Predigt über Galater 5, 25 – 6,2 (Pfarrer Oliver Ruoß, 01. 03. 2015

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Predigt über Galater 5, 25 – 6,2 (Pfarrer Oliver Ruoß, 01. 03. 2015)
Ein indischer Dorfpfarrer fragte ein Gemeindemitglied, wie es ihm mit seinem Glauben geht. Der antwortet: “Es
ist, als hätte ich in meinem Herzen zwei Katzen, eine weiße und eine schwarze. Beide kämpfen dauernd
miteinander.“ Der Pfarrer sagte: „Das ist ganz normal.“ Da fragte der Mann: „Aber welche Katze wird denn
gewinnen?“ Und der Pfarrer antwortete: “Diejenige, die auf Dauer besser gefüttert wird.“
Wovon lassen wir uns prägen und bestimmen? Von Gott und seinem Geist, oder von ganz anderen Einflüssen? In
dieser Woche hatten wir ökumenische Bibeltage zu Texten aus dem Galaterbrief. Heute zum Abschluss der
Bibelwoche der Text vom Ende des Galaterbriefes, den wir vorhin schon einmal in der Lesung gehört haben. Was
der indische Christ als Kampf zwischen der weißen und der schwarzen Katze beschreibt, das bezeichnet Paulus
kurz vor unserem Abschnitt als Kampf zwischen Geist und Fleisch. „Das Fleisch begehrt auf gegen den Geist
und der Geist gegen das Fleisch“ heißt es da. Und dann fordert Paulus dazu auf: 25Wenn wir durch den Geist
Gottes das Leben haben, dann gilt: Aus diesem Geist heraus wollen wir auch unser Leben führen. 26Wir sollen
nicht überheblich auftreten, einander nicht herausfordern und nicht neidisch aufeinander sein. 61Brüder und
Schwestern, nun kann es vorkommen, dass sich jemand zu einer Verfehlung hinreißen lässt. Dann sollt ihr, die ihr
ja vom Geist geleitet werdet, ihn zurechtweisen. Tut dies mit der Freundlichkeit, die der Geist schenkt. Dabei muss
jeder für sich selbst darauf achten, dass er nicht auch auf die Probe gestellt wird. 2Helft einander, die Lasten zu
tragen. So erfüllt ihr das Gesetz, das Christus gegeben hat.
Paulus sagt: Aus diesem Geist heraus, diesem Geist Gottes entsprechend, wollen wir auch unser Leben führen.
Ich möchte zwei Aspekte herausstellen, wo das konkret wird. Aber vorher noch eine Anmerkung zu diesem
Gegensatz von Geist und Fleisch. Immer wieder sind diese Worte des Paulus so gedeutet worden, dass man unter
„Fleisch“ die körperlichen Wünsche und Bedürfnisse und Triebe des Menschen verstanden hat. Dementsprechend
sind in der Kirche oftmals diese körperlichen Bedürfnisse schlechtgemacht worden, als sündig verstanden worden,
insbesondere die Sexualität, aber auch etwa die Freude an Essen und Trinken. Etwas salopp gesagt: Alles was
Spaß macht ist eigentlich verboten. Und damit hat man Paulus gründlich missverstanden. Gegen alle Abwertung
des Leiblichen, des Körperlichen sagt Paulus einmal ausdrücklich: „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und
nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird.“ ( 1 Tim 4, 4). Wo ich mich daran freue und Gott
dafür danke, für Essen und Trinken, für die Gabe der Sexualität, da verhalte mich geistlich und gerade nicht
fleischlich: Fleischlich meint, dass man ohne Gott und gegen Gott und seinen Willen lebt und sich egoistisch und
lieblos verhält. Wo ich Gott für seine Gaben danke und ihn so einbeziehe, da werde ich nicht lieblos und
egoistisch damit umgehen und verhalte mich geistlich, nämlich dem Geist Gottes entsprechend. In der
griechischen Philosophie gab es durchaus Strömungen, wo gesagt wurde: Der Körper, überhaupt alles Materielle
ist minderwertig oder sogar schlecht, nur das Geistige ist gut und wertvoll. Das sagt Paulus hier gerade nicht.
Sondern er sagt: In beidem, im Bereich des Körperlichen wie im Bereich des Geistigen kann ich mich geistlich
oder fleischlich verhalten. Nämlich Gott und seinem Willen entsprechend oder ihm widersprechend. Und es ist ein
durchaus auch alltagstaugliches Kriterium, um festzustellen, ob ich mich geistlich oder fleischlich verhalte: Ob ich
nämlich Gott danken kann für das, was ich gerade tue und genieße. - Paulus nennt in unserem Text verschiedene
geistliche Verhaltensweisen. Zwei Aspekte möchte ich herausgreifen.
