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2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
▶▶Verminderung der intestinalen Resorption. Zinksulfat
und auch Ammonium-Tetrathiomolybdat verringern die
intestinale Kupferresorption [871]. Zinksulfat (150 mg/d)
gilt heute für die Erhaltungstherapie oder auch für eine
Behandlung im präsymptomatischen Stadium als Standard. Die Behandlung des Morbus Wilson muss lebenslang durchgeführt werden, das Absetzen der Wilson-Therapie ist mit einer hohen Mortalität verbunden.
In einer Vergleichstudie erwies sich die Kombination von
Zink und Tetrathiomolybdat besser als Zink und Trientene
[248]. Eine neurologische Verschlechterung zu Therapiebeginn war bei Zink und Trientene häufiger als bei Zink
und Tetrathiomolybdat.
Menkes Kinky-Hair-Syndrom
Dieses Syndrom ist eine X-chromosomal-rezessiv erbliche Erkrankung. Es stellt ebenfalls eine Störung des Kupferstoffwechsels dar, wobei der Kupfergehalt im Organismus und Coeruloplasmin tief und die Kupferabsorption
im Darm reduziert sind [1347]. Es treten in den ersten
Lebensmonaten epileptische Anfälle, psychischer Abbau,
Erblindung, Hyperthermie und Knochenstörungen bei
abnorm drahtigem Haar in Erscheinung.
2.10.9 Symmetrische Verkalkungen
der Stammganglien (Fahr-Syndrom)
Verkalkungen der Stammganglien sind meist idiopathisch, klinisch belanglos und werden oft zufällig bei
neuroradiologischen Untersuchungen entdeckt. Eine familiäre Form, die autosomal-dominant oder autosomalrezessiv erblich ist und auch den Nucleus dentatus des
Kleinhirns betrifft, geht mit Parkinson-Symptomen, Dystonie oder Chorea einher, verläuft progressiv und führt
wegen Anfällen oder medizinischer Komplikationen vorzeitig zum Tode. Auch mitochondriale Enzephalomyopathien (s. S. 658) oder Hypo- und Pseudohypoparathyreoidismus (s. S. 247) können mit symmetrischen Verkalkungen der Stammganglien einhergehen. In der CT sind
die Verkalkungen hyperdens. Kalk weist in der MRT auf
T1- und T2-gewichteten Bildern wenig Signal auf. Verkalkungen der Stammganglien sind auf T1-gewichteten Bildern in der Regel aber signalreich und auf T2-gewichteten
Bildern signalarm oder signalreich [87].
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Chelatbildner D-Penicillamin, 1 g/d oder bei Kindern unter 10 Jahren 0,5 g/d. Wegen seines Antipyridoxineffekts
müssen gleichzeitig täglich 25 mg Pyridoxin (= Vitamin
B6) zugegeben werden. Probleme der Penicillaminbehandlung bestehen in einer potenziellen Erhöhung des
freien Kupfers und einer initialen neurologischen Verschlechterung. Auch eine Hypersensitivitätsreaktion
mit Fieber, Lymphadenopathie, Exanthem, Leukopenie
und Thrombozytopenie kann auftreten, die nicht mit der
Leukopenie und Thrombozytopenie als Folge des Morbus
Wilson selbst zu verwechseln ist. Ferner kann Penicillamin ein lupusähnliches oder ein myasthenisches Syndrom induzieren. Als Alternative zu Penicillamin bietet
sich Triethylentetramin-Dihydrochlorid (Trientine), initial
300 mg/d und steigerbar bis 1200 mg oder noch höher bis
2400 mg/d an [1765].
2.11 Andere Allgemein­
erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen und
anderen neurologischen
Auswirkungen [49]
Kurzdefinition

Eine Reihe von neurologischen Symptomen weist nicht
nur auf eine Erkrankung des Nervensystems hin, sondern
ist Ausdruck einer den Gesamtorganismus betreffenden
Allgemeinerkrankung. Neurologische Symptome stehen
bei diesen Erkrankungen nicht selten im Vordergrund und
sind für die Diagnosestellung und Therapie wegweisend.
In den folgenden Abschnitten sind die wichtigsten dieser
Affektionen dargestellt.
2.10.8 Mitochondriale Enzephalomyopathien [496], [948]
Mitochondriale Enzephalomyopathien stellen Kombinationen einer Enzephalopathie mit einer Myopathie dar.
Sie werden auf S. 658 besprochen.
235
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
[992], [1140], [1598]
Kurzdefinition

Eine Reihe von neurologischen Symptomen weist nicht
nur auf eine Erkrankung des Nervensystems hin, sondern
ist Ausdruck einer den Gesamtorganismus betreffenden
Allgemeinerkrankung. Neurologische Symptome stehen
bei diesen Erkrankungen nicht selten im Vordergrund und
sind für die Diagnosestellung und Therapie wegweisend.
In den folgenden Abschnitten sind die wichtigsten dieser
Affektionen dargestellt.
Toxische Substanzen, Medikamente und instrumentelle
ärztliche Eingriffe können zu Erscheinungen am Nervensystem führen, die klinisch gleich wie spontan auftretende Symptome, Syndrome oder Erkrankungen aussehen
und sich nur anhand anamnestischer Angaben von solchen
unterscheiden lassen. Sie können einzig in subjektiven Beschwerden bestehen (z. B. Kopfschmerzen) oder aber zu
objektivierbaren Erscheinungen führen (z. B. kognitive Defizite, zerebellare Ataxie, extrapyramidalmotorische Störungen u. Ä.). Ob solche Erscheinungen reversibel sind, hängt
weitgehend vom morphologischen Substrat ab. Beispielsweise hinterlassen medikamenteninduzierte epileptische
Anfälle selten bleibende Schäden, während bei medikamenten- oder drogeninduzierten Blutungen oder iatrogenen Gehirnschlägen irreparable Defizite die Regel sind.
Toxine und Medikamente verursachen ein weites Spektrum an subjektiven Beschwerden und objektiven Erscheinungen, die spontan auftretenden neurologischen
Erkrankungen sehr ähnlich sein können. Für die Diagnose
braucht es meist nur ein „Daran-Denken“, eine detaillierte Medikamentenanamnese und einen Auslassversuch.
▶ Tab. 2.89 enthält eine Liste mit medikamenten-, drogenoder iatrogen induzierten neurologischen Symptomen. Sie
ist unvollständig. Bei Verdacht auf einen solchen Zusammenhang sollte immer ein entsprechendes Handbuch
oder eine elektronische Datenbank konsultiert werden.
Akute und chronische Enzephalopathien
Enzephalopathien, die durch Medikamente, Drogen oder
Industrieprodukte verursacht sind, äußern sich in der Regel mit folgenden Symptomen: Delirium, Tremor, Myoklonien, Asterixis, Ataxie und Anfälle. Bei einigen Enzephalopathien können extrapyramidale oder zerebellare
Bewegungsstörungen im Vordergrund stehen.
Vor den klinisch eindeutigen Zeichen der Enzephalopathie durchlaufen die meisten Patienten ein neurasthenisches Syndrom. Es kann Symptome umfassen wie psychomotorische Leistungsminderung, Merkfähigkeits- und
Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit,
Schlaflosigkeit, lebhafte Träume und Alpträume, depressive Verstimmungen oder Euphorie, Rast- und Ruhelosigkeit, leichte Erregbarkeit, Licht- und Lärmüberempfindlichkeit, Schwindel, Parästhesien sowie Libidoverlust.
Besonders ältere Menschen reagieren auf scheinbar banale Medikamente mit Verhaltens- und kognitiven Störungen und auch Illusionen und Halluzinationen.
Tab. 2.89 Medikamenten-, drogen- oder iatrogen induzierte neurologische Symptome und Syndrome.
Symptom oder Syndrom
Medikament, Toxin, Eingriff
Kopfschmerzen
fast alle Kopfschmerzmittel, Entzug von Koffein, Ergotamin oder Amphetamin, orale Kontrazeptiva u. a. hormonhaltige Präparate (Pseudotumor cerebri), Nitrate, Aminophylline, Tetracycline,
Sympathomimetika, i. v. Immunglobuline, Tamoxifen, H2-Antagonisten, Dipyridamol, Interferone, Ciclosporin, Vitamin A
Aseptische Meningitis [1146]
i. v. Immunglobuline, nichtsteroidale Entzündungshemmer, Amoxicillin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Cephalosporine, Azathioprin, Sulfasalzin, Allopurinol
Hirninfarkte
orale Kontrazeptiva u. a. Hormonpräparate [839], Antihypertensiva, Ergotamin, Amphetamine,
Kokain, Sympathomimetika, i. v. Immunglobuline, Methotrexat intraarteriell
Angiografie, interventionelle intraarterielle Behandlungen, Herz- und Gefäßchirurgie, Radiotherapie, Fettinjektionen („Liposculpturing“) [550], [606], Steroidinjektionen in Nasenschleimhaut
[550], chiropraktische Manöver
Spinale Infarkte
transforaminale epidurale Steroidinjektionen, Wurzelinfiltrationen mit Steroiden [1256], [1753]
Intra- und extrazerebrale sowie
spinale Blutungen [1299], [1901]
Antikoagulanzien, Fibrinolytika, Thrombozytenaggregationshemmer, Amphetamine, Kokain,
Sympathomimetika
Gefäßperforationen bei endovaskulären Interventionen, Reperfusionsschaden nach Behandlung
von Stenosen
Epileptische Anfälle [1354]
236
Antibiotika wie Penicillin oder Isoniazid, Anästhetika und Lokalanästhetika wie Lidocain, Insulin,
Kontrastmittel, Entzug von Benzodiazepinen u. a. Sedativa, Entzug von Antikonvulsiva, Phenytoinüberdosierung, Antidepressiva, Aminophyllin und Theophyllin, Antihistaminika, Phenothiazine,
Glukokortikoide, trizyklische Antidepressiva, Drogen wie Pentazocin und Tripelennamin, Kokain
oder Meperidin, Ciclosporin, antineoplastische Medikamente, Röntgenkontrastmittel u. a.
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2.11.1 Intoxikationen, Nebenwirkungen von Medikamenten
und iatrogene Erkrankungen mit
zentralnervösen Erscheinungen
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Tab. 2.89 Fortsetzung
Symptom oder Syndrom
Medikament, Toxin, Eingriff
Koma (s. S. 171)
Insulin, Barbiturate, Benzodiazepine u. a. Sedativa, Cephalosporine, Analgetika u. a.
Neurasthenische Symptome, akute
und chronische Enzephalopathien
Schwermetalle, Lithium, Aluminium, Heroinpyrolysat, Ciclosporin, Anticholinergika, Dopaminagonisten, Benzodiazepine u. a. Sedativa, Antihistaminika, Antibiotika, Antikonvulsiva, Kortikosteroide, H2-Antagonisten, Disulfiram, Methotrexat, organische Lösungsmittel, Halluzinogene
Extrapyramidale Bewegungsstörungen (akute Dystonien, Dyskinesien,
Akathisie, medikamentöses Parkinson-Syndrom, tardive Bewegungsstörungen)
Neuroleptika (Phenothiazine, Thioxanthine, Butyrophenone, Dibenzapine), Antiemetika mit
Metoclopramid oder Phenothiazinen, Dopaminagonisten, Levodopa, Antihypertensiva (z. B.
Reserpin, Captopril), Flunarizin und Cinnarizin, MPTP, Lithium, Valproat
Zerebellare Ataxie
Phenytoin, Carbamazepin, Barbiturate, Lithium, Metronidazol, organische Lösungsmittel,
Schwermetalle, Acrylamid, 5-Fluorouracil, Cytosin-Arabinosid, Procarbazin, Hexamethylmelamin, Vincristin, Ciclosporin, Ciguatera-Fischvergiftung
Zentrale pontine Myelinolyse
zu rasche Korrektur einer Hyponatriämie
Malignes Neuroleptikasyndrom
Neuroleptika
Maligne Hyperthermie
Succinylcholin, Halothan u. a. Anästhetika
Polyneuropathien (s. S. 461)
Amiodaron, Bortezomib, Disulfiram, Ethambutol, Isoniazid, Metronidazol, Transkriptase-Inhibitoren wie Zalcitabin, Didanosin und Stavudin, Phenytoin, Cisplatin, Oxaliplatin, Pyridoxin, Suramin,
Tacrolimus, Taxane wie Paclitaxel und Docetaxel, Thalidomid, Vincaalkaloide wie Vincristin und
Vinblastin u. a.
Mononeuropathie
N.-femoralis-Lähmung beim Psoashämatom, N.-ischiadicus-Lähmung durch unsachgemäße
Injektion
Optikusneuropathien
Tabak und Alkohol, Methylalkohol, Myambutol
Taubheit
s. ▶ Tab. 10.16, S. 517
Neuromuskuläre Übertragungsstörungen
Penicillamin, Muskelrelaxanzien, Pocainamid, Magnesium, Chinin, Aminoglykoside, Interferon-α
Myopathien und Rhabdomyolyse
[1848]
Alkohol, Kokain, Heroin u. a. Opiate, Pentazocin, Benzin, Kortikosteroide, Schilddrüsenhormone,
Antimalariamittel, Colchicin, Antilipämika (Fibrate und Statine [64], Zidovudin, Ciclosporin,
Diuretika (Kaliumverlust), Ipecac
Enzephalopathie bei Metallintoxikationen
[1140], [1585]
▶▶Vergiftungen mit anorganischem Quecksilber. Eine
chronische Exposition mit Quecksilberdämpfen oder eine
Intoxikation mit organischem Quecksilber, z. B. durch
quecksilberhaltige Pestizide, Industrieabfälle oder Konsum von Fischen und Meeresfrüchten, bewirkt gastrointestinale und neurologische Symptome [111], [2068].
Die gastrointestinalen Symptome bestehen in Gingivitis,
Stomatitis, exzessiver Salivation, Anorexie und Abdominalschmerzen. Neurologisch kommt es zu feinschlägigem
Tremor, zunächst der Hände, der Zunge und perioral und
später auch des Kopfes und der Beine, Dysarthrie, Dysphagie und evtl. Ataxie und zu einem neurasthenischen
Syndrom mit Ängstlichkeit und Reizbarkeit und selten
auch psychotischen Symptomen, Parästhesien perioral
und an Extremitäten und auch Lähmungen. Auch Muskelatrophien, Faszikulationen und Pyramidenzeichen wurden beschrieben [6]. ▶ Tab. 2.90 fasst die Hauptmerkmale
einer Quecksilberintoxikation zusammen.
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Radiotherapie, Über- oder Dehydrierung, Dialyseenzephalopathie u. a.
Tab. 2.90 Quecksilberintoxikation.
Hauptmerkmale
●●
●●
●●
●●
●●
●●
Zittern
Dysarthrie
Stomatitis, Gingivitis
neurasthenische Symptome
evtl. Parästhesien
evtl. ALS-ähnliche oder andere Symptome
Therapie
Therapeutisch kann bei akuten und chronischen Intoxikationen DMPS (Dimercapto-1-propansulfonsäure) und
bei chronischen Intoxkationen Cholestyramin eingesetzt
werden. DMPS ist ein Chelatbildner und erhöht die renale
Ausscheidung, Cholestyramin jene via Fäzes [520].
▶▶Bleiintoxikationen. Bleiintoxikationen kommen z. B.
beim Gebrauch von bleihaltigem Keramikgeschirr oder
in der bleiverarbeitenden Industrie vor. Die Bleiintoxikation führt zu einer Enzephalopathie mit Hirnschwellung
und einer Polyneuropathie, die vor allem die Extensoren
betrifft und mit einer Radialisparese verwechselt werden
237
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Bei der Untersuchung fällt der Bleisaum am Zahnfleisch
auf. Liquordruck und Eiweiß im Liquor sind erhöht. Die
Erythrozyten weisen eine basophile Tüpfelung auf, der
Bleispiegel im Serum ist auf mehr als 0,5 μg/l erhöht, Hämoglobinvorläufer wie die Deltaaminolävulinsäure sind
im Serum und Urin (> 20 mg/dl) erhöht, und im Urin
steigt die Koproporphyrinausscheidung an (> 150 mg/24
Stunden). Die Hauptmerkmale einer Bleiintoxikation sind
in ▶ Tab. 2.91 zusammengefasst.
Therapie
Therapie erster Wahl ist DMPS (Dimercapto-1-propansulfonsäure). Früher kamen Dimercaprol (BAL), Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA), Penicillamin und bei Kindern
auch Succimer zum Einsatz [1403].
▶▶Wismutsalze. Wismutsalze werden zur Behandlung
verschiedener gastrointestinaler Probleme verwendet
[966]. Nach einem neurasthenischen Vorstadium mit
Leistungsminderung, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und ängstlichen Verstimmungen treten Muskelzuckungen, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen auf. Wird die Intoxikation in diesem Stadium nicht erkannt und behandelt,
folgt eine akute Enzephalopathie mit Delir, Myoklonien,
schwerer Ataxie und fluktuierender Vigilanz zwischen
leichter Benommenheit und Koma [1293]. Akute Intoxikationen führen zu Nierenversagen [888]. Auf Röntgenaufnahmen des Abdomens ist Wismut im Darm sichtbar.
Die Sicherung der Diagnose erfolgt mittels Wismutnach-
Tab. 2.91 Bleiintoxikation.
Hauptmerkmale
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
Hirndruckzeichen
Optikusatrophie
Epileptische Anfälle
Delirium
Polyneuropathie, insbesondere Fallhand
Koliken
Bleisaum
Tab. 2.92 Wismutintoxikation.
