Dr. rer. nat. Dieter Moritz; Kärntnerstr. 7; 9900 Lienz Lienz, den 01. 09. 2016 [email protected] Naturschutz im Wandergebiet um den Tristacher See Entschluss mit anschließender Begründung Das Gelände um den Tristacher See (821 m), den Alten See und die Seewand bietet floristische und faunistische Besonderheiten. Sie stehen in Konkurrenz zum ausgeprägten Fremdenverkehr. Aber der Natur- und Umweltschutz hatte sich mit den bestehenden Eingriffen durch den Menschen abgefunden. Nun tauchen aber neue und vom Menschen verursachte Konflikte auf. Sie müssen beseitigt werden. Darüber hatte ich bereits berichtet in meiner Niederschrift vom 20. Mai 2016, also vor fast 3 Monaten. Es gilt, sowohl den Tourismus als auch den Naturschutz auf dem heutigen Niveau zu halten, da dieses noch als ausgeglichen empfunden wird. Der Alte See (Gem. Amlach) steht seit Mai 1977 unter Schutz als Naturdenkmal. Er darf nur auf einem Wanderweg umgangen werden. Seine Wasserflächen und das Verlandungsmoor dürfen nicht betreten werden. Der Entschluss kann nur sein: Die Seewand bleibt den felsbrütenden Vögeln vorbehalten. Ihr Betreten wird Menschen untersagt (siehe Lösungsmöglichkeit 1). Maßnahmen Lösungsmöglichkeit 1 Die Seewand wird zum Naturschutzgebiet oder Naturdenkmal erklärt. Damit wird ein Betretungs- einschließlich Kletterverbot erlassen. Kommt dem heutigen Zustand sehr nahe. Heute betreten nur Felskletterer die Seewand. Sie nehmen an fremdem Eigentum sogar technische Veränderungen vor. Oft oder meist ist ihnen gar nicht bewusst, dass sie an dieser Stelle ein Störfaktor sind. Die hohe biologische Bedeutung der Seewand war ihnen offenbar nicht bekannt. Man kann davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Felskletterer für den Schutz unserer Bergnatur und bereit ist, gerade diesen „Kletterort“ zu meiden. Lösungsmöglichkeit 2 Klettern an Seewand wird zugelassen unter bestimmten Voraussetzungen. - a) vorsorglich ist zu prüfen, ob und in welcher Weise ein geplanter Eingriff (Klettern in der Seewand, Klettersteig; Kletterhilfen aller Art) eine Belastung oder Störung der dortigen Lebewesen ist - b) es darf höchstens nur eine einmal gewählte Kletterroute geben; sie darf nie verlassen werden. Ihre Lage im Gelände, an der Seewand, ist vorher festzulegen. Gründe für ihre Wahl müssen relevant sein für den Naturschutz. - c) Klettern darf dort nur erlaubt sein außerhalb der Balz- und Fortpflanzungszeit der betroffenen Vogelarten. Das Ende der Fortpflanzungszeit tritt ein, wenn der letzte Jungvogel flügge ist und den Horst verlassen hat. - d) Verhalten auf der Kletterroute: es darf keinerlei Störung etwa durch Zurufe oder Lärmen in der Wand geben. Technische Geräusche wie Hämmern und Klopfen u. ä. sind untersagt. Kontrolle der Lösungsmöglichkeit Die Anlage der jetzigen Kletterroute (Kletterhilfen aller Art) erfolgte privat. Schon deshalb ist grundsätzlich das geforderte naturnahe Verhalten aller Menschen zu kontrollieren. Das ist nicht Aufgabe der Alpinpolizei. Die zur Kontrolle erforderlichen Mitarbeiter müssen naturkundlich und naturschützerisch ausgebildet sein. Vergleichsweise etwa den Rangern im Nationalpark. Dienstlich zugeordnet sind sie dem Landesumwelt-Anwalt, nicht etwa der BH. Sie arbeiten mit dem ehrenamtlichen Naturschutz-Beauftragen von Osttirol zusammen. Betreuen den ganzen Bezirk, mit Ausnahme des NPHT. Für sie muss ein Aufgabenkatalog zusammen gestellt werden. Begründung Das genannte Gebiet ist für den Fremdenverkehr von erheblicher Bedeutung. Am Ostende des Sees liegt das Strandbad der Stadtgemeinde Lienz, eine beliebte Freizeiteinrichtung (bis über 1000 Tagesgäste). Dabei befindet sich ein Campingplatz, auch für Wohnwagen, ein Imbißstand sowie ein großer Parkplatz. Am westlichen Ende des Sees liegt das beliebte und oft besuchte Parkhotel mit allen für seine Gäste erforderlichen Einrichtungen. Der Tristacher See ist von einem gut 1000 m langen Wanderweg