Einschub: Beweis durch vollständige Induktion

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Chr.Nelius: Graphentheorie (WS 2015/16)
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Einschub: Beweis durch vollständige Induktion
Mit Hilfe vollständiger Induktion lässt sich häufig beweisen, dass eine Aussage oder Formel für alle
natürlichen Zahlen richtig ist.
1. Variante
n0 ∈ IN0 sei eine feste Zahl, und es sei A(n) eine Aussage in Abhängigkeit von
n ∈ IN0 . Kann man dann beweisen, dass
i) A(n0 ) richtig ist und dass
ii) aus der Richtigkeit von A(n) für eine beliebige, aber feste
natürliche Zahl n ≥ n0 die Richtigkeit von A(n + 1) folgt,
so ist A(n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 richtig.
Bezeichnungen: Ein Induktionsbeweis besteht immer aus 2 Beweis–Teilen:
1) dem Induktionsanfang (IA)
hier wird bewiesen, dass die Behauptung für n = n0 richtig ist (häufig ist n0 = 1 , aber nicht
immer!)
2) dem Induktionsschluss (IS) oder dem “Schluss von n auf n + 1“:
hier wird unter der Induktionsvoraussetzung (IV), dass die Behauptung für eine beliebige (aber
feste) natürliche Zahl n ≥ n0 richtig ist, die Induktionsbehauptung (IB) bewiesen, dass dann
die Behauptung auch für n + 1 richtig ist.
Grundlage für diese Beweismethode ist das sog. Induktionsprinzip aus den Peano–Axiomen für die
natürlichen Zahlen (Giuseppe Peano, 1858–1932):
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Chr. Nelius: Graphentheorie (WS 2015/16)
Die PEANO–Axiome für die natürlichen Zahlen (1889):
P1 ) 0 ist eine natürliche Zahl
P2 ) Jede natürliche Zahl n besitzt eine natürliche Zahl n′ als Nachfolger
P3 ) 0 ist nicht Nachfolger einer natürlichen Zahl
P4 ) Haben zwei natürliche Zahlen denselben Nachfolger, so sind sie gleich
P5 ) Induktionsprinzip
Eine Menge T natürlicher Zahlen, die 0 enthält und mit jeder Zahl auch
deren Nachfolger, enthält alle natürlichen Zahlen.
Unter den Voraussetzungen i) und ii) läßt sich zeigen, dass die Menge
T := { n | n ∈ IN0 , n ≥ n0 , A(n) ist richtig } ⊆ IN0
auf Grund von P5 ) gleich der Menge aller natürlichen Zahlen ≥ n0 ist, d.h. A(n) ist dann für alle
n ∈ IN0 , n ≥ n0 richtig.
Das Induktionsprinzip steht in engem Zusammenhang mit der sog. Wohlordung der natürlichen
Zahlen:
SATZ: Die geordnete Menge (IN0 , ≤) ist wohlgeordnet, d.h. jede nichtleere Teilmenge von IN0
besitzt ein kleinstes Element.
Man kann die Wohlordnung von (IN0 , ≤) mit Hilfe des Induktionsprinzips P5 ) beweisen und umgekehrt
aus der Wohlordnung von (IN0 , ≤) das Induktionsprinzip folgern.
Für die Anwendung ist manchmal – abhängig von der Situation – die folgende Variante, die aber
äquivalent zur ersten ist, geeigneter:
2. Variante
n0 ∈ IN0 sei eine feste Zahl, und es sei A(n) eine Aussage in Abhängigkeit von
n ∈ IN0 . Kann man dann beweisen:
i) A(n0 ) ist richtig
und
ii) ist n ≥ n0 eine beliebige, aber feste natürliche Zahl und
ist A(k) für alle k mit n0 ≤ k ≤ n richtig, so folgt die
Richtigkeit von A(n + 1) ,
so ist A(n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 richtig.
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Chr. Nelius: Graphentheorie (WS 2015/16)
Beispiele
1. Variante
SATZ:
n
X
Für jede natürliche Zahl n ≥ 1 gilt
k =
1
n(n
2
+ 1) .
k=1
Wir setzen:
n
X
Sn :=
k = 1 + 2 + 3 + . . . + (n − 1) + n (Summe der ersten n natürlichen
k=1
Zahlen).
Beweis durch vollständige Induktion nach n:
(IA) S1 = 1 =
(IV)
1
2
· 1 · (1 + 1)
Für eine beliebige aber feste natürliche Zahl n ≥ 1 gilt
(IB) Sn+1 =
1
(n
2
+ 1)((n + 1) + 1) =
1
(n
2
Sn =
1
n(n
2
+ 1)
+ 1)(n + 2)
Sn+1 = 1 + 2 + 3 + . . . + (n − 1) + n + (n + 1)
= [ 1 + 2 + 3 + . . . + (n − 1) + n ] + (n + 1)
= Sn + (n + 1)
=
1
n(n + 1) + (n +
2
1
n
+
1
(n + 1)
2
=
n+2
(n
2
=
1
(n
2
=
1)
nach (IV)
+ 1)
+ 1)(n + 2)
2. Variante
SATZ: Jede natürliche Zahl n ≥ 2 lässt sich als ein Produkt von Primzahlen darstellen (es sind
auch Produkte aus einem Faktor erlaubt!)
Beweis durch vollständige Induktion nach n.
(IA) n = 2 ist eine Primzahl. Fertig!
(IV) Ist n ≥ 2 eine beliebige aber feste natürliche Zahl, so lässt sich jede Zahl k mit 2 ≤ k ≤ n
als ein Produkt von Primzahlen darstellen.
(IB) n + 1 ist ein Produkt von Primzahlen.
Annahme: n + 1 ist kein Produkt von Primzahlen.
Dann ist n + 1 insbesondere keine Primzahl, also ist n + 1 eine zusammengesetzte Zahl, d.h. n + 1
lässt sich als ein Produkt zweier echter Teiler r und s darstellen:
n+1 = r·s
(2 ≤ r, s < n + 1)
Nach (IV) sind r und s als Produkte von Primzahlen darstellbar, so dass dann auch n+1 = r·s ein
Produkt von Primzahlen ist. Widerspruch!
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