Hauptmerkmale
●●
●●
●●
●●
●●
238
Neurasthenisches Vorstadium
Delirium
Gang- und Extremitätenataxie
Dysarthrie
Myoklonien
weis im Urin, Serum oder Liquor. ▶ Tab. 2.92 fasst die
Hauptmerkmale der Wismutintoxikation zusammen.
Therapie
Akute Intoxikationen werden mit DMPS (Dimercapto1-propansulfonsäure) und Hämodialyse behandelt, chronische mit DMPS. Früher war Dimercaprol (BAL) Mittel der
ersten Wahl.
▶▶Weitere Schwermetalle. Weitere Schwermetalle, die zu
klinisch ähnlichen Enzephalopathien führen, sind Arsen,
Thallium, Mangan und Zink. Arsen und Thallium können
Haarausfall und zusätzlich eine Polyneuropathie verursachen (s. S. 460). Beim Thallium kann es zu subakuter Myelopathie und Optikusneuropathie kommen, und bei Arsen
und Thallium auch zu einer Polyneuropathie [159]. Für
Mangan ist ein Parkinson-Syndrom und seltener eine choreatische Bewegungsstörung typisch (s. S. 189 u. S. 202).
Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel und andere Industrieprodukte
Die wichtigsten Vertreter der Gruppe der organischen
Lösungsmittel sind Schwefelkohlenstoffe, n-Hexane,
Methyl-Butyl-Ketone, Perchlorethylen, Trichlorethylen
und Toluol. Sie sind im Haushalt, beim Hobby und in
der Industrie als Produktionsmittel, Verdünner und Reinigungs- und Entfettungsmittel weit verbreitet, stellen
jedoch aufgrund der hohen Lipidlöslichkeit eine Gefahr
für das zentrale und periphere Nervensystem dar. Wegen
ihrer hohen Flüchtigkeit können sie akzidentell oder willentlich (Lösungsmittelschnüffler) als Dämpfe inhaliert
werden. Sie wirken meist unspezifisch sedierend oder
anästhesierend.
▶▶Akute Expositionen. Sie führen zu einer Enzephalopathie mit kognitiven Defiziten, Benommenheit, Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus, Parästhesien, Ataxie, Schwäche, Kopfschmerzen, Nausea und Emesis, und bei schweren Intoxikationen kommt es zur Bewusstseinstrübung
bis hin zum Koma. Nach Beendigung der Exposition ist
eine rasche Erholung innerhalb von Minuten bis Stunden
die Regel. Kopfschmerzen können noch Stunden oder
Tage andauern.
▶▶Chronische Expositionen. Sie haben je nach Schwere
und Dauer ein neurasthenisches Syndrom oder eine toxische Enzephalopathie mit kognitiven Defiziten, Schlafstörungen, Delirium und Bewegungsstörungen zur Folge.
Nystagmus und Ataxie sind die konsistentesten objektiven neurologischen Zeichen. Die Existenz einer chronischen Enzephalopathie mit kognitiven Defiziten, z. B. bei
Malern, ist allerdings nicht unumstritten. Bei lang dauernder und wiederholter Lösungsmittelexposition kann
es zu axonalen Polyneuropathien kommen, z. B. beim
Gebrauch von Trichlorethylen, n-Hexanen und Hexakarbonen (s. S. 461).
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kann [337]. Die Enzephalopathie bewirkt Kopfschmerzen, Erbrechen, epileptische Anfälle, Stauungspapillen,
evtl. Abduzensparesen, Optikusatrophien, Delirium und
Koma. Der akuten Enzephalopathie können die Allgemeinsymptome Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Tremor,
Nausea, Emesis und Koliken im Rahmen einer bleiinduzierten Porphyrie vorausgehen.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
▶▶Methylalkohol. Methylalkohol verursacht eine häufig
letale metabolische Azidose mit akuter Enzephalopathie
und Optikusneuropathie, wenn er akzidentell oder willentlich als Ethanolersatz getrunken wird [1842]. Auch
Methylacetat, das zu Methanol metabolisiert wird, oder
Methylformat können eine Optikusneuropathie verursachen.
▶▶Nitrooxide. Nitrooxide können, wenn als Drogen missbraucht, eine Myeloneuropathie mit spastischer Paraparese, sensibler Ataxie und Sphinkterstörungen verursachen [208].
▶▶Akute CO-Intoxikationen. Diese Intoxikationen führen
zu hypoxischen ZNS-Schädigungen mit Koma. Pathologisch-anatomisch finden sich diffuse Neuronenuntergänge im Kortex und bilaterale Nekrosen des Globus pallidus
(s. ▶ Abb. 2.109b, S. 262). Überlebende Patienten können
schwere kognitive Defizite, Spastik und Parkinson-Symptome aufweisen (s. S. 189).
▶▶Andere Industrieprodukte. Grundsätzlich können alle
Gase, die in einer genügend hohen Konzentration vorhanden sind, zu einer akuten Enzephalopathie und zu einer
hypoxischen Hirnschädigung führen. Ethylenoxid, das zur
Sterilisation medizinischer Instrumente verwendet wird,
kann zu ZNS-Schäden und Polyneuropathien führen, und
nach Lachgasexposition wurden Myeloneuropathien beschrieben [400], [1138]. Beim Acrylamid sind akute Enzephalopathien und bei chronischer Exposition Polyneuropathien bekannt.
Enzephalopathie und Polyneuropathie
durch Organophosphate (Pestizide) [1825]
Organophosphate werden als Insektizide oder Mäusegifte
verwendet, auf Kriegsschauplätzen als chemische Kampfstoffe eingesetzt oder als Triorthocresylphosphat Industrieölen zugesetzt. Sie hemmen zentral die Acetylcholinesterase und peripher die „Neuropathy-Target-Esterase“,
was einen Depolarisationsblock an der Synapse zur Folge
hat.
Intoxikationen führen zu Bronchospasmen, Salivation, Diarrhö, Miose, Akkommodationsstörungen, Faszikulationen, Verhaltensstörungen, Angstgefühlen und Erregung,
Delirium und konvulsiven Anfällen und Lähmungen
[1825]. Es droht Tod durch Atemlähmung, und Atropin
kann lebensrettend sein [874]. Überlebende Patienten
entwickeln 1–3 Wochen später eine Polyneuropathie, zu
der im Laufe der Zeit eine Spastik und eine Ataxie hinzukommen (z. B. bei Triorthocresylphosphat- bzw. Triarylphosphatvergiftungen, s. S. 461).
Chronische Expositionen können neben Polyneuropathien
auch Gedächtnisstörungen zur Folge haben [979]. Wird
organophosphathaltiges Mäusegift getrunken, z. B. in
suizidaler Absicht, resultiert ein Koma mit Opsoklonus,
Myoklonus und schlaffem und später, falls der Patient
überlebt, erhöhtem Muskeltonus.
Enzephalopathie durch Pharmaka
Verschiedene Medikamente können, meistens dosisabhängig, zu Enzephalopathien mit kognitiven Defiziten,
Delirien, extrapyramidalen oder zerebellaren Bewegungsstörungen oder Anfällen führen. Zu nennen sind
Antikonvulsiva, Kortikosteroide, Dopaminagonisten, Cimetidin, Isoniazid, Monoaminoxidasehemmer, Pentazocin, Propoxyphen, Ciclosporin, Interferon, Methotrexat,
Vincristin und andere Zytostatika.
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▶▶Toluol. Toluol führt zu psychoorganischen Veränderungen bis hin zur Demenz, Pyramidenzeichen, zerebellaren
und Hirnstammsymptomen und Hirnnervenausfällen
[967]. Am schwersten sind diese Symptome bei Lösungsmittelschnüfflern, bei denen in der MRT Hirnatrophien
und Veränderungen der weißen Substanz nachweisbar
sein können [876].
Von wasserlöslichen Kontrastmitteln, wie z. B. Metrizamid,
sind nach Myelografien akute Enzephalopathien und epileptische Anfälle bekannt. Insulin kann via Hypoglykämie
zur Enzephalopathie führen; Hyponatriämie und SIADH
als Medikamentennebenwirkung werden auf S. 258 besprochen. Penicillin kann selten zu einer Enzephalopathie
mit myoklonischen Zuckungen, epileptischen Anfällen
und zunehmender Bewusstseinsstörung führen.
Zerebellare Ataxie durch Pharmaka und
andere Substanzen
▶▶Antikonvulsiva. Überdosierungen von Antikonvulsiva,
insbesonders von Phenytoin, Carbamazepin und Barbituraten, können sich in einer Enzephalopathie mit einem
zerebellaren Syndrom im Vordergrund äußern. Subjektiv
bestehen Schwindel und Gleichgewichtsstörungen und
objektiv Blickrichtungsnystagmus, Dysarthrie, Ataxie und
Gehstörungen bis hin zur Astasie und Abasie. Die rechtzeitige Erkennung einer Hydantoinintoxikation ist wichtig, da sie zu persistierender Ataxie führen kann [1821].
Hydantoine führen auch zu Zahnfleischhypertrophie und
Polyneuropathie, wobei Letztere meist subklinisch ist
[1598] (▶ Tab. 2.93). Zur Vermeidung einer Hydantoinintoxikation ist es wichtig zu wissen, dass pharmakokinetisch der Serumspiegel in Relation zur Dosiserhöhung
exponentiell ansteigt.
Tab. 2.93 Diphenylhydantoinintoxikation.
Hauptmerkmale
●●
●●
●●
●●
●●
Blickrichtungsnystagmus
Ataxie
Gangstörungen
Dysarthrische Sprache
Zahnfleischhypertrophie
239
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Tab. 2.94 Durch Medikamente verursachte
extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen.
Medikamenteninduzierte Bewegungsstörungen
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
▶▶Andere Pharmaka und Substanzen.
Eine Ataxie kann auch unter Behandlung mit Zytostatika,
wie 5-Fluorouracil, Cytosin-Arabinosid, Procarbazin, Hexamethylmelamin, Vincristin, und beim Immunsuppressivum Ciclosporin auftreten [1600]. Metronidazol kann
eine Ataxie mit T2-hyperintensen Nuclei dentati verursachen [2170]. Auch bei Enzephalopathien wegen organischer Lösungsmittel, Schwermetallen oder Acrylamid
kann eine Ataxie klinisches Leitsymptom sein. Eine akute Ataxie und Parästhesien kennzeichnen die CiguateraFischvergiftung.
Medikamenteninduzierte extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen
[1573], [1827]
Pharmaka können verschiedenartige akute und chronische extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen
verursachen und sind für etwa ein Fünftel aller Bewegungsstörungen verantwortlich (▶ Tab. 2.94) [2114].
▶▶Akute Dystonien / Dyskinesien. Neuroleptika wie Phenothiazine und Butyrophenone, das in vielen Antiemetika enthaltene Metoclopramid oder seltener andere Medikamente können akute Dystonien / Dyskinesien auslösen.
Sie sind meist auf Kopf- und Nackenmuskeln beschränkt
und bestehen in Grimassieren, Trismus, abnormen Zungenbewegungen, Phonationsstörungen, orofazialen Dyskinesien, okulogyren Krisen oder Tortikollis und Retrokollis. Generalisierte, auch die Rumpf- und Extremitätenmuskeln betreffende Formen sind seltener. Derart akute
Dystonien / Dyskinesien werden nicht selten mit einer
Hysterie verwechselt.
Therapie
Parenterale Anticholinergika, wie z. B. 10–20 mg Biperidin
(Akineton) i. v. können sofortige Abhilfe verschaffen.
●●
●●
Akute Dystonie / Dyskinesie
Akathisie
Tardive Dyskinesien, inklusive orofaziale Dyskinesien
Tardive Dystonie
Medikamenteninduziertes Parkinson-Syndrom
Malignes Neuroleptikasyndrom
Tremor
Tics
Myoklonien
▶▶Medikamenteninduziertes Parkinson-Syndrom. Siehe. S. 190.
▶▶Tardive Bewegungsstörungen. Die prolongierte Gabe
von antipsychotisch wirksamen Dopaminantagonisten
kann mit Spätdyskinesien und Spätdystonien bzw. tardiven Dyskinesien und Dystonien einhergehen [287]. Sie
treten während der Behandlung oder besonders ausgeprägt nach Absetzen oder Dosisreduktion in Erscheinung.
Pathogenetisch nimmt man eine Denervationshypersensitivität der striatalen Dopaminrezeptoren oder einen
Wegfall der GABA-vermittelten thalamokortikalen Hemmung an. Abnorme unwillkürliche Bewegungen werden
im Laufe der Jahre auch bei vielen Parkinson-Patienten
zum Problem der Behandlung mit Anti-Parkinson-Medikamenten (s. S. 193).
Klinisch kann die tardive Symptomatik praktisch das
ganze Spektrum der Bewegungsstörungen umfassen. Am
häufigsten ist das bukkolinguomastikatorische Syndrom
mit stereotypen, repetitiven Kau-, Leck- und Schmatzbewegungen ähnlich einem Meige-Syndrom (s. S. 240).
Dyskinesien und Dystonien können aber auch die Extremitäten befallen, z. B. in Form von Zehendystonien, oder
die Form eines Tremors, tardiven Myoklonus, Tics oder
gar eines Gilles-de-la-Tourette-Syndroms (s. S. 215) annehmen [1033], [1890]. Auch das Pisa-Syndrom, eine
Seitwärtsneigung und Drehung des Rumpfs, Nackens und
Kopfes, entwickelt sich bevorzugt bei älteren Menschen
unter Behandlung mit Neuroleptika [1101]. Die meisten
Patienten nehmen tardive Dyskinesien und Dystonien
selbst nicht oder kaum wahr, können dadurch aber auch
sehr gestört sein [1246].
Therapie
Tardive Bewegungsstörungen
▶▶Akathisie. Als Akathisie bezeichnet man einen Zustand
der motorischen Unruhe, eine Unfähigkeit, still zu sitzen
[97], [1827]. Die Patienten spüren innerlich einen Drang
zur Bewegung. Die Akathisie kommt als Nebenwirkung
antipsychotisch wirkender Medikamente (Phenothiazine,
Butyrophenone) und bei Antiemetika und Dopaminagonisten vor. Sie kann mit dem Restless-Legs-Syndrom verwechselt werden (s. S. 627).
240
Als Erstes sollte das auslösende Agens sistiert werden. Resultiert dies in einer Exazerbation der Dyskinesien, kann
mit Anticholinergika oder Benzodiazepinen versucht werden, eine Besserung zu erzielen. Fokale, störende Dyskinesien, beispielsweise ein Blepharospasmus, werden mit
Botulinumtoxin angegangen.
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▶▶Lithium. Auch bei der Lithiumintoxikation steht ein zerebellares Syndrom klinisch im Vordergrund. Lithium in
therapeutischen Dosen führt bei zwei Dritteln der Patienten zu einem leichten Tremor, Rigor und Zahnradphänomen, und auch ein Diabetes insipidus und eine Gewichtszunahme sind häufig. Selten sind hingegen schwere akute Nebenwirkungen mit Ataxie, Rigor, Hypokinesie,
Mutismus, Krämpfen und Koma oder eine Polyneuropathie [509], [1527].
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Es kann Monate bis Jahre dauern, bis die Dyskinesien
nach Absetzen des auslösenden Medikaments wieder
verschwunden sind [1034]. Zur Vermeidung tardiver Bewegungsstörungen sollte die Indikation zur Neuroleptikatherapie sehr restriktiv gestellt und periodisch überprüft
werden. Atypische Neuroleptika mit geringeren extrapyramidalen Nebenwirkungen sind gegenüber den herkömmlichen Neuroleptika zu bevorzugen [1573], [2095].
Ist die Gabe von Antipsychotika trotz Dyskinesien erforderlich, sollte ebenfalls ein atypisches Neuroleptikum
oder Clozapin gewählt werden. Clozapin ist bisher die einzige Substanz ohne extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen, verursacht aber sehr selten Agranulozytosen.
▶▶Malignes Neuroleptikasyndrom [310], [1668], [1669].
Bei erstmaliger Verabreichung oder bei Dosiserhöhungen
von Neuroleptika kann es zu Schwitzen, Tachykardie und
Blutdruckschwankungen kommen, denen Rigor, Dystonien und Fieber folgen. Die Kreatinkinase ist stark erhöht.
Das maligne Neuroleptikasyndrom kann wegen der medizinischen Komplikationen lebensbedrohlich werden.
Unbehandelt sterben bis zu einem Viertel der Patienten.
▶▶Ähnliche Krankheitsbilder. Ähnlich oder mit etwas
weniger Rigor präsentiert sich das Serotoninsyndrom, das
bei Gabe von MAO-Hemmern, Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern und L-Tryptophan auftreten kann [310].
Weitere, dem malignen Neuroleptikasyndrom ähnliche
Krankheitsbilder sind die akinetische Parkinson-Krise
[1503] und das maligne Dopaminmangelsyndrom beim
Parkinson-Syndrom nach raschem Entzug der ParkinsonMedikamente.
Therapie
Für alle Syndrome gleich: Absetzen der Neuroleptika, Antipyretika, symptomatische Behandlung mit ausreichender
Wasser- und Elektrolytsubstitution, Sedativa (z. B. Lorazepam), subkutane Heparinisierung und ggf. Behandlung
medizinischer Komplikationen wie Lungenembolien oder
Pneumonien.
