Ingenieure für Brandschutz DER SCHWEDENKAI In Kiel wird ein hochmodernes Terminalgebäude gebaut Von Dipl.-Ing. (FH) Gunnar Buhl, hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH Neben dem Norwegenkai und dem Ostseekai entsteht in Kiel ein drittes hochmodernes Terminalgebäude — der Schwedenkai. Bild: KSP Jürgen Engel Architekten Das in Kiel neu entstehende Terminal „Schwedenkai“ dient Stena Line — der größten Fährschiffreederei der Welt — für die Fährverbindungen nach Schweden sowie für die Abfertigung von Kreuzfahrtschiffen. Bei laufendem Fährbetrieb wird es südlich des alten Terminals gebaut, den es nach der Fertigstellung ersetzen soll. Den Architekturwettbewerb für den Neubau konnte das Braunschweiger Büro KSP Jürgen Engel Architekten für sich entscheiden. Der Entwurf sieht einen transparenten Hochhaus-Riegel mit filigraner Gestaltung vor. Das Gebäude wird quer zur Wasserkante ausgerichtet, sodass der Blick von der Kieler Innenstadt auf das Wasser frei und unbebaut bleibt. Insgesamt wird das Gebäude in der Höhe ca. 46 Meter messen und entspricht damit den Ausmaßen großer Fähren. Das neue Terminal ergänzt das benachbarte Hafenhaus, mit dem es gemeinsam ein Ensemble bildet. Der Schwedenkai vereint verschiedene Nutzungen in sich: In den unteren Ebenen liegen die Servicefunktionen für Passagiere und Frachtgüter. Allein die Passagierebene wird eine Fläche von ca. 1.200 Quadratmetern umfassen. Dank dieser Kapazität ist die zusätzliche Abfertigung von bis zu 300 Meter langen Kreuzfahrtschiffen möglich. Im darüber liegenden Geschoss wird ein großes, öffentliches Restaurant eingerichtet. Highlight des Lokals soll eine ausgedehnte Außenterrasse werden, die zur Wasserseite zeigt. In den oberen Etagen sind Büroflächen vorgesehen. Realisiert wird der rund 16 Millionen Euro teure Neubau von der Seehafen Kiel GmbH. Die Fertigstellung ist für 2010 geplant. hhpberlin · Ingenieure für Brandschutz GmbH · Hauptsitz: Rotherstraße 19 · 10245 Berlin · Phone +49 (0)30-89 59 55-0 Fax +49 (0)30-89 59 55-100 · www.hhpberlin.de · [email protected] · Amtsgericht Berlin-Charlottenburg · HRB 78 927 Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Margot Ehrlicher, Dipl.-Inf. BW (VWA) Stefan Truthän, Dipl.-Ing. Karsten Foth · Beirat: Prof. Dr.-Ing. Dietmar Hosser, Dr.-Ing. Karl-Heinz Schubert · Bankverbindung: Deutsche Bank P+G AG · BLZ 100 700 24 · Konto-Nr. 1419100 IBAN-Nr. DE52100700240141910000 · Swift-Code: DEUTDEDBBER · Ust-IdNr. DE217656065 Das Gebäude Der Neubau des Fähranlegers erstreckt sich über eine Grundfläche von 2.150 Quadratmetern im Bereich des Sockelbaus bzw. knapp 800 Quadratmetern im Büroturm. Er besteht insgesamt aus13 oberirdischen Geschossen. Die Fußbodenoberkante des höchst gelegenen Aufenthaltsraumes bzw. Geschosses liegt ca. 39 Meter über dem Boden, wodurch das Gebäude als Hochhaus gilt. In der untersten Ebene des neuen Terminals liegt der Fracht-Check-In und der Empfangsbereich. In den darüber liegenden Ebenen 1 - 3 erstreckt sich ein mehrgeschossiger Luftraum. Das Atrium reicht bis in eine Höhe von 13 Metern. Im zweiten Geschoss werden Aufenthaltsbereiche sowie Zonen für die Passagierabfertigung eingerichtet. Die Ebene 3 nimmt Lager- und Technikräume auf. Ein Restaurant mit Sonnenterrasse und Besucherdeck steht im vierten Geschoss der Öffentlichkeit zur Verfügung. Darüber erhebt sich der Tower, in dessen Ebenen 5 - 12 Büros eingerichtet werden. Das