1.) Geistlicher Umgang mit Fehlern
Ein junger Mann landete wegen Unterschlagung im Gefängnis. Gefragt, wie es dazu kommen konnte, antwortete
er: „Mich hat niemand so gut leiden können, dass er mich kritisiert hätte.“ Wenn jemand Fehler macht, wenn
jemand sich auf einem falschen Weg befindet, dann gibt es zwei weit verbreitete ungeistliche, falsche
Verhaltensweisen – leider durchaus auch in christlichen Gemeinden. Die eine: Man lässt den anderen einfach so
machen. Ich will mich nicht einmischen, ist ja seine Sache, was er macht. Das geht mich nichts an. Es ist ziemlich
wahrscheinlich, dass man über den anderen und über seine Fehler redet. Aber man redet nicht mit ihm darüber.
Vielleicht, weil man sich nicht traut. Vielleicht, weil es wirklich so ist wie dieser junge Mann es empfunden hat:
„Mich hat niemand so gut leiden können, dass er mich kritisiert hätte.“ Der andere ist einem gleichgültig, und
deswegen lässt man ihn seine falschen Wege gehen. Der andere problematische, ja ungeistliche Umgang mit den
Fehlern anderer ist, dass man den anderen wegen seiner Fehler fertigmacht, dass Kritik hart und verletzend ist und
oft mit einer gehörigen Portion Selbstgerechtigkeit und Überlegenheitsgefühl gepaart. Jemand hat mal gesagt:
„Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.“ Paulus sagt: Ein geistlicher, ein dem
Geiste Gottes entsprechender Umgang mit den Fehlern anderer sieht anders aus: Weder gleichgültiges
Drüberwegsehen noch hartes, liebloses und überhebliches Rumkritisieren. Sondern: Wenn jemand einen Fehler
gemacht hat, wenn sich jemand auf einem falschen Weg befindet, dann sollt ihr, die ihr ja vom Geist geleitet
werdet, ihn zurechtweisen. Tut dies mit der Freundlichkeit, die der Geist schenkt. Dabei muss jeder für sich selbst
darauf achten, dass er nicht auch auf die Probe gestellt wird.
Dass eine Gemeinschaft, dass eine Gemeinde von Gottes Geist geprägt ist, zeigt sich nicht daran, dass es dort
keine Fehler und Verfehlungen gäbe. Die kommen vor, das ist bei uns Menschen so. Wie weit eine Gemeinschaft
von Gottes Geist geprägt ist, zeigt sich daran, wie mit den Fehlern und Verfehlungen umgegangen wird. Dass der
andere einem nicht so unwichtig ist, dass man ihn einfach machen ließe. Sondern dass man ihn oder sie darauf
anspricht. Aber so, dass er das auch annehmen kann. Nämlich freundlich, liebevoll. Und mit dem Bewusstsein,
dass ich nicht über dem anderen stehe, sondern selbst jemand bin, der Fehler hat und Fehler macht.
In unserer Gesellschaft ist es oft so, dass man, wenn man etwas Blödes gesagt oder getan hat, mit Spott und Häme
überzogen wird, und wenn man ein wenig in der Öffentlichkeit steht, dann wird man von einem Shitstorm
überrollt. Eine Teamerin aus unserer Konfirmandenarbeit hat mir einmal erzählt, wie sie die Gemeinschaft
innerhalb der Jugendarbeit hier in unserer Gemeinde erlebt hat. Sie hat gesagt: „Auch wenn man mal was Blödes
gesagt hat oder gemacht hat, wird man hier nicht fertig gemacht, sondern trotzdem angenommen.“ Mich hat das
sehr beeindruckt und gefreut, dass sie das so empfunden hat. Dass an der Stelle die Atmosphäre, der Umgang
miteinander geprägt ist von Gottes Geist. Und ich wünsche mir, dass ein solcher geistlicher Umgang mit Fehlern
bei uns insgesamt immer mehr spürbar wird. Geistlicher Umgang mit Fehlern, das war das eine, jetzt noch ein
zweites:
2) Lasten tragen
Der bekannteste Vers aus unserem Text ist wohl der vom Lastentragen. In der Lutherübersetzung lautet er: „Einer
trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“
Einer trage des anderen Last – das ist eine Konkretisierung des Gebotes der Nächstenliebe: Nächstenliebe meint
nicht ein warmes Gefühl im Herzen, sondern Nächstenliebe sieht die Lasten des anderen und packt konkret zu und
versucht, so gut wie möglich tragen zu helfen. „Einer trage des anderen Last“ - das hört sich zunächst mal ganz
schön anstrengend und belastend an. Aber wenn man genau hinguckt, hat es zugleich auch auch etwas
Entlastendes: Denn wenn einer des anderen Last trägt, dann bedeutet das ja: Auch meine Lasten muss ich nicht
allein tragen. Die Lasten werden umverteilt, Lasten und Belastungen werden auf mehrere Schultern verteilt und
können so besser getragen und ertragen werden.