Levodopa, Dopaminagonisten, Amantadin und antispastisch wirksame Medikamente wie Dantrolen können die
Symptomdauer verkürzen (s. auch maligne Hyperthermie,
S. 658). Auch Methylprednisolon (1000 mg i. v. während
3 Tagen) kann günstig wirken [1749]. Bei fortdauernder
Psychose evtl. Elektroschockbehandlung.
Alkohol und Nervensystem [2108]
▶ Tab. 2.95 gibt einen Überblick [2049]. Die Polyneuropathie ist am häufigsten. Genetische, stoffwechsel- und
umweltbedingte Faktoren erklären, warum einzelne Individuen der Alkoholsucht verfallen und weshalb die Symptomatik des Alkoholismus derart mannigfaltig ist.
Akute Alkoholintoxikation
Kennzeichen des akuten Rausches sind Euphorie und Dysphorie, Angepasstheit oder Streitsüchtigkeit, verminderte Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, Distanzlosigkeit sowie sexuelle Enthemmung. Hinzu kommen verwaschene Sprache, ataktischer Gang, Diplopie, Nausea,
Tab. 2.95 Alkoholabusus und Nervensystem.
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Erst wenn diese Maßnahmen nicht genügen, soll ein dopaminantagonistisch wirksames Medikament (z. B. Tiaprid,
Tetrabenazin, Reserpin) eingesetzt werden, um eine symptomatische Besserung zu erzielen. Dieses Medikament
soll dann über eine längere Periode allmählich reduziert
und schließlich ganz sistiert werden.
Wirkungen von Alkohol am Nervensystem
Alkoholintoxikation:
●● Euphorie und Dysphorie
●● Enthemmung
●● Ataxie
●● Somnolenz
●● Stupor
●● Koma
●● Atemlähmung
Alkoholentzug:
●● „Kater”
●● Tremor
●● Halluzinationen
●● partielle und generalisierte Anfälle
●● Delirium tremens
Demenz:
●● Pellagra
●● Marchiafava-Bignami-Syndrom
●● hepatozerebrale Degeneration
●● hepatische Enzephalopathie (portokavale Enzephalopathie)
●● alkoholische Demenz
Encephalopathia haemorrhagica superior Wernicke
Korsakow-Syndrom
Alkoholische Kleinhirndegeneration
Zentrale pontine Myelinolyse
Tabak-Alkohol-Amblyopie
Alkoholische Polyneuropathie
Alkoholische Myopathie:
●● akute nekrotisierende Myopathie
●● chronische Myopathie, evtl. mit Kardiomyopathie
Alkohol und Hirninfarkt oder Hirnblutung
Pachymeningeosis haemorrhagica interna
Fetales Alkoholsyndrom
Besonderheiten des Alkoholismus:
●● Dipsomanie
●● alkoholbedingte Hypoglykämie
●● akzidentelle, intoxikationsbedingte Schäden wie Optikusneuropathie durch Methylalkohol, Bleienzephalopathie bei
Moonshine-Trinkern usw.
241
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Alkoholentzug, Alkoholhalluzinose,
­epileptische Anfälle
▶▶Alkoholentzug. Der Alkoholentzug nach einem einmaligen Exzess ist durch einen „Kater“ mit Kopfschmerzen, Elendsgefühl, Zittern und Schwitzen charakterisiert.
Zittrigkeit, vor allem morgens und sich durch alkoholische Getränke bessernd, Nervosität, Schreckhaftigkeit,
Gesichts- und konjunktivale Rötung, Schwitzen, Anorexie, Brechreiz, Tachykardie, Tachypnoe und Blutdruckerhöhung treten nach längerem, zumindest mehrtägigem
Alkoholüberkonsum auf und bilden sich bei Abstinenz
innerhalb weniger Tage zurück.
▶▶Alkoholhalluzinose. Bei einem schweren Alkoholabusus kommt es zu perzeptiven Störungen, die Alpträume, Illusionen und Halluzinationen umfassen. Illusionen
und Halluzinationen können visuell, auditiv, taktil oder
olfaktorisch sein und haben oft Insekten und Tiere als Gegenstand. Dauern sie länger als nur Minuten, kann es unter dem Bild einer paranoiden Psychose zu einer eigentlichen Alkoholhalluzinose oder einem Prädelir kommen.
▶▶Epileptische Anfälle. Mit Alkoholhalluzinose kombiniert oder isoliert können epileptische Anfälle auftreten
(„rum-fits“), meist generalisiert, aber auch fokal betont.
Alkohol präzipitiert Anfälle jeglicher Ätiologie, weshalb
auch bei unter Alkoholentzug auftretenden epileptischen
Anfällen eine ätiologische Abklärung erforderlich ist.
Delirium tremens
Epileptische Anfälle leiten in 10 % ein Delirium tremens
ein, typischerweise 2–3 Tage nach dem Alkoholentzug.
Im Delir sind die Patienten desorientiert, psychomotorisch unruhig, schlaflos und ängstlich erregt, nesteln an
der Bettdecke, verkennen Gegenstände illusorisch und
halluzinieren, meistens Tiere wie Insekten oder Mäuse.
Sie erleben die Illusionen und Halluzinationen oft als bedrohlich und beginnen sich tatkräftig zu wehren und zu
kämpfen. Im Alkoholdelir sind die Patienten stark suggestibel und lesen z. B. von einem nicht beschriebenen Blatt.
Zittern, Schwitzen und Tachykardie weisen auf die äthylische Genese des Delirs hin.
Epileptische Anfälle sollten immer an eine zugrunde liegende oder zusätzliche Erkrankung wie z. B. eine Meningitis denken lassen. Auch wird ein Delirium tremens nicht
selten durch eine interkurrente Erkrankung eines Alkoholikers ausgelöst.
242
Tab. 2.96 Alkoholentzug und Alkoholdelir.
Behandlung
●●
Thiamin 100 mg i. m. oder i. v. und Multivitaminpräparate
●●
Diazepam (Valium) 10–40 mg p. o. oder i. v.
oder Chlordiazepoxid (Librium) 25–200 mg p. o. oder i. v.
oder Clomethiazol (Distraneurin) 0,6–1,2 g p. o. oder 0,8 %ige
Lösung i. v., initial 24–60 mg/min, dann 4–8 mg/min.; die
Initialdosis ist so hoch zu wählen, dass eine Sedation oder
milde Intoxikation resultiert, Wiederholung alle 1–4 Stunden,
tägliche Reduktion um 25 % der Vortagesdosis
●●
●●
●●
Flüssigkeitssubstitution mit ausreichend Glukose, Kalium,
Kalzium, Magnesium und evtl. auch Phosphat
●●
Behandlung von Entzugsanfällen mit Phenytoin, initial 500–
1000 mg i. v., danach 300 mg/d während 1–3 Wochen (keine
Dauerbehandlung)
●●
Koexistierende Erkrankungen beachten (Meningitis, Subduralhämatom, Ösophagusvarizenblutung, Pankreatitis usw.)
Therapie
Die Prävention und Therapie des Alkoholdelirs ist in ▶ Tab.
2.96 dargestellt [848], [1733], [1787]. Milde Entzugssymptome können bei adäquaten sozialen Umständen zu
Hause behandelt werden. Patienten mit Fieber, Anfällen
oder Halluzinationen müssen jedoch hospitalisiert werden. Unbehandelt verläuft ein Delirium tremens in 15 %
der Fälle tödlich.
Alkoholschäden mit Demenz
Bei verschiedenen alkoholassoziierten Erkrankungen gehört eine Demenz zu den Leitsymptomen.
▶▶Alkoholische Demenz. Chronischer Alkoholkonsum
führt zu kognitiven Defiziten, die nach Abstinenz weitgehend reversibel sind. Pathologisch-anatomisch kann es zu
Neuronenverlust und Hirnatrophie kommen.
▶▶Encephalopathia haemorrhagica superior Wernicke
und Korsakows amnestisches Syndrom [801], [2049].
Beide Erkrankungen beruhen auf einem Thiaminmangel.
Sie kommen auch bei anderen Zuständen mit Mangelernährung vor, z. B. bei der Anorexia nervosa oder nach
chirurgischer Behandlung der Fettsucht (bariatrische
Chirurgie) (s. S. 264) [1857]. Das Korsakow-Syndrom (s. S.
294) besteht in einem akuten amnestischen Syndrom mit
anterograden und retrograden (expliziten) Gedächtnisstörungen und Konfabulationen. Bei der Wernicke-Enzephalopathie bestehen neben dem amnestischen Syndrom
okulomotorische Störungen und Ataxie als Leitsymptome. Die okulomotorischen Störungen sind bilateral und
asymmetrisch, umfassen am häufigsten Abduzensparesen, horizontalen oder rotatorischen Nystagmus und konjugierte Blicklähmungen bis hin zur kompletten äußeren
Ophthalmoplegie. Die Pupillenmotorik kann ebenfalls
betroffen und verlangsamt sein. Eine Ataxie ist bei den
meisten Patienten vorhanden, verursacht eine Dysarth-
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Schwindel, Tachykardie, plötzliche Wutausbrüche, asoziales Verhalten und mit steigendem Blutalkoholgehalt
Schläfrigkeit, Stupor, Koma und Atemlähmung.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Im EEG besteht meist ein verlangsamter Grundrhythmus.
In der MRT zeigen T2-gewichtete Bilder Signalstörungen
periaquäduktal und um den III. Ventrikel herum, evtl.
mit Kontrastmittelaufnahme [2216]. Pathologisch-anatomisch liegen Neuronen- und Axonenuntergänge, Myelinschäden und z. T. auch kleinere Hämorrhagien vor.
Therapie
Therapeutisch gibt man Thiamin (100 mg/d i. v. oder i. m.),
Multivitaminpräparate, insbesondere vom B-Komplex, und
Glukose-Elektrolyt-Lösungen. Die Glukose darf aber erst
nach der Thiamingabe infundiert werden, da sonst die
Wernicke-Enzephalopathie erst recht präzipitiert wird.
Unter dieser Behandlung bessern sich die Symptome. Residuelle okulomotorische Störungen, Ataxie und Gedächtnisausfälle persistieren aber bei einem hohen Prozentsatz
der Patienten.
charakterisiert durch Glossitis, Diarrhö, Anämie, erythematöse Hautveränderungen an sonnenexponierten Körperstellen und eine schlussendlich zur Demenz führende
Enzephalopathie.
Weitere alkoholassoziierte Erkrankungen
Als Besonderheiten des Alkoholismus (▶ Tab. 2.95) seien
hier die alkoholbedingte Hypoglykämie (s. S. 243) und die
Dipsomanie erwähnt. Der Alkoholabbau interferiert mit
der Glukoneogenese, weshalb Hypoglykämien durch Alkohol begünstigt werden. Als Dipsomanie bezeichnet
man ein meist episodisch auftretendes unstillbares Verlangen nach Alkohol, das mit Phasen des übermäßigen
Alkoholkonsums einhergeht und zu bleibenden somatischen Schäden führen kann. Alkoholiker laufen auch
Gefahr, Hirninfarkte oder Blutungen oder somatische
Schäden zu erleiden, besonders wenn sie Ethanol durch
Methylalkohol (s. S. 239), Ethylenglykol oder andere neurotoxische Substanzen ersetzen.
Drogen und Nervensystem [282], [1645]
▶▶Alkoholische Kleinhirndegeneration. Bei der alkoholischen Kleinhirndegeneration kommt es nach jahrelangem Alkoholüberkonsum zu einer wurmbetonten Kleinhirnatrophie. Sie äußert sich in einer beinbetonten Extremitätenataxie, im Gegensatz zur rumpfbetonten Ataxie
bei der Wernicke-Enzephalopathie.
Drogen führen zur Sucht bzw. zu einer psychischen und
physischen Abhängigkeit (▶ Tab. 2.97). Bei Entzug kommt
es psychisch zu einem unstillbaren Verlangen und Suchen
nach der entsprechenden Substanz und physisch zu somatischen Symptomen wie z. B. Zittern, Schwitzen, Tachykardie, Nervosität usw.
▶▶Marchiafava-Bignami-Syndrom [824], [1345], [2049].
Dieses der zentralen pontinen Myelinolyse nahestehende Syndrom bei Alkoholismus oder Mangelernährung
ist charakterisiert durch Demyelinisierungen des Corpus
callosum, im Centrum semiovale und anderen Kommissurensystemen. Sie sind typischerweise streng symmetrisch. Klinisch äußert sich das Marchiafava-Bignami-Syndrom in akuter Verwirrtheit, epileptischen Anfällen und
Bewusstseinstrübung. Überlebende Patienten bleiben
meist abulisch und dement.
▶▶Auswirkungen auf das Nervensystem. Mögliche Auswirkungen sind fast unbegrenzt. Bei den meisten Drogen
resultiert eine wohltuende Umdämmerung, Enthemmung, Euphorie oder Depersonalisation, die ebenso rasch
in ungewollte Illusionen, Halluzinationen, paranoide Psychose oder Depression umschlagen kann. Bei einigen Drogen geht diese Bewusstseinsveränderung auch mit einer
motorischen Hyperaktivität einher, oder es resultieren
bei Überdosierung Nystagmus, Ataxie, Myoklonien, Hypothermie, Analgesie, posturale Hypotension, arterielle
Hypertonie, Atemdepression oder ungewollte Schläfrigkeit bis hin zum Koma. Beim Entzug kommt es meistens
zu Nausea, Schwitzen, Zittern, Anorexie, Bauchkrämpfen,
Emesis, Kopfschmerzen, Tachykardie, kardialen Arrhythmien, Hautrötung, Fieber, epileptischen Anfällen [1354]
oder auch Flashbacks.
Früher konnte die Diagnose nur pathologisch-anatomisch
gestellt werden, heute in der MRT intra vitam. Die MRT
zeigt in der Regel T2-hyperintense Signalstörungen im
Körper des Corpus callosum, die sich manchmal in Genu
oder Splenium und die angrenzende weiße Substanz ausdehnen [1345]. Manchmal sind auch die mittleren Kleinhirnstiele betroffen. Die subkortikalen U-Fasern bleiben
ausgespart.
▶▶Hepatozerebrale Degeneration sowie Pellagra. Die
hepatozerebrale Degeneration, die im Gefolge einer lang
dauernden portokavalen Enzephalopathie (s. S. 263) entstehen kann, und die Pellagra sind weitere Möglichkeiten,
weshalb Alkoholiker dement werden. Die Pellagra entsteht als Folge eines Niacin- oder Tryptophanmangels, ist
in Industrieländern aber selbst bei Alkoholikern wegen
der Anreicherung von Getreide mit Niacin selten. Sie ist
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rie und Extremitätenataxie und noch ausgeprägter eine
Rumpfataxie, die Stehen und Gehen unmöglicht macht.
▶▶Direkte oder indirekte somatische Schädigungen infolge der Sucht. Sie sind vielfältig. Unfälle, z. B. bei Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, oder auch Suizid
stellen eine ernste Gefahr dar. Infektionen (lokale Infektionen, Hepatitis, HIV, Endokarditis, Tetanus, mykotische
zerebrale Aneurysmen) kommen bei Süchtigen vor, die
sich parenteral spritzen. Ischämische Hirninfarkte und
Blutungen sind verheerende Komplikationen von Alkohol,
Tabak, Heroin, Kokain, Pentazocin und Tripelennamin,
Amphetamin, LSD, Phencyclidin und auch Ecstasy [620].
Im Koma mit Atemdepression kann es zu deletären an-
243
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Tab. 2.97 Drogen.
Therapie
Häufigste Substanzen
Gegen akute Opiat- und Benzodiazepinintoxikationen stehen Naloxon (Narcan) und Flumazenil (Anexate) zur Verfügung. Im Weiteren erfolgt die Behandlung und Pflege
der Patienten mit Intoxikationen und drogenbedingten
Erkrankungen symptomatisch.
●●
●●
●●
●●
●●
Heroin
Morphin
Methadon
Codein
Propoxyphen usw.
Psychostimulanzien:
●●
●●
●●
●●
●●
●●
Kokain
Amphetamin
Methylphenidat
Phenylpropranolamin
Ephedrin
Nitrite (sexuelles Stimulans)
Sedativa, Hypnotika:
●●
●●
●●
Barbiturate
Diazepam und Derivate wie Flunitrazepam
Methaqualon
Marihuana:
●●
Cannabis
Halluzinogene:
●●
●●
●●
●●
●●
LSD
„Ecstasy“ (= 3,4 Methylendioxymethamphetamin, MDMA)
„Liquid Ecstasy“ (= 4-Hydroxybutansäure bzw. Butyro-1,4Lacton = Vorstufe der 4-Hydroxybutansäure)
Ketamin
Psilocybin
Inhalanzien:
●●
„Schnüffeln” von Lösungsmitteln, Benzin, Leimen oder Farben, die Toluol, n-Hexane, aliphatische Kohlenwasserstoffe,
Nitrooxide oder Trichlorethylen usw. enthalten
Phencyclidin:
●●
= „Angel Dust”
Anticholinergika
Ethanol
Tabak
oxischen Hirnschäden kommen [1179]. Rhabdomyolysen
mit Nierenversagen komplizieren Heroin-, Amphetamin-,
Kokain- und Phencyclidinabusus. Schließlich können
Alkohol, suchtbedingte Mangelernährung, Hirntrauma,
Infarkte und Blutungen und zerebrale Infektionen zu
Demenz führen. Verschiedene Substanzen, insbesondere
Lösungsmittel, können Polyneuropathien verursachen.