allseits umgeben. Wenig Ausweichmöglichkeiten für Wasservögel: Fluchtdistanz! Die nächtliche Beleuchtung ist aus Werbegründen sehr stark, kann sicher gedämpft werden. Spitzenzeiten wie die Weihnachtszeit ragen besonders hervor, samt strahlendem Tannenbaum. Dem Natur- und Umweltschutz wurden am Tristacher See (Größe 6 ha; 821 m) bereits bedeutende Zugeständnisse zugunsten des Tourismus abverlangt. Etwa die Vogelwelt ist durch den erheblichen menschlichen Bedarf stark eingeschränkt! Der einzige Brutvogel am See ist die Stockente Anas platyrhynchos, die leider unnatürlich zahm ist wie ein Haustier. Zum Vergleich bietet sich der Tassenacher Speicher an (7 ha, 1070 m). Trotz ungünstigerer Lage, da in größerer Seehöhe, brüten hier folgende 6 (sechs) Wasservogelarten: Zwergtaucher Tachybaptus ruficollis, Stockente, Reiherente Aythya fuligula (BACHLER, KRANEBITTER & MORITZ 2016), Teichuhn Gallinula chloropus, Blässhuhn Fulica atra, Wasseramsel Cinclus cinclus. Auch der Alte See lässt sich von Touristen derzeit gänzlich umwandern. Ruhezonen für tierische Lebewesen sind dadurch stark eingeschränkt oder fehlen (Fluchtdistanz). Die Bedeutung des betroffenen Wandergebietes für Tourismus und Naturschutz wurde bereits in einem Naturführer dargelegt (MORITZ & BACHLER 2011). Dieser wurde von allen Beteiligten zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Seewand (Gem. Amlach) erhebt sich im Süden beider Seen und bildet über dem Alten See einen senkrechten Felsabsturz von bis zu 250 m Höhe. Sie ist unbegehbar und daher Brutplatz für typische Felsbrüter: Wanderfalke Falco peregrinus, Uhu Bubo bubo, Alpensegler Apus melba, Felsenschwalbe Ptyonoprogne rupestris, Hausrotschwanz Phoenicurus ochruros, Kolkrabe Corvus corax. Das wurde bereits dargelegt im Verbreitungsatlas der Brutvögel Osttirols (MORITZ & BACHLER 2001). Zum Wanderfalken: die Art hat eine ausgeprägte Nestplatztreue, ist in den Alpen reiner Felsbrüter. Überwintert im Brutareal. Paarbildung ab Mitte Februar, oft aber schon im Spätherbst. Schon im Januar Kopulationsaufforderungen durch das Weibchen (GLUTZ et al. 1971). Nach FELDNER et al. (2006) überwintert die Art in Kärnten nahe den Brutfelsen wie durchgehende Anwesenheit von der Balz im Januar/ Februar bis zur Brut zeigt. Spätbruten in Kärnten noch im Juli. Ende der Brutzeit in der Steiermark Ende Juli (ALBEGGER et al. 2015). Vergleich mit Baden – Württemberg: frühester Brutbeginn 22. Februar, d. h. Ablage des 1. Eies zwischen 14. und 18. Februar. Vorher fand also Balz am Brutplatz statt. Ende der Brutzeit: am 10. August verlässt der letzte Jungvogel den Horst (HEPP et al. 1995). In Südtirol ist der Wanderfalke so selten, dass die Verbreitungskarte aus Schutzgründen (!) ohne Eintrag ist (NIEDERFRINIGER et al. 1996). Entsprechend verfahren MORITZ & BACHLER (2001) und sagen bereits damals: „ Brutfelsen und Horstbäume sind in genügend großem Umfang mindestens zum Naturdenkmal zu erklären, evtl. mit Wegegebot, Kletterverbot und Horstbewachung.“ In der Avifauna Steiermark wird festgestellt: „Gegenwärtig ist die Art in der Steiermark vor allem durch Störungen in den Brutwänden durch zunehmende Freizeitaktivitäten (Kletterer, Drachenflieger, Paragleiter) gefährdet. Auch die illegale Verfolgung von Greifvögeln und Eulen durch Abschuss und Aushorstung dürfte zumindest lokal eine bestandslimitierende Rolle spielen. ..…Zum Schutz des Wanderfalken sollten aktuelle und potenzielle Brutwände zur Brutzeit von Anfang Februar bis Anfang Juli für den Kletterbetrieb gesperrt werden, kleinere Brutwände sollten ganzjährig gesperrt sein“(ALBEGGER et al. 2015). Im Bundesland Salzburg ist der Wanderfalke „stark gefährdet“. Zum Lebensraum heißt es: „ Eine Schlüsselposition für das Vorkommen des Wanderfalken nehmen Felswände mit guten Nischenangebot unterhalb der Waldgrenze ein.“ Zum Einfluss des Menschen: „Vereinzelt Störung an den Brutwänden. Tief liegende Felswände in der Nähe von Ballungsgebieten werden schon bald im Jahr zum Klettern genutzt“.