Lasten gibt es in jedem Leben. Es gibt die alltäglichen Lasten: Der Mülleimer, der hinausgetragen werden muss.
Der alltägliche Stress und Ärger, den man im Beruf hat oder in der Familie. Und es gibt die großen und schweren
Lasten des Lebens, Sorgen um die Zukunft, Krankheit und Abschied und Verlust. Gut, wenn man diese Lasten
nicht alleine trägt, sondern wenn wir es in unserer Familie, in unseren Freundschaften, aber auch in der Gemeinde
so erleben: Einer trägt des anderen Last. Damit das gelingt, dazu ist viel Aufmerksamkeit nötig: Dass ich es sehe,
dass jemandem die Einkaufstasche oder der Koffer viel zu schwer ist. Dass ich sehe und wahrnehme, woran der
andere schwer zu tragen hat. Aufmerksamkeit ist nötig. Und die Bereitschaft, dem anderen zu sagen und zu
zeigen, was mich belastet und runterdrückt. „Ich schaff das schon alleine“, „ich brauche keine Hilfe“, „ich mach
das mit mir alleine aus“ - das sind Sätze und Einstellungen, die letztlich im Widerspruch stehen zum „Einer trage
des anderen Last“. Ich schlage Ihnen für die kommende Woche eine kleine praktische Übung vor. Achten Sie doch
mal darauf, wie Sie umgehen mit dem Satz „Wie geht es dir?“. Dieser Satz ist ja weitgehend nur eine Floskel.
„Wie geht es Dir?“ - Darauf antwortet man in aller Regel. „Danke gut!“ Oder vielleicht auch noch „Muss ja“. Und
dann kann man weitermachen in der Konversation und über das Wetter reden oder über die Fußballergebnisse. Ein
Freund erzählte mal, wie jemand ihn begrüßte mit „Guten Tag, wie geht`s denn so?“ Und er antwortete: „Danke
schlecht.“ Darauf der andere. „Das ist ja schön.“ Der hatte gar nicht gemerkt, was da gesagt wurde, er ist einfach
von der floskelhaften typischen Antwort ausgegangen. Versuchen Sie doch in der kommenden Woche diese Frage
als wirklich ernsthafte Frage zu verstehen: Jemanden ganz bewusst und mit echtem Interesse fragen: “Wie geht es
dir eigentlich?“ Und vielleicht erzählt mir der andere dann von seinen Lasten. Und wird schon dadurch entlastet,
dass er davon erzählen kann. Und vielleicht antworten Sie ja auch mal ganz offen und ehrlich auf die Frage „Wie
geht es Dir?“ Und teilen ihre Lasten mit jemand anderem.
Ein letztes noch zum Schluss: Die Grundlage für das „Einer trage des anderen Last“ steht im zweiten Teil des
Verses: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ „Das Gesetz Christi erfüllen“ das meint nicht, ein bestimmtes Gebot erfüllen. Das Gesetz Christi erfüllen, das heißt: Versuchen, so zu leben, wie
Jesus es vorgelebt hat. Denn er ist der große Lastenträger. Auf der Rückseite des Abkündigungszettels befindet
sich heute ein Bild, in dem dies sehr anschaulich wird. Jesus, der Lastenträger. Er ist es, der unsere Schuld trägt.
Er ist es, der Leiden und Sterben ertragen hat, um uns in unserm Leiden und Sterben zu begleiten und zu tragen.
Er ist es, der uns trägt und aushält, auch wenn wir ihn immer wieder vergessen und uns von ihm entfernen.
Wenn ich mich von ihm getragen weiß, dann hilft mir das, den anderen und seine Lasten mitzutragen. Wenn ich
mich von ihm getragen weiß, hilft mir das, in Liebe auch das zu ertragen, was am anderen beschwerlich ist. Ich
schließe mit Worten des Liederdichters Manfred Siebald: "Ein jeder trage die Last des andern, so wie es Jesus
geboten hat. Ein jeder trage die Last des andern, so wie es Jesus für jeden tat. Keiner ist da zu schwach und zu
ungeschickt. Denn wer immer es wagt, der stellt fest: Auch der Schwächste kann tragen, was andre bedrückt,
wenn er selbst sich von Gott tragen lässt." Amen
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