Heroininjektionen führten, vermutlich auf immunologischem Wege, verschiedentlich zu lumbalen und brachialen Plexopathien oder einem Guillain-Barré-Syndrom. Im
Koma kann es durch das Eigengewicht des Körpers auch
zu druckbedingten Neuro- und Plexopathien kommen.
Schließlich kann MPTP (s. S. 189) zu einem ParkinsonSyndrom und das Rauchen von Heroin-Pyrolysat zu einer
Leukenzephalopathie führen [772].
244
2.11.2 Endokrine Störungen mit
neurologischen Symptomen
Kurzdefinition

Endokrine Störungen führen zu Stoffwechselentgleisungen und damit zur metabolischen Enzephalopathie, die
sich in kognitiven Störungen, Bewusstseinstrübung oder
beidem äußert. Auch Myopathien und Neuropathien
kommen vor.
Hypoglykämie [1260]
Zucker stellt den praktisch ausschließlichen Energieträger für den Hirnstoffwechsel dar. Fällt der Glukosespiegel
unter einen kritischen Wert, so kommt es zu autonomen
oder zerebralen neurologischen Störungen. Die wichtigsten Ursachen der Hypoglykämien sind in ▶ Tab. 2.98 zusammengefasst. Hypoglykämien können sowohl postprandial als auch nach längerem Fasten auftreten.
▶▶Klinik. Die Symptome der Hypoglykämien (▶ Tab. 2.99)
sind unabhängig von ihrer Ätiologie. Sie können nur Minuten, aber auch stundenlang dauern. Meistens treten
zuerst Störungen des autonomen Nervensystems bzw.
Sympathikussymptome auf, denen dann die zerebralen
Symptome folgen. Die autonomen Symptome umfassen
Schwindel, Schwitzen, Nausea, Blässe, Herzklopfen, präkordiales Oppressionsgefühl, Bauchschmerzen, Hunger,
Angst und Kopfschmerzen. Die zerebrale Symptomatik ist
charakterisiert durch epileptische Anfälle, Bewusstseinsstörungen sowie fokale neurologische Ausfälle.
Zu Beginn empfinden die Patienten meist Parästhesien,
sehen verschwommen oder doppelt, zittern und verhalten sich auffällig. Daraufhin kommt es zu fokalen neurologischen Ausfällen und Anfällen, und das Bewusstsein trübt ein. Die neurologischen Ausfälle können jede
denkbare Form annehmen. Am häufigsten sind akute
Hemiparesen. Die epileptischen Anfälle können einfach
oder komplex partiell oder generalisiert sein, und die Bewusstseinstrübung kann jeden Schweregrad zwischen
Somnolenz und tiefem Koma erreichen. Die gleiche Symptomatik findet sich auch bei Glukosetransportstörungen
(s. S. 232)
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Opiate:
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Wichtigste Ursachen
Postprandiale (reaktive) Hypoglykämie:
●●
●●
alimentärer Hyperinsulinismus
Fruktoseintoleranz u. a.
Hormonmangel:
●●
●●
●●
●●
Hypophyseninsuffizienz
Nebenniereninsuffizienz
Katecholaminmangel
Glukagonmangel
Enzymdefekte des Glykogen- und Glukosestoffwechsels:
●●
z. B. bei Glykogenosen (s. ▶ Tab. 2.88 auf S. 231)
Substratmangel
Hepatopathien
Drogen:
●●
●●
●●
Alkohol
Betablocker
Salizylate
Hyperinsulinismus:
●●
●●
●●
Insulinom
exogenes Insulin
Sulfonylharnstoffe
▶▶Diagnostik. Das EEG ist unspezifisch verändert. Neben
allgemeiner und herdförmiger Verlangsamung treten triphasische Wellen auf.
Die Diagnose beruht auf einem tiefen Glukosegehalt (<
2,5 mmol/l) des Serums während einer Attacke. Bei postprandialen Hypoglykämien kann ein Glukosetoleranztest
und bei Nüchternhypoglykämien ein Fastentest oder erhöhter Insulinspiegel diagnostisch wegweisend sein.
▶▶Bleibende Schäden nach rezidivierenden Hypoglykämien. Eine Hypoglykämie führt zu einer neuronalen
Schädigung, da das Substrat für die Energieproduktion
wegfällt. Mit wiederholten Hypoglykämien kommt es
zu einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit bis
hin zur Demenz. Auch fokale neurologische Störungen
wie Aphasien, Apraxien, Hemianopsien oder Hemiparesen können persistieren und klinisch im Vordergrund
stehen. Bei Insulinomen mit wiederholten längeren Hypoglykämien kann es, wahrscheinlich wegen Schädigung
der Vorderhornzellen und Axone, zu einer „hypoglykämischen Neuropathie“ kommen, die einer spinalen Muskelatrophie mit distal betonten Atrophien sehr ähnlich sieht
[942].
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Tab. 2.98 Hypoglykämien.
Erhöhter Glukosemetabolismus:
●●
●●
●●
●●
extrapankreatische Tumoren
systemischer Carnitinmangel
Störungen der Fettoxidation
Kachexie mit Fettdepletion
Tab. 2.99 Hypoglykämien.
Symptome
Symptome des autonomen Nervensystems:
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
Schwindel
Schwitzen
Nausea
Herzklopfen
präkordiales Oppressionsgefühl
Bauchschmerzen
Hunger
Angst
Kopfschmerzen
Zerebrale Symptomatik:
●●
●●
●●
●●
Parästhesien, Verschwommensehen, Doppeltsehen, Tremor,
auffälliges oder abnormes Verhalten
epileptische Anfälle, einfach partiell, komplex partiell, generalisiert
Bewusstseinsstörungen von Somnolenz bis Koma
fokale neurologische Ausfälle, z. B. Hemiparese, Hemianopsie,
Aphasie, Apraxie
Bleibende neurologische Schäden:
●●
●●
●●
kognitive Defizite, Demenz
fokal betonte kognitive und fokale neurologische Ausfälle
distal betonte Muskelatrophien wegen Vorderhornzell- und
Axonschädigung
Hyperglykämie
Die Hyperglykämie ist bis auf wenige Ausnahmen mit einem Diabetes mellitus vergesellschaftet. Klinisch führt sie
zur metabolischen Enzephalopathie bis hin zum Koma.
Pathophysiologisch sind 2 Formen zu unterscheiden:
●● ketoazidotisches Koma
●● hyperosmolares diabetisches Koma.
▶▶Ketoazidose. Sie tritt beim insulinabhängigen Diabetiker auf. Klinisch weisen diese Patienten neben der Bewusstseinstrübung eine Kussmaul-Atmung auf. Das extrazelluläre Volumendefizit ist geringer als beim hyperosmolaren Koma.
▶▶Hyperosmolares, nicht ketotisches diabetisches Koma.
Dieses tritt typischerweise beim nicht insulinabhängigen
Diabetiker auf. Aufgrund der hyperglykämischen Diurese kommt es zu einem extrazellulären Volumenverlust.
Wenn der Patient diesen nicht adäquat zu decken vermag,
resultiert ein schwerer Volumenmangel kombiniert mit
einer Hyperosmolarität (s. S. 258).
▶▶Diagnostik. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis von
Glukose und Ketonkörpern im Urin und einer Hyperglykämie und metabolischen Azidose mit Anionenlücke im
Serum. Eine Laktatazidose, Urämie, alkoholische Ketoazidose und einige Intoxikationen können ein verwechselbares Bild verursachen.
245
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Therapie
Tab. 2.100 Hypothyreose.
Die Behandlung erfordert Insulin und Flüssigkeitsersatz, in
der Regel 3–5 l, Kalium und Bikarbonat.
Klinische Manifestationen und Therapie
Im Säuglingsalter:
●●
Im Kindesalter:
Kleinwuchs und mentale Retardation
Bei Erwachsenen:
●●
●●
●●
Hypothyreose [614], [1934]
▶▶Manifestationsformen. Eine Hypothyreose in utero
oder im Säuglingsalter führt zum Kretinismus, und auch
im Kindesalter ist eine Hypothyreose durch Kleinwuchs
und mentale Retardation gekennzeichnet. Beim Jugendlichen und Erwachsenen manifestiert sich die Hypothyreose in mannigfaltigen zerebralen, peripher neurogenen
und myogenen Symptomen. Die Art der neurologischen
Präsentation ist weitgehend unabhängig von der Ätiologie der Hypothyreose.
▶▶Allgemeine Symptome. Bei einer Hypothyreose kommt
es zu langsam zunehmender Lethargie, Müdigkeit, Obstipation und Kälteintoleranz.
▶▶Neurologische Symptome. Neurologisch zeigen sich
bei einer Hypothyreose (▶ Tab. 2.100):
●● Kopfschmerzen und selten ein Pseudotumor cerebri.
●● Polyneuropathie [534], [1335] (s. S. 464): Sie findet sich
bei 80 % der Hypothyreotiker. Es handelt sich um eine
axonale sensomotorische Form mit Parästhesien und
sensiblen Ausfällen im Vordergrund sowie einer Neigung zu Kompressionsneuropathien wie Karpaltunnelsyndrom (CTS).
●● Hirnnervenausfälle: Sie sind insgesamt selten. Tinnitus,
Gehörabnahme, Schwindel, Ptose, Heiserkeit (wegen
Infiltration der Stimmbänder mit Mukopolysacchariden) und Gesichtsschmerzen.
●● Myopathie (s. S. 666) [1756], [1940], [2038]: Myalgien
und Steifigkeitsgefühl sind bei der Hypothyreose häufig. Die eigentliche Myopathie führt bei 30–40 % der Patienten zu einer Schwäche vorwiegend der Becken- und
Oberschenkelmuskeln und seltener der Schultergürtelund distalen Extremitätenmuskulatur. Die Eigenreflexe
erschlaffen, am besten erkennbar beim Achillessehnenreflex. Bei Beklopfen des Muskels kann ein Muskelwulst
bestehen bleiben (Myödem). Ferner kommen neuromuskuläre Übertragungsstörungen, Muskelhypertrophie und Myotonien vor.
●● Zerebellare Symptome: Zerebellare Symptome mit
Gleichgewichtsstörungen, Ataxie, gestörter Bewegungskoordination, Dysarthrie und Nystagmus können
gelegentlich klinisch im Vordergrund stehen [789].
●● Psychische Veränderungen: Sie bestehen in Apathie,
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsmangel, Ge-
246
Kretinismus
●●
●●
●●
●●
allgemeine Symptome wie Lethargie, Müdigkeit, Obstipation
und Kälteintoleranz
Kopfschmerzen
Polyneuropathie, vorwiegend sensibel, Karpaltunnelsyndrom,
selten Hirnnervenausfälle
Myopathie, verzögerte Erschlaffung der Eigenreflexe, Myxödem
Ataxie u. a. zerebellare Symptome
psychische und neuropsychologische Auffälligkeiten, Apathie,
Demenz, Depression, delirante Psychosen, Koma
epileptische Anfälle
Therapie:
●●
●●
Hormonsubstitution bessert Symptomatik
Hashimoto-Enzephalopathie benötigt Kortikosteroide
dächtnisstörungen, Demenz, Depression, Halluzinationen und deliranten Psychosen. Sie können in ein Koma
münden.
●● Epileptische Anfälle [939]: Sie kommen gehäuft vor.
▶▶Diagnostik. Im Liquor kann das Eiweiß erhöht sein. Das
EEG zeigt eine allgemeine Verlangsamung und Amplitudenreduktion. Die Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 sind
im Serum vermindert. TSH ist, außer bei hypothalamischhypophysär bedingter Hypothyreose, erhöht.
Therapie
Die Behandlung besteht in einer meist lebenslangen Hormonsubstitution.
Hashimoto-Thyreoiditis
Ein vermutlich eigenständiges Krankheitsbild ist die Enzephalopathie mit hohen Schilddrüsenantikörpertitern
bei Hashimoto-Thyreoiditis [1063], [1941]. Die Enzephalopathie präsentiert sich mit Verwirrtheit, Bewusstseinsverminderung, Delir und fokalen und generalisierten Anfällen.
Therapie
Die Symptome bessern sich nach der Gabe von Kortikosteroiden, bei einigen Patienten auch nach Plasmapherese
oder intravenösen Immunglobulinen.
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Die Serumglukose ist beim hyperosmolaren nicht ketotischen diabetischen Koma in der Regel stärker erhöht als
bei der Ketoazidose, und die Azidose ist meistens nur gering. Therapeutisch sind größere Flüssigkeitsmengen als
bei der Ketoazidose erforderlich (bis zu 10 l), ferner Insulin, Kalium und bei Azidose auch Bikarbonat.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Hyperthyreose [614], [1934]
Kurzdefinition
Tab. 2.101 Hyperthyreose.

Der Begriff Hyperthyreose definiert eine Schilddrüsenüberfunktion, während mit dem Begriff Thyreotoxikose
schilddrüsen- und nicht schilddrüsenbedingte Thyreoideahormonüberschüsse gemeint sind. Die klinische Präsentation ist dieselbe, außer dass beim Morbus Basedow (=
Graves’ Disease) eine endokrine Ophthalmopathie hinzukommen kann.
Klinische Manifestationen und Therapie
Allgemeine Symptome:
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
Nervosität
Schlaflosigkeit
Zittern
Schwitzen
Tachykardie
Durchfälle
Wärmeintoleranz
Muskelsymptome:
▶▶Neurologische Symptome. Neurologische Symptome
einer Hyperthyreose sind (▶ Tab. 2.101):
●● Muskelsymptome [534], [2209]: Die thyreotoxische
Myopathie verursacht eine proximal und beckengürtelbetonte Schwäche, die das Aufrichten aus der Hocke
oder das Anheben der Arme erschwert. Sie kann mit
Myasthenia gravis, die sich bei einer Dekompensation
der Hyperthyreose ebenfalls verschlechtert, einer akuten okulofaziobulbären Myopathie mit Dysarthrie, Dysphagie und Ptose oder thyreotoxischen periodischen
Lähmungen vergesellschaftet sein (s. S. 666) [92]. Wie
bei der familiären hypokaliämischen Lähmung treten
anfallsweise lokalisierte oder generalisierte Muskelschwächen auf, die Minuten bis Tage dauern. Eine Polyneuropathie ist sehr selten.
●● Zerebrale Symptome: Psychische Symptome reichen von
Reizbarkeit bis hin zur seltenen Psychose. Ein Tremor
ist praktisch immer vorhanden. Er kann sehr feinschlägig sein und wie ein vegetativer Tremor aussehen, aber
besonders bei älteren Personen grobschlägig und tieferfrequent werden und das Bild eines essenziellen Tremors (s. S. 210) imitieren. Selten einmal kommen auch
Choreoathetose oder Spastizität mit Pyramidenzeichen
vor [477], [1833]. Partielle und generalisierte epileptische Anfälle kommen ebenfalls vor [920].
●● Augensymptome: Diese können seltenen Lidschlag
(Stellwag-Zeichen), Lidretraktion (Graefe-Zeichen) und
Konvergenzstörung (Möbius-Zeichen) umfassen und
mit ein- oder beidseitigem Exophthalmus kombiniert
sein. Dann handelt es sich um eine endokrine Ophthalmopathie, die auch zu Doppelbildern, Ophthalmoplegie
und Optikusneuropathie führen kann (s. S. 494)
▶▶Diagnostik. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis
erhöhter freier Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 im Serum. TSH ist vermindert, außer bei hypothalamisch-hypophysär bedingter Thyreotoxikose, wo es erhöht ist.
●●
●●
●●
thyreotoxische Myopathie mit proximal betonter Schwäche
Myasthenia gravis
thyreotoxische periodische Lähmungen
Polyneuropathie sehr selten
Zerebrale Symptome:
●●
●●
●●
●●
●●
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▶▶Allgemeine Symptome. Eine Hyperthyreose geht einher mit Nervosität, Schlaflosigkeit, Zittern, Schwitzen,
Tachykardie, Durchfälle und Wärmeintoleranz.
Reizbarkeit
Psychose
Tremor
Choreoathetose
Spastizität mit Pyramidenzeichen
Augensymptome:
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
seltener Lidschlag
Lidretraktion (Graefe-Zeichen)
Konvergenzschwäche (Möbius-Zeichen)
Exophthalmus
Doppelbilder
Ophthalmoplegie
Optikusneuropathie
Partielle und generalisierte epileptische Anfälle
Therapeutische Möglichkeiten:
●●
●●
Thyreostatika
Schilddrüsenchirurgie oder Radiotherapie bessern neurologische Erscheinungen
Therapie
Therapeutische Möglichkeiten umfassen Thyreostatika,
Schilddrüsenchirurgie und Radiotherapie. Mit Besserung der
Thyreotoxikose gehen in der Regel auch die neurologischen Erscheinungen zurück.
Hypoparathyreoidismus und
Hypokalzämie [883], [1873]
Kurzdefinition

Der Hypoparathyreoidismus ist durch eine Störung der
Kalzium- und Phosphorhomöostase charakterisiert und
beruht auf einem hereditären oder meist bei Schilddrüsenchirurgie erworbenen Parathormonmangel. Die
gleiche Situation ergibt sich, wenn Parathormon an den
zellulären Rezeptoren nicht wirken kann. Dies ist beim
Pseudo- und auch beim Pseudopseudohypoparathyreoidismus der Fall. Charakteristisch sind:
●● Hypokalzämie
●● Hypomagnesiämie
●● Hyperphosphatämie
247
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
▶▶Neurologische Symptome. Die neurologischen Symptome werden weitgehend von der Hypokalzämie bestimmt und umfassen:
●● Tetanie: Einschlafgefühl der Extremitäten, Karpopedalspasmus, Pfötchenstellung, Stridor (s. S. 416). Objektiv
sind die Eigenreflexe lebhaft und Chvostek-, Lust- und
Trousseau-Zeichen positiv.