(SLOTTA-BACHMAYR et al. 2012). Das Bundesland Tirol setzt sich für die Wiederansiedlung des vom Menschen ausgerotteten Bartgeiers Gypaetus barbatus ein. Im Bezirk aber lassen wir die Störung des seltenen und gefährdeten Brutvogels Wanderfalke und anderer Arten durch unser Freizeitverhalten zu. Ihnen nehmen wir ihr Heimatrecht, verweigern ihnen den zur Fortpflanzung erforderlichen artgerechten Lebensraum. Die Bezirkshauptmannschaft verlässt sich auf Feststellungen der Alpinpolizei, kommt aber nicht auf die Idee, sich bei Vogelkundlern oder bei Ornithologen von Beruf, die alle ehrenamtlich arbeiten, sachkundig zu machen. Für die betroffenen Vogelarten ist es unerheblich, wie die Alpinpolizei irgendeine seit Jahren bestehende „Kletterhilfe“ nennt. Im Augenblick, in dem eine „Kletterhilfe“ durch Menschen benutzt wird, ist sie ein Störfaktor für die Felsbrüter, die stets unter erheblichem Druck stehen. Zum Uhu: die Art hat in der Brutsaison 2016 leider nicht mehr am traditionellen Brutplatz gebrütet. Auch in Salzburg ist die Art „stark gefährdet“. Und weiterhin: „ Einfluss des Menschen. Störungen in unmittelbarer Nähe des Horstes können zur Aufgabe der Brut führen“ (SLOTTA-BACHMAYR et al. 2012). Von der nahe verwandten Waldohreule Asio otus ist seit Jahrzehnten bekannt, dass Störungen durch Menschen am Brutplatz durch erheblichen Anstieg der Herzschlagfrequenz, oft sogar ihrer Verdoppelung, aufgezeigt werden (BERGER 1969). Zum Alpensegler: der Südrand der Hohen Tauern ist in Österreich ihr Verbreitungsschwerpunkt. Die Art brütet in Kolonien, die nur lückenhaft bekannt sind, weil sie sich in regengeschützten steilen und unzugänglichen Felswänden befinden. Im Atlas der Brutvögel Österreichs (DVORAK et al. 1993) stellt Osttirol einen ganz zentralen Punkt bei den wenigen bekannten Nachweisen dar. Umso wichtiger ist es, dass Annemarie BACHLER (2007) erstmalig für die Seewand im Juli 2006 den Brutnachweis erbrachte. Die Eingänge zu mehreren der Bruthöhlen liegen genau dort, wo heute die Kletterroute / der Klettersteig / die Kletterhilfe sich befindet! Schrifttum ALBEGGER, E., O. SAMWALD, H. W. PFEIFHOFER, S. ZINKO, J. RINGERT, P. KOLLERITSCH, M. TIEFENBACH, C. NEGER, J. FELDNER, J. BRANDNER, F. SAMWALD, W. STANI (2015): Avifauna Steiermark – Die Vögel der Steiermark. BirdLife Österreich; Landesgruppe Steiermark; Graz BACHLER, A. (2007): Der Alpensegler „Apus melba“ Brutvogel in der Seewand. Osttiroler Heimatblätter 75 (2): 1 – 2 BACHLER, A., L. KRANEBITTER & D. MORITZ (2016): Die Reiherente Aythya fuligula (Linnaeus, 1758) im Jahr 2014 erstmalig Brutvogel in Osttirol. Egretta 54: 155-156 BERGER, V. (1969): Neues aus der „Störungsbiologie“ am Beispiel der Waldohreule. In: GAMAUF, A. & V. BERGER (Hrsg.): Greifvögel und Eulen Österreichs. Abh. Zool. Bot. ges. Österreich / Wien 29: 161 – 172 DVORAK, M., A. RANNER & H.-M. BERG (1993): Atlas der Brutvögel Österreichs. Ergebnisse der Brutvogelkartierung 1981 – 1985. Umweltbundesamt Wien; Wien, 522 Seiten FELDNER, J., P. RASS, W. PETUTSCHNIG, S. WAGNER, G. MALLE, R. K. BUSCHENREITER, P. WIEDNER & R. PROBST (2006): Avifauna Kärntens. Die Brutvögel. Naturwiss. Verein für Kärnten, Klagenfurt GLUTZ VON BLOTZHEIM, U. N., K. M. BAUER & E. BEZZEL (1971): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Frankfurt am Main HEPP, K., F. SCHILLING & P. WEGNER (1995): Beiträge zur Biologie des Wanderfalken. Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.- Württ. 82: 327 – 349 MORITZ, D. & A. BACHLER (2001): Die Brutvögel Osttirols.- Lienz; im Selbstverlag MORITZ, D. & A. BACHLER (2011): Natur erleben am Tristacher See. Ein kleiner Streifzugdurch die Vogelwelt. Im Selbstverlag SLOTTA-BACHMAYR, L., CH. MEDICUS & S. STADLER (2012): Rote Liste der gefährdeten Brutvögel des Bundeslandes Salzburg. Naturschutzbeiträge 38 / 12, 188 Seiten; Salzburg