Roter Sturm« Nr. 2

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Nummer 2
Februar 2011
Frau Birthlers giftige Saat des Geschichtsrevisionismus und des
antikommunistischen Hasses soll Früchte tragen ? 1)
Die tschechische Regierung hat im Parlament einen Gesetzentwurf eingebracht, ehemaligen Funktonären der KPC und
Angehörigen der Staatssicherheit die Rente um 10% zu kürzen. Dieses Geld soll dann all denen zugute kommen, denen
durch Mord, Totschlag, Sabotage und ähnliche Verbrechen der Status von antikommunistischen Widerstandskämpfern
zuerkannt wurde.
In der ersten Lesung hat der Entwurf das Parlament passiert. Sollte es im Parlament und im Senat angenommen werden,
muss es letztendlich noch vom Präsidenten unterschrieben werden. Das wird sicher alles seine Zeit dauern. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz durchgeht, ist hoch.
Zu diesem Gesetzentwurf führte die Abgeordnete der Kommunistischen Partei Böhmen und Mähren im tschechischen
Parlament Marta Semelova (übersetzt von H. Wendt) aus:
Sehr verehrte Kolleginnen, sehr verehrte Kollegen,
Sinn des vorgelegten Gesetzentwurfes sollte wohl sein – ich zitiere hier die Autoren – der moralische Imperativ
des Kampfes für Freiheit und Demokratie und die generell präventive Bedeutung der Hervorhebung des antikommunistischen Widerstandes. Tatsächlich geht es aber um etwas vollkommen anderes. Es geht um den Versuch der Auslöschung des Gedenkens, um die Einschüchterung und Verleumdung ehrlicher Menschen, die in
ihrer übergroßen Mehrheit das Regime nach dem Februar 48 als das ihre angenommen hatten, um Menschen,
die hier gearbeitet haben, Werte geschaffen haben und in Frieden gelebt haben. Nach dem Krieg haben sie das
verwüstete Land wieder aufgebaut und das taten sie, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht, mit Hingabe und Enthusiasmus. Sie haben freiwillig gearbeitet, haben auf Jugendbaustellen gearbeitet, haben eine Landwirtschaft
entwickelt, die in der Lage war, das Volk zu ernähren. Sie bauten Wohnungen, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, bauten die Industrie auf, deren Erzeugnisse uns in aller Welt Achtung eingebracht haben. Leider sind
diese Fabriken heute bereits ausgeraubt und verkauft. Das alles war es, wodurch sich diese Menschen schuldig
gemacht haben. Und diese Menschen wollen Sie jetzt kriminalisieren? Wollen Sie Gewalt gegen sie legalisieren
und würdigen? Das ist eine Ungeheuerlichkeit!
Folgt man Ihrem Gesetzentwurf, ist der Bürger, der – ich zitiere – mit Einsatz seines eigenen Lebens eine außerordentlich verdienstvolle Tat vollbracht hat, als Teilnehmer des antikommunistischen Widerstands oder Widerstandskampfes anzusehen. Ich möchte Sie gern fragen, worin nach Ihrem Verständnis eine solche verdienstvolle
Tat besteht?
Hinterhältiger Mord? Brandstiftung? Bewaffneter Raubüberfall? Offensichtlich ja! Im Kontext der von Herrn
Topolanek ausgezeichneten und vom Premier Necas oder dem Innenminster John glorifizierten zutiefst niederträchtigen Morde, ich meine die Masins 2) und Paumer, ist klar, daß sie als ausserordentlich verdienstvolle Tat
tatsächlich die Dinge betrachten, die zum Beispiel diese Leute verbrochen haben. Die Abschlachtung eines
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gefesselten, bewußtlosen Mannes oder die Erschießung eines Kassierers, als sie Geld stahlen. Oder die Tat der
Gebrüder Sims, die eine Post überfallen haben und den Postangestellten beim Versuch, Geld zu erbeuten, so
schwer verletzt haben, daß er sein ganzes Leben taub war. Solchen Verbrechern wollen Sie den Status von
Kriegsveteranen geben! Das ist einfach ein Schlag ins Gesicht nicht nur ihrer Opfer und deren Nachkommen,
die Sie so ganz nebenbei völlig ignorieren und die Sie allein schon dadurch verletzen, daß die Mörder ihrer
Eltern für staatliche Auszeichnungen vorgeschlagen werden. Das ist aber auch eine grobe Verletzung und Mißachtung des Andenkens aller Teilnehmer des antifaschistischen Widerstandes. Eine solche Achtung genießen
weder die Kämpfer gegen den Faschismus, die tschechoslowakischen Partisanen oder Häftlinge, die während
des 2. Weltkrieges durch die KZ gegangen sind. Und ich erinnere daran, daß unter den Ersten, die sich dem
deutschen Faschismus entgegengestellt haben, die gequält, gefoltert und hingerichtet wurden, gerade die Kommunisten waren.