●● Epileptische Anfälle: Diese sind in der Regel generalisiert
und sprechen schlecht auf Antikonvulsiva an.
●● Kopfschmerzen und Stauungspapillen: Sie treten hier
wie beim Pseudotumor cerebri auf.
●● Stammgangliensymptome: Eine Reihe von hypo- und
hyperkinetischen Bewegungsstörungen kann auftreten,
z. B. eine Choreoathetose.
●● Psychische und neurasthenische Symptome: Es kommt zu
Symptomen wie abnormer Ermüdbarkeit, Apathie, Verwirrtheit, Halluzinationen und Psychosen.
▶▶Weitere Symptome. Katarakte und eine Myopathie mit
Erhöhung der Kreatinkinase wurden beschrieben [748].
Intrakranielle Verkalkungen mit Prädilektion für die
Stammganglien sind häufig (s. S. 235).
▶▶Diagnostik. Das Parathormon ist beim Hypoparathyreoidismus erniedrigt. EEG-Veränderungen sind unspezifisch.
Hypokalzämie und normales Parathormon kommen bei
chronischer Niereninsuffizienz, Vitamin-D-Mangel und
transient auch bei Schwerkranken vor.
Therapie
Die Behandlung des Hypoparathyreoidismus besteht in Vitamin-D- und Kalziumgaben. Damit kehren Serumkalzium
und Phosphor in den Normbereich zurück, und die Symptome bessern sich.
Gedächtnisstörungen und Demenz
neuromuskuläre Symptome mit Muskelschwäche und
-atrophie bevorzugt des Schulter- und Beckengürtels
[2008], wobei die Eigenreflexe lebhaft bleiben; im EMG
myopatische Veränderungen, gelegentlich Faszikulationen, Hypästhesien, Parästhesien und Hyporeflexie
●● Ataxie, Augenmotilitätsstörungen, Spastik, Dysarthrie,
Dysphagie
●● epileptische Anfälle
●●
●●
▶▶Diagnostik und Differenzialdiagnose. Die Diagnosestellung erfolgt durch den Nachweis des erhöhten Kalziums und erhöhten Parathormons. Lässt sich ein parathormonsezernierendes Adenom nachweisen, sollte auch an
die Möglichkeit einer multiplen endokrinen Neoplasie
(MEN I oder II) gedacht werden. Bildgebend lässt sich das
Adenom oft darstellen.
Ist nur das Kalzium erhöht und das Parathormon normal oder tief, so ist differenzialdiagnostisch an Tumoren
(Brust, Lungen, Nieren, hämatologische Malignome), Niereninsuffizienz, Vitamin-D-Überdosierung, Sarkoidose
und Erkrankungen mit erhöhtem Knochenmetabolismus
zu denken.
Therapie
Chirurgische Exploration und Adenomexzision führen zur
Heilung. Die Behandlung von Hyperkalzämien anderer
Ursache erfolgt nach ätiologischen und symptomatischen
Gesichtspunkten. An medikamentösen Maßnahmen kommen vor allem Hydrierung und forcierte Diurese, Bisphosphonate und Kalzitonin zum Einsatz.
2.11.3 Malignome und ihre
Fernwirkung auf das Nervensystem
[422], [432], [741], [1600], [1685]
Hyperparathyreoidismus und
­Hyperkalzämie [1258], [1543]
Kurzdefinition
Kurzdefinition

Der Hyperparathyreoidismus entsteht meistens aufgrund
eines Nebenschilddrüsenadenoms mit Parathormonübersekretion und verursacht neurologische Symptome
wegen einer Hyperkalzämie. Die klassischen Syndrome
bestehen jedoch in Nierensteinen (Kalziumoxalat oder
Phosphat), Ostitis fibrosa cystica und Ulcera duodeni.
▶▶Neurologische Symptome. Beim Hyperparathyreoidismus bzw. bei der Hyperkalzämie zeigen sich:
●● Stimmungslabilität, Ermüdbarkeit, Apathie, Unruhe,
Schlafstörungen, Depressionen, Nausea, Emesis, Anorexie, Verwirrtheitszustände, Psychosen, progressive
Lethargie, Koma
248

Malignome können das Nervensystem nicht nur direkt
oder metastatisch befallen oder zu opportunistischen
Infektionen, metabolischen Störungen, zerebralen Ischämien und Blutungen führen, sondern auch humoral vermittelte Fernwirkungen auf das zentrale und periphere
Nervensystem haben. In diesem Fall entstehen paraneoplastische neurologische Syndrome. Bei einigen lassen
sich spezifische antineuronale Antikörper nachweisen.
Paraneoplastische neurologische
Syndrome
Als paraneoplastische oder auch metaneoplastische neurologische Syndrome bezeichnen wir Fernwirkungen von
Tumoren am zentralen und peripheren Nervensystem,
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▶▶Allgemeine Symptome. Sie können Magenschmerzen,
Nausea und Erbrechen umfassen.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Paraneoplastische Syndrome
Gehirn und Hirnnerven:
●●
●●
●●
●●
●●
Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom
limbische Enzephalitis und andere Demenzen
Hirnstammenzephalitis
Optikusneuritis
Fotorezeptorendegeneration (= paraneoplastische Retinopathie)
Rückenmark und Spinalganglien:
●●
●●
●●
●●
nekrotisierende Myelopathie
Vorderhornzellerkrankungen, myatrophische Lateralsklerose
Myelitis
sensible Polyneuropathie Denny-Brown [460]
Periphere Nerven:
●●
●●
●●
●●
●●
subakute und chronische sensomotorische Polyneuropathie
akute Polyradikuloneuropathie (Guillain-Barré-Syndrom)
Mononeuritis multiplex, Plexusneuritis
autonome Neuropathie
paraproteinassoziierte Polyneuropathie
Neuromuskuläre Übergangsregion und Muskel:
●●
●●
●●
●●
●●
●●
●●
myasthenisches Lambert-Eaton-Syndrom
Myasthenia gravis
Dermatomyositis, Polymyositis
akute nekrotisierende Myopathie
Karzinoidmyopathie
Myotonie
Myopathie bei Kachexie
Verschiedene:
●●
●●
●●
●●
Enzephalomyelitis
Neuromyotonie
Stiff-Person-Syndrom
Retinopathie
morwachstum hemmen, zugleich aber auch gegen Nervenzellen oder ein opportunistisches Virus im Nervensystem fehlgerichtet sind.
▶▶Diagnostik. Ein paraneoplastisches Syndrom stellt im
Wesentlichen eine Diagnose per exclusionem dar. Einige
spezifische Antikörper sind identifizierbar, die die Annahme eines paraneoplastischen Syndroms positiv unterstützen (▶ Tab. 2.103 nach [422], [432], [1600]). Ein positiver Antikörpernachweis hilft ferner, bei spezifischen
Syndromen gezielter nach einem wahrscheinlichen Tumor zu suchen. Viele der paraneoplastischen neurologischen Syndrome weisen ein entzündliches Liquorbild mit
Pleozytose, erhöhtem Proteingehalt und oligoklonalen
Banden auf.
Therapie
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Tab. 2.102 Paraneoplastische Syndrome des Nervensystems.
Die meisten paraneoplastischen neurologischen Syndrome sind einer Behandlung nur schlecht zugänglich und
führen schlussendlich zu einer erheblichen Behinderung.
Dennoch lohnt sich ein Behandlungsversuch mit Immunsuppressiva, Plasmapheresen oder i. v. Immunglobulinen
(IvIG). Plasmapheresen sind beim Lambert-Eaton-Syndrom meistens wirksam, und IvIG hilft bei der Kleinhirndegeneration zumindest in Einzelfällen [390]. Auch die
Behandlung eines zugrunde liegenden Tumors kann das
paraneoplastische Syndrom stabilisieren oder gar bessern
[743]. Bei relativ spezifischen Antikörpern ist eine chirurgische Exploration zu erwägen, selbst wenn der Tumor mit
Zusatzuntersuchungen nicht fassbar ist, z. B. eine Orchiektomie bei Enzephalitis und Nachweis von Anti-Ma-Antikörpern [1287].
die weder metastatisch, infektiös noch koagulopathisch
vermittelt sind (▶ Tab. 2.102 nach [422], [432], [1600]).
Paraneoplastische Kleinhirnatrophie
(= subakute Kleinhirnrindenatrophie)
▶▶Allgemeine Aspekte. Als Regeln gelten, dass sich ein
paraneoplastisches Syndrom klinisch vor dem Tumor
manifestiert oder bei Tumoren in Remission und dass der
Tumor langsam wächst und meistens so klein ist, dass er
sich noch in einem heilbaren Stadium befindet. Als paraneoplastische Syndrome beschriebene Krankheitsbilder
sind nicht immer mit einem Tumor vergesellschaftet;
einzelne kommen auch bei Autoimmunkrankheiten vor.
Bei der subakuten Kleinhirndegeneration, beim Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom der Kinder und beim myasthenischen Lambert-Eaton-Syndrom ist die Frequenz einer
zugrunde liegenden Neoplasie jedoch derart hoch, dass
eine extensive Tumorsuche bis hin zur chirurgischen Exploration erfolgen sollte. Bei anderen Syndromen ist dies
weniger häufig der Fall und ein zugrunde liegender Tumor soll gesucht werden, aber nicht mit allen Mitteln.
▶▶Klinik [743]. Die paraneoplastische Kleinhirnatrophie
stellt wohl das häufigste paraneoplastische neurologische Syndrom dar und kommt vor allem bei kleinzelligen
Bronchus- und Ovarialkarzinomen und bei Hodgkin-Lymphomen vor. Die neurologischen Symptome beginnen einige Monate und selten wenige Jahre bevor das Karzinom
direkt symptomatisch wird. Am häufigsten tritt anfangs
eine leichte Koordinationsstörung beim Gehen auf, die
sich innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten zu einer
symmetrischen, invalidisierenden Rumpf- und Extremitätenataxie, Dysarthrie, Dysphagie sowie Nystagmus und
damit verbundenen Oszillopsien und Schwindel ausweitet. Oft sind die Kleinhirnsymptome mit Doppelbildern,
Taubheit, Pyramidenbahnzeichen, Hinterstrangsymptomen, Polyneuropathie oder Demenz kombiniert. Die
meisten Patienten werden gehunfähig.
▶▶Pathogenese. Im Vordergrund der heutigen pathogenetischen Hypothesen – teilweise auch gesichert – stehen
Antikörper, die sich gegen den Tumor richten und das Tu-
▶▶Diagnostik. In der CT oder MRT wird eine Atrophie des
Kleinhirns erkennbar. Der Liquor ist anfangs meist entzündlich verändert (s. oben) und später normal. Im Se-
249
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Antikörper
Syndrom
Tumor
Anti-Yo = PCA-1
Kleinhirndegeneration
Ovarialkarzinom, Mammakarzinom, ausnahmsweise
Lymphom oder Adenokarzinom der Lunge
Anti-Tr
Kleinhirndegeneration
Hodgkin-Lymphom
Anti-mGluR1
Kleinhirndegeneration
Hodgkin-Lymphom
Anti-Zic4
Kleinhirndegeneration
kleinzelliges Bronchuskarzinom
Anti-Hu = ANNA-1
Enzephalomyelitis, limbische Enzephalitis, Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom, sensible Polyneuropathie
kleinzelliges Bronchuskarzinom, Neuroblastom, Prostatakarzinom, Seminom
Anti-Ri = ANNA-2
Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom
Neuroblastom, Mammakarzinom, kleinzelliges Bronchuskarzinom
Anti-Retina
paraneoplastische Retinopathie
kleinzelliges Bronchuskarzinom
Anti-VGCC
Lambert-Eaton-Syndrom, Kleinhirndegeneration
kleinzelliges Bronchuskarzinom, Lymphom
Anti-AChR
Anti-MuSK
Myasthenia gravis
Thymom (bei Anti-AChR)
Hodgkin-AK
Kleinhirndegeneration
Hodgkin-Lymphom
Anti-CV2/CRMP5
Enzephalomyelitis, Kleinhirndegeneration, Chorea,
Polyneuropathie, Uveitis
Bronchuskarzinom, Thymom, andere Tumoren
Anti-Ma
limbische, hypothalamische oder Hirnstammenzephalitis
Hodentumoren, Bronchuskarzinom, andere Tumoren
Anti-Amphysin
Stiff-Person-Syndrom, Enzephalomyelitis, Kleinhirndegeneration, sensomtorische Neuropathie
Mammakarzinom, kleinzelliges Bronchuskarzinom
ANNA: antineuronale Antikörper (anti neuronal nuclear antibodies)
NMJ: neuromuskuläre Synapse (neuromuscular junction)
PCA: Purkinje-Zell-Antikörper (Purkinje cell antibodies)
rum und Liquor finden sich häufig Antikörper, die mit
Purkinje-Zellen und z. T. auch extrazerebellaren Neuronen reagieren (▶ Tab. 2.103).
Histologisch schwinden die Purkinje-Zellen der Kleinhirnrinde. Wird ein Tumor gefunden, ist er meist in einem lokalisierten Stadium. Anti-Yo-Antikörper kommen nur bei
Frauen vor und sind mit Tumoren im gynäkologischen
Bereich assoziiert. Entsprechend forciert muss ein Tumor
gesucht werden. Kleinhirndegenerationen beim Morbus
Hodgkin sind bei Männern häufiger. In Einzelfällen bessern Plasmapheresen oder IvIG die klinischen Symptome.
Limbische Enzephalitis [423], [743]
▶▶Klinik. Mit diesem Begriff ist eine oft, aber nicht immer paraneoplastische Enzephalitis gemeint, die sich
vorwiegend am limbischen System abspielt und am häufigsten bei kleinzelligen Bronchuskarzinomen, aber auch
ohne Neoplasie vorkommen kann. Im Laufe von Wochen
kommt es zu einer schweren Störung des expliziten Gedächtnisses. Diese geht mit Persönlichkeitsveränderungen, Affektstörungen, Verwirrtheit und manchmal Agitation, Halluzinationen und partiellen sowie generalisierten Anfällen einher.
▶▶Diagnostik. Der Liquor ist initial entzündlich verändert
und in der MRT wurden Signalstörungen medial in den
250
Temporallappen beobachtet. Histologische Veränderungen
mit Neuronenverlust, reaktiver Gliose und perivaskulären lymphozytären Infiltraten finden sich vor allem im
limbischen und insulären Kortex. Bei manchen Patienten
sind Anti-VGCC-Antikörper nachweisbar, die kürzlich als
LGI1-Antikörper reklassiert wurden [1115], [1118]. Bei
der Anti-NMDAR-Enzephalitis findet sich oft ein Ovarialteratom [424].
Therapie
Eine sicher wirksame Behandlung ist nicht möglich. Manchmal helfen Immunglobuline oder andere
immunmodulierende/-supprimierende
Maßnahmen,
manchmal bessert sich die Symptomatik mit der Behandlung des assoziierten Tumors [743]. Findet sich ein Ovarialteratom, sollte es entfernt werden. Anfälle werden
symptomatisch antikonvulsiv behandelt.
Weitere paraneoplastische Syndrome
Grundsätzlich kann jeder Teil des zentralen und peripheren Nervensystems von paraneoplastischen Syndromen
bevorzugt befallen werden. So können z. B. eine Hirnstammenzephalitis, eine autonome Neuropathie oder
eine Myelitis entstehen [422], [423], [741], [743]. Weitere
paraneoplastische Erkrankungen wurden in ▶ Tab. 2.102
aufgeführt.
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Tab. 2.103 Autoantikörper, die mit paraneoplastischen neurologischen Syndromen assoziiert sind.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Hirninfarkte und Blutungen bei
Neoplasien [148]
Nach Metastasen stellen ischämische Hirninfarkte und
Blutungen mit 15 % die zweithäufigste ZNS-Erkrankung
bei Karzinomen dar. Blutungen und Ischämien sind etwa
gleich häufig. Einige Besonderheiten sind:
●● Ein „Schlaganfall“ bei einem Karzinompatienten kann
sich klinisch als enzephalopathisches Syndrom anstatt
als akutes fokales Defizit äußern.
●● Die Art des Schlaganfalls kann mit dem Primärtumor,
der Ausdehnung eines ZNS-Befalls und der Art der Tumortherapie korrelieren.
●● Die Ursache der meisten Schlaganfälle bei Karzinompatienten ist nicht anders als bei Patienten ohne Tumor.
●● Folgende Ätiologien sind besonders zu überlegen:
○○ Koagulopathie (disseminierte intravaskuläre Gerinnung, Protein-C-Mangel, Thrombozytose)
○○ nicht bakterielle thrombotische Endokarditis
○○ Vaskulitis
○○ paraneoplastisches Syndrom
○○ direkte Gefäßkompression durch Tumor
○○ leptomeningeale Metastase
○○ neoplastische Angioendotheliose
○○ Tumorembolus (Mucin, Fragment)
○○ Infekt, Sepsis
○○ Therapienebenwirkung (Bestrahlung, Chemotherapie, Chirurgie)
○○ Arteriosklerose
○○ thrombotische Mikroangiopathie
Therapie
Die Therapie gleicht prinzipiell der von Patienten ohne Tumor.
