Universität Kassel Fachbereich Architektur - Stadtplanung - Landschaftsplanung Gottschalkstraße 28 34109 Kassel Masterarbeit zum Thema: Machbarkeitsstudie zur mobilen Abwärmenutzung bei Verbrennungsmotoren durch thermochemische Speicher und dessen Nutzung für die Gebäudeheizung Von Melina Geißler Ausgangssituation Beim Umbau des konventionell ausgelegten Energiesystems in Deutschland hin zu einer regenerativen Versorgung ist die Berücksichtigung des Gebäudebereichs als ein integraler Bestandteil des Gesamtsystems zwingend notwendig. Vor diesem Hintergrund muss neben den Anforderungen an die Energieeffizienz des Baukörpers und des Heizsystems auch die Einbindung erneuerbarer Energien in die Bewertung mit einbezogen werden. Aktuell wird bereits im Bereich der elektrischen Energie eine Verbindung zwischen Gebäude und Mobilität diskutiert. Beispielsweise können gebäudeintegrierte PV-Anlagen bei einem Überangebot an regenerativen Strom die Batterien von Elektrofahrzeugen laden. Aufgabenstellung Im Rahmen dieser Masterarbeit soll eine weitere Möglichkeit zur Verknüpfung der Bereiche Gebäude und Mobilität betrachtet werden. Dabei ist zu untersuchen, ob Verbrennungsmotoren herkömmlicher Kraftfahrzeuge, als auch von Hybrid- und Elektrofahrzeugen (Range Extender-Prinzip) als Heizsystem in Gebäuden genutzt werden können. Die Abwärme des Verbrennungsprozesses wird dabei nicht wie sonst üblich an die Umgebung abgeführt, sondern in eine mobile Speichereinheit zwischengespeichert und anschließend dem Heizsystem des Gebäudes zugeführt. Dabei wird der Brennstoff durch die KraftWärme-Kopplung mit hoher primärenergetischer Effizienz ausgenutzt. Für die Dimensionierung des Systems sind geeignete thermochemische Speichermaterialien auf ihre Eignung zu überprüfen und ein mögliches Konzept für die Gebäudeanbindung zwischen Fahrzeug und Heizsystem vorzuschlagen. Die Ergebnisse der Machbarkeitsanalyse sollen Aufschluss über die energetische, technische und wirtschaftlichen Realisierbarkeit einer derartigen Verknüpfung geben und mögliche Hemmnisse aufzeigen. Vorgehensweise 1. Recherche zu bereits durchgeführten Arbeiten mit ähnlicher Thematik 2. Berechnung der nutzbaren Wärmeenergie auf Basis unterschiedlicher Rahmenbedingungen wie z.B. Unterschied im energetischen Gebäudestandard 3. Aufstellung des energetischen, technischen und wirtschaftlichen Potentials 4. Bewerten der Machbarkeit eines solchen Systems Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Masterarbeit bearbeitet die Realisierungsmöglichkeiten von Verknüpfungen zwischen Fahrzeugen und Gebäuden auf wärmetechnischer Ebene. Von besonderem Interesse waren hierbei die Untersuchungen der bereitgestellten Wärmeenergie des Fahrzeugs und dessen Nutzen für die Deckung des Heizwärmebedarfs eines Gebäudes. Darüber hinaus standen thermochemische Speichermaterialien für die Konzeptentwicklung der mobilen Abwärmespeicherung im Fokus der Analyse. Es wurden Variationstypen zugrunde gelegt, deren Unterschiede in der Gebäudegröße, dem Energiestandard, der Fahrzeugleistung und -anzahl sowie im Nutzerprofil bestanden. Die Potentialabschätzung und fahrzeugspezifische Detailberechnungen ergaben auf theoretischer Ebene, dass die Abwärmeproduktion im Verbrennungsmotor des Kraft-, Hybridfahrzeugs und Range-Extenders generell einen Anteil des Heizwärmebedarfs decken kann. Des Weiteren wurde aufgezeigt, dass der tägliche Wärmebedarf für die Warmwasserbereitung von jedem Fahrzeug-Variationstyp zur Verfügung gestellt werden kann. Die Realisierung einer derartigen Technologie im Sinne der Ausnutzung von bereits verfügbarer oder „kostenloser“ Wärmeenergie erscheint demnach sinnvoll. Insgesamt wirkt sich eine höhere Anzahl an eingesetzten Fahrzeugen positiv auf eine größere speicherbare Wärmemenge und im Gegenzug auf eine kleinere Speicherdimension für jedes einzelne Auto aus. Der jeweilige tägliche Deckungsanteil ist dagegen je nach Variationstyp unterschiedlich. Für ein energetisch unzureichend erstelltes Gebäude, wie z.B. der untersuchte un- und sanierte Altbau der 50er Jahre, ergibt sich für das Einfamilienhaus nur ein geringer Wärmeanteil am täglichen Gesamtheizbedarf, der von allen drei Fahrzeugarten bereitgestellt werden kann. In diesem Fall kann nur der Einsatz von mehreren Autos den Deckungsanteil positiv beeinflussen. Die älteren Energiestandards sind somit für den Einsatz einer möglichen Abwärmespeicherung aufgrund des hohen spezifischen