im Resonanzfall (f res ) heben sich die Blindwiderstände von X C und X L auf, und es gilt Z D R und I D Imax . 2.3 Wechselstromkreise 121 Abb. 2.38 Phasenverschiebung bei einer Reihenschaltung von Widerstand, Kondensator und Spule Für die Schaltung von Abb. 2.38 gelten folgende Formeln: cos ' D R Z .Leistungsfaktor/ sin ' D X Z .Blindleistungsfaktor/ tan ı D X R .Verlustfaktor/ Wenn man die Phasenverschiebung misst, ergibt sich folgender Wert: cos ' D 1;6 Div Y0 D D 0;66 ! 48;2ı Ymax 2;4 Div Messergebnisse und Berechnungen sind weitgehend identisch! 122 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik 2.3.4 Parallelschaltung von Widerstand, Kondensator und Spule Bei der Parallelschaltung von Widerstand, Kondensator und Spule muss man von der Betrachtung der Leitwerte oder der Teilströme in der Schaltung ausgehen. Die einzelnen Teilströme werden unter Berücksichtigung der Phasenlage zur Ermittlung des Gesamtstroms geometrisch addiert. Aus dem Gesamtstrom lässt sich dann der Scheinwiderstand berechnen. Der Gesamtstrom der Schaltung in Abb. 2.39 ist von den drei Teilströmen abhängig, während die Spannung an allen drei Bauelementen immer gleich groß ist. Je nachdem ob, der kapazitive oder induktive Widerstand geringer ist, ist der Gesamtstrom zur Spannung vor- oder nacheilend. Entsprechend ergibt sich ein kapazitives oder induktives Verhalten. Bei niedrigen Frequenzen ist der induktive Blindwiderstand niederohmig und damit der Strom durch die Spule entsprechend hoch. Bei hohen Frequenzen hat der kapazitive Blindwiderstand einen niedrigen Wert und es fließt ein hoher Strom. Bei der Resonanzfrequenz pendelt der Strom zwischen dem Kondensator und der Spule hin und her. Der zufließende Strom wird nur durch den ohmschen Widerstand bestimmt. Da sich beide Blindströme nach außen aufheben, spricht man von einer Stromresonanz. Abb. 2.39 Parallelschaltung und Zeigerdiagramme von Widerstand, Kondensator und Spule Abb. 2.40 Simulation einer dimensionierten RCL-Parallelschaltung 2.3 Wechselstromkreise 123 Beispiel Als Beispiel für eine Simulation soll die RCL-Parallelschaltung von Abb. 2.40 untersucht werden mit R D 3 k, C D 1 F und L D 20 H an einer Spannung von U D 230 V=50 Hz. Wie groß sind die einzelnen Ströme und die Phasenverschiebung? IR D U 230 V D D 76;6 mA R 3 k 1 1 D D 3;18 k 2 f C 2 3;14 50 Hz 1 F U 230 V IC D D D 72;2 mA XC 3;18 k XC D XL D 2 f L D 2 3;14 50 Hz 20 H D 6;28 k U 230 V D D 36;6 mA IL D XL 6;28 k IX D IC IL D 72;2 mA 36;6 mA D 35;6 mA q q I D IR 2 C IX 2 D .76;6 mA/2 C .35;6 mA/2 D 84;47 mA ZD 230 V U D D 2;72 k I 84;47 mA tan ' D IX 35;6 mA D D 0;42 ! 22;8ı I 84;47 mA Wenn man die Phasenverschiebung in Abb. 2.41 misst, ergibt sich folgender Wert: cos ' D 0;7 Div Y0 D D 0;269 ! 74;4ı Ymax 2;6 Div Durch diesen Messaufbau muss die Phasenverschiebung korrigiert werden mit 90ı 74;4ı D 15;6ı . Messergebnisse und Berechnungen sind weitgehend identisch! Statt die Berechnungen über die Ströme durchzuführen, kann man auch mit den Leitwerten rechnen: Wirkleitwert: Blindleitwert: Scheinleitwert: Leistungsfaktor: 1 GDR B Dp BC BL (kapazitiv) oder B D BL BC (induktiv) Y D G2 B 2 cos ' D G Y Blindleistungsfaktor: sin ' D B Y 124 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.41 Messen der Phasenverschiebung mit der Lissajous-Figur 2.3.5 Leistung im Wechselstromkreis Für die Leistung im Wechselstromkreis gilt die Scheinleistung S DU I Die Wirkleistung berechnet sich aus P D U I cos ' Die Blindleistung ermittelt man aus Q D U I sin ' oder Q D Bei der Reihenschaltung gilt für die Wirkleistung P D UW I p S2 P 2 2.3 Wechselstromkreise 125 Man unterscheidet zwischen UX D UL UC (induktiver Fall) bzw. UX D UC UL (kapazitiver Fall) Die Blindleistung berechnet sich aus Q D UX I QL D UL I QC D UC I Für die Parallelschaltung gilt P D U IW mit IX D IL IC (induktiver Fall) bzw. IX D IC IL (kapazitiver Fall) Die Blindleistung berechnet sich aus Q D U IX QL D U IL QC D UC I Die Scheinleistung definiert man in VA (Volt-Ampere), die Wirkleistung in W (Watt) und die Blindleistung in var (volt-ampere-reaktiv). In der Schaltung von Abb. 2.42 steuert die Wechselspannungsquelle die Reihenschaltung von Kondensator und Lampe an. Während der Kondensator frequenzabhängig ist, stellt die Lampe einen ohmschen Widerstand dar. In dieser Schaltungsanordnung hat man durch die Reihenschaltung eine frequenzabhängige Lichtquelle. Wenn die Simulation läuft, blinkt die Lichtquelle. Verringert sich die Frequenz, hört die Lampe auf zu blinken. Die elektrische Leistung ist das Produkt aus Spannung multipliziert mit dem Strom. Die Wechselstromleistung ist proportional der Spannungsamplitude multipliziert mit der Stromamplitude und ist abhängig von der Phasendifferenz zwischen Spannung und Strom. Dieser Zusammenhang ist im Oszilloskop sichtbar, was folglich Aufschluss über die Leistung gibt. Die Phasenverschiebung errechnet sich aus cos ' D 1 Div Y0 D D 0;416 ! 