Patienten mit einer nicht bakteriellen thrombotischen Endokarditis und wahrscheinlich auch jene mit einer disseminierten intravaskulären Koagulopathie benötigen eine
Sekundärprophylaxe mit Heparin, weil Vitamin-K-Antagonisten unwirksam sind. Bei Vaskulitis sind Kortikosteroide
und Cyclophosphamid erforderlich, bei der thrombotischen Mikroangiopathie sind Plasmapheresen hilfreich.
2.11.4 Kollagen- sowie Immunerkrankungen und Nervensystem
Kurzdefinition

Kollagen- und Immunerkrankungen befallen Haut, Gelenke und innere Organe, können sich aber auch primär
am Nervensystem manifestieren. Kopfschmerzen, kognitive Defizite, epileptische Anfälle und zerebrale Ischämien
weisen auf einen Befall des ZNS hin. Bei peripherer Mitbeteiligung kann es zu isolierten Mononeuropathien, Mononeuropathia multiplex, symmetrischer Polyneuropathie
oder Myositis kommen. Bei solchen Erscheinungen ist in
der Regel eine länger dauernde immunsuppressive Behandlung erforderlich.
Kollagen- und Immunerkrankungen äußern sich am zentralen und peripheren Nervensystem in mannigfaltiger
Art. Kopfschmerzen und uncharakteristische Beschwerden sind ein häufiges Symptom in der Frühphase, bevor
neurologische Ausfälle auftreten oder die Erkrankung
aufgrund der viel häufigeren Manifestationen an Haut,
Gelenken, Muskeln, Nieren und anderen Organen erkennbar wird. Am ZNS sind Hirnschlag, epileptische Anfälle
und neuropsychologische Ausfälle häufig. Mononeuropathia multiplex, isolierte Mononeuropathien, symmetrische Polyneuropathien und Myositiden können periphere
Erscheinungsbilder sein.
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Als Anti-Hu-Syndrom wurde ursprünglich eine sensible
Polyneuropathie bei einem kleinzelligen Bronchuskarzinom beschrieben, verbunden mit einem Autoantikörper
[423], [742]. Anti-Ri ist histochemisch identisch mit AntiHu, reagiert aber nur mit zentralen Neuronen. Anti-Ri ist
mit Augenmotilitätsstörungen und seltener zerebellaren
Symptomen assoziiert [425].
Eine summarische Übersicht der Arteriitiden mit Beteiligung des Nervensystems findet sich in ▶ Tab. 2.54, S. 151.
Vaskulitiden sind meistens nicht auf ein Organ beschränkt. Eventuell ist das zentrale oder periphere Nervensystem das Organ der ersten fokalen Manifestation,
aber auch dann sind in der Regel schon Allgemeinerscheinungen wie Fieber, Malaise oder Gewichtsverlust erfassbar. BSR und CRP sind meist erhöht und das Blutbild ist
entzündlich verändert. Für die Diagnosestellung helfen
serologische Tests und histologische Untersuchungen.
Bezüglich der Myositiden sei auf S. 662 verwiesen.
Periarteriitis nodosa (PAN) und
Verwandte [360], [1393]
Bei dieser auch Polyarteriitis nodosa genannten Erkrankung finden sich granulozytäre und eosinophile Infiltrate
in den Gefäßwänden und Medianekrosen. Bei den Nekrosestellen bilden sich Aneurysmen, die fibrosieren und
knotig verdicken. Die Periarteriitis nodosa ist eine Multisystemaffektion, die in erster Linie Nieren, Herz, Leber
und Gastrointestinaltrakt befällt.
▶▶Cogan-Syndrom. Das Cogan-Syndrom, bei dem ein Befall der Hirnnerven im Vordergrund steht, stellt möglicherweise eine Variante der Periarteriitis nodosa dar (s.
S. 518) [2058].
251
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
▶▶Schwere Arteriosklerose. Bei einer schweren Arteriosklerose kann es zu einem Zerfall der Atheromatose
kommen. Diese mit Cholesterinkristallen durchsetzten
Zerfallsprodukte führen zu multiplen kleinen Embolien
in allen Organen einschließlich des Gehirns und klinisch
blauen Zehen („Purple-Toe“- oder „Blue-Toe-Syndrom“).
Als Reaktion darauf kommt es zu entzündlichen Veränderungen, die eine primäre Vaskulitis oder PAN vortäuschen
[384].
▶▶Thrombangiitis obliterans Winiwarter-Buerger. Sie
kommt bei jungen Männern mit Tabakabusus vor und
befällt die kleinen und mittelgroßen Arterien, Venen und
auch die peripheren Nerven [1496]. Leitsymptome sind
eine Claudicatio intermittens, Ruheschmerzen der Beine, ischämische Ulzera, Thrombophlebitiden, RaynaudSyndrome und sensible Störungen, an Beinen häufiger als
an Armen. Eine Makroangiopathie und Hirninfarkte sind
selten. Serologische Tests sind negativ.
▶▶Klinik. Die PAN beginnt mit vagen Symptomen wie Fieber, Tachykardie, Schwitzen, Gewichtsverlust, Müdigkeit,
allgemeiner Schwäche, Myalgien und Bauchbeschwerden. Es können aber auch von Anfang an organspezifische
Symptome vorhanden sein. Mono- oder Polyneuropathien
(s. S. 458) finden sich bei jedem 2. und ZNS-Symptome bei
jedem 4. Patienten. Die Symptome umfassen:
●● Kopfschmerzen
●● epileptische Anfälle
●● Sehstörungen
●● Schwindel
●● zerebrale und selten spinale Ischämien und Blutungen
●● Verwirrtheit und Psychosen
▶▶Diagnostik. Die Diagnose wird bioptisch oder allenfalls
angiografisch gestellt.
Therapie
Spontan verläuft die PAN meist letal mit Tod durch Nierenversagen. Prednison (1 mg/kg Körpergewicht täglich),
kombiniert mit Cyclophosphamid (2 mg/kg Körpergewicht
täglich per os mit dem Zielwert von 3000 Leukozyten/μl
oder 1 g/m2 pro Monat als Bolustherapie), kann bei mehr
als 90 % der Patienten Langzeitremissionen bewirken. Die
Behandlung muss mindestens 6 Monate, meistens aber
länger durchgeführt werden. Zur Vermeidung einer Urotoxizität sollte gleichzeitig Uromitexan verabreicht werden.
Patienten in Remission müssen regelmäßig und sorgfältig
kontrolliert werden. Allenfalls kann Azathioprin (1–2 mg/
kg Körpergewicht täglich per os) als Rezidivprophylaxe
eingesetzt werden. Flackern die Symptome trotzdem wieder auf, kann mit Prednison und Cyclophosphamid meist
wiederum eine Remission erzielt werden.
Isolierte Angiitis des ZNS [37], [774], [1245]
Die auch als „primäre“ oder „isolierte Vaskulitis des ZNS“
bezeichnete oder mit dem Akronym GANS versehene
granulomatöse Angiitis des ZNS beschränkt sich auf das
Gehirn und selten auch das Rückenmark. Sie wird von einigen Autoren der Gruppe der Riesenzellarteriitiden (Arteriitis cranialis, Polymyalgia rheumatica, Takayasu-Arteriitis) zugerechnet. Eine Untergruppe ist mit zerebraler
Amyloidangiopathie kombiniert [1813].
▶▶Klinik. Klinische Leitsymptome sind Kopfschmerzen,
multifokale zerebrale Ischämien oder Enzephalopathie
ohne fokale neurologische Symptome.
▶▶Diagnostik. Der Liquor kann entzündlich verändert
sein. Meistens, aber nicht obligat, zeigt das Angiogramm
vaskulitische Veränderungen mit Stenosen und Dilatationen, Verschlüssen und Kollateralen. In der MRT finden
sich multiple ischämische oder hämorrhagische Läsionen
in den Stammganglien, im Kortex und in der subkortikalen weißen Substanz. Zur Sicherung der Diagnose ist eine
Biopsie von Leptomeningen und Kortex erforderlich.
▶▶Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch kommen Angiitiden bei Herpes zoster oder Lymphomen,
Sarkoidose, systemische Vaskulitiden, rheumatologischentzündliche Krankheiten und das ganze Spektrum der
chronischen Meningitiden in Betracht.
Therapie
Der Spontanverlauf ist meistens ungünstig, kann aber
durch Prednison und Cyclophosphamid verbessert werden
(Dosis s. bei PAN).
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▶▶Churg-Strauss-Syndrom [93]. Das Churg-Strauss-Syndrom, eine allergisch-granulomatöse Angiitis, steht der
PAN ebenfalls nahe, befällt aber neben Arterien auch Venen und Venolen. Leitsymptome sind ein schweres Asthma und im Blutbild eine ausgeprägte Eosinophilie. Neurologisch sind schmerzhafte Mono- und Polyneuritiden
häufiger als ZNS-Erscheinungen.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Takayasu-Arteriitis [2120]
Lymphomatoide Granulomatose
Diese meist junge Frauen betreffende entzündliche Erkrankung der Aorta und ihrer Abgänge äußert sich in
Allgemeinsymptomen wie Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust und neurologischen Manifestationen wie
Kopfschmerzen, orthostatischem Schwindel, transienten
Ischämien und ischämischen Insulten. Charakteristisch
ist eine Sehschwäche in Orthostase.
Die lymphomatoide Granulomatose wird ebenfalls den
granulomatösen Angiitiden zugerechnet. Sie befällt vor
allem die Lungen, seltener die Haut, Nieren und zentrales
sowie peripheres Nervensystem.
Die Behandlung besteht in der Gabe von Steroiden, evtl. in
Kombination mit Endoxan, Methotrexat, Ciclosporin oder
Mycophenolatmofetil im floriden Stadium, und Azathioprin als Erhaltungstherapie.
In mehr als der Hälfte der Fälle schreitet die Erkrankung zu
einem lymphoproliferativen Syndrom und schließlich malignen Lymphom fort, was mit Prednison und Cyclophosphamid verhindert werden kann.
Mit Autoimmunprozessen einhergehende Arteriitiden
Wegener-Granulomatose [1466]
Sjögren-Syndrom [457]
▶▶Klinik. Die Wegener-Granulomatose entspricht einer
systemischen nekrotisierenden granulomatösen Entzündung mit Vaskulitis, die in erster Linie die oberen und unteren Luftwege und die Nieren befällt.
Das Sjögren-Syndrom (s. S. 458 u. S. 663) entspricht einer langsam progressiven Autoimmunerkrankung mit
lymphozytärer Infiltration der exokrinen Drüsen, die zu
einem Sicca-Syndrom mit Xerostomie und Conjunctivitis
sicca führt. Extraglanduläre Manifestationen wie Arthralgien, Raynaud-Phänomen und Lymphadenopathie kommen bei einem Drittel der Patienten vor.
Häufige neurologische Manifestationen sind:
Kopfschmerzen
●● Mono- und Polyneuritiden
●● Neuritis cranialis
●● Ophthalmoplegia externa
●● Hörverlust
●●
Seltenere neurologische Manifestationen sind:
●● zerebrale Ischämien und Blutungen
●● basale Meningitis
●● Zerebritis
●● Myelopathien
●● Myopathien
▶▶Diagnostik. Bei Befall der Hirnnerven gilt es zu klären,
ob Granulome der Nase destruktiv durch die Schädelbasis
wuchern oder ob es sich um vaskulitisch bedingte Nervenlähmungen handelt. Diagnostisch verwertbar sind antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA), insbesondere c-ANCA. Die Diagnosesicherung erfolgt durch
eine Gewebeprobe aus den Luftwegen und Demonstration
einer Glomerulonephritis.
Therapie
Unbehandelt verläuft die Wegener-Granulomatose innerhalb von Monaten tödlich. Prednison und Cyclophosphamid
(Dosis s. PAN, s. S. 252) stellen die Therapie der Wahl dar
und führen meistens zu einer Remission. Nach deren Eintreten darf die immunsuppressive Therapie nie vor Ablauf
eines Jahres sistiert werden.
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Therapie
Therapie
▶▶Klinik. Klinisch finden sich gelegentlich fokale zerebrale Störungen, Querschnittsmyelitiden, chronische Myelopathien, Optikusbefall und aseptische Meningoenzephalitiden, selten auch Mononeuritis multiplex, symmetrische Polyneuritis, Myositis oder ZNS-Manifestationen.
▶▶Diagnostik. Diagnostisch hilfreich, aber nicht spezifisch
sind Anti-Ro-(SS-A-)Autoantikörper.
Therapie
Therapeutisch helfen symptomatische Maßnahmen gegen das Sicca-Syndrom, z. B. künstliche Tränenflüssigkeit
zur Vermeidung von Korneaulzerationen. Extraglanduläre
Manifestationen werden mit Kortikosteroiden und Cyclophosphamid oder anderen Immunsuppressiva angegangen.
Lupus erythematodes [675], [956]
Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) handelt
es sich um eine Autoimmunerkrankung, die in 90 % Frauen betrifft, am häufigsten im gebärfähigen Alter.
▶▶Allgemeine Symptome. Klinisch weisen fast alle Patienten Allgemeinsymptome (z. B. Fieber, Gewichtsverlust) und Manifestationen an Haut und Schleimhäuten
(Schmetterlingsexanthem, fotosensitive Dermatitis, orale
Ulzera u. a.), Bewegungsapparat (Arthritis, Myopathie),
Herz und Lungen (Pleuritis, Perikarditis, Endokarditis)
oder Nieren (Lupusnephritis) auf.
253
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
▶▶Diagnostik. Der Liquor ist normal oder weist eine geringe Pleozytose auf.
Bei psychiatrischen Manifestationen kann das EEG auf die
Organizität hinweisen. Als evtl. Veränderungen in CT und
MRT finden sich Hirninfarkte oder multiple, vorwiegend
subkortikale Signalstörungen. Anämie, Leukopenie und
Thrombozytopenie sind häufige Blutveränderungen.
Serologisch eignen sich antinukleäre Antikörper (ANA
oder ANAK) als sensitiver, aber wenig spezifischer Suchtest und Anti-dsDNA- und Anti-Sm-Antikörper als relativ
spezifisches Bestätigungsverfahren.
Auch das Lupusband in der Hautbiopsie gilt als diagnostisch spezifisch.
Therapie
Eine kausale Behandlung existiert nicht. Allgemein
kommen nichtsteroidale Antirheumatika, Salizylate und
Antimalariamittel zum Einsatz. Bei neurologischen Manifestationen werden Steroide und evtl. auch Cyclophosphamid eingesetzt (Dosis s. S. 252). Azathioprin gilt ebenfalls
als wirksam, aber weniger als Cyclophosphamid.
▶▶Rezidivprophylaxe nach Hirninfarkt. Hirninfarkte
beim SLE weisen ein Rezidivrisiko bis zu 50 % auf. Dies
legt eine Antikoagulation als Rezidivprophylaxe nahe, da
Steroide und Immunsuppressiva die abnorme Thromboseneigung beim Lupus nicht zu verändern vermögen.
BSR, Komplementspiegel und Anti-dsDNA-Antikörper
eignen sich als Verlaufsparameter.
254
Weitere wahrscheinlich autoimmun
bedingte Erkrankungen
Hierbei handelt es sich um folgende Erkrankungen:
●● rheumatoide Arthritis (ehemals primär chronische Polyarthritis)
●● Sklerodermie
●● Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew, Spondylarthritis ankylopoetica)
●● Mischkollagenose (Sharp-Syndrom)
●● Colitis ulcerosa
Alle diese Erkrankungen können mit zentralen und peripheren neurologischen Manifestationen einhergehen.
▶▶Differenzialdiagnose. Differenzialdiagnostisch sind Arteriitiden bei Infektionskrankheiten, Neoplasien, Medikamenten und Drogen in Betracht zu ziehen.
Schwer klassierbare Arteriitiden
▶▶Sneddon-Syndrom. Zum Sneddon-Syndrom gehören
Insulte, Livedo reticularis und wahrscheinlich auch Antiphospholipid-Antikörper [1180] (s. S. 152).
▶▶Maligne atrophische Papulose Köhlmeier-Degos. Die
maligne atrophische Papulose Köhlmeier-Degos ist ebenfalls durch Hauterscheinungen, zentrale, spinale und
periphere neurologische Symptome und mikroangiopathisch bedingte Insulte charakterisiert [1321].
▶▶Behçet-Krankheit [1728], [1860]. Der Morbus Behçet
entspricht einer wahrscheinlich autoimmunen Multisystemaffektion mit rezidivierenden oralen und genitalen
Ulzera sowie Augensymptomen (Keratokonjunktivitis,
Iritis, posteriore Uveitis, Optikusneuritis). Ferner kommen Arthritiden und Venenthrombosen vor. Neurologische Symptome sind häufig, entweder als Multiple-Sklerose-ähnliches Syndrom, Psychosen, Demenz oder wegen
zerebraler Venen- und Sinusthrombosen (s. S. 147) [907].
Auch periphere neurologische Symptome und Myositiden
kommen vor.
In der MRT finden sich Läsionen der weißen Substanz
und des Hirnstamms, die Veränderungen bei multipler
Sklerose ähnlich sind [1152].
Therapie
Die Behandlung ist symptomatisch. Bei Mitbeteiligung
des Nervensystems kommen Prednison, Azathioprin oder
Ciclosporin zum Einsatz [2185]. Bei Venenthrombosen
wird antikoaguliert.
