ABC der Musik Basiswissen musikalische Akustik 1 Grundlagen Als Akustik wird die physikalische Wissenschaft von den Schallwellen bezeichnet. Als Schall bezeichnet man die sich wellenartig ausbreitende räumliche und zeitliche Druckänderung eines elastischen Mediums. Die musikalische Akustik beschäftigt sich mit diesen Wellen im Frequenzbereich des menschlichen Hörens (16-20'000 Hz), und der Übertragung aufs Ohr bzw. der Verarbeitung im Gehirn. Im vorliegenden Skript sollen folgende Gesichtspunkte näher erläutert werden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Schall Schallausbreitung Frequenz und menschlicher Hörbereich Schwingungen Geräusch, Ton und Klang Obertonreihe und Formanten Intervallberechnung 1. Schall Schall wird durch eine Schallquelle, also durch einen schwingenden Körper ausgelöst und durch ein elastisches Medium (z.B. Luft, Wasser etc.) übertragen. Die Moleküle des Schallerzeugers geben ihre Schwingungen an die Moleküle des Mediums (hier Luft) weiter. Dabei kommt es zu Zu- und Abnahme der Molekülabstände, zu Luftdruckschwankungen (Schalldruck p, gemessen in Mikropascal), die den schon vorhandenen Luftdruck überlagern. Dieser Vorgang breitet sich wellenförmig aus. Die Wahrnehmung von Schall unterliegt einer gewissen Gesetzmässigkeit. Die Schallpegelskala in Dezibel (dB) ist dieser Gesetzmässigkeit angepasst. Eine Verdoppelung des Schalldrucks entspricht einem Pegelanstieg von ca. 6dB. 2. Schallausbreitung Schallwellen breiten sich - ähnlich der Wasserkreise, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird - kugelförmig aus. Bei einer ungestörten Schallausbreitung spricht man von einem freien Schallfeld. Im täglichen Leben ist das Schallfeld aber meist durch Objekte gestört, durch Gegenstände, Wände und auch Personen. Sie beeinflussen die Ausbreitung des Schalls. Alle Schallwellen, ob Sprache, Musik oder Lärm, breiten sich mit der gleichen Geschwindigkeit aus. In der Luft beträgt die Schallgeschwindigkeit 344 Meter pro Sekunde, was ca. 1240 Kilometern pro Stunde entspricht. Diese Geschwindigkeit variiert in Abhängigkeit von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck leicht. In Wasser ist die Schallgeschwindigkeit mehr als dreimal so gross (1480 Meter pro Sekunde), in Eisen rund 15mal so gross wie in der Luft (5000 Meter pro Sekunde). ►Sie können die Schallfortpflanzung als Luftdruck sichtbar machen, indem Sie eine brennende Kerze vor einen Lautsprecher stellen. ►Dezibelskala mit Hörtest http://hearcom.eu/main/usertrials/yourhearingloss/dbScaleLargeImage_de.html ►Dezibelskala II http://www.dasgesundeohr.de/ohr/305_die_Lautstaerkenskala.shtml ►Dezibelskala III: http://www.laermorama.ch/ ►Stellt man einen rasselnden Wecker unter eine Glasglocke und saugt dann die Luft ab, wird das Rasseln stetig leiser. Im Vakuum verstummt das Rasseln. 3. Frequenz und menschlicher Hörbereich Die Frequenz eines Schallereignisses wird durch die Anzahl Schwingungen pro Sekunde definiert. Die Einheit Hertz (Hz) erhielt ihren Namen nach dem deutschen Physiker Heinrich Rudolf Hertz, der den experimentellen Nachweis elektromagnetischer Wellen lieferte. ABC- Akustik 1 1 Die menschliche Hörgrenze nach unten liegt bei ca. 16 Hz (entspricht dem Subkontra-C). Der Bereich unter der Hörgrenze heisst Infraschall und ist z.B. bei Motorengeräuschen, Wind, Brandung oder Erdbeben hör- bzw. spürbar. Die obere Hörgrenze liegt bei ca. 20'000 Hz, mit zunehmendem Alter stark abnehmend. Der Bereich über der Hörgrenze heisst Ultraschall. In der traditionellen Musikpflege werden Frequenzen bis ca. 10'000 Hz verwendet (Orgel). Darüber sind aber Obertöne (siehe 6.) hörbar, die v.a. die Klangfarbe von Schallereignissen beeinflussen. Sprechen bewegt sich im Bereich von ca. 300-500 Hz. ►Die Hörschwelle (auch Ruhehörschwelle) ist derjenige