EUROPÄISCHES PARLAMENT 1999 2004 Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik VORLÄUFIG [2000/2104](COS) 19. Juli 2000 ENTWURF EINES BERICHTS über das Grünbuch der Kommission zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM(2000) 87 – C5-0193/2000 – 2000/2104(COS)) Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik Berichterstatter: Jorge Moreira da Silva Verfasser der Stellungnahme (*): Rolf Linkohr, Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie (* Hughes-Verfahren) PR\381806DE.doc DE PE 293.652 DE PE 293.652 DE 2/14 PR\381806DE.doc INHALT Seite GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE ............................................................................................ 4 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG .............................................................................................. 5 BEGRÜNDUNG ....................................................................................................................... 9 STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR WIRTSCHAFT UND WÄHRUNG .......... STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR RECHT UND BINNENMARKT ............. STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR INDUSTRIE, AUSSENHANDEL, FORSCHUNG UND ENERGIE (*) ........................................................................................... (* Hughes-Verfahren) PR\381806DE.doc 3/14 PE 293.652 DE GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE Mit Schreiben vom 10. März 2000 übermittelte die Kommission dem Europäischen Parlament ihr Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM(2000) 87 – 2000/2104(COS)). In der Sitzung vom 14. April 2000 gab die Präsidentin des Europäischen Parlaments bekannt, dass sie dieses Grünbuch an den Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik als federführenden Ausschuss sowie an den Ausschuss für Wirtschaft und Währung, den Ausschuss für Recht und Binnenmarkt und den Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie als mitberatende Ausschüsse überwiesen hat (C5-0193/2000). In der Sitzung vom 7. Juli 2000 gab die Präsidentin bekannt, dass dieser Bericht nach dem Hughes-Verfahren zusammen mit dem Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie ausgearbeitet werden soll. Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik benannte in seiner Sitzung vom 18. April 2000 Jorge Moreira da Silva als Berichterstatter. Der Ausschuss prüfte das Grünbuch der Kommission und den Berichtsentwurf in seiner/seinen Sitzung(en) vom …. In dieser Sitzung/In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuss den Entschließungsantrag mit … Stimmen bei … Gegenstimme(n) und … Enthaltung(en)/einstimmig an. Bei der Abstimmung waren anwesend: die Abgeordneten …, Vorsitzende(r)/amtierende(r) Vorsitzende(r); … und …, stellvertretende(r) Vorsitzende(r); …, Berichterstatter; …, … (in Vertretung d. Abg. …), … (in Vertretung d. Abg. … gemäß Art. 153 Abs. 2 der Geschäftsordnung), … und …. Die Stellungnahmen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt und des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie sind diesem Bericht beigefügt. Der Bericht wurde am … eingereicht. Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen wird im Entwurf der Tagesordnung für die Tagung angegeben, auf der der Bericht geprüft wird. PE 293.652 DE 4/14 PR\381806DE.doc ENTSCHLIESSUNGSANTRAG Entschließung des Europäischen Parlaments zum Grünbuch der Kommission zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM(2000) 87 – C5-0193/2000 – 2000/2104(COS)) Das Europäische Parlament, – in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission (KOM(2000) 87 – C5-0193/2000)1, – in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates (Umwelt) vom 22. Juni 2000, – in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über