22 zement + beton 1_11 | Betonoberflächen Friedhof Schruns Montafon, Vorarlberg Architektur | lang vonier architekten Text | lang vonier architekten Bilder | © lang vonier architekten Pläne | © lang vonier architekten Orte der Stille – die Aufbahrungshalle thematisiert den Tod und das Sterben in einer dem Betrachtenden eigene Reflexionen ermöglichenden Weise. Durch das entmaterialisierte Kreuz in der Stirnwand des offenen Durchganges erfährt die Gemeinschaft der Menschen eine zeitgemäße Entsprechung. Einige wenige Materialien verstärken die Wirkung. Der in den 1970er­Jahren erweiterte Friedhof Schruns ist eine kompakte und durch Grabwände klar abgegrenzte An­ lage in unmittelbarer Zentrumsnähe der Montafoner Gemeinde Schruns. Die Zeit hat es notwendig gemacht, den bereits mehrfach erweiterten Friedhof neu zu gestalten. Die Hauptachse der Wegführung endet in einem offenen Raum, der als Frag­ ment einer Kapelle das Gemeinschafts­ grab aufnimmt. Der Aufbahrungsraum bietet Platz für ca. 50 Sitzplätze und 150–200 Stehplätze. In dem Gebäude sind weiters eine WC­Anlage für Fried­ hofsbesucher, ein Umkleideraum für die Geistlichkeit, ein Kühlraum sowie zwei Lagerräume für den Leichenbestatter vorgesehen. Der Formen­ und Farbviel­ falt der Gräber stellen sich einige wenige Materialien gegenüber. Die Außenwände der Aufbahrungshalle sind in Sichtbeton erstellt. Glas, Tombak, roh belassenes Eichenholz und Leinen stehen ihm zur Seite. Nach Vorgabe der Architekten wurden neben glattem Sichtbeton Teil­ stellen der Fassade in gestockter Ober­ fläche herausgearbeitet. In die Schalung wurden Betoplanplatten eingelegt, die gestockte Oberfläche wurde nach meh­ reren Versuchen an Probestellen durch Behandlung mit dem Nagelhammer erreicht. Eigens hergestellte Negativ­ formen aus Aluminiumblech, mittels Doppelklebeband an die Fassade befes­ tigt, garantierten dabei die scharfe Kante der unterschiedlich geschwungenen Formen. Die Reinigung der Fassade erfolgte mit Schaumglas. Z+B 1_11.indd 22 28.02.11 12:59 zement + beton 1_11 23 … die gestockte Oberfläche wurde nach mehreren Ver­ suchen an Probestellen durch Behandlung mit dem Nagelhammer erreicht. Im Inneren der Kapelle reduziert sich die Gestaltung auf das Wesentliche. Durch das entmaterialisierte Kreuz in der Stirn­ wand des offenen Durchganges erfährt die Gemeinschaft der Menschen eine zeitgemäße Entsprechung, in dem sie nicht auf die Alleingültigkeit der christli­ chen Symbolik beharrt, sondern sich selbst aufhebt. Neben der frühzeitigen Einbindung aller Entscheidungsträger (Raumplanung, Denkmalschutz, Baubehörde, Mitar­ beiter) in den Planungsprozess, dem Einsatz von einheimischen und wertbe­ ständigen Baustoffen, der Ausführung durch ortsansässige Firmen und deren Einbindung durch Spendenbeteiligung zur Projektfinanzierung zeigen auch die Bedarfsklärung vor Planungsbeginn und der minimale zusätzliche Boden­ verbrauch optimale Nachhaltigkeits­ effekte. Die fortwährende Präsentation des Planungsstandes durch gezielte Öffent­ lichkeitsarbeit während der Planungs­ und Bauzeit garantiert eine lang anhal­ tende Akzeptanz und Identifikation der Bevölkerung mit der Anlage. Alle neuen Bauwerke sind ihrer Nutzung entspre­ chend ungedämmt; die Nebenräume der Aussegnungshalle, welche einen Grund­ bedarf an Wärmeschutz benötigen, sind innen liegend gedämmt, sodass auch die Betriebskosten gering ausfallen. Die gegenseitige Wertschätzung und die intensive Zusammenarbeit mit allen Projektbeteiligten im Zusammenspiel mit der Bevölkerung lassen so eine neue Qualität entstehen, deren Signalwirkung durch das Zitat von Erich Fried „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt“ belegt wird und Mut für Kommendes – im einfachen wie im übertragenen Sinn – macht. Projektdaten: Autoren: Bauherrschaft: Marktgemeinde Schruns | Architekten: lang vonier architekten/MA Christian Neff | Statik: Mader & Flatz Ziviltechniker GmbH | Projektleiter: DI Pfeifer | Baufirma: Gebrüder Vonbank Bau GesmbH | Projektzeitraum: 2009 | Nutzfläche: 202 m² | Überbaute Fläche: 195 m² | Umbauter Raum: 1.170 m3 | lang vonier architekten www.lang-vonier.com Z+B 1_11.indd 23 28.02.11 12:59