Schalldruck, beziehungsweise Schalldruckpegel, bei dem unser Gehör Töne oder Geräusche gerade noch wahrnimmt. Quelle Grafik: http://www.itwissen.info/definition/lexikon/Sprache-speech.html (besucht am 12.3.2011) 4. Schwingungen und Wellen Schallereignisse lassen sich durch ihren Schwingungsverlauf darstellen. Einfache Töne enthalten nur eine Frequenz. Sie lassen sich z. B. mit Stimmgabeln, einfachen akustischen Signalen von Uhren, Handys oder auch pfeifenden Hörgeräten erzeugen. Die einfachste Schwingungsform gleicht einer Sinuskurve. Schallereignisse, die durch sinusförmige Schwingungen hervorgerufen werden, bezeichnet man als reine Töne oder Sinustöne. Sie werden künstlich erzeugt und kommen in der Natur nicht vor. Tragen Sie eine Sinuskurve in das untenstehende Diagramm ein, bezeichnen und definieren Sie die nachfolgenden Parameter: ►Sinusschwingung http://web.fbe.uni-wuppertal.de/fbe0014/ars_auditus/ http://www.schulphysik.de/java/physlet/applets/sinus1.html Elongation e: Zeit t: Amplitude: Periodendauer T: ABC- Akustik 1 2 ►Phase und Phasenwinkel: Animation zu Einheitskreis und Phasenwinkel unter Phase : http://www.geogebra.org/de/upload/files/dynamische_arbeitsblaetter/lwolf/wellen/welle2.html Frequenz f: ►Exkurs elektronische Musik: Phasenverschiebung (phase shifting) als kompositorisches Prinzip bei Steve Reichs (*1936) It’s gonna rain (ab 2:17) unter http://www.youtube.com/watch?v=q0DQRfm0uL8 Veränderungen der Amplitude und der Frequenz haben wichtige Auswirkungen auf die Hörwahrnehmung. ►Auswirkung von Amplitude und Frequenz auf unsere Hörwahrnehmung: http://web.fbe.uni-wuppertal.de/fbe0014/ars_auditus/ Interferenz und Schwebung Einzelwellen kommen in der Praxis so gut wie nie vor. Die Überlagerung von Wellen wird Interferenz genannt. Die Überlagerung von zwei Wellen gleicher Frequenz ergibt eine Verstärkung bei gleicher Phase. Die Amplitude der resultierenden Welle entspricht der Summe der Ausgangsamplituden. Bei entgegengesetzten Phasen schwächen sich Wellen ab und löschen sich bei einer Phasenverschiebung von 180° und gleicher Amplitude sogar aus. ►Graphische Animation zu Interferenz: http://www.elsenbruch.info/ph12_interferenz.htm Überlagern sich Wellen verschiedener Frequenzen und Amplituden ergeben sich komplizierte Wellenformen (siehe 4.). ►Schwebung Wenn die Wellen von zwei Schallquellen nahezu die gleiche Frequenz haben, entstehen Schwebungen. Die Amplitude der resultierenden Welle schwankt regelmässig, was als An- und Abschwellen der Lautstärke hörbar wird. Mit Hilfe von Schwebungen können u.a. Saiteninstrumente gestimmt werden. ►Interferenz und Schwebung: Video unter http://www.schulphysik.de/java/physlet/applets/schwebung1.html http://www.youtube.com/watch?v=aUV8gxeAa_o bis ca. 3:06 Ein- und Ausschwingzeiten Wird eine Welle gedämpft, nimmt sie durch Reibung und Wärmeenergieverlust ab. Diese Welle läuft aus, die dazu benötigte Zeit heisst Ausschwingzeit. Durch erhöhte Energiezufuhr kann eine Welle erzwungen werden. Die Zeit bis zur vollen Amplitude der Welle heisst Einschwingzeit. Ein- und Ausschwingzeit bewegen sich im Bereich von Sekundenbruchteilen und sind massgeblich für Klangfarben (siehe 5.) verantwortlich. ►Würden beim Bearbeiten von Aufnahmen eines Tones verschiedener Instrumente die Ein- und Ausschwingvorgänge abgeschnitten, wäre das Erkennen eines Instrumentes erschwert bzw. verunmöglicht. 