65;4ı Ymax 2;4 Div Die zu bestimmende Leistung beträgt die Hälfte des Produkts aus der maximalen XAuslenkung (Spannungsamplitude) und der zugehörigen Y-Auslenkung (Stromamplitude). In der Auslenkung sind bereits die Phasendifferenz und die Stromamplitude berücksichtigt. Bei 1,6 Div auf der X-Achse schneidet die Kurve die Achse. Damit fällt an dem Widerstand R1 eine Spannung von 16 V ab, da der Kanal B auf 10 V/Div eingestellt ist. Damit ergibt sich ein Strom von 16 V U D D 16 mA I D R1 1 k 126 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.42 Messung der Wechselstromleistung bei einem kapazitiven Verbraucher Der kapazitive Blindwiderstand des Kondensators berechnet sich aus XC D 1 1 D D 6;37 k 2 f C 2 3;14 50 Hz 500 nF Der Spannungsfall an dem Kondensator ist UC D I XC D 16 mA 6;37 k D 102 V Damit ergibt sich für die Lampe (ohmscher Verbraucher) und dem Widerstand eine Spannung von q q UX D U 2 UC2 D .230 V/2 .102 V/2 D 206 V 2.3 Wechselstromkreise 127 An der Lampe ist eine Spannung von 206 V 16 V D 190 V vorhanden. Die Schein-, Wirk- und Blindleistung der Schaltung ist S D U I D 230 V 16 mA D 3;68 VA P D U I cos ' D 230 V 16 mA 0;4 D 1;47 W QC D p S2 P2 q D .3;68 VA/2 .1;47 W/2 D 3;37 var Für die Untersuchung der Schaltung verringert man zuerst die Frequenz und danach erhöht man diese wieder. Bei sehr niedriger Frequenz beträgt die Phasendifferenz annähernd eine Viertelperiode, d. h. die Phasenfigur ist kreisförmig oder besteht aus einer aufrechtstehenden Ellipse. Die maximale X-Auslenkung fällt in diesem Fall mit der Y-Auslenkung zusammen und die aufgenommene Leistung ist null, die Lampe erlischt. Bei hohen Frequenzen tritt dagegen keine Phasendifferenz auf und die Phasenfigur zeigt die Form einer Geraden an. Die maximale X-Auslenkung fällt dann mit der maximalen Y-Auslenkung zusammen und die aufgenommene Leistung ist gleich der Hälfte des Produkts beider Auslenkungen. Beträgt z. B. die Phasendifferenz eine 1/6 Periode, fällt die maximale XAuslenkung mit der halben maximalen Y-Auslenkung zusammen und die Leistung ist dann nur noch ein Viertel des Produkts aus der Stromamplitude multipliziert mit der Spannungsamplitude. In der Schaltung von Abb. 2.43 steuert die Wechselspannungsquelle die Reihenschaltung von Spule und Lampe an. Während die Spule frequenzabhängig ist, stellt die Lampe einen ohmschen Widerstand dar. In dieser Schaltungsanordnung hat man durch die Reihenschaltung eine frequenzabhängige Lichtquelle. Wenn die Simulation läuft, blinkt die Lichtquelle. Verringert sich die Frequenz, hört die Lampe auf zu blinken. Die elektrische Leistung ist das Produkt aus Spannung multipliziert mit dem Strom. Die Wechselstromleistung ist proportional der Spannungsamplitude multipliziert mit der Stromamplitude und ist abhängig von der Phasendifferenz zwischen Spannung und Strom. Dieser Zusammenhang ist im Oszilloskop sichtbar, was folglich Aufschluss über die Leistung gibt. Die Phasenverschiebung errechnet sich aus cos ' D 1;3 Div Y0 D D 0;59 ! 53;77ı Ymax 2;2 Div Die zu bestimmende Leistung beträgt die Hälfte des Produkts aus der maximalen XAuslenkung (Spannungsamplitude) und der zugehörigen Y-Auslenkung (Stromamplitude). In der Auslenkung sind bereits die Phasendifferenz und die Stromamplitude berücksichtigt. Der Strom berechnet sich aus dem Schnittpunkt an der X-Achse mit zwei Divisionen und einer Einstellung von 10 V=Div D 20 V: I D 20 V U D D 20 mA R1 1 k 128 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.43 Messung der Wechselstromleistung bei einem induktiven Verbraucher Der induktive Blindwiderstand der Spule berechnet sich aus XL D 2 f L D 2 3;14 50 Hz 30 H D 9;42 k Der Spannungsfall an der Spule ist UL D I XL D 20 mA 9;42 k D 188;4 V Damit ergibt sich für die Lampe (ohmscher Verbraucher) und dem Widerstand eine Spannung von q q UX D U 2 UL2 D .230 V/2 .188;4 V/2 D 132 V 2.3 Wechselstromkreise 129 An der Lampe ist eine Spannung von 132 V 20 V D 112 V vorhanden. Die Schein-, Wirk- und Blindleistung der Schaltung ist S D U I D 230 V 20 mA D 4;6 VA P D U I cos ' D 230 V 20 mA 0;59 D 2;71 W QC D q p S 2 P 2 D .4;6 VA/2 .2;71 W/2 D 3;72 var Für die Reihenschaltung gilt: P D UW I UX D UL UC Q D Ub I (induktiv) QL D UL I UW D U cos ' UX D UC UL (kapazitiv) QC D UC I Ub D U sin ' D UW tan ' In der Praxis misst man die Wirkleistung und den Leistungsfaktor mit einem Wattmeter, wie Abb. 2.44 zeigt. Das Wattmeter zeigt eine Wirkleistung von P D 8;522 W und einen Leistungsfaktor von cos ' D 0;695 an. Durch die Schaltung fließt ein Strom von I D 8;522 W P D D 53;3 mA U cos ' 230 V 0;695 Die Scheinleistung ist S D U I D 230 V 53;3 mA D 12;26 VA Die Blindleistung berechnet sich aus QC D p S2 P 2 D q .12;26 VA/2 .8;522 W/2 D 8;81 var Bei der RCL-Parallelschaltung von Abb. 2.45 wird eine Wirkleistung von P D 17;626 W und ein Leistungsfaktor von cos ' D 0;773 gemessen. Der Strom durch den ohmschen Widerstand ist IR D P 17;626 W D D 99 mA U cos ' 230 V 0;773 Die Scheinleistung berechnet sich aus S D U IR D 230 V 99 mA D 22;77 VA und die Blindleistung q p 2 2 QC D S P D .22;77 VA/2 .17;626 W/2 D 13;1 var 130 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.44 Messung der Wirkleistung und des Leistungsfaktors bei einer RCL-Reihenschaltung Abb. 2.45 Messung der Wirkleistung und des Leistungsfaktors bei einer RCL-Parallelschaltung Für die Parallelschaltung gilt: P D UW I IX D IL IC Q D U Ib IW D U cos ' (induktiv) IX D IC IL QL D U IL QC D U IC (kapazitiv) Ib D I sin ' D IW tan ' 2.3.6 Kompensationsschaltung für den Einphasenbetrieb Wechselstrommotoren und die Drossel (Vorschaltgerät) von Leuchtstofflampen erzeugen während ihres Betriebszustandes eine Blindleistung. Diese Blindleistung muss man durch einen Kondensator kompensieren. Diese Blindstromkompensation hilft Energiekosten einzusparen, elektrische Einrichtungen wie Leitungen, Schaltelemente, Transformatoren und Generatoren vom Blindstrom zu entlasten. Diese Vorteile sind besonders in Industrie- 2.3 Wechselstromkreise 131 und Gewerbebetrieben zu beachten, bei denen die Stromkosten eine bedeutende Rolle spielen. Aus wirtschaftlichen Gründen kompensiert man in der Regel nur bis zu einem maximalen Leistungsfaktor von cos ' D 0; 95 (induktiv). Würde man den Leistungsfaktor auf cos ' D 1; 0 verbessern, benötigte man eine unwirtschaftliche hohe Kondensatorleistung. Eine Überkompensation ist auf jeden Fall zu vermeiden, da hierbei unter Umständen die Spannung gefährlich hoch ansteigen kann. Zur Ermittlung der erforderlichen Kompensationsleistung gibt es folgende Möglichkeiten: Messung von Spannung, Strom und Leistung Messung des cos ' mittels Leistungsfaktor Messung der Wirk- und Blindleistung mittels Zähler bzw. Schreiber Beispiel Die Leuchtstofflampe mit Drossel von Abb. 2.46 hat eine Leistungsaufnahme von P D 40 W bei einem Leistungsfaktor von cos ' D 0;6. Welchen Kondensator benötigt man für eine vollständige Kompensation mit cos ' D 1 und bei einer Kompensation von cos ' D 0;92? 40 W P D D 66;7 VA SD cos ' 0;6 I D 66;7 VA S D D 290 mA U 230 V cos ' D 0;6 ! ' D 53ı ) tan ' D 1;33 QL D P tan ' D 40 W 1;33 D 53 var Vollständige Kompensation mit cos ' D 1: I D 40 W P D D 174 mA U 230 V QL D QC D 53 var und S D P D 53 var C D 53 var QC D D 3;2 F 2 f U2 2 3;14 50 Hz .230 V/2 132 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.46 Schaltung einer Leuchtstofflampe mit Drossel und Kompensationskondensator Praktische Kompensation mit cos ' D 0;92: cos ' D 0;92 ! ' D 23ı ) tan ' D 0;43 SD 40 W P D D 43;5 VA cos ' 0;92 I D S 43;5 VA D D 190 mA U 230 V Q D P tan ' D 40 W 0;43 D 17 var QC D QL Q D 53 var 17 var D 36 var C D 36 var QC D D 2;2 F 2 2 f U 2 3;14 50 Hz .230 V/2 Das Ergebnis zeigt, dass sich bei einer Kompensation von cos ' D 1 auf cos ' D 0;92 der Strom in den Zuleitungen um I D 100 mA reduziert. Die erforderliche Kapazität für den Kompensationskondensator verringert sich von C D 3;2 F auf C D 2;2 F und dies bei einer Leuchtstofflampe mit P D 40 W. 2.4 Drehstrom 133 Abb. 2.47 Zeigerdiagramm für die Blindleistungskompensation Abbildung 2.47 zeigt das Zeigerdiagramm für die Blindleistungskompensation. Die kapazitive Blindleistung QC errechnet sich aus QC D P .tan '1 tan '2 / tan '1 D QL P tan '2 D Q P QC D QL Q Die Berechnung für den Kondensator lautet cos 0;6 ! ' D 53ı ) tan ' D 1;33 cos 0;92 ! ' D 23ı ) tan ' D 0;43 QC D 40 W.1;33 0;43/ D 36 var C D 36 var QC D D 2;2 F 2 2 f U 2 3;14 50 Hz .230 V/2 Die Simulationsdaten von Abb. 2.48 sind weitgehend identisch mit den numerischen Werten. 