abschließende, 13. Geschoss wird als Technikebene genutzt. Darstellung der verschiedenen Brandabschnitte in der Seitenansicht. Bild: KSP Jürgen Engel Architekten Die Fassaden an den Längsseiten des Hochhauses werden als Doppelfassaden mit horizontal verlaufenden Brüstungen realisiert. Die Dächer sind als Flachdächer geplant, wobei das Dach des Sockelbaus teilweise als Dachterrasse für das Restaurant sowie als Besucherdeck genutzt werden soll. Baurechtlich wird der Fähranleger als bauliche Anlage mit besonderer Art und Nutzung eingestuft - also als Sonderbau. Dies begründet sich in der Größe der Bruttogeschossfläche mit mehr als 1.600 Quadratmetern, der großen Personenkonzentration, der Integration eines Restaurants sowie der Höhe des Towers. Die Grundlage aller Betrachtungen bildet damit die aktuelle Landesbauordnung für das Bundesland Schleswig-Holstein (LBO). Seite 2 Daneben müssen aufgrund der besonderen Architektur und Nutzungskombination aber auch weitere, spezielle Richtlinien in die Planung integriert werden. Da der Tower durch eine Brandwand vom übrigen Gebäudeteil abgetrennt ist, ergeben sich zwei unterschiedliche Bereiche: Der Büroturm sowie der Terminalbereich. Der Tower fällt in den Bereich der Hochhäuser, wodurch für ihn die aktuelle, im Land Schleswig-Holstein bauordnungsrechtlich eingeführte, Hochhausrichtlinie (HHR) zugrunde gelegt werden muss. Da der Terminalbereich hauptsächlich zur Passagierabfertigung genutzt wird, ist er als klassisches Verkehrsgebäude zu bewerten. Aufgrund der großen Personenzahlen, die sich in dem Bereich aufhalten, erfolgt die brandschutztechnische Bewertung anhand der in Schleswig-Holstein geltenden Versammlungsstättenverordnung (VStättVO). Vorgesehene Brandschutzmaßnahmen Alle Rettungswege in dem Gebäude sind baulich sichergestellt, da ein Anleitern aufgrund der Gebäudehöhe des Hochhauses, bzw. der Nutzung als Terminalbereich mit großer Personenkonzentration für die Feuerwehr nicht möglich ist. Der Tower verfügt dazu über einen Sicherheitstreppenraum, über den beide baurechtlich erforderlichen Rettungswege parallel gewährleistet werden können. Über eine Überdruckbelüftungsanlage und eine Anordnung von Vorräumen wird ein Eindringen von Feuer und Rauch in den Sicherheitstreppenraum verhindert, sodass dieser auch im Brandfall stets nutzbar ist. Zusätzlich ist zur Sicherstellung eines raschen Löschangriffes durch die Feuerwehr einer der beiden vorhandenen Aufzüge als Feuerwehraufzug vorgesehen. Durch eine sorgfältige bauliche Sicherstellung der Brandabschnittsunterteilung konnte erreicht werden, dass die Installation einer automatischen Löschanlage in dem Gebäude baurechtlich nicht erforderlich wurde. Für das Gebäude gilt noch die alte Hochhausrichtlinie in der Fassung von 1983, die eine maximal zulässige Rettungsweglänge von nur 25 Metern bis zum Sicherheitstreppenraum vorschreibt. Durch die geplante Gebäudegeometrie konnte diese Forderung nicht in allen Fällen umgesetzt werden. In Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde einigte man sich auf ein Paket aus baulichen und anlagentechnischen Kompensationsmaßnahmen, die das Schutzziel gleichfalls erfüllten. So wurde in den Nutzungseinheiten eine Brandmeldeanlage zur frühzeitigen Alarmierung der Personen geplant. Außerdem ist die Rettungsweglänge bis zur Sicherheitsschleuse des Sicherheitstreppenraumes auf einen Wert von knapp über 30 Meter beschränkt. Der Terminalbereich