Aber das wollen Sie sicherlich nicht hören. Statt dessen wollen Sie aus Terroristen Widerstandskämpfer oder
Veteranen machen. Und dann wagen Sie sich auch noch in dem vorgelegten Gesetzentwurf – und die Regierung
hat diesen Entwurf gebilligt – zu sagen, daß: „die Taten und die Haltung dieser Personen für kommende Generationen Beispiel und Verpflichtung waren und sind“.
Eine derartige Würdigung und Wertung von Gewalt und Terror ist meines Erachtens schon an der Grenze strafrechtlicher Verantwortung. Darüber hinaus ist das ein warnendes Beispiel, welche Gefahr die gegenwärtige Regierungskoalition für die Tschechische Republik und ihre Bürger darstellt.
Täglich sind wir in den Fernsehnachrichten schockiert von der ständig wachsenden Aggressivität der Kinder
und Jugendlichen, von bewußter Brandstiftung durch verrückte Einzelne, von brutalen Überfällen auf wehrlose
Frauen und ältere Menschen. Wir kritisieren die Medien wegen der Filme voller Gewalt, wir veranstalten Fachseminare, wie die Jugendkriminalität einzudämmen ist. Wir fragen nach den Ursachen.
Damit, was Sie dem Parlament vorgelegt haben, vermitteln sie allen heutigen brutalen Gewalttätern, daß solche
Taten eigentlich legal und sogar bewunderungswürdig sind. Unsere Jugend erhält so wirklich leuchtende Beispiele für ihre Erziehung.
In der Präambel dieses Gesetzes heißt es unter anderem, daß das Parlament der Tschechischen Republik den unschuldigen Opfern des Terrors des kommunistischen Regimes sein tiefes Mitgefühl ausspricht. Ich weise auf die
Unwissenheit der Einbringer des Gesetzes hin, die nicht wissen, daß es hier keinen Kommunismus, sondern Sozialismus gegeben hat. Aufmerksamkeit verdient aber das tiefe Mitgefühl gegenüber den Opfern. Es würde
mich interessieren, wer denn den unschuldigen Opfern des kapitalistischen Regimes, den Kriegsopfern, den Obdachlosen, die auf der Straße erfroren sind, den Bettlern, die nicht wissen, wovon sie leben sollen, sein Mitgefühl ausdrückt, wer denn den Hunderttausenden, die ihre Arbeit verloren haben, den Menschen, die unterhalb
der Armutsgrenze leben, der immer größer werdende Anzahl derer, die sich aus sozialen und wirtschaflichen
Gründen das Leben nehmen, sein Mitgefühl ausdrückt.
Diese Ihre Freiheit und Demokratie existiert doch hier nur für einige, nicht für den einfachen Menschen. Der
kann heute akkurat freiheitlich unter der Brücke oder auf der Straße sterben allein deshalb, weil er kein Geld
hat.
Im Kapitalismus kommt es heute tagtäglich zur Verletzung der Menschenrechte, wie des Rechtes auf Arbeit, auf
kostenlose Gesundheitsbetreuung, auf kostenlose Bildung, auf soziale Fürsorge. Im Unterschied zu dem von
Ihnen so verleumdeten Sozialismus, der den Menschen Arbeit gab, suchen heute mehr als 700 Tausend Menschen Arbeit und weitere werden nicht bezahlt; sie verleumden einen Sozialismus, der den Menschen ein Dach
über dem Kopf gab. Heute sind die Mieten so hoch, daß sie nicht mehr bezahlbar sind und die Menschen oft auf
der Straße enden. Sie verleumden einen Sozialismus, der den Menschen kostenlose Gesundheitsleistungen und
Vorsorge gab, dank derer Tuberkulose und Kinderlähmung liquidiert waren. Heute bezahlen die Patienten beim
Arzt und im Krankenhaus, bezahlen für Medikamente. In diesem schrecklichen Sozialismus hatten die Menschen soziale Sicherheit, an deren Stelle heute die Angst vor dem Morgen getreten ist. Angst vor den Schulden,
Angst vor den gefühllosen Gerichtsvollziehern.
In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, daß „die Begriffe Freiheit und Demokratie im Denken der Bürger inhaltlich stark deformiert waren. Freiheit wird verwechselt mit Eigentum, Demokratie wird ohne Verant-
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wortung für das Gemeinwohl verstanden“. Die Regierungsverantwortung für das Gemeinwohl ist heute auf
Schritt und Tritt zu sehen. Dazu könnten all diejenigen etwas sagen, die Sie tagtäglich mit einem hohen Maß an
Arroganz belügen. Abwandernde Ärzte und ratlose Patienten, Sozialarbeiter, Feuerwehrleute und Polizisten,
Landwirte, junge Familien mit Kindern und Rentner.