politische Konzepte und Maßnahmen der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen: zu einem Europäischen Programm zur Klimaänderung (ECCP) (KOM(2000) 88)2, – in Kenntnis der Lastenteilungsvereinbarung der Mitgliedstaaten der EU vom Juni 19983, – gestützt auf Artikel 47 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung, – in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt und des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie (A5-…./2000), A. in der Überzeugung, dass die Klimaänderung eines der schwerwiegendsten Umweltprobleme für die Staatengemeinschaft jetzt und in Zukunft darstellt, B. in der Erwägung, dass die Industrieländer, einschließlich der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um die Verringerung der Treibhausgasemissionen zu spielen haben, C. unter Hinweis darauf, dass nach Berichten der Europäischen Umweltagentur die gesamten Kohlendioxidemissionen (CO2) in der EU zwischen 1990 und 2010 voraussichtlich um 6% ansteigen werden, D. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union als Vertragspartei des Protokolls von Kyoto verpflichtet hat, die Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008-2012 um 8% gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren; in der Erwägung, dass der Anstieg der Emissionen seit 1990 berücksichtigt werden muss, wenn die Verringerung der Treibhausgase geplant wird; in der Überzeugung, dass sowohl auf Gemeinschaftsebene als auch in den Mitgliedstaaten große Anstrengungen unternommen werden müssen, um die 1 ABl. C .... ABl. C …. 3 Schlussfolgerungen des Rates (Umwelt) vom 17. Juni 1998 2 PR\381806DE.doc 5/14 PE 293.652 DE Treibhausgasemissionen zu verringern und so die Verpflichtungen von Kyoto zu erfüllen, E. in der Erwägung, dass die CO2-Emissionen im Verkehrssektor am schnellsten ansteigen und nach Voraussagen bis 2010 im Vergleich zu 1990 um 39% zunehmen werden, F. in der Erwägung, dass Klimaänderungen Maßnahmen in mehreren Bereichen erfordern, einschließlich Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, Handel, Wohnungsbau, Finanzen, Gesundheit und soziale Entwicklung, G. in der Erwägung, dass der internationale Handel mit Emissionen einer der in das Protokoll von Kyoto aufgenommenen sogenannten „flexiblen Mechanismen“ ist, dessen Anwendung ab dem Jahr 2008 möglich sein soll; in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten begonnen haben, nationale Systeme für den Handel mit Emissionen einzuführen, und dass Großunternehmen interne Programme für den Handel mit Emissionen aufgestellt haben, 1. begrüßt die durch die gleichzeitige Vorlegung zweier Dokumente über den Handel mit Emissionen bzw. politische Konzepte und Maßnahmen manifestierte Absicht der Kommission, der negativen Entwicklung bei Treibhausgasemissionen entgegenzuwirken, die heute in den meisten Mitgliedstaaten festzustellen ist, und die politische Führungsrolle der EU im Bereich Klimaänderungen wiederherzustellen; 2. stimmt der Einführung eines Systems für den Handel mit Emissionen in der Europäischen Union zwar zu, lehnt jedoch die Entscheidung ab, den politischen Konzepten und Maßnahmen in der Strategie der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen eine untergeordnete Rolle zuzuweisen, die sich in dem Mangel an Ehrgeiz und Engagement im Dokument KOM(2000) 88 zeigt; 3. hält es für wichtig, dass die Umrisse des Systems für den Handel mit Emissionen in der EU erst nach der Konsultierungsphase und der Debatte festgelegt werden, die das Grünbuch ausgelöst hat, weist jedoch darauf hin, dass der Bereich der gestellten Fragen begrenzt ist und dass in einigen Fällen bestimmte Optionen eindeutig suggeriert werden anstatt eine breite Diskussion zu ermöglichen; 4. empfiehlt, von den Mitgliedstaaten eine wirtschaftliche, juristische und politische Begründung der Antworten auf die zehn im