mit einer vorgesehenen Belegung von bis zu 1.200 Personen verfügt über vom Tower unabhängige Rettungswege zu verschiedenen überdachten Brücken oder zur Außentreppe. Mit Hilfe der Regelungen der Versammlungsstättenverordnung konnte nachgewiesen werden, dass die Ausgangsbreiten aus dem Terminalbereich ausreichend geplant waren. Die Brücken stellen einen sensiblen Teil des Rettungsweges dar. Hierbei mussten insbesondere die Breiten der von der Brücke führenden Treppen besonders berücksichtigt werden, da diese schmaler ausgeführt waren, als die lichten Zugangsbreiten zu den Brücken. Diese Situation birgt grundsätzlich die Gefahr eines unzulässig großen Personenrückstaus auf den Brücken. Mit Hilfe einer genauen Betrachtung der möglichen Stauflächen auf den Brücken konnte diese — baurechtlich gesehen — unzulässige Situation dennoch positiv bewertet werden. Erleichternd kam die zum Teil große Länge und damit auch große Rückstaufläche der Brücken hinzu. Um nun die zum Teil erheblichen Rettungsweglängen (von bis zu 100 Metern) auf der Brücke zu kompensieren, wurden brandschutztechnische Trennungen zwischen Terminalbereich und Brücke sowie spezielle Entrauchungsmöglichkeiten der Brücken sichergestellt. Das Gebäude wurde in zwei Brandabschnitte (Tower und Terminalbereich) unterteilt. Zum einen wurde damit eine Beschränkung der Brandabschnittsgrößen auf ein akzeptables Maß erreicht, Seite 3 zum anderen konnte damit sichergestellt werden, dass der Terminalbereich baurechtlich nicht gemäß den erhöhten Anforderungen des Hochhausrechts beurteilt werden musste. Die innere Brandwand ist über die Geschosse verspringend geplant, wie die Darstellung der Brandabschnitte zeigt. Dabei ist der Brandabschnitt der Passagieraufenthaltsbereiche grün eingefärbt, der Tower wurde gelb dargestellt. Sichtbar ist, dass sich der Passagieraufenthaltsbereich in den Tower „hineinschiebt“. Im Brandschutzkonzept wurde nachgewiesen, dass eine Brandübertragung von Geschoss zu Geschoss — und damit auch von einem Brandabschnitt zum nächsten Brandabschnitt — trotz der z. T. übereinander liegenden Gebäudeöffnungen nicht zu befürchten ist. Zu beachten ist, dass die im Hochhausrecht geforderte ein Meter hohe feuerbeständige Brüstung grundsätzlich nicht genügt, um einen vertikalen Brandüberschlag von Geschoss zu Geschoss wirksam und dauerhaft zu verhindern. Zielstellung war es, in dem Gebäude auf eine Sprinkleranlage zu verzichten. Dafür musste erreicht werden, dass durch bauliche Maßnahmen ein vertikaler Brandüberschlag verhindert wird. Nachgewiesen werden konnte dies z. B. über den gegebenen Abstand zwischen den vertikalen Gebäudeöffnungen in Verbindung mit einer brandlastarmen Ausstattung im unteren Brandabschnitt und einer VSG-Verglasung im oberen Brandabschnitt. Letzteres ließ sich mit Hilfe der Ergebnisse von Realbrandversuchen — den so genannten Lehrte Brandversuchen — bestätigen. Hier konnte abgelesen werden, welche Temperaturen in welcher Höhe über der Außenwandöffnung des Brandraumes zu erwarten waren. Schematische Darstellung der Ergebnisse aus den Lehrte Brandversuchen: Originalmesswerte und Isothermen zum Zeitpunkt der maximalen Temperaturen. Bild: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Bau- und Wohnungsforschung, Heft 37/1978 Aufgrund der Rahmenbedingungen konnte nachgewiesen werden, dass in einigen Fällen bereits mit Verwendung von VSG-Verglasungen ein ausreichender Schutz vor