Vom Grad der Veranwortung der tschechischen Regierung können wir uns bei jeder Tagung des Parlaments
überzeugen, wenn jedwede Vorschläge der Opposition von der Regierungskoalition abgelehnt werden. So können die Wähler mit eigenen Augen sehen, wie diese Parteien ihre Wahlversprechungen erfüllen, daß alle Schritte transparent und sauber sein würden, daß man zur Diskussion bereit sei. Sie können deren Verantwortung
sehen, wenn die Abgeordneten der Koalition gegen die Veröffentlichung jeglicher Informationen über Regierungsmitglieder stimmen, ob es sich um die Affäre um die Minister Vondra und Barta oder um die kritische
Lage im Gesundheitswesen handelt, so wie es heute geschah.
Der vorgelegte Entwurf behandelt auch „Formen des antikommunistischen Kampfes oder Widerstandes“.
Entsprechend § 4, Abs. 1, wird darunter verstanden „der bewaffnete oder anderer vergleichbarer Kampf, der
gegen das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei geführt wurde, die Ausführung von Sabotageakten,
die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten eines demokratischen Staates, der Durchbruch oder die
Überschreitung der Staatsgrenzen mit dem Ziel der Teilnahme am antikommunistischen Widerstand oder andere
mutige Taten.“
Der Inhalt dieses Paragrafen zeugt von einfach perversen Werten der Gesetzeseinbringer. Würdigung verdienten
aber ganz andere Menschen, und zwar die ehemaligen Grenzsoldaten, die unsere Grenzen beschützt haben.
Die Staatsgrenzen sind immer einer der Grundbestandteile der Souveränität eines jeden Staates.
Während des Kalten Krieges erlangte die Sicherung der Staatsgrenzen eine besonders große Bedeutung. Und es
waren gerade die Grenzsoldaten, die Verdienste daran hatten, daß manche Provokationen an den Staatsgrenzen
sich nicht zu Konfrontationen größeren Ausmaßes und zur Störung des Friedens auswuchsen. Es waren die
Angehörigen der Grenzpolizei, die die Ruhe für ein friedliches Leben und ein Arbeiten in Frieden nicht nur in
den Grenzregionen sicherten.
Und daß sie keinen leichten Dienst hatten, davon zeugen historische Quellen aus den fünfziger Jahren, als bei
Grenzverletzern Waffen gefunden wurden, Maschinenpistolen, Handgranaten usw. Wofür diese Waffen gedacht
waren, ist bekannt. Die Grenzen wurden nicht nur von solchen Menschen überschritten, die mit dem neuen
Regime nicht einverstanden waren und von Agenten, sondern auch von Kriminellen, die vor der Strafe für auf
unserem Territorium begangene Straftaten flüchteten. Und gegen Grenzer wurden oft Waffen angewandt. Aber
das ist ja nach Ihrer Meinung völlig gerechtfertigt.
Im Gesetzentwurf wird gesagt, daß die Annahme des Gesetzes gerade für die gegenwärtig heranwachsende
Generation von Bedeutung sei, die erkennen soll, was in unserem Lande passieren ist, was und warum Eltern
und Großeltern so gehandelt haben.
Sie werden sich wundern, aber dem stimmen wir zu. Ja, die heranwachsende Generation sollte wissen, was in
unserem Lande passierte, was und warum Eltern und Großeltern so gehandelt haben. Aber sie sollte die Wahrheit wissen. Aber um diese Wahrheit geht es Ihnen in diesem Gesetz nicht. Sie verfälschen diese Wahrheit absichtlich, Sie politisieren sie. Zum Schein kämpfen Sie gegen den Terrorismus, durch den Inhalt des Gesetzes
legalisieren sie ihn. Ausgehend von meinen obigen Ausführungen ist der vorgelegte Gesetzentwurf für mich
nicht annehmbar und ich schlage vor, ihn zurückzuweisen.
1)
2)
Marianne Birthler, 2000 – März 2011 „Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR“ : als Missionarin in den ehem. europäischen sozialistischern Staaten auf der Jagd nach Mitarbeiten, Inoffiziellen
Mitarbeitern und Verantwoprtungsträgern sozialistischer Staaten. Siehe Klaus Eichner: „Die Osterweiterung der
Birthlerbehörde“
Die Terrorgruppe der Brüder Masin verantwortet 1951-1953 auf tschecxhoslowakischem und DDR-Territorium bei
Raubüberfällen und Grenzdurchbrüchen durch Schusswaffengebrauch mindestens 5 Tote und 11 Schwerverletzte.
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