2.4 Drehstrom Bei der Erzeugung von Drehstrom werden in einem Generator drei Spulen so angeordnet, dass diese gegeneinander um 120° versetzt sind. Damit entsteht in jeder Spule eine Wechselspannung, die zur anderen um jeweils 120° verschoben ist. Die drei Wechselspannungen U 1–2 , V 1–2 und W 1–2 sind entsprechend der Spulenanordnung um 120° gegeneinander phasenverschoben, wie Abb. 2.49 zeigt. Schließt man an die drei Generatorspulen je einen Verbraucher an, fließen die drei Wechselströme I 1 , I 2 und I 3 . Hat man drei gleiche Widerstände, und addiert man die drei Spannungen oder Ströme jeweils in einem bestimmten Zeitpunkt, so ergibt deren Summe 134 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.48 Simulationsschaltung zwischen einer vollständigen und einer praktischen Blindleistungskompensation mit cos ' D 1 und cos ' D 0;92 Abb. 2.49 Anordnung und Drehstromliniendiagramm der Wicklungen bei einem Drehstromgenerator bzw. -motor immer null. Wenn man sich das Drehstromliniendiagramm betrachtet, lassen sich beispielsweise folgende Summen bilden: Augenblick 1 I1 D C5 A I2 D 10 A I3 D C5 A I D C0 A Augenblick 2 usw: I1 D C10 A I2 D 5 A I3 D 5 A I D 0 A Aus diesem Grunde lassen sich die drei so genannten Phasen des Drehstromnetzes einfach zu einer Stern- oder Dreieckschaltung verketten. 2.4 Drehstrom 135 In Abb. 2.49 sind die Wicklungsanfänge und -enden der einzelnen Wicklungen durch Buchstaben gekennzeichnet. Jeder einzelne Wicklungsteil im Generator bzw. jeder einzelne Teilwiderstand Z im Verbraucher eines Drehstromsystems wird als „Strang“ oder „Phase“ bezeichnet. Der Anfang des ersten Strangs wird bei elektrischen Maschinen mit 1U, der zweite mit 1V und der dritte mit 1W gekennzeichnet und das jeweils zugehörige Ende mit 2U, 2V und 2W. An die Anfangspunkte eines Strangs schließt man die Außenleiter an, die man mit L1, L2 und L3 bezeichnet. 2.4.1 Simulation einer symmetrisch belasteten Sternschaltung Die Spannungen bei einem Drehstromsystem wurden durch die Schaltung von Abb. 2.11 bereits untersucht und auch die Besonderheiten der drei Wechselspannungsgeneratoren, die die drei Außenleiter-, bzw. Strangspannungen erzeugen. Der Drehstrom in Abb. 2.50 wird durch die Parallelschaltung von drei Wechselspannungsquellen erzeugt. Wichtig ist nur, dass die Phasenverschiebung zwischen den einzelnen Leitern um 120° beträgt. Durch einen Doppelklick auf das Symbol erhält man die Einstellungen für Spannung, Frequenz und Phasenverschiebung. Die drei oberen Anschlüsse bilden die Leiterspannungen L1, L2 und L3. Die unteren Anschlüsse sind zusammengefasst und ergeben die Leitung PEN (PE = Protection Earth oder Schutzerde, N = Neutralleiter). Durch die drei Leiter und PEN erhält man ein typisches Vierleitersystem. Für den PEN verwendet man die Farbe „grün-gelb“. Trennt man den gemeinsamen PEN in einen separaten PE und separaten N auf, erhält man heute das praxisnahe Fünfleitersystem. Für die PE-Leitung verwendet man die Farbe „grün-gelb“ und für die N-Leitung die Farbe „hellblau“. Die Leitungen L1, L2 und L3 sind in „schwarz“ auszuführen. Das Massezeichen in der Schaltung definiert man als Betriebserder oder als Sternpunkt. Mit den drei Voltmetern werden die Spannungen zwischen dem entsprechenden Leiter und N (Neutralleiter) angezeigt. Es ergibt sich U1N D U2N D U3N D 230 V IStr D U 230 V D D 2;3 A R 100 Durch die drei Widerstände fließt jeweils ein Strom von I D 2;3 A. Die Leistung pro Widerstand und Strang berechnet sich aus P D U I D 230 V 2;3 A D 529 W Die Messung von Abb. 2.51 mit den Wattmetern ist identisch mit den Rechenwerten. Durch das Wattmeter kann man nur die Leistung für eine Phase messen. Die Gesamtleistung ist dann Pges D 3 P D 3 529 W D 1587 W D 1;587 kW 136 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.50 Messung an einer symmetrisch belasteten Sternschaltung mit ohmschen Verbrauchern, wobei vier Multimeter die jeweiligen Ströme anzeigen 2.4.2 Simulation einer symmetrisch belasteten Dreieckschaltung Bei einer Dreieckschaltung darf an den drei Widerständen keine Masse angeschlossen werden. In der Dreieckschaltung von Abb. 2.52 wird kein PEN-, PE- oder N-Leiter benötigt. Mit den drei Amperemetern werden die Außenleiterströme angezeigt. Es ergibt sich U12 D U23 D U13 D 400 V I12 D p U p 400 V 3 D 3 D 6;9 A R 100 Durch die drei Widerstände fließt jeweils ein Strom von I D 6;9 A. Wenn man einen Drehstrommotor über P > 2 kW betreibt, verwendet man einen Stern-Dreieck-Schalter. Schaltet man den Motor ein, wird er zuerst in Sternschaltung betrieben, d. h. er wird zuerst auf eine verminderte Spannung und daher auch mit einem 2.4 Drehstrom 137 Abb. 2.51 Messung an einer symmetrisch belasteten Sternschaltung mit ohmschen Verbrauchern, wobei drei Wattmeter die jeweilige Strangleistung anzeigen Abb. 2.52 Messung