5. Geräusch, Ton und Klang Ein Geräusch ist ein Schallereignis mit zahlreichen Teilfrequenzen, zwischen denen kein gesetzmässiger Zusammenhang besteht. Die Schwingung ist nicht periodisch, es kann keine Tonhöhe bestimmt werden. Machen Sie sich mit folgenden Begriffen vertraut: "Weisses Rauschen" ABC- Akustik 1 3 “Bandpassrauschen“ ►Rauschen http://web.fbe.uni-wuppertal.de/fbe0014/ars_auditus/ Werden mehrere Sinusschwingungen unterschiedlicher Frequenzen und Amplituden überlagert, ergibt sich eine periodische Schwingung, deren Amplitudenverlauf aber von der Sinusform abweicht. Stehen die Frequenzen der Einzelschwingungen dabei in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander, bezeichnet die Physik dieses Schallereignis als Klang, die Musik hingegen als Ton. ►Exkurs: Der Futurist Luigi Russolo und seine Intonarumori (1914) unter http://www.medienkunstnetz.de/werke/intonarumori/audio/6/ Die Terminologie in der Akustik und in der Musik unterscheidet sich: Akustik Ton, Sinuston, reiner Ton, einfacher Ton Klang, einfacher Klang, harmonischer Klang Klanggemisch, Mehrfachklang, Zusammenklang Musik Ton Ton Klang Untenstehend ist ein aus drei Teilschwingungen zusammengesetzter Klang mit Grundschwingung und den ersten beiden Oberschwingungen (vgl. 6.) visualisiert. Die dabei empfundene Tonhöhe entspricht der Frequenz der Grundschwingung. Die darauf aufbauenden Teilschwingungen (in ganzzahligem Verhältnis) bezeichnet man als Oberschwingungen, Obertöne oder Harmonische (Obertonreihe unter 6.): ►Grafik links mit Hörbeispiel zu den einzelnen Schwingungen und der resultierenden Schwingung unter http://web.fbe.uni-wuppertal.de/fbe0014/ars_auditus/ ►Exkurs: Physik sichtbar gemacht durch Chladni.-Klangbilder. http://de.wikipedia.org/wiki/Chladnische_Klangfigur Ernst Florens Friedrich Chladni veröffentlicht 1787 die Schrift Entdeckung über die Theorie des Klanges. Darin beschreibt er, wie man Klangfiguren mit Sand auf (in Schwingung versetzten) Metallplatten erzeugt. Auf natürliche Weise erzeugte Töne (Stimme, Instrumente) sind also - physikalisch gesehen – immer Klänge. Weitere Schwingungsformen Die physikalischen Klänge können unterschiedliche (idealisierte) Formen ergeben. Häufige Schwingungsverläufe sind z.B.: Chladnische Klangfigur auf einer Violin-Decke. ►Kurzfilm A work in progress http://www.youtube.com/watch?v=ntYVjngvyo&feature=related Sägezahnschwingung (Saw) Die Sägezahnschwingung beinhaltet alle Partialtöne (vgl. Seite 6.) ABC- Akustik 1 4 ►Online-Synthesizer mit direktem Vergleich Sägezahnund Rechteckschwingung unter Rechteckschwingung (Square) Die Rechteckschwingung beinhaltet alle ungeradzahligen Partialtöne. http://www.schulphysik.de/java/physlet/applets/synthese.html Dreieckschwingung (Triangle) Die Dreieckschwingung beinhaltet alle ungeradzahligen Partialtöne. 6. Obertonreihe Der Aufbau eines physikalischen Klanges aus seinen Teiltönen ist naturbedingt. Man nennt diese Obertonreihe auch Partialtonreihe, Teiltonreihe, Naturtonreihe oder Harmonische. ►Naturtonreihe mit Hörbeispiel z.B. unter http://www.lehrklaenge.de/html/die_obertonreihe.html http://www.musicademy.de/index.php?id=2324 Schreiben Sie im Notensystem die Partialtonreihe von C bis zum 16. Oberton. Teiltöne: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. Frequenz:64 128 192 256 320 384 448 512 n Saitenlänge: 2n 3n 4n 5n 6n 7n 8n 9n 10n 11n 12n 13n 14n 15n 16n 1 1/2 1/3 1/4 1/5 1/6 1/7 1/8 Die Pfeile bezeichnen Töne, die etwas tiefer bzw. höher als in der gleichschwebend temperierten Stimmung klingen. Als Naturtöne der Blechbläser werden sie korrigiert (Züge, Atemdruck). Klangfarbe Für das Ohr ist normalerweise nur der Ton (physikalischer Klang) als Ganzes hörbar, die einzelnen Teiltöne vermag es nicht herauszuhören. Die Obertonreihe bestimmt weitgehend den Klang eines Schallereignisses durch ihre Ausprägungen der einzelnen Obertöne (Formanten). Neben Ein- und Ausschwingvorgang, die ebenfalls an der Klangfarbe beteiligt sind, beeinflussen Material, Bauweise und Anspielart eines Instrumentes die Obertonreihe stark. Die Intensität (Lautstärke) der Obertöne ist dabei meist kleiner als die des Grundtones. Mit zunehmender Frequenz (Tonhöhe) der Obertöne