Heizwärmebedarfs und des geringen Nutzens nur bedingt zu empfehlen. Sollte dessen ungeachtet eine Systementscheidung getroffen werden, eignen sich „reine Kraftfahrzeuge“ oder Range-Extender mit dem Nutzerprofil des Berufspendlers für den Einsatz am ehesten, da mit Hilfe dieser Voraussetzungen mehr Abwärme erzeugt werden kann. Die energetisch sinnvollsten Anbindungsvarianten bestehen für ein nach „EnEV 2009“ ausgelegtes Gebäudes oder für ein Passivhaus. Da der tägliche Heizwärmebedarf über die Motorabwärme z.T. bis zu 100 % gedeckt werden könnte, wäre sogar eine monovalente Betriebsweise der Sorptionstechnik bei jenen Gebäudetypen möglich. Ausschließlich das Einfamilienhaus des „EnEV“-Energiestandards erforderte einen zusätzlichen Wärmeerzeuger. Dies steht allerdings im direkten Zusammenhang mit der Annahme einer sehr hohen Wohnfläche (240 m²), so dass bei kleinen Einfamilienhäusern möglicherweise ebenfalls auf einen weiteren Wärmelieferanten verzichtet werden könnte. Das untersuchte Nutzerprofil eines „Durchschnittsbürger“, der insgesamt 3,4 Wege à 14,7 km am Tag zurücklegt, schneidet für die jüngeren Energiestandards im Vergleich zum Berufspendler, der nur zwei Wege à 25 km fährt, besser ab. Dies liegt an den deutlich niedrigeren Wärmeüberschüssen im Sommer für das Nutzerprofil „Durchschnittsbürger“. Aus der Fahrzeuganalyse ist zudem das antizyklische Verhalten zwischen verfügbarer Abwärme und Heizwärmebedarf erkennbar. In den Winter- und Herbstmonaten besitzen die Gebäude einen hohen Wärmebedarf. In dieser Zeit wird jedoch von den betrachteten Fahrzeugen am wenigsten Abwärme produziert. Generell ist diese Situation als großes Manko für die mobile Wärmespeicherung in Verbindung mit dem anschließenden Einsatz in der Gebäudeheizung anzusehen. Bei der Analyse von Speichermaterialien stellten sich die festen Sorptionsmittel Silikagel und Zeolithe 13 X und das flüssige Medium Lithium-Chlorid als besonders geeignet dar. Im direkten Vergleich bietet der Einsatz von Lithium-Chlorid angesichts einer höheren Speicherdichte, die wiederum zu einem kleineren Speichervolumen führt, erhebliche Vorteile. Darüber hinaus kann ein Speicherkonzept gewählt werden, das für die Entladung keiner direkten Kopplung zwischen Fahrzeug und Gebäude bedarf. Dies führt für den Nutzer zu einem deutlichen Gewinn hinsichtlich der Flexibilität der Fahrzeugverfügbarkeit. Nachteilig wirken sich jedoch die hohe Korrosion und Kristallisation bei LiCl aus, so dass aufwendige Anpassungen bei der Systemauslegung in Kauf genommen werden müssen. Zudem lassen sich die eventuellen Folgen bzw. die Gefahr des korrosiven Lithium-Chlorids bei einem Verkehrsunfall nicht detailliert vorhersagen. Im Hinblick auf die spezifischen Kosten im Bereich von 3000 - 4000 €/m³ sind alle der drei Sorptionsmittel ohne nennenswerten Unterschied. Die Analyse des Anbindekonzepts zwischen Fahrzeug und Gebäude zeigt, dass für die Speicherentladung eine Feuchtequelle benötigt wird, um eine Ab-/Adsorption einleiten zu können. Dies setzt in den Gebäuden eine Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung voraus, mit der über die Abluftfeuchte die Sorptionswärme genutzt werden kann. Bei näherer Betrachtung ist jedoch erkennbar, dass die im Winter zur Verfügung stehende Abluftfeuchte eines KfW-Effizienzhaus 40 nur eine Wärmemenge von etwa 6 % des jährlichen Heizwärmebedarfs (450 kWh/a) aus dem Absorber freisetzen kann. Der hohe technische und finanzielle Aufwand, der für eine Umsetzung der mobilen Abwärme-nutzung erforderlich wäre, kann durch den geringen energetischen Nutzen somit nicht gerechtfertigt werden. Letztendlich kristallisiert sich die Problematik des Entladungsvorgangs als größtes Realisierungshemmnis heraus. Während andere aufgezeigte Hindernisse möglicherweise mit technischem Fortschritt oder weiterer Forschung behoben werden könnten, erweist sich die fehlende Abluftfeuchtigkeit im Winter als K.O.-Kriterium für eine Verknüpfung zwischen Fahrzeug und Gebäude. Anschließende Untersuchungen verschiedenster Gebäudetypen, wie beispielsweise industriell und gewerblich genutzte Gebäude oder Schwimmbäder mit hoher Feuchtelast, sollten in dieser Richtung erfolgen. Weiterhin wäre es sinnvoll Lastkraftwagen in die Betrachtung einzubeziehen, die den benötigten Platzbedarf eines möglichen Speichers einfacher bereitstellen könnten. Darüber hinaus ist eine Prüfung von anderen Materialien wie z.B. Phasenwechselmaterialien denkbar.