▶▶Retinokochleozerebrale Vaskulopathie. Die retinokochleozerebrale Vaskulopathie befällt vor allem jüngere
Frauen. Sehstörungen, Hörstörungen und Tinnitus sowie
eine Enzephalopathie und fokale neurologische Störun-
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▶▶Neurologische oder psychiatrische Manifestationen
[675], [956]. Sie erscheinen in 25–75 % im Laufe der Erkrankung, und in 3 % der Fälle sind sie Erstmanifestationen. Das häufigste und oft alleinige neurologische
Symptom sind migräneartige Kopfschmerzen. Nächsthäufig folgen Verhaltensauffälligkeiten, kognitive Defizite,
Depressionen und Suizidversuche, Verwirrtheit sowie
Halluzinationen und Psychosen. Weitere fokale neurologische Störungen sind Hemiparesen, Myelopathien mit
Querschnittsyndromen und auch nicht selten Chorea,
Athetose oder Ballismus. Hirnnervenausfälle, Mononeuritiden, sensomotorische Polyneuritiden und Polymyositiden sind relativ häufige Erscheinungen bei 15 % der
Betroffenen. Hirninfarkte sind ungefähr gleich häufig.
Letztere hängen mit dem Lupusantikoagulans, Antiphospholipid-Antikörpern (s. Antiphospholipidsyndrom, S.
152) oder kardiogenen Embolien und selten einer Vaskulitis zusammen. Weitere Erscheinungen sind epileptische
Anfälle, gehäuft bei Patienten mit Azotämie, und systemische Infektionen. Als Komplikationen des SLE können opportunistische ZNS-Infektionen (Bakterien, Pilze, CMV)
auftreten, die ebenfalls neurologische Erscheinungen bewirken können.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Sarkoidose [141], [865], [957]
Die Sarkoidose (Morbus Besnier-Boeck-Schaumann) stellt
eine granulomatöse Multisystemaffektion ungeklärter
Ätiologie dar. Betroffen sind vor allem jüngere Erwachsene. Am häufigsten sind die Lungen befallen (> 90 %), gefolgt von Lymphknoten, Haut (Erythema nodosum), Augen (anteriore Uveitis > posteriore), oberen Atemwegen,
Knochen und Gelenken, Knochenmark und Milz, Leber
sowie Nervensystem. 5 % der Erkrankungen präsentieren
sich als Neurosarkoidose, aber 97 % dieser Patienten weisen auch einen extrazerebralen Befall auf.
▶▶Klinik. Grundsätzlich kann jeder Teil des Nervensystems betroffen sein:
●● Intrakraniell finden sich die Granulome am häufigsten
in den Meningen der Schädelbasis, im Hypothalamus
und der Hypophyse. Die Granulome sind meist klein,
können aber auch groß werden und sich wie ein raumfordernder Tumor verhalten. Neben den fokalen Ausfällen und psychoorganischen Störungen treten oft auch
epileptische Anfälle auf. Komplikationen der meist
basalen Meningitis oder Meningoenzephalitis können
Hydrozephalus, Diabetes insipidus oder andere endokrinologische Störungen und auch ein Hirnnervenbefall
sein.
●● Hirnnervenausfälle kommen bei ungefähr der Hälfte
der Patienten vor, zusammen mit intrakraniellen Manifestationen oder auch isoliert. Am häufigsten ist der N.
facialis gelähmt, gelegentlich simultan oder sequenziell
bilateral und bisweilen zusammen mit Parotisschwellung und Fieber (Febris uveoparotidea Heerfordt, s. S.
512). Des Weiteren werden der N. trigeminus (sensible Ausfälle oder Neuralgien), der N. vestibulocochlearis
(Schwindel, Hörstörungen) und der N. opticus (Optikusneuritis, Papillitis) häufig betroffen.
●● Spinale Granulome führen zu einer subakuten oder
chronischen Myelopathie. Die spinalen Granulome infiltrieren oder komprimieren Meningen und Rückenmark.
●● Periphere Neuropathien kommen in bis zu 18 % der Neurosarkoidosen vor und verursachen:
○○ Mononeuritis multiplex
○○ Polyradikulopathie
○○ Guillain-Barré-Syndrom
○○ symmetrische sensomotorische, sensible oder motorische Polyneuropathien
wickeln und das klinische Bild einer multiplen Sklerose
imitieren.
▶▶Diagnostik. Bei einem multifokalen Befall des Nervensystems sollte die Sarkoidose differenzialdiagnostisch immer erwogen werden. Im Liquor findet sich ein chronisch
entzündliches Bild mit leichter lymphozytärer Pleozytose und Eiweißerhöhung. Oligoklonale Banden kommen
vor, sowohl intrathekal produziert als auch infolge einer
Schrankenstörung.
CT und noch mehr MRT sind fast immer pathologisch. Der
meningeale Befall ist am besten in der MRT auf T1-gewichteten Bildern nach Kontrastmittelgabe sichtbar, der
Parenchymbefall auf T2-gewichteten Bildern. Granulome
können Kontrastmittel anreichern. Sie sind meist klein,
einzelne können aber mehrere Zentimeter groß werden.
Spinale Granulome können den ganzen Rückenmarkquerschnitt umfassen.
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gen sind die Leitsymptome. Man nimmt eine vaskulitische Mikroangiopathie als Ursache an. Diese Symptome
kennzeichnen auch das ätiologisch ungeklärte Susac-Syndrom, die Eales-Krankheit und die posteriore multifokale
plakoide Pigmentepitheliopathie [118], [1931].
Ein erhöhter Angiotensin-Converting-Enzym-Spiegel hat
sowohl im Serum als auch im Liquor eine hohe Korrelation mit der Sarkoidose gezeigt. Das Serumkalzium ist oft
erhöht. Tuberkulintests sind meist negativ und ein KveimTest (sofern erhältlich) ist positiv. Lungen- und Knochenröntgen können typische, aber keine spezifischen Veränderungen zeigen.
Bei den meisten Neurosarkoidosen finden sich auch extrazerebrale Manifestationen, die einer Biopsie – z. B. der
Muskeln – und histologischen Diagnosesicherung durch
den Nachweis nicht verkäsender Granulome zugänglich
sind und damit eine meningeale oder Hirnbiopsie erübrigen. Nicht verkäsende Granulome sind allerdings unspezifisch.
Therapie
Kontrollierte Therapiestudien existieren nicht. Empirisch zeigen Steroide einen günstigen Effekt und müssen
in der Regel über Wochen bis Monate gegeben werden.
Als Initialdosis wird meist Prednison 40 mg/d gewählt.
Bei Nichtansprechen wurden Erfolge durch Zugabe
von Methotrexat (7,5–25 mg/Woche), Azathioprin (bis
150 mg/d), Hydroxychloroquin (200 mg/d) oder Inflixi­
mab (5 mg/kg Körpergewicht) berichtet.
▶▶Verlauf. Die klinischen Symptome können sich akut
oder subakut einstellen oder auch chronisch progredient
verhalten. Spontanremissionen sind häufiger als progrediente Verläufe. Patienten mit Spontanremissionen können Jahre später neue Granulome und Symptome ent-
255
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Kurzdefinition

Eine akute Niereninsuffizienz führt zu einer urämischen
Enzephalopathie. Bei chronischer Niereninsuffizienz bzw.
bei Patienten unter Dialyse kann außerdem eine urämische Polyneuropathie (s. S. 454), ein Dialyse-Dysäquilibrium-Syndrom oder eine Dialysedemenz auftreten.
Patienten nach Nierentransplantation weisen für Immunsuppression spezifische Probleme auf.
Urämische Enzephalopathie
Die urämische Enzephalopathie [1144] äußert sich als
metabolische Enzephalopathie mit Bewusstseinstrübung, kognitiven und motorischen Störungen, Asterixis,
multifokalem Myoklonus und epileptischen Anfällen. Bei
schwerer Urämie kann ein Koma mit den Charakteristika
einer metabolischen Störung resultieren (s. S. 258). Das
Ausmaß der klinischen Symptome korreliert nur lose mit
der Harnstofferhöhung. Eine rasch auftretende Niereninsuffizienz wird jedoch eher zerebrale Symptome verursachen als eine, die sich langsam entwickelt, z. T. weil
rasch schwankende Elektrolytkonzentrationen zerebral
schlecht ertragen werden (s. S. 257).
▶▶Klinik. Die ersten klinischen Symptome der urämischen Enzephalopathie sind:
●● Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen
●● Somnolenz
Im weiteren Verlauf können kognitive Defizite in Form
von Verwirrtheit, Wahrnehmungsstörungen, Illusionen
oder Halluzinationen, ein Delir oder eine Bewusstseinstrübung in den Vordergrund treten. Gleichzeitig bestehen
in der Regel auch motorische Störungen wie Dysarthrie,
Gehunsicherheit, Ataxie, Intentionstremor und Asterixis
und ein multifokaler Myoklonus.
Asterixis entspricht einer Unmöglichkeit, die Körperposition zu halten. Wenn der Patient Arme und Hände mit
leicht gespreizten Fingern ausstreckt und hyperextendiert, kommt es zu irregulären, bilateral asynchronen
Hin-und-her-Bewegungen der Finger und Flexions-Extensions-Bewegungen der Hand und Finger mit rascher
Flexion und langsamerer Rückkehr in die Ausgangsposition. Asterixis ist auch an Beinen oder im Gesicht beobachtbar. EMG-Ableitungen zeigen einen momentanen
Tonusverlust während der Flexion und Rückkehr der
Muskelaktivität während der Extension. Asterixis ist unspezifisch und kann bei vielen metabolischen Störungen
oder Intoxikationen vorkommen.
Mit zunehmender Bewusstseinstrübung, meist im Stadium des Sopors, tritt ein multifokaler Myoklonus auf, bei
256
dem Muskeln plötzlich, arrhythmisch und asymmetrisch
zucken. Betroffen sind insbesondere die Gesichts- und
proximalen Arm- und Beinmuskeln. EMG- und EEG-Studien zeigen, dass der Myoklonus teils kortikal und teils
subkortikal generiert wird.
Epileptische Anfälle treten typischerweise erst in einem
Spätstadium auf oder sind Teil des Dialyse-Dysäquilibrium-Syndroms.
Die Eigenreflexe sind bei der Urämie meist lebhaft, der
Tonus ist spastisch erhöht und Babinski-Reflexe können
auslösbar sein. Manchmal finden sich Papillenödeme,
meist als Ausdruck einer koexistierenden hypertensiven
Enzephalopathie (s. S. 152).
Bei länger bestehender Niereninsuffizienz kann es zu einem Restless-Legs-Syndrom (s. S. 627) und zu einer Polyneuropathie (s. S. 454) kommen. Dann und auch bei Hyperkaliämie sind die Eigenreflexe abgeschwächt. Auch
autonome Dysfunktionen kommen vor. Bei länger dauernder Niereninsuffizienz sind auch Herz- und Hirninfarkte
gehäuft, wahrscheinlich weil die Niereninsuffizienz die
Arteriosklerose fördert [1130].
▶▶Diagnostik. Im EEG verlangsamt sich die Grundaktivität, und es können triphasische Wellen als Ausdruck der
metabolischen Störung vorkommen. Gehäuft sind auch
Spitze-Wellen-Komplexe sichtbar, ohne dass klinisch Anfälle auftreten. Im Liquor können eine geringe Pleozytose
und Eiweißerhöhung auftreten. Neuropathologisch finden sich keine für die Urämie spezifischen Veränderungen.
Therapie
Die neurologischen Zeichen der urämischen Enzephalopathie sind unter Dialyse reversibel. Anfälle werden mit den
üblichen Antikonvulsiva behandelt. Ihre Pharmakokinetik
verändert sich allerdings bei der Urämie. Antikonvulsiva
müssen in ihrer Dosis evtl. angepasst werden. Geeignet
sind z. B. Carbamazepin, Valproat oder Phenytoin. Diazepam oder Clonazepam können zur symptomatischen Unterdrückung allzu starker Myoklonien eingesetzt werden.
Besondere neurologische Probleme bei
chronischer Niereninsuffizienz
Dialyse-Dysäquilibrium-Syndrom
Gegen Ende oder wenige Stunden nach einer Dialyse
kann es zu diffusen Kopfschmerzen und manchmal auch
zu einer diffusen Enzephalopathie mit Nausea, Erregtheit, Delir, Krampfanfällen oder Bewusstseinstrübung, zu
Exophthalmus und erhöhtem Intraokulardruck kommen.
Pathogenetisch nimmt man an, dass während der Dialyse ein osmotischer Gradient zwischen Gehirn und Serum
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2.11.5 Niereninsuffizienz und
Nervensystem [219]
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Dialyse-Demenz (= Dialyse-Enzephalopathie) [1144]
Als Dialyse-Demenz wurde eine nach vielfacher Dialyse
auftretende progrediente und meist letale Symptomatik
bezeichnet. Sie beginnt mit Sprechhemmungen, Stottern
und diskreten kognitiven Störungen, Myoklonien und
Krampfanfällen, und schließlich werden die Patienten
dement.
Im EEG zeigen sich bilateral synchrone langsame Wellen
mit Spitzen.
Therapie
Diazepam kann im Frühstadium die Myoklonien unterdrücken. Bei verstorbenen Patienten wurde in der grauen
Hirnsubstanz eine erhöhte Aluminiumkonzentration gefunden. Bei einigen Patienten mit Dialyse-Demenz kam es
nach Entfernen des Aluminiums zu einer Regression der
enzephalopathischen Symptome. Dies erfolgte durch eine
aluminiumfreie Diät, Entfernen des Aluminiums aus dem Dialysat und mithilfe von Deferoxamin (Desferal).
Wernicke-Enzephalopathie (s. S. 242)
Bei einigen Dialysepatienten treten Anzeichen einer Wernicke-Enzephalopathie auf, die eine Thiamingabe erfordern und dann meist reversibel sind [928].
Komplikationen der Nierentransplantation
Aufgrund der iatrogenen Immunsuppression, die zur Erhaltung des Transplantats nötig ist, sind opportunistische
Infektionen (s. S. 98 u. ▶ Tab. 2.41) gehäuft, und auch das
Risiko eines primären ZNS-Lymphoms steigt (s. S. 98 u.
S. 64).
▶▶Akute posteriore Leukenzephalopathie [853], [1154].
Es handelt sich um ein Kapillar-Leck-Syndrom, das meist
durch eine akute Blutdrucksteigerung, Flüssigkeitsretention und zytotoxische Effekte von Immunsuppressiva und
Chemotherapeutika ausgelöst wird. Betroffen sind meist
Patienten unter immunsuppressiver Therapie, z. B. nach
Leber-, Nieren- oder Knochenmarktransplantation, aber
auch Frauen mit Eklampsie. Zu den Leitsymptomen gehören Kopfschmerzen, visuelle Symptome bis hin zur kortikalen Blindheit, Krampfanfälle, Erbrechen und Verwirrtheit.
Die MRT zeigt ein Ödem vor allem im posterioren Marklager beidseits, kann aber auch Infarkte im posterioren
Stromgebiet aufdecken.
Therapie
Die wichtigste therapeutische Handlung ist eine rasche
Blutdrucksenkung (s. a. hypertensive Enzephalopathie, S.
152).
2.11.6 Elektrolytstörungen mit
neurologischen Symptomen
Kurzdefinition

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entsteht, weil während der Urämie „idiogene Osmole“
im Gehirn freigesetzt werden, die nicht dialysierbar sind.
Somit resultiert ein „Dysäquilibrium“ für Wasser bzw.
eine Wasserverschiebung vom Serum in das Gehirn (s. S.
257 ff.).
Elektrolytstörungen können zu Enzephalopathien mit
kognitiven Defiziten und Bewusstseinstrübung sowie
neuromuskulären Symptomen führen. Störungen der Natriumkonzentration gehen bei einer Abweichung der Serumosmolalität mit zentralnervösen Erscheinungen einher.
Bei Abweichungen der Kaliumkonzentration kommt es zu
Lähmungen und Reizleitungsstörungen am Herzen. Bei
Hypokalzämie und Hypomagnesiämie stehen tetanische
Symptome im Vordergrund und bei Hyperkalzämie zerebrale Erscheinungen wie bei Azidosen und Alkalosen.
Störungen der Natriumkonzentration
und Osmolalität [61], [1300], [2003]
Die Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts und
damit auch der Serumosmolalität ist eine wichtige Voraussetzung für die normale Funktion der Muskel- und
Nervenzellen. Das ZNS verfügt gegen Störungen über
einen zusätzlichen Schutzmechanismus: die Blut-Hirnund die Blut-Liquor-Schranke. Ob Veränderungen der extrazellulären Körperflüssigkeit Schwankungen im Liquor
nach sich ziehen und zu neurologischen Symptomen führen, hängt davon ab, ob und wie stark die betreffenden
Ionen die Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranken passieren, welche Kompensationsmechanismen dem Gehirn
zur Verfügung stehen und wie rasch solche Störungen
auftreten.
Die Serumosmolalität wird im Wesentlichen durch die
Natriumkonzentration bestimmt und lässt sich approximativ berechnen:
Serumosmolalität = 2 [Na] + Glukose
+ Harnstoff-N (in mmol/l)
Serum und Liquor sowie extrazelluläre Gehirnflüssigkeit
stehen miteinander im osmotischen Gleichgewicht. Wasser diffundiert frei durch die Blut-Hirn- und Blut-LiquorSchranke. Natriumverschiebungen erfolgen durch einen
aktiven Transportmechanismus. Hypoosmolalität im Serum führt demzufolge zu einem osmotischen Druckge-
257
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Tab. 2.104 Wichtigste Differenzialdiagnosen der meta­bo­
lischen, toxischen und anoxischen Enzephalopathien; sie gehen
in der Regel mit einem normalen neuroradiologischen Bild
einher (s. auch ▶ Tab. 2.64, S. 179 und ▶ Tab. 2.108, S. 277).