an einer symmetrischen Dreieckschaltung mit ohmschen Verbrauchern reduzierten Strom gestartet. Die Phasenwicklungen setzen weniger Leistung um. Bei der Umschaltung auf Dreieck tritt zwar wieder ein Stromstoß auf, aber dieser fällt geringer aus, da der Rotor bereits eine bestimmte Drehzahl erreicht hat. Beispiel Auf dem Leistungsschild eines Drehstrommotors befindet sich folgende Angabe: 3 400 V in Y (Sternschaltung). Für welches Drehstromnetz kann dieser Motor verwendet werden? Das Leistungsschild gibt an, dass bei Sternschaltung der Spannung des Netzes 3 400 V sein kann. Für das Einschalten lässt sich ein Stern-Dreieck-Schalter verwen- 138 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik den. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Motor in Dreieckschaltung zu verwenden. Eine Phase darf dann über nur an 230 V angeschlossen werden, denn bei 400 V in Y erhält eine Phase nur eine Spannung von 230 V. Bei Anschluss des Motors an 3 230 V mittels Stern-Dreieck-Schalter beträgt die Spannung pro Phase in 230 V Schalterstellung I: u D p D 127 V 3 Schalterstellung II: U D 230 V Beispiel Ein Drehstrommotor hat die Bezeichnung 230 V=400 V=Y (Dreieck/Stern). An welches Netz kann man diesen Motor mit Stern-Dreieck-Schalter anschließen? Beim Stern-Dreieck-Schalter muss der Motor nach Anlauf in Dreieckschaltung laufen, kann also hier nur an ein Netz mit 3230 V angeschlossen werden. Beispiel Ein Motor hat die Bezeichnung 400 V. Kann man hier einen Stern-Dreieck-Schalter einsetzen? Der Stern-Dreieck-Schalter ist bei einer Netzspannung von 3 400 V ohne weiteres p verwendbar. In Sternschaltung würde dieser Motor an eine Spannung von 400 V 3 D 693 V angeschlossen werden, aber diese Netzspannung ist praktisch nicht vorhanden. Wenn man einen Drehstrommotor bestellt, muss man folgendermaßen definieren: Motor. . . kW, 400/690 V oder Motor. . . kW, 400 V. Der Stern-Dreieck-Schalter hat zur Folge, dass die aufgenommene Leistung bei Sternschaltung nur etwa einem Drittel der Nennleistung des Drehstrommotors entspricht. Dementsprechend ist auch der Strom in der Sternschaltung geringer als bei Direkteinschaltung in Dreieck. Das Verhältnis von Außenleiterspannung zur Sternspannung ist der Verkettungsfaktor des Drehstroms mit p U12 D U23 D U13 D 3 D 1;73 U1N D U2N D U3N Bedingt durch die höhere Spannung von U12 D U23 D U13 D 400 V fließt auch ein entsprechend höherer Strom. 2.5 Elektrische Arbeit und Energie Während die elektrische Leistung W im Sinne von „Leistungsfähigkeit“ lediglich eine Größenbestimmung darstellt, ist die elektrische Arbeit eine Verbrauchsangabe: Wenn man eine gewisse Leistung innerhalb einer bestimmten Zeit wirken lässt, erhält man die Arbeit: W DP t W DU I t W D I2 R t W D U2 t R 2.5 Elektrische Arbeit und Energie 139 Diese Arbeit ist es, die in dem Zähler zur EVU gemessen wird und für die der Abnehmer elektrischen Stroms die Verbrauchskosten zu bezahlen hat. Die Einheit der elektrischen Arbeit ist dadurch gegeben, dass die Leistung von 1 Watt 1 Sekunde oder 1 Watt 1 Stunde lang benutzt wird. Die Einheit der elektrischen Arbeit ist also 1 Wattsekunde (Ws) oder 1 Wattstunde (Wh), wobei 1 Wh D 3600 Ws ist. Da diese Einheit für technische Berechnungen zu klein ist, nimmt man 1000 Wattstunden und erhält 1 Kilowattstunde (1 kWh). Beispiel Eine Glühlampe mit P D 100 W wird mit U D 230 V betrieben und ist t D 100 h eingeschaltet. Wie groß ist die elektrische Arbeit? W D P t D 100 W 100 h D 10:000 Wh oder 10 kWh Die elektrische Arbeit gibt man in Kilowattstunden an. Diese Aufgabenstellung erlaubt danach die Berechnung der Kosten für die elektrische Arbeit (Energie): Arbeitspreis D W Preis je kWh Strompreis D Arbeitspreis C Grundpreis C Messpreis Grenzverbrauch D Grundpreisunterschied Arbeitspreisunterschied Unter dem Begriff „Messpreis“ definiert man nach den EVU-Bestimmungen den Zuschlag zum jeweiligen Grundpreis bei Verwendung zusätzlicher, nicht im Tarif enthaltener Messeinrichtungen. Zur Ermittlung der Gesamtkosten ist zum Strompreis immer noch die Mehrwertsteuer zu addieren. 