Grünbuch enthaltenen Fragen anzufordern, um die Zusammenfassung und Auslegung der Ergebnisse der durch das Grünbuch in Gang gebrachten Anhörung zu erleichtern; 5. hält die Festlegung quantitativer Zielvorgaben für die Verringerung der Treibhausgase, die durch den Handel mit Emissionen in der EU erreicht werden soll, für vorrangig; 6. bedauert, dass in dem Grünbuch das Risiko eines verstärkten Einsatzes der Kernenergie nicht analysiert wird, das durch die Internalisierung der Kosten in den vom Handel mit Emissionen betroffenen Sektoren entsteht, und wendet sich dagegen, dass mangels begleitender Maßnahmen, die insbesondere der rationellen Energienutzung, dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energiequellen sowie der Einführung einer Steuer auf Energie und CO2 Vorrang einräumen würden, das System für den Handel mit Emissionen PE 293.652 DE 6/14 PR\381806DE.doc dazu führt, dass die installierte Kernenergiekapazität in der Europäischen Union ansteigt; 7. vertritt die Auffassung, dass sich die Kommission im Grünbuch bei der Auswahl der Sektoren, die in das System für den Handel mit Emissionen in der EU einbezogen werden sollen, nicht auf einen „downstream“-Ansatz (nach Energie verbrauchenden Branchen) hätte beschränken dürfen, sondern sich mit allen Betroffenen, insbesondere den Mitgliedstaaten, im Wege eines „upstream“-Ansatzes (nach Erzeugern von Primärenergie und Energieimporteuren) hätte auseinandersetzen müssen; 8. weist darauf hin, dass durch die im Grünbuch getroffene Wahl der Sektoren, die in das System einbezogen werden sollen, einige Sektoren, insbesondere der Verkehr, ausgeschlossen werden, was umso schwerer wiegt, als dieser Sektor am meisten zur Verringerung beitragen kann, die die EU in Kyoto zugesagt hat; hält es daher für unabdingbar, Beratungen darüber aufzunehmen, wie diese Sektoren in den Handel mit Emissionen einbezogen werden können; 9. ist der Auffassung, dass bei einem solchen praxisorientierten Ansatz die Durchführung von Pilotprojekten für den Handel mit Emissionen in Wirtschaftsbereichen gefördert werden sollte, die zwar niedrige individuelle Emissionswerte, aber beträchtliche Gesamtemissionen aufweisen (z.B. die Bereiche Privathaushalte und Dienstleistungen); 10. hält es für außerordentlich wichtig, Überlegungen darüber anzustellen, wie die Ziele des Systems für den Handel mit Emissionen in der EU mit der Lastenteilung in Einklang gebracht werden können, so dass über die Verringerung der Emissionswerte in bestimmten Branchen hinaus wesentliche nationale Verringerungen in ganz Europa erreicht werden können; 11. ist der Auffassung, dass die Kommission in Anbetracht der Tatsache, dass die am System teilnehmenden Branchen ihre Kosten für die Emissionssenkung verringern können, eine Debatte darüber hätte in Gang bringen müssen, wie Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Preise der CO2-Verringerung zwischen den am Handel mit Emissionen beteiligten und den nicht beteiligten Branchen verhindert werden können; 12. ist der Auffassung, dass die Aufnahme des Handels mit Emissionen in der EU vor dem Referenzzeitraum (2008-2012) die Festlegung von Zwischenzielen erfordert, und bedauert, dass die Kommission nicht darauf eingegangen ist, wie diese Ziele festgelegt werden sollen; 13. vertritt die Ansicht, dass die Kommission in der Debatte über den Anwendungsbereich des Systems den direkten Handel mit Emissionen zwischen Unternehmen der EU nicht als einzig mögliche Option für die Festlegung dieses Systems festschreiben darf, und fordert die Kommission auf, Alternativen zu prüfen; 14. ist der Auffassung, dass eine Diskussion darüber von grundlegender Bedeutung ist, wie die Beitrittsländer in das System für den Handel mit Emissionen einbezogen werden können; PR\381806DE.doc 7/14 PE 293.652 DE 15. hält es für außerordentlich wichtig, dass durch die Methode der