Z A H N I M P L A N TAT E «Der Langzeit e Zahnimplantate in einem Tag: Experten warnen v «Feste Zähne in 24 Stunden»: Das verspricht der Luzerner Zahnarzt Markus Schulte in Inseraten. Doch es drohen Komplikationen. ie 63-jährige Lehrerin litt an einer schweren Zahnfleischentzündung. Mehrere Zähne waren ausgefallen oder gelockert. «Die Patientin äusserte den Wunsch nach einer Sofortversorgung mit festsitzendem Zahnersatz.» Das berichtet Zahnarzt Markus Schulte vom Zahnarzt-Team Luzern in einem Inserat in einer Beilage des «Tages-Anzeigers». Bereits einen Tag nach dem Eingriff habe er der Patientin eine «belastungsfähige» provisorische Brücke einsetzen können. Markus Schulte wirbt so für die All-On-Four-Methode. Dabei setzt der Zahnarzt pro Kiefer vier Implantate ein. Implantate sind Titanschrauben, die der Zahnarzt in den Kieferknochen dreht. Auf die Implantate montiert er anschliessend künstliche Zähne. Seine Methode habe viele Vorteile, schreibt Schulte: So sei nur eine Operation nötig. Die Patienten müssten nicht monatelang auf neue feste Zähne warten. Weil Schulte nur vier Implantate pro Kiefer einsetzt, seien die Kosten geringer. Zudem seien keine «langwierigen Knochenaufbauten» nötig. Die 63-jährige Lehrerin bezahlte dafür einen hohen Preis: Schulte schreibt im Inserat, ein gründlicher Untersuch habe «eindeutig gezeigt», dass es nötig sei, alle Zähne zu entfernen. D Kopfschmerzen? ® Irfen Dolo L Hilft bei Schmerzen 0912 günstiger Preis Bitte lesen Sie die Packungsbeilage. Mepha Pharma AG Die mit dem Regenbogen 8 Fachleute warnen vor Schultes Angebot. Der Oltener Mundchirurg Hans Peter Hirt sagt, die Methode werde an Kongressen «seit mehreren Jahren sehr kritisch beurteilt». Claude Andreoni, Präsident der schweizerischen Gesellschaft für Implantologie, kritisiert: «Markus Schultes Angebot sieht auf den ersten Blick attraktiv aus, aber der Langzeiterfolg ist fraglich.» Wenn das Zahnfleisch schwer entzündet ist, wie bei der erwähnten Lehrerin, seien die Voraussetzungen für Implantate schlecht: «Die aggressiven Bakterien bleiben im Mund.» Erhöhtes Risiko für Kieferentzündung Wenn ein Zahnarzt bei solchen Patienten Implantate einsetzt, kann es laut Hirt passieren, dass deren Oberfläche mit Bakterien Buchtipp Alles über Füllungen, Kronen, Brücken und Implantate lesen Sie im GesundheitstippRatgeber «Gesunde und schöne Zähne». Zu bestellen auf Seite 34. Gesundheitstipp März 2012 erfolg ist fraglich» n vor solchen Sofortlösungen Problematisches Versprechen: Das Zeitungsinserat von Zahnarzt Markus Schulte 123RF Zahnimplantat: Im Zweifelsfall bei einem andern Zahnarzt eine Zweitmeinung einholen verseucht wird. Dann sei das Risiko «deutlich erhöht», dass sich der Kieferknochen entzünde und sich zurückbilde. Hirt: «Schultes Methode kann bei ausgewählten Patienten funktionieren, aber nicht generell empfohlen werden.» Besser sei es, nach dem Ziehen der Zähne vier bis acht Wochen zu warten bis zum Einsetzen der Implantate. Felix Adank, Sprecher der schweizerischen Zahnärztegesellschaft, wirft Schulte vor, sein Fallbeispiel suggeriere, dass es nicht möglich sei, die Zähne zu erhalten, wenn das Zahnfleisch stark entzündet sei. «Doch Spezialisten können auch in diesen Fällen mit Medikamenten und chirurgischen Eingriffen meist behandeln, ohne alle Zähne zu ziehen.» Claude Andreoni sagt zudem, bei den meisten Patienten sei ein Knochenaufbau nötig. Zur Kritik der Fachleute sagt Markus Schulte, die All-On-FourGesundheitstipp März 2012 Methode sei «sehr sicher und vorhersagbar». Über 95 Prozent der Implantate würden gut einwachsen. Er habe über 500 Implantate mit dieser Methode eingesetzt. Nur zwei seien nach der Operation verloren gegangen. Weil er bei der AllOn-Four-Methode alle Zähne ziehe, würden die Bakterien eliminiert. Im Inserat habe er darauf hingewiesen, dass das Verfahren für Patienten gedacht sei, bei denen alle Zähne entfernt werden müssen. Schulte räumt ein, dass bei Patienten, die zu wenig Knochenmasse haben, ein Knochenaufbau nötig sein kann. Die Firma Nobel Biocare, Herstellerin der All-On-FourImplantate, sagt: «Die Methode wird seit Jahren bei vielen tausend Patienten verwendet.» Studien hätten den Behandlungserfolg auch zehn Jahre nach dem Einsetzen bestätigt. Andreas Gossweiler TIPPS Das müssen Sie über Implantate wissen } } } Implantate sind nicht für alle Patienten geeignet. Wenn der Kieferknochen zu dünn ist, muss ihn der Zahnarzt mit Ersatzmaterial aufbauen. Erst dann kann er implantieren. Rauchen verzögert den Heilungsprozess. Machen Sie einen Rauchstopp, bevor Sie } } } sich ein Implantat einsetzen lassen. Lassen Sie sich über Alternativen informieren. Oft ist eine Brücke die bessere und günstigere Lösung. Holen Sie im Zweifelsfall eine Zweitmeinung ein. Zahnärzte mit Spezialausbildung für Implantate finden Sie im Internet unter www.sgi-ssio.ch. Haben Sie Erfahrungen mit Implantaten? Schreiben Sie uns Ihre Meinung: Redaktion Gesundheitstipp, «Implantate», Postfach 277, 8024 Zürich, [email protected] 9 Gegendarstellung: "Der Langzeiterfolg ist fraglich“, Gesundheitstipp 3/2012 Der Artikel über Zahnimplantate im Gesundheitstipp 3/2012 ist nicht vollständig. Dazu halte ich fest: 1. Ich bin diplomierter Spezialist für Oralchirurgie und habe in meiner über 25-jährigen Erfahrung mehrere tausend Implantate gesetzt. Darunter sind über 500 Sofortimplantate gemäss der All-On-Four-Technik. 2. Die vom Gesundheitstipp erwähnte vor drei Jahren in unserer Praxis operierte Patientin ist bis heute sehr zufrieden mit dem Resultat ihrer Behandlung. 3. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund, "drohende Komplikationen" bzw. "Kieferentzündungen" zu fürchten: Die All-On-Four-Methode wird heute weltweit von einer steigenden Zahl von Spezialisten angewendet. Sämtliche Studien über diese Behandlungstechnik, die mittlerweile 12 Jahre abdecken, hatten sehr hohe Erfolgsraten. 4. Unzutreffend ist die Behauptung des Gesundheitstipp, dass bei den meisten Patienten ein Knochenaufbau notwendig sei. Mit der All-On-Four-Technik können wir in den meisten Fällen auf diesen belastenden und nicht risikolosen Eingriff verzichten. Dr. med. dent. Markus Schulte, Luzern