2.5.1 Allgemeine Leistungsmessung In der Praxis bezieht man sich bei der Leistungsmessung (Gleich- und Wechselstrom) auf die Formel: P DU I Betrachtet man diese Formel, erkennt man, dass sich die von einer Spannungs- oder Stromquelle abgegebene Leistung Pab oder von einem Verbraucher aufgenommene Leistung Pzu auf verschiedene Methoden bestimmen lässt: Getrennte Messungen von Spannung und Strom mit anschließender Produktbildung bei bekanntem Innenwiderstand RV des Verbrauchers, entweder durch Messen der Spannung U oder des Stroms I mit anschließender Berechnung: Pab D Pzu D I 2 Rv oder Pab D Pzu D U 2 =Rv 140 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.53 Die linke Schaltung ist die spannungsrichtige Messung mit einer falschen Strommessung und rechts die stromrichtige Messung mit einer falschen Spannungsmessung Messen der Leistung mit einem multiplizierenden Messgerät (z. B. elektrodynamisches Wattmeter). Als Anzeige erhält man z. B. einen der Leistung P proportionalen Ausschlag ˛: ˛ DkP Bei der getrennten Leistungsmessung durch eine separate Strom- und Spannungsmessung kennt man zwei Schaltungsvarianten, wie Abb. 2.53 zeigt. Die Berechnung der Leistung in dem Widerstand RV berechnet sich aus PV D URV IV Wie man erkennt, sind beide Schaltungen mehr oder weniger fehlerbehaftet. Vom Verbraucher RV aus betrachtet kann man hier von einer spannungs- und stromrichtigen Messung sprechen. Die jeweils errechnete Leistung ist immer größer als die tatsächliche Leistung PV im Widerstand bzw. Verbraucher. Sind die Innenwiderstände des Voltmeters und des Amperemeters bekannt, lassen sich die Messfehler korrigieren. Ohne Korrektur ist bei großen Strömen die linke, bei kleinen Strömen die rechte Schaltung günstiger. Zur direkten Leistungsmessung mit einem Leistungsmesser benötigt man Geräte, die Spannung und Strom vorzeichenrichtig und phasenrichtig miteinander multiplizieren können. Für Gleich- und Wechselstromleistung setzt man das elektrodynamische Messwerk ein. Man unterscheidet bei diesem Messgerät zwischen dem Strom- und Spannungspfad. Der Strompfad ist im Dauerbetrieb bis zu 20 % überlastbar, kurzzeitig sogar bis zu 1000 %, ohne dass ein elektrischer oder mechanischer Defekt auftritt. Der Strompfad besteht aus einer feststehenden Spule und hat einen dicken Draht, da ein großer Strom durchfließt. Der Spannungspfad ist ebenfalls bis zu 20 % überlastbar, kurzzeitig bis zu 100 %. Der Spannungspfad ist eine bewegliche Spule mit einem dünnen Draht, da nur ein geringer Strom fließt. Abbildung 2.54 zeigt das Prinzip der Leistungsmessung mit einem elektrodynamischen Messgerät. Durch den Strompfad mit der Feldspule RI fließt der zu messende Strom und erzeugt ein bestimmtes Magnetfeld in der Feldspule. Durch den Spannungspfad der Feldspule RU 2.5 Elektrische Arbeit und Energie 141 Abb. 2.54 Prinzip der Leistungsmessung mittels eines elektrodynamischen Messgeräts mit einem Strompfad (dicke Linie im Symbol des Messwerks) und einem Spannungspfad (dünne Linie) Abb. 2.55 Stromrichtige (a) und spannungsrichtige (b) Messschaltung für Leistungsmesser mit elektrodynamischem Messwerk fließt der zu messende Strom I SP und erzeugt ebenfalls ein bestimmtes Magnetfeld in der Drehspule. Während der Strompfad relativ niederohmig ist und daher ein hoher Strom fließen kann, ist der Spannungspfad sehr hochohmig und es fließt nur ein geringer Strom. Der Zeigerausschlag für das elektrodynamische Messgerät errechnet sich aus: ˛ D k RI ISP D k I U k D U I DK P RU RU Die Werte k und K sind Konstanten des elektrodynamischen Messwerks. Der Zeigerausschlag ˛ ist somit direkt proportional der Leistung P: ˛P In der Praxis kennt man hier zwei Betriebsschaltungen, wie Abb. 2.55 zeigt. Je nach Betrachtungsweise der beiden Messschaltungen ergeben sich folgende Zusammenhänge: Stromrichtige Messschaltung: ˛ P .Pzu PU / PU D Eigenverbrauch des Spannungspfades Spannungsrichtige Messschaltung: ˛ D k .Pzu PI / PI D Eigenverbrauch des Strompfades 142 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Die Anzeige ˛ entspricht also der um die Verluste PU des Spannungspfades oder der um die Verluste PI des Strompfades größeren Verbraucherleistung Pab , d. h. der Eigenverbrauch PU und PI geht also additiv (Pab ) oder subtraktiv (PQ ) in die angezeigte Leistung ein. Um diese Fehler auszuschließen, verwendet man im Messgerät eine „Selbstkorrektur“ für den Eigenverbrauch des Wattmeters mit doppelt ausgeführter Stromspule. 