Zuweisung von Emissionsanteilen das gewünschte umweltpolitische Ergebnis sichergestellt wird und Wettbewerbsverzerrungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden; bedauert, dass die Kommission nicht alle Betroffenen, insbesondere die Mitgliedstaaten, aufgefordert hat, sich zu der besten Methode der Zuweisung von Emissionsanteilen zu äußern, obwohl es sich hierbei um eine Kernfrage bei der Festlegung des Systems für den Handel mit Emissionen handelt; 16. ist der Ansicht, dass im Grünbuch hinsichtlich der Instrumente zur Einhaltung und Durchsetzung des Systems für den Emissionshandel über die Einleitung einer Debatte über die Zweckmäßigkeit der derzeit verfügbaren Instrumente hinaus Überlegungen über neu einzuführende Instrumente hätten angestellt werden müssen; 17. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln. PE 293.652 DE 8/14 PR\381806DE.doc BEGRÜNDUNG 1. ALLGEMEINE ANALYSE a) Dieser Bericht betrifft das Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM(2000) 87), das von der Europäischen Kommission am 8. März 2000 vorgelegt wurde. Hauptanliegen dieses Grünbuchs ist es, eine Debatte über die Einführung eines Systems für den Emissionshandel in der Europäischen Union vor dem Jahr 2008 in Gang zu bringen. So werden in dem Grünbuch den Mitgliedstaaten und allen Betroffenen zehn Fragen gestellt, wodurch die Struktur des Systems für den Emissionshandel in der EU festgelegt werden soll. Wenn auch dieser Versuch, die Mitgliedstaaten vorab zu konsultieren, positiv bewertet wird, weist das Dokument doch drei Arten von Problemfeldern auf: Erstens muss man feststellen, dass der Bereich der Fragen, wenn sie auch ohne Zweifel von äußerster Relevanz sind, eingeschränkt ist; deshalb ist die Frage legitim, ob alle Fragen hier auftauchen, die für die Festlegung des Systems für den Emissionshandel in der EU unabdingbar sind. Zweitens wird durch die Art der Fragestellung in der Regel eine Antwort im Sinne der vom Verfasser (der Kommission) vertretenen Meinung suggeriert, anstatt dass eine breitere Diskussion angestrebt wird, wie dies erwartet wurde. Drittens ergeben sich wegen des komplexen Charakters und der zu knappen Formulierung der Fragen Probleme bei der Zusammenfassung und Auslegung der zu erwartenden Antworten (die nach Auffassung der Kommission ebenfalls knapp sein müssen). Der Berichterstatter empfiehlt, von den Mitgliedstaaten eine wirtschaftliche, juristische und politische Begründung der Antworten auf die zehn Fragen des Grünbuchs anzufordern, um die Auslegung der Ergebnisse der Untersuchung klarer zu gestalten. Die Fragen sind unvollständig; sie suggerieren Antworten in einem bestimmten Sinn; die Auslegung der knappen Antworten auf die zehn Fragen ist nicht klar. All dies zusammengenommen führt dazu, dass sich folgender Verdacht aufdrängt: Sollen die Antworten vielleicht gar nicht wirklich berücksichtigt werden, weil die Kommission bereits eine festgefügte Meinung zu dem einzuführenden System für den Emissionshandel hat? b) Zweck dieses Berichts ist es nicht, die zehn den Mitgliedstaaten von der Kommission gestellten Fragen zu beantworten, sondern den im Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union verfolgten allgemeinen Ansatz zu analysieren und die zu Grunde liegenden Fragen selbst zu durchleuchten. c) Die Tatsache, dass die Kommission zwei Dokumente im Bereich Klimaänderungen gleichzeitig vorlegt – das Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM(2000) 87) sowie die Mitteilung über politische Konzepte und Maßnahmen der EU zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zu einem Europäischen Programm zur Klimaänderung (KOM(2000) 88) – zeigt das von uns begrüßte Bemühen, die politische Führungsrolle und die Glaubwürdigkeit der EU auf internationaler Ebene wiederherzustellen, die ihr abhanden zu kommen drohte, weil PR\381806DE.doc 9/14 PE 