nimmt auch deren Intensität ab. Darstellung von Schallereignissen Im Oszillogramm werden Kurven zeitlich dargestellt. Ablesbar sind also die (resultierende) Tonhöhe (x-Achse) und die Lautstärke (y-Achse). Alle bisherigen Graphiken unter 4. und 5 sind folglich Oszillogramme. ►Klangfarbe I: Veränderung der Klangfarbe hören unter http://web.fbe.uni-wuppertal.de/fbe0014/ars_auditus/ ►Exkurs: Die spezifischen Formanten von Vokalen unter http://www.sengpielaudio.com/Vokaldreieck.pdf ►Exkurs Renaissance und Barock: Ein solistisch besetztes Bläserensemble gestaltete das sog. Abblasen oder die Turmmusik. Es erklangen zu festen Zeiten Fanfaren, Choräle, etc. Im Trompetenensemble bliesen 5 bis 7 Trompeter gemäss ihrem Können: Die tiefen Stimmen (sog. Faulstimmen) lange Haltetöne (1.-3. Teilton), unterstützt von Pauken; die mittleren Stimmen Dreiklangsfiguren bis ca. zum 8. Teilton. Die bestbezahlten Bläser waren die oberen Stimmen (Prinzipal und Clarino) mit Tonleitern. Beispiel für Trompetensatz: Toccata von Monteverdes Oper L’Orfeo (1607) http://www.youtube.com/watch?v=mjpFi9bn1do In den Teiltonspektren werden die einzelnen Obertöne bezüglich ihren Teiltonorten bzw. ihrer Tonhöhe (Frequenz-Ordinate) und der jeweiligen Lautstärke ABC- Akustik 1 5 (Schalldruck in Pascal, p) definiert. Aus diesen Darstellungen kann man Rückschlüsse über die Klangfarbe eines Schallereignisses ziehen. In den Graphiken sind drei Schallereignisse (Sinuston als einfache Kurve, Klang des Vokals a als komplizierte Überlagerungskurve und Geräusch als Gemisch von unregelmässigen Schwingungen) jeweils im Oszillogramm (links) und im Teiltonspektrum (rechts) abgebildet: ►Exkurs: Liste mit Frequenzbereichen von Vokalen sowie versch. Instrumenten(gruppen) unter http://www.sengpielaudio.com/FormantenPraegenDieKlangfarbe.pdf ►Klangfarbe II: Klangbeispiel und Teiltonspektrum Klarinette unter http://www.musicademy.de/index.php?id=2337 (unterer Teil der Seite) Quelle Grafik: DTV Atlas der Musik (1996) 7. Intervallberechnung Da die Partialtonreihe sich immer gleich zusammensetzt (in ihren Abständen auf den 1. Teilton bezogen), kann man die physikalisch reinen Intervalle daraus berechnen. Die Frequenzverhältnisse verhalten sich dabei umgekehrt proportional zu den Saitenteilungsverhältnissen. reine Oktave reine Quinte reine Quarte grosse Terz kleine Terz grosse Sext kleine Sext Der Verschmelzungsgrad von zwei Tönen wird grösser, je einfacher das Schwingungsverhältnis ist. Link zur Intervalllehre: Der Schlüssel zur Unterteilung in reine, grosse und kleine Intervalle sowie zu den Eigenschaften konsonant und dissonant ist in der Partialtonreihe bzw. den Frequenzverhältnissen zu finden. ►Entstehung der Obertöne unter http://www.lehrklaenge.de/html/entstehung_der_obertone.html ►Frequenzverhältnisse mit Animation (Achtung: Die kleine Septime ist fälschlicherweise mit 7:4 statt mit 9:5 angegeben): http://www.lehrklaenge.de/html/frequenzverhaltnise.html ►Frequenzverhältnisse und Frequenz in Hz ausrechnen: http://www.musiklehre.at/11_004.htm ►Intervalllehre: Konsonanz und Dissonanz physikalisch: http://www.musicademy.de/index.php?id=2077 kleiner Ganzton grosser Ganzton kleine Septime Kleiner und grosser Ganzton: Verhältnis von 10. zu 9. Oberton (Ganztonschritt d’’-e’’; 10:9) ist kleiner, als das Verhältnis vom 9. zum 8. Oberton (Ganztonschritt c’’-d’’; 9:8) ►Exkurs: Pythagoras entdeckt die Beziehungen zwischen Zahlenordnung und Geräuschfrequenz. http://de.wikipedia.org/wiki/Pythagoras_in_der_Schmiede grosse Septime kleine Sekunde Vorwiegend benutzte Quellen neben den Websites: dtv-Atlas zur Musik, 1996: Band 1 Systematischer Teil, S. 14-17 HALL, Donald E., 1997: Musikalische Akustik Brüderlin, René, 1990: Akustik für Musiker Alle Links zuletzt überprüft am 27.4.2015 ABC- Akustik 1 TB/MS 6