2.5.2 Leistungsmessung bei Wechselstrom Die Prinzipschaltungen zur Leistungsmessung und die Probleme des Eigenverbrauchs sowie der Selbstkorrektur sind bei den Leistungsmessungen im Gleich- und Wechselstrombereich identisch. Während im Gleichstromkreis keine Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom auftreten kann, muss dies bei der Messung im Wechselstromkreis berücksichtigt werden. Aus diesem Grund muss man bei der Leistungsmessung im Wechselstromkreis zwischen Wirkleistung p, Scheinleistung s und Blindleistung q unterscheiden. Die Leistungsmessung im Wechselstromkreis beruht auf der Grundformel p Dui Es ist lediglich bei der Leistungsmessung zu berücksichtigen, dass bei entsprechenden Verbrauchern (induktiv oder kapazitiv), jeweils zum gleichen Zeitpunkt einer Messung der Augenblickswert von Spannung und Strom ein bestimmter Phasenverschiebungswinkel vorhanden ist. Bei der Wirkleistungsmessung muss das Messinstrument die Anteile von Spannung und Strom, und auch die Phasen messen. Als Messinstrument lässt sich ein elektrodynamisches Messgerät verwenden, wie Abb. 2.56 zeigt. Der Strom i, der durch den Verbraucher Z (Wirk- und Blindanteil) fließt, wird von der Feldspule des elektrodynamischen Messwerks erfasst. Der Strom iS durch den Spannungspfad ist von der Wechselspannung und dem Widerstand RS der Spannungsspule abhängig. Aufgrund der Trägheit des elektrodynamischen Messwerks kann der Zeigerausschlag den Signalverläufen von u und i nicht folgen. Das Messwerk zeigt damit den arithmetischen Abb. 2.56 Elektrodynamisches Messgerät für die Messung der Wirkleistung P in einem Wechselstromkreis 2.5 Elektrische Arbeit und Energie 143 Abb. 2.57 Leistungsmessung bei Einphasen-Wechselstrom. Die linke Schaltung zeigt eine direkte Messungsmethode, während die rechte Variante eine indirekte Messung mit Spannungs- und Stromwandlern verwendet Mittelwert ˛N an: ˛N D k U I cos ' RS und es gilt: ˛N P Nach DIN 43 807 ist zu beachten, dass die Spannungspfade von Instrumenten für Geräte und Schalttafel vor den Strompfaden (Leistungsrichtung von links nach rechts) angeschlossen werden. Bei höheren Verbraucherströmen und -spannungen führt man eine „indirekte“ Leistungsmessung durch, d. h. man hat Spannungs- und Stromwandler, wie Abb. 2.57 zeigt. Bei dieser Leistungsmessung ist darauf zu achten, dass die Wandlersekundärseiten stets gemeinsam geerdet sind, damit keine zu hohen Spannungen zwischen Spannungs- und Strompfad auftreten. Das elektrodynamische Messwerk zeigt immer das Produkt der phasengleichen Komponenten von Spannung und Strom an: P D U I cos ' Es wird also die Wirkleistung P gemessen. Zur Blindleistungsmessung muss man daher einen zusätzlichen Phasenschieber . =2/, eine 90°-Schaltung, in den Spannungspfad einschalten. Abbildung 2.58 zeigt den Unterschied zwischen der Messung der Blindleistung Q und der Wirkleistung P mittels eines dynamischen Messgeräts. 144 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.58 Unterschied zwischen der Messung der Blindleistung Q und der Wirkleistung P mittels eines dynamischen Messgeräts, wobei für die Blindleistungsmessung ein Phasenschieber mit =2 (erzeugt eine Phasenverschiebung von 90°) erforderlich ist Abb. 2.59 Schaltung zur Scheinleistungsmessung Der Zeigerausschlag für die Blindleistungsmessung Q ergibt sich dann zu ˛N D k k D U I cos U I sin ' RS 3 RS „ ƒ‚ … Q Dies gilt für die folgende Bedingung, da D sin ' cos ' 2 ist. Bei der Verwendung von elektrodynamischen Messwerken als Scheinleistungsmesser muss der Einfluss der Phase zwischen Strom und Spannung auf dem Messwerk vorhanden sein. Dies lässt sich nur durch eine Gleichrichtung im Spannungs- und Strompfad erreichen. Der Anzeigefehler, der von den Wechselanteilen nach der Gleichrichtung verursacht wird, lässt sich durch parallel geschaltete Kondensatoren an dem Spannungs- und Strompfad vermeiden. Abbildung 2.59 zeigt eine Schaltung zur Scheinleistungsmessung. Die Leistungsermittlung erfolgt in der Praxis meistens in Verbindung mit einem Zähler. Durch die magnetische Wirkung einer vom Verbraucherstrom durchflossenen Spule sowie 2.5 Elektrische Arbeit und Energie 145 einer an der Netzspannung liegenden Spule wird eine Zählerscheibe in Drehung versetzt. Die Umdrehungen werden von einem Zählwerk angezeigt. Mit den folgenden Formeln lässt sich die elektrische Leistung messen: PkW D PkW n Cz th tmin ts n n 60 n 3600 D D Cz th Cz tmin Cz ts = Elektrische Leistung (kW) = Anzahl der Umdrehungen der Zählerscheibe = Zählerkonstante = Zeit in Stunden = Zeit in Minuten = Zeit in Sekunden Beispiel Für die Zählerkonstante auf einem Typenschild steht: 600 Umdr./kWh. Die Messzeit beträgt t D 45 s und der Zähler hat n=12 Umdrehungen durchgeführt. Welche Leistung nimmt dieses Gerät auf? PkW D n 12 Umdr: 3600 s D D 1;6 kW Cz ts 600 Umdr:=kWh 45 s 1 h Das Gerät hat eine Leistungsaufnahme von P D 1;6 kW. In der Praxis verwendet man als Zähler das Induktionsmessgerät (Ferraris- oder Wandlerfeldzähler). Zwei um 90° versetzte Elektromagnete (Spannungs- und Stromspule), deren Ströme bei cos ' D 1 um 90° gegeneinander phasenverschoben sind, erzeugen ein magnetisches Drehfeld, sodass auf die