293.652 DE viele Mitgliedstaaten in nicht hinnehmbarer Weise die Zusagen von Kyoto hinsichtlich der Politiken und der Grenzwerte der Treibhausgasemissionen nicht eingehalten haben. Allerdings ist bei diesem Ansatz für den Emissionshandel und die politischen Konzepte und Maßnahmen in zwei unterschiedlichen Dokumenten ein offensichtliches Missverhältnis bei der Behandlung der beiden Themen erkennbar, wobei dem Emissionshandel eindeutig Vorrang eingeräumt wird. Außerdem ist nicht ersichtlich, wie die politischen Konzepte und Maßnahmen in den Emissionshandel einbezogen werden sollen. Dieser Umstand ist umso schwerwiegender, als die Kommission selbst im Dokument KOM(2000) 87 die Ansicht vertritt, dass der Handel mit Emissionen andere Politiken und Maßnahmen ergänzen und mit diesen kompatibel sein muss, was für die Lösung verschiedener Probleme im Zusammenhang mit der Einführung des Emissionshandels von grundsätzlicher Bedeutung ist (z.B. Wettbewerbsverzerrungen zwischen großen und kleinen Unternehmen, Wettbewerbsverzerrungen zwischen erfassten und nicht erfassten Ländern, gerechte Lastenteilung zwischen den in das System für den Emissionshandel einbezogenen und den nicht einbezogenen Akteuren sowie potentielle Konflikte mit den bestehenden Umweltvorschriften). Die flexiblen Mechanismen von Kyoto wurden festgelegt, um die politischen Konzepte und Maßnahmen zu ergänzen, und nicht, um sie zu ersetzen. Deshalb kann die von der Kommission getroffene Wahl einer Option (die sich in dem Mangel an Engagement und Ehrgeiz im Dokument KOM(2000) 88 zeigt) nicht akzeptiert werden, nach der den politischen Konzepten und Maßnahmen eine untergeordnete Rolle zugewiesen und dem Emissionshandel absoluter Vorrang eingeräumt wird. d) Der Handel mit Kohlendioxidemissionen ist einer der im Protokoll von Kyoto vorgesehenen flexiblen Mechanismen und wird ab dem Jahr 2008 zwischen den Ländern zur Anwendung kommen, die in Anlage B genannt sind. Dieses Instrument stützt sich auf den Einsatz der Marktmechanismen und wird die Verringerung von Treibhausgasemissionen in Bereichen ermöglichen, in denen die Kosten der Reduzierung am niedrigsten sind. Das bedeutet, dass der Emissionshandel an sich die Emissionen nicht reduziert, sondern lediglich die Voraussetzungen dafür schafft, dass dies unter geringeren globalen Kosten geschieht. Der Einsatz eines gemeinschaftlichen Systems für den Emissionshandel ab 2005, wofür die Kommission in diesem Grünbuch eintritt, kann in zweierlei Hinsicht vorteilhaft sein: Erstens wird er praktische Erfahrungen sowie die wirtschaftliche Vorbereitung der Bereiche, der Unternehmen und der Mitgliedstaaten selbst auf den Beginn des Emissionshandels auf internationaler Ebene im Jahr 2008 ermöglichen; zweitens wird er dazu beitragen, dass die Situation einfacher bereinigt wird, die heute in den meisten Mitgliedstaaten durch die Nichterfüllung der eingegangenen Verpflichtungen gekennzeichnet ist, so dass schon im Jahr 2005 vorzeigbare Fortschritte erreicht werden können (wie im Protokoll von Kyoto vorgesehen). Erwähnenswert ist auch, dass die Kommission davon ausgeht, dass durch die Einführung des Systems für den Emissionshandel in der Europäischen Union bis zum Jahr 2005 die Kosten für die Erfüllung der von der Gemeinschaft in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen beträchtlich gesenkt werden können. Der Emissionshandel kann zu einer Senkung dieser Kosten um mehrere Milliarden Euro jährlich führen (siehe Anlage I des Grünbuchs). PE 293.652 DE 10/14 PR\381806DE.doc Wir beglückwünschen die Kommission zu dieser wichtigen Initiative und nehmen die bedeutende Weiterentwicklung ihrer Haltung zum Mechanismus des Emissionshandels zur Kenntnis. e) Leider wird im Grünbuch nicht festgelegt, welcher Teil der in Kyoto für die Europäische Union vereinbarten 8% der Emissionen (im Jahr 2012 im Vergleich