einer vertikalen Brandübertragung besteht. Durch diesen Nachweis war es möglich auf kostenaufwändige Brandschutzverglasung zu verzichten. Ebenfalls galt dem Passagieraufenthaltsbereich mit offener Verbindung zwischen Erdgeschoss und zweitem Obergeschoss besondere brandschutztechnische Beachtung. Zum einen stellt die Geschossverbindung baurechtlich eine Öffnung in der Geschossdecke dar und zum anderen entstand durch die offene Verbindung ein übergroßer Brandabschnitt. Zur Kompensation wurde ein sich im Brandfall schließender Feuerschutzvorhang im zweiten Obergeschoss angeordnet. Dieser Schematische Darstellung der Ergebnisse aus den Lehrte Brandversuchen: Temperaturverlauf längs der Achse des Heißgasstromes zum Zeitpunkt der maximalen Temperaturen. Bild: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Bau- und Wohnungsforschung, Heft 37/1978 Seite 4 nimmt zwei Aufgaben wahr: Er trennt das Erdgeschoss vom zweiten Obergeschoss und unterteilt den übergroßen Brandabschnitt in zwei Bereiche. Eine separate Fluchttür ermöglicht auch bei geschlossenem Feuerschutzvorhang das Erreichen des abgetrennten Bereiches. Auf besonderen Mieterwunsch sind in dem Tower einige Nutzungseinheiten mit offenen Treppen mehrgeschossig geplant. In enger Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde kann dieser Mieterwunsch umgesetzt werden. Hierzu wurden die Nutzungseinheiten brandschutztechnisch jeweils so unterteilt, dass eine maximale Fläche von 400 Quadratmetern in maximal zwei Geschossen nicht überschritten wird. Die Fassade des Gebäudes ist an den Gebäudelängsseiten als elementierte Doppelfassade vorgesehen. Um sicherzustellen, dass die aus dem Brandraum austretenden Rauch- und Heißgase im Hohlraum zwischen den Glasebenen nicht wie in einem Kamin schnell in andere Geschosse weitergeleitet werden, ist in Geschossdeckenebene eine rauchabschließende Trennung mittels eines Stahlbleches vorgesehen. Dabei wurde auf eine Planung einer kraftschlüssigen Verbindung rückseitig zur Geschossdecke geachtet. Möglicherweise entstehende Fugen werden planerisch durch im Brandfall aufschäumende Materialien verschlossen. Ebenfalls wird eine gleichwertige Abtrennung in der Verlängerung von Trennwänden mit Anforderungen an den Feuerwiderstand im Fassadenzwischenraum vorgesehen. Aufgrund der Größe des Passagieraufenthaltsbereichs ist es erforderlich, die Rauchabzugsanlagen so zu bemessen, dass eine raucharme Schicht von 2,5 Metern eingehalten wird. Dieses konnte über natürliche Rauchabzugsanlagen erreicht werden, die gemäß DIN 18232 bemessen wurden. Im Atrium sind die Rauchabzugsöffnungen in die Fassade integriert. Daher wurde mit Hilfe einer Anlagentechnik sichergestellt, dass bei größeren Windgeschwindigkeiten stets nur die Rauchabzugsflächen der windabgewandten Seite öffnen. Fazit Mit der Ausrichtung von hhpberlin auf einen schutzzielorientierten Brandschutz konnte die optimale Umsetzung des architektonischen Entwurfes erreicht und ästhetische Verluste vermieden werden. Diese Berücksichtigung und Einbeziehung aller brandschutztechnischen Sicherheitsaspekte ermöglicht dem Schwedenkai ab 2010 sicher Passagiere und Schiffe aus Kiel zu verabschieden und in Kiel willkommen zu heißen. Dieses neue architektonische Wahrzeichen erweitert den Seehafen Kiel optisch, aber auch wirtschaftlich und ist eine Investition in die Zukunft des Hafens. hhpberlin konzipierte und realisierte den Brandschutz. Seite 5