Metallscheibe das elektrische Drehmoment M el wirkt: Mel D k1 V I cos ' Durch den Permanentmagneten (Wirbelstrombremse, Bremsmagnet) entsteht ein Gegendrehmoment M mag proportional zur Drehzahl n der Metallscheibe. Mmag D k2 n Über die Gleichgewichtsbeziehung Mel D Mmag folgt daraus für die Drehzahl der Scheibe: k1 U I cos ' d. h. n P nD k2 146 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.60 Anschluss des Wirkarbeitszählers im Einphasenwechselstromnetz Die Integration über die Zeit (Zeitberücksichtigung) erfolgt einfach durch Zählen der Scheibenumdrehungen und damit ist der Zählerstand proportional zur elektrischen Arbeit mit W DU I t Abbildung 2.60 zeigt den Anschluss des Wirkarbeitszählers im Einphasenwechselstromnetz. Der Anschluss des Wirkarbeitszählers ist ähnlich dem Leistungsmesser. 2.5.3 Leistungsmessung bei Drehstrom Die Leistung eines Drehstromsystems ist die Summe der Leistungen in den einzelnen Strängen (Phasen). Im Allgemeinen benötigt man zur Messung der Wirkleistung P in einem Drehstromsystem pro Phase ein Wattmeter. Abbildung 2.61 zeigt die allgemeine Wirkleistungsmessung in einem Vierleitersystem mit beliebiger Belastung. Die Gesamtleistung Pges ist die Summe der drei Einzelleistungen PStr in den einzelnen Strängen mit Pges D PStr1 C PStr2 C PStr3 Abb. 2.61 Allgemeine Wirkleistungsmessung in einem Vierleitersystem mit beliebiger Belastung 2.5 Elektrische Arbeit und Energie 147 Abb. 2.62 Wirkleistungsmessung in einem symmetrisch belasteten Dreileiterdrehstromsystem In symmetrisch belasteten Systemen sind die einzelnen Strang- bzw. Phasenleistungen identisch. Es genügt damit, die Leistung in einem Strang bzw. in einer Phase zu messen und diese Strangleistung PStr mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Die Gesamtleistung errechnet sich aus Pges D 3 PStr D 3 UStr IStr cos ' Bei gegebenen Leiterspannungen lautet die Formel für die Gesamtleistung Pges sowohl bei Stern- als auch Dreiecksbelastung: p Pges D 3 U I cos ' Dies gilt analog auch für die Scheinleistung S und die Blindleistung Q. In Dreileitersystemen mit symmetrischer Belastung stehen nur die verketteten Spannungen zur Verfügung, denn der Sternpunkt kann entfallen. Hier muss dann ein künstlicher Sternpunkt realisiert werden, wie Abb. 2.62 zeigt. Die Widerstände R dieses Hilfsnetzwerks müssen gleich dem Widerstand des Spannungspfades in dem Messwerk RS sein. In Dreileitersystemen mit beliebiger Belastung (unsymmetrischer Belastung) lässt sich ebenfalls eine Reduzierung der Messwerke realisieren, wie folgende Formel zeigt: Pges D U12 I1 cos ' C U32 I3 cos ' Um die Gesamtwirkleistung zu messen, genügen in diesem Fall zwei Messgeräte. Abbildung 2.63 zeigt eine Wirkleistungsmessung im Dreileitersystem mit beliebiger unsymmetrischer Belastung. Diese Methode bezeichnet man als Zweiwatt- oder Aronschaltung. In Drehstromsystemen vereinfacht sich die Blindleistungsmessung gegenüber der Messung im Einphasensystemen erheblich, da immer zwei Spannungen vorhanden sind, die aufeinander senkrecht wirken und damit sind keine phasendrehenden Schaltungen erforderlich. Abbildung 2.64 zeigt eine Blindleistungsmessung im symmetrisch belasteten Drehstromsystem, wobei die in der Phase L1 verbrauchte Blindleistung gemessen wird. Zu 148 2 Theorie und Praxis der Wechsel- und Drehstromtechnik Abb. 2.63 Wirkleistungsmessung im Dreileitersystem (Sternschaltung) mit beliebiger unsymmetrischer Belastung Abb. 2.64 Blindleistungsmessung im symmetrisch belasteten Drehstromsystem Abb. 2.65 Blindleistungsmessung im symmetrisch belasteten Drehstromsystem mit Spannungsund Stromwandler 2.5 Elektrische Arbeit und Energie 149 Abb. 2.66 Anschluss des Wirkarbeitszählers im Drehstromnetz p beachten ist, dass die verkettete Spannung um den Faktor 3 größer ist als die Strangbzw. Phasenspannung. Die Blindleistung eines Strangs oder einer Phase beträgt QStr D Pgemessen p 3 Die Gesamtblindleistung ist Qges D 3 QStr D 3 p Pgemessen D 3 Pgemessen p 3 Abbildung 2.65 zeigt die Blindleistungsmessung im symmetrisch belasteten Drehstromsystem mit Spannungs- und Stromwandler. Abbildung 2.66 zeigt den Anschluss des Wirkarbeitszählers im Drehstromnetz. Die Nennwerte des Einphasenwechselstrom- und Drehstromzählers sind die Netzspannung und der fließende Netzstrom. Im Dauerbetrieb sind die Zähler gegen eine Überspannung und -ströme bis zu einer Überlastung von 25 % geschützt. Die Genauigkeitsklasse bleibt aber auch bei diesen Überlastungswerten erhalten, d. h. es tritt kein zusätzlicher Fehler auf. http://www.springer.com/978-3-8348-1606-1