zu 1990) durch den Emissionshandel in den möglicherweise erfassten Bereichen abgedeckt werden soll. Darin wird nur erklärt, dass dies von den Ergebnissen der Untersuchung abhängig ist, die die Kommission derzeit über die relativen Kosten der Emissionsminderung in unterschiedlichen Bereichen jedes einzelnen Mitgliedstaats (Abschnitt 7.1. des Grünbuchs) in Auftrag gegeben hat. Das bedeutet, dass die Frage 1 unter Berücksichtigung des Kriteriums der Wirtschaftlichkeit, das bei der Auswahl der in den Emissionshandel einzubeziehenden Bereiche angelegt wird, erst beantwortet werden kann, wenn die Ergebnisse dieser Untersuchungen vorliegen. f) Die im Grünbuch angegebenen Kriterien für die Auswahl der in den Emissionshandel einzubeziehenden Bereiche sind nicht erschöpfend (beispielsweise wurde das Kriterium der gerechten Lastenteilung zwischen den Akteuren bzw. Bereichen nicht berücksichtigt). Im übrigen ist die Analyse anhand dieser Kriterien nicht ausreichend, um die Frage 1 objektiv beantworten zu können. Es ist festzustellen, dass einerseits das Kriterium der umweltwirksamen Verminderung der Treibhausgase und das Kriterium der Wirtschaftlichkeit für einen massiven Einsatz des Instruments des Emissionshandels zu sprechen scheinen (und zwar unter Einbeziehung aller Bereiche in allen Ländern der EU), und dass andererseits das Kriterium der verwaltungstechnischen Praktikabilität (Durchsetzung und Kontrolle) wohl eher einen zurückhaltenderen Einsatz dieses Instruments zu begünstigen scheint (wobei nur die großen Energieverbraucher einbezogen werden). g) Das System, nach dem die Bereiche ausgewählt werden sollen, die vorrangig einzubeziehen sind, mag nicht zu beanstanden sein (praxisorientierter Ansatz). Bereiche, die wichtig sind und/oder einen starken Anstieg ihrer CO2-Emissionen aufweisen (Verkehr, Dienstleistungen und Privathaushalte), bleiben aber unberücksichtigt. Die Regelung dieser Bereiche und der Industrien, die nicht am Emissionshandel teilnehmen, bleibt den politischen Konzepten und Maßnahmen überlassen. Das Dokument über politische Konzepte und Maßnahmen (KOM(2000) 88) ist aber äußerst vage formuliert und bietet keine Gewähr dafür, dass diese Unternehmen und diese Branchen nicht zwangsläufig von jeder Politik zur Verminderung der Treibhausgasemissionen ausgeschlossen werden. h) Auf der Grundlage der im Grünbuch vorgeschlagenen Auswahl der in den Emissionshandel einzubeziehenden Bereiche ist absehbar, dass diese Empfehlung, wenn sie von anderen Instrumenten isoliert wird, nicht nur dazu führen wird, dass der Kernenergieverbrauch in den großen Kraftwerken der EU ansteigen, sondern auch, dass der Verbrauch an fossilen Brennstoffen in kleinen Anlagen zunehmen wird. Mit anderen Worten fehlen im Dokument der Kommission Überlegungen zur Entstehung von Wettbewerbsvorteilen in großen Anlagen zugunsten der Kernenergie, und die Probleme und Risiken dieser Form der Energiegewinnung bleiben unberücksichtigt. PR\381806DE.doc 11/14 PE 293.652 DE Ebenso genießen kleine Anlagen gegenüber großen Kraftwerken Wettbewerbsvorteile, die durch die Einführung des Systems des Emissionshandels in der EU geschaffen werden. Im Grünbuch wird nicht untersucht, wie diese unerwünschten und den Leitlinien der gemeinschaftlichen Energiepolitik zuwiderlaufenden Wirkungen vermieden werden können. 2. ANALYSE DES FRAGEBOGENS: Zu den Politikoptionen in bezug auf den Umfang des Systems (Fragen 1, 2, 3 und 4): a) Für die Auswahl der am System für den Emissionshandel teilnehmenden Bereiche hat die Kommission einen „downstream“-Ansatz gewählt, d.h. nach Energie verbrauchenden Branchen. Es wäre aber genauso möglich, einen „upstream“-Ansatz zu verfolgen – d.h. nach Erzeugern von Primärenergie und Energieimporteuren. Nach den für die Auswahl der einzubeziehenden Bereiche festgelegten Kriterien (siehe Frage 1) hätte sogar der „upstream“-Option der Vorzug gegeben werden müssen. Leider finden sich im Grünbuch keine Gründe zur Rechtfertigung der gewählten Option. Da es sich um eine grundsätzliche Frage handelt, ist nicht nachvollziehbar, warum im Grünbuch nicht alle Betroffenen, insbesondere die Mitgliedstaaten, mit dieser Frage befasst wurden. b) Die Kommission suggeriert eindeutig (in der ersten Frage), den Handel mit Emissionen in der EU auf standortfeste Großquellen zu beschränken, und vertritt diesbezüglich die Ansicht, dass die Richtlinie zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen und die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung einen guten Ausgangspunkt bieten. Die Art, wie die erste Frage gestellt wird, führt in der Praxis zu einem zwangsläufigen Ausschluss einiger Branchen, insbesondere des Verkehrs, der nach den jüngsten Untersuchungen der Bereich ist, der am meisten zur Verringung der Treibhausgasemissionen beitragen kann, die die EU in Kyoto zugesagt hat. Die Frage, wie diese Branchen in den Emissionshandel einbezogen werden können, wird aber nicht erörtert. Außerdem müsste bei einem praxisorientierten Ansatz, wie dem hier verfolgten, eine Frage aufgenommen werden, durch die untersucht wird, ob Pilotprojekte für den Emissionshandel durchgeführt werden sollen, die Wirtschaftsbereiche umfassen, die trotz niedriger individueller Emissionswerte beträchtliche Gesamtemissionen aufweisen. c) Da in dem Grünbuch der Schwerpunkt auf den Emissionshandel in bestimmten europäischen Wirtschaftszweigen gelegt wurde, fehlt folgende Überlegung: Wie können die Ziele des gemeinschaftlichen Systems für den Handel mit Emissionen mit der Lastenteilung in Einklang gebracht werden, so dass über die Verringerung der Emissionswerte in bestimmten Branchen hinaus vor allem auch nationale Verringerungen in ganz Europa erreicht werden können? Wie sollen unter Berücksichtigung der geringeren Kosten für die Emissionssenkung PE 293.652 DE 12/14 PR\381806DE.doc für am System teilnehmende Branchen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den am Handel mit Emissionen beteiligten und den nichtbeteiligten Bereichen durch unterschiedliche Preise der CO2-Verringerung verhindert werden? d) Die Einführung des Systems für den Emissionshandel vor dem Referenzzeitraum (2008-2012) erfordert die Festlegung von Zwischenzielen. Die Frage, welches diese Zwischenziele sein werden und wie sie festgelegt werden sollen, wurde nicht behandelt. e) In dem Grünbuch wird der direkte Handel mit Emissionen zwischen Unternehmen der EU als einzig mögliche Option für die Festlegung dieses Systems vorgestellt, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung gegeben wird. Es existieren aber sehr wohl Alternativen, die ebenfalls geprüft werden könnten. Eine dieser (vom Grünbuch nicht zugelassenen) Alternativen ist der Emissionshandel auf zwei Ebenen, die allerdings auf gemeinschaftlicher Ebene koordiniert würden: Auf der ersten Ebene würde sich der Emissionshandel zwischen Unternehmen (oder anderen Stellen und Verbrauchern) aus den einzelnen Mitgliedstaaten abspielen; auf der zweiten Ebene würde er zwischen den Mitgliedstaaten erfolgen. Diese Option hätte den Vorzug, dass die Mitgliedstaaten stärker in die Pflicht genommen würden und dass darüber hinaus die Teilnahme der Beitrittsländer am System für den Emissionshandel erleichtert würde. Es ist schon etwas verwunderlich, dass im Grünbuch der Emissionshandel auf Unternehmen beschränkt wird, wohingegen sich im Protokoll von Kyoto kein ausdrücklicher Hinweis auf die Beteiligung von „Einheiten“ (entities) findet (was unter Umständen auf der COP 6 geändert wird). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fragen 3 und 4 so hätten formuliert werden müssen, dass eine weniger restriktive Debatte möglich gewesen wäre. f) Die Kommission hat im Grünbuch das Thema der Erweiterung nur sehr am Rande behandelt. Eine Überlegung und damit eine Frage an die Mitgliedstaaten, wie die Beitrittsländer am Emissionshandel beteiligt werden können, hätte aber aufgenommen werden müssen. Zu den Politikoptionen im Zusammenhang mit der Erstzuteilung von Emissionsmengen (Fragen 5 und 6): Die Frage, nach welcher Methode die Emissionsmengen zugeteilt werden – Versteigerung, unentgeltliche Zuteilung (Besitzstandsregelung) oder Varianten (z.B. Benchmarking) –, wurde, wenn sie auch von der Kommission als eine der Kernfragen bezeichnet wird, nicht in die Liste der Fragen des Grünbuchs ausdrücklich aufgenommen. So sind die Fragen 5 und 6 ein gutes Beispiel dafür, wie die Kommission die Antworten der Mitgliedstaaten beeinflusst. Daher gelangen wir zu der Überzeugung, dass die Kommission hinsichtlich einer ganzen Reihe von Fragen (wie z.B. bei der Methode der Zuteilung der Emissionsmengen) mehr daran interessiert ist, die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu etwas, das bereits vorab festgelegt ist, zu erlangen, als die Mitgliedstaaten zu sensibilisieren. Zu den Politikoptionen im Hinblick auf Synergieeffekte mit sonstigen Politiken und PR\381806DE.doc 13/14 PE 293.652 DE Maßnahmen (Fragen 7 und 8): Der Wille zur Nutzung von Synergien zwischen politischen Konzepten und Maßnahmen und dem Emissionshandel hätte zu einer gemeinsamen Festlegung und Auswahl der Instrumente zur Erreichung der im Rahmen des Protokolls von Kyoto festgelegten Ziele führen müssen. Leider ermöglichen der gewählte Ansatz und die Unausgewogenheit zwischen den beiden Dokumenten der Kommission (KOM(2000) 87 und KOM(2000) 88) diese Synergie nicht. Frage 7 zur Notwendigkeit der Ausgewogenheit zwischen den in den Emissionshandel einbezogenen Bereichen und den auf die anderen Branchen gerichteten Politiken und Maßnahmen ist unerheblich, ja geradezu überflüssig, da sowohl im Protokoll von Kyoto als auch in anderen nachfolgenden Beschlüssen dieses Erfordernis vorgesehen ist. Frage 8 müsste der Kern des Dokuments KOM(2000) 88 (Mitteilung der Kommission über politische Konzepte und Maßnahmen) sein. Leider wird das, was die Kommission in dieser Mitteilung nicht dargelegt hat, den Mitgliedstaaten hier als Frage gestellt. Zu den Politikoptionen für Einhaltung und Durchsetzung (Fragen 9 und 10): Diese Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung. Ohne eine strenge Kontrolle der Einhaltung der von den Mitgliedstaaten und somit den Wirtschaftsakteuren festgelegten Zielen und ohne Einführung eines Abschreckungssystems mit empfindlichen Strafen und rascher Vollstreckung kann das System für den Emissionshandel nicht den gewünschten Erfolg haben. Das derzeitige System von Sanktionen gegen Mitgliedstaaten und Unternehmen ist in der Tat zu langwierig. Dieses System erscheint deshalb für die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs zwischen den in das System für den Emissionshandel einbezogenen Unternehmen als ungeeignet. Schließlich müsste in Frage 9 nicht gefragt werden, ob „die z.Z. verfügbaren Instrumente … ausreichend“ sind, sondern „welche(s) Instrument(e) … zur strengen Einhaltung der festgelegten Vorgaben entwickelt werden“ sollte(n). Es ist überhaupt unverständlich, dass nicht Überlegungen zu neuen Instrumenten in das Grünbuch aufgenommen wurden, die die Einhaltung und Durchsetzung des Systems für den Emissionshandel sicherstellen können. Was die Einhaltung durch Unternehmen betrifft, scheint die Kommission bei ihrem Ansatz unberücksichtigt gelassen zu haben, dass einige Mitgliedstaaten über kein einziges Unternehmen im EMAS verfügen. Auch in Frage 10 beschränkt sich die Kommission darauf, die Mitgliedstaaten über die beste Form der Koordination der bestehenden Kontroll- und Durchsetzungsinstrumente zu befragen, und vermeidet die Erörterung neuer Instrumente. PE 293.652 DE 14/14 PR\381806DE.doc