Wichtigste Ursachen metabolischer, toxischer und anoxischer Enzephalopathien
Intoxikation mit Medikamenten, Alkohol, Drogen oder anderen
Toxinen
Hypoxisch-anoxische Schädigung
Metabolische Störungen:
●●
●●
●●
●●
●●
●●
Elektrolyte (Natrium, Kalzium, Magnesium, Phosphat)
Azidosen und Alkalosen
Hypo- und Hyperglykämien
Thiaminmangel
Niereninsuffizienz
Leberfunktionsstörung
Porphyrie
Therapie
Therapeutisch wird NaCl infundiert mit dem Ziel, das
mmol/l pro Stunde oder um
Serumnatrium um 1–2 25 mmol/l innerhalb von 48 Stunden anzuheben. Anzustreben ist ein Serumnatrium von 125–130 mmol/l. Überkorrekturen bzw. Natriumwerte über 130 mmol/l sind
potenziell schädlich und zu vermeiden (zentrale pontine
Myelinolyse, s. S. 259). Bei der inadäquaten ADH-Sekretion wird die Kochsalzzufuhr mit Furosemid kombiniert.
Endokrine Störungen:
●●
●●
●●
●●
Hypo- und Hyperthyreose
Morbus Addison, Morbus Cushing
Hypo- und Hyperparathyreoidismus
Panhypopitutarismus
fälle, zu einer passiven Wasserverschiebung nach intrazelluär und zu einer Gewebsschwellung bzw. Hirnödem,
Hyperosmolalität dagegen zu einer Gewebsschrumpfung.
Klinisch manifestieren sich hypo- und hyperosmolare
Zustände als metabolische Enzephalopathie (▶ Tab. 2.104).
Eine solche tritt bei raschen Änderungen ab Werten über
310 mmol/l bzw. unter 270 mmol/l, bei langsamen Veränderungen erst über 330 mmol/l bzw. unter 250 mmol/l in
Erscheinung.
Hyponatriämie und Hypoosmolalität [14],
[61], [1300], [2003]
Kurzdefinition

Hyponatriämie bedeutet Wasserüberschuss im Vergleich
zum Natriumbestand, Hypoosmolalität Wasserüberschuss
im Vergleich zum Gesamtbestand an gelösten Teilchen.
Bei Hyponatriämie und Hypoosmolalität verschiebt sich
Wasser vom Serum in den Liquorraum und in die Gehirnzellen. Es kommt zu einem Hirnödem. Damit vermindert
sich die intrazelluläre Kaliumkonzentration, und durch
Herabsetzung des Ruhemembranpotenzials nimmt die
neuronale Erregbarkeit zu. Der zerebrale Blutfluss nimmt
ab.
Wichtigste Ursachen der Hyponatriämie sind ungenügende Zufuhr, renale und extrarenale Natriumverluste,
nephrotisches Syndrom, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose,
zerebrales Salzverlustsyndrom und inadäquate ADH-Sekretion.
258
▶▶Diagnostik. Neuroradiologisch kann die Hirnschwellung sowohl in der CT als auch in der MRT dargestellt werden. Bei Patienten mit einer leichten Hirnatrophie kann
das im Zustand der Hyponatriämie leicht angeschwollene
Gehirn allerdings normal groß erscheinen.
Die Erkennung und Behandlung von Hyponatriämien sind
wichtig, weil sie zu Myelinolysen führen können und gelegentlich irreversible Gehirnschäden bis zum persistierenden vegetativen Zustand verursachen, Letzteren meist
über den Weg einer Hypoxie.
Hypernatriämie und Hyperosmolalität [13],
[1300], [2003]
Kurzdefinition

Hypernatriämie und damit Hyperosmolalität sind Ausdruck
eines Wasserdefizits relativ zum Natriumbestand oder
– viel seltener – eines Natriumüberschusses relativ zum
Wasserbestand.
Die wichtigsten Ursachen sind ungenügende Wasserzufuhr (z. B. nicht stillbarer Durst), renale oder extrarenale
Wasser- und kombinierte Salz- und Wasserverluste, exzessive Salzzufuhr (z. B. fehlerhafte Infusionstherapie),
dekompensierter Diabetes insipidus sowie primäre Störung der Osmoregulation (z. B. im Alter, bei Hirntumoren).
Bei Hypernatriämie und Hyperosmolalität verschiebt sich
Wasser aus den Gehirnzellen und dem Liquor in die Körperflüssigkeit, womit das Gehirnvolumen abnimmt. Bei
langsamem Auftreten kann das Gehirn dem Wasserverlust durch Freisetzung idiogener Osmole bis zu einem gewissen Grade entgegenwirken und sein Volumen halten.
▶▶Klinik. Klinisch kommt es wie bei der Hyponatriämie
zu einer metabolischen Enzephalopathie mit kognitiven
Störungen, evtl. fokalen neurologischen Symptomen und
einer progressiven Bewusstseinsverminderung. Als Kom-
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●●
▶▶Klinik. Klinische Symptome sind Kopfschmerzen, Nausea, Emesis, Halluzinationen, Aufmerksamkeits- und
Konzentrationsstörungen, fokale und generalisierte epileptische Anfälle sowie rasch zunehmende Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma.
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
▶▶Diagnostik. Neuroradiologisch ist in der CT oder MRT
der Volumenverlust des Gehirns sichtbar, wird aber meist
als Hirnatrophie fehlinterpretiert. Auch die vaskulären
Komplikationen sind darstellbar.
Therapie
Therapeutisch ist die Korrektur des Wasser- und ggf. auch
Natriummangels innerhalb von 48 Stunden entscheidend.
Sehr akute Wasser- und Salzverluste dürfen schneller
ausgeglichen werden. Zu rasche Korrekturen und Überkorrekturen sind zu vermeiden, da dies zu epileptischen
Anfällen, einem Hirnödem oder gar zum Tod führen kann.
Zentrale pontine Myelinolyse [11], [1353]
Kurzdefinition

Bei der zentralen pontinen Myelinolyse handelt sich um
eine Erkrankung mit bilateral symmetrischen Entmarkungen im Brückenfuß, meist auch in der Brückenhaube und
gelegentlich extrapontin.
▶▶Pathogenese. Pathogenetisch nimmt man an, dass Elektrolytschwankungen eine wichtige Rolle spielen, insbesondere ein rasches Ansteigen der Natriumkonzentration.
a
▶▶Klinik und Verlauf. Betroffen sind meist Patienten mit
einer Hyponatriämie, die rasch korrigiert wurde. Meistens sind dies Alkoholiker oder Patienten mit Mangelernährung [11] oder Leberkrankheiten, die verwirrt in die
Klinik aufgenommen werden. Initial scheint sich ihr Zustand durch die allgemeinen therapeutischen Maßnahmen zu bessern. Im Laufe der weiteren parenteralen Flüssigkeitszufuhr, meist verbunden mit sedativ wirkenden
Medikamenten, kommt es jedoch innerhalb von Tagen
progressiv zu Dysphagie, Dysarthrie und einer Tetraparese
als Ausdruck kortikobulbärer und kortikospinaler Funktionsstörungen. Breitet sich die Myelinolyse in die Brückenhaube aus, treten ein Locked-in-Syndrom sowie okulo- und pupillomotorische Störungen auf, meist bilaterale
Abduzens- oder Blickparesen und bilateral enge Pupillen.
Das Bewusstsein trübt sich ein, manchmal bis zum Koma.
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plikation kann es zu Subduralhämatomen sowie Thrombosen in Kapillaren, Hirnvenen und -sinus sowie petechialen und meist venösen Hirnblutungen kommen.
Im typischen Krankheitsverlauf folgen eine Dezerebration
(s. S. 177) und der Tod 2–3 Wochen nach der stationären
Aufnahme.
Seit der Einführung von CT und MRT werden allerdings
klinisch asymptomatische Myelinolysen oder solche mit
transienten bulbären Zeichen und vorübergehenden Paresen beobachtet.
▶▶Diagnostik. Diese beruht auf dem autoptischen bzw.
histologischen Nachweis nicht entzündlicher, symmetrischer Entmarkungen im Pons. Aufgrund der klinischen
Symptome, einer Hyponatriämie im Krankheitsverlauf
und CT- oder MRT-Befunden kann die Diagnose auch zu
Lebzeiten eines Patienten gestellt werden. In der CT
b
Abb. 2.107 Zentrale pontine Myelinolyse. 64-jähriger Patient.
a.Axiale T2-gewichtete Spin-Echo-Aufnahme. In der Brücke ist eine Signalstörung sichtbar, die der Myelinolyse entspricht.
b.Koronare T2-gewichtete Spin-Echo-Aufnahme. Hier stellt sich die Signalstörung schmetterlingsförmig dar, entsprechend dem Verlauf der Pyramidenbahnen.
259
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Störungen des Kalziumhaushalts
Kalzium stabilisiert die erregbaren Membranen von Muskeln und Nerven. Hypokalzämie führt zu einer Übererregbarkeit und Hyperkalzämie zu einer Untererregbarkeit.
Auch beim Kalzium überträgt sich eine Schwankung im
Serum nur zum geringen Teil auf den Liquor. Periphere
Symptome, beispielsweise eine Tetanie, stellen sich vor
zentralnervösen Symptomen ein. Die klinischen Manifestationen des gestörten Kalziumstoffwechsels sind bereits
auf S. 247 f. beschrieben worden.
Magnesium ist ein hauptsächlich intrazelluläres Kation
und kritisch für die Aktivierung einer Reihe von Enzymen. Auf die Erregbarkeit der Muskel- und Nervenmembranen hat es einen vergleichbaren Effekt wie das Kalzium.
Abb. 2.108 Residualzustand nach zentraler pontiner Myelinolyse. Die axiale T2-gewichtete Spin-Echo-Aufnahme bei einem
55-jährigen Patienten zeigt mehrere Monate nach dem Akutstadium eine trianguläre Läsion in der Brücke.
sieht man eine Hypodensität im Pons, und in der MRT
erscheint die Brücke auf T1-gewichteten Bildern zentral
hypointens und auf T2-gewichteten hyperintens (▶ Abb.
2.107a, ▶ Abb. 2.107b u. ▶ Abb. 2.108). Oft sind auch extrapontine Myelinolysen bzw. Signalstörungen sichtbar.
Therapie
Zur Vermeidung einer zentralen pontinen Myelinolyse sollen Zustände mit einer Hyponatriämie bzw. Hypoosmolalität weder zu rasch noch zu ausgiebig korrigiert werden.
„Haste makes waste“ (bei Hyponatriämie und Hypoosmolalität, s. S. 257).
▶▶Extrapontine Myelinolysen. Extrapontine Myelinolysen mit einer Prädilektion des Corpus callosum charakterisieren das Marchiafava-Bignami-Syndrom (s. S. 243).
Störungen der Kaliumkonzentration
Die Kaliumkonzentration wird im Liquor in sehr engen
Grenzen reguliert. Störungen des Serumkaliums führen zu Symptomen an der Muskulatur und am Reizleitungssystem des Herzens, lange bevor klinisch manifeste
Schwankungen im Liquor und in der Extrazellulärflüssigkeit des ZNS auftreten. Hypo- und Hyperkaliämien äußern sich in Kreislaufsymptomen oder dyskaliämischen
Lähmungen (s. S. 652).
260
Die Ursachen der Hypomagnesiämie (< 0,8 mmol/l) sind
Mangelernährung, verminderte intestinale Resorption
und erhöhter renaler Verlust oder endokrinologische Störungen. Sie manifestieren sich in Parästhesien, Unruhe,
Agitation, Verwirrtheit, Krampfanfällen, Tremor, Myoklonien und Hyperreflexie bis hin zur Tetanie.
Eine Hypermagnesiämie kommt bei exzessiver Zufuhr
und meist gleichzeitiger Niereninsuffizienz vor. Bei Werten über 8 mmol/l kommt es zu einer Störung der neuromuskulären Übertragung, Abschwächung der Eigenreflexe und Paresen sowie einer Depression der ZNSFunktionen und bei Werten über 20 mmol/l zu Koma und
Atemlähmung.
Hypophosphatämie [1859]
Phosphor ist ein hauptsächlich intrazelluläres Anion und
wichtig für die Erhaltung der Membranstrukturen und
Energiespeicherung. Mangelnde Zufuhr, Verschiebung
von extra- nach intrazellulär oder vermehrte Phosphaturie können zur Hypophosphatämie (< 0,3 mmol/l) führen.
Eine der häufigsten Ursachen ist Alkoholismus, wo eine
Hypophosphatämie regelmäßig zu einer Rhabdomyolyse
führt.
Erscheinungen vonseiten des Nervensystems sind sensomotorische Lähmungen ähnlich einem Guillain-BarréSyndrom sowie metabolische Enzephalopathien mit Verwirrtheit und Bewusstseinstrübung bis hin zu Koma und
Exitus.
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Störungen des Magnesiumhaushalts
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
sammen und die Hirnstammfunktionen bleiben erhalten,
erkennbar an erhaltener Spontanatmung und auslösbaren Hirnstammreflexen (s. S. 175). Dauert die Hypoxie an,
fallen auch diese aus. Setzen Kreislauf und Atmung nicht
wieder ein, kommt es zum Tod (s. S. 181).
Azidosen und Alkalosen
Diese Störungen umfassen:
●● metabolische und respiratorische Azidosen
●● metabolische und respiratorische Alkalosen
●● gemischte Azidosen und Alkalosen
Ihre Ursachen sind mannigfach und ihre klinische Präsentation ist unspezifisch. Bei Abweichungen des SerumpH-Werts vom Normbereich (7,35–7,45) treten enzephalopathische Erscheinungen wie Ermüdbarkeit, Verminderung der Aufmerksamkeit, Apathie, Verwirrtheit und
Bewusstseinstrübung auf. Bei schweren Abweichungen
werden die Patienten komatös.
Metabolische Azidosen können mit einer Hyperventilation (Kussmaul-Atmung) einhergehen. Lediglich die respiratorische Alkalose, die bei Hyperventilation entsteht,
ist klinisch als Hyperventilationssyndrom erkennbar und
von den anderen Störungen des Säure-Basen-Haushalts
abgrenzbar. Es beginnt mit perioralem und akralem Kribbeln und Hypästhesie, und danach führt die Alkalose zu
einer erhöhten neuromuskulären Erregbarkeit mit Tetanie. Zerebral führt die Hypokapnie zu Vasospasmen,
Reduktion des zerebralen Blutflusses und schließlich Bewusstlosigkeit (s. S. 416).
2.11.8 Anoxisch-ischämische
Enzephalopathie [1599]
Kurzdefinition

Eine globale Minderperfusion oder Sauerstoffmangel im
Blut kann zu einer diffusen anoxisch-ischämischen Enzephalopathie führen. Im Akutstadium resultiert ein Koma,
von dem sich die Patienten mit oder ohne persistierenden
Schaden erholen können. Die Behandlung besteht in einer
möglichst raschen Wiederherstellung der Blut- und Sauerstoffzufuhr zum Gehirn unter Anwendung geeigneter
Maßnahmen.
Häufigste Ursachen der anoxisch-ischämischen Enzephalopathie sind primär zirkulatorisches Versagen beim
Herzinfarkt, Herzstillstand, hämorrhagischen Schock,
Schock anderer Genese, primäres respiratorisches Versagen gefolgt von Kreislaufstillstand bei Erstickung (Ertrinken, Strangulation, Aspiration, CO-Intoxikation) sowie
Versagen der Atemmuskulatur (neuromuskuläre Erkrankungen, Hirninfarkt, Epilepsie).
▶▶Klinik und Prognose. Eine milde Hypoxie verursacht
Aufmerksamkeits- und Urteilsstörungen sowie Ataxie.
Eine schwere Hypoxie führt immer zum Bewusstseinsverlust. Anfangs bricht nur die Funktion des Kortex zu-
Generell ist bei Hypoxien von mehr als 3–5 Minuten Dauer mit Spätschäden zu rechnen (▶ Abb. 2.51 u. S. 117). Der
Patient kann sich vom Bewusstseinsverlust weitgehend
oder residuenlos erholen, hält der Bewusstseinsverlust
jedoch länger als 1–2 Tage an, so ist die Prognose ungünstig.
Andere Patienten mit schwerer Schädigung liegen nach
Wiederbelebung reglos mit erhaltenen Hirnstammreflexen da. Bei Bestreichen der Fußsohle ist keine Reaktion
oder ein Babinski-Zeichen zu erhalten, und Schmerzreize
lösen eine Dezerebrations- oder Dekortikationshaltung
aus (s. S. 177). Ihre Prognose ist schwer einzuschätzen.
Ein Teil dieser Patienten stirbt innerhalb von 24–48 Stunden, und ein Teil überlebt, meistens mit Dauerschäden.
Myoklonien und generalisierte Anfälle in diesem Stadium
sind prognostisch schlecht, und areaktive Pupillen, fehlende reflektorische Augenbewegungen in den ersten 24–
48 Stunden sowie eine starke Verlangsamung der Grundaktivität im EEG sind ebenfalls prognostisch ungünstig
[2187].
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2.11.7 Störungen des
Säure-Basen-Haushalts
▶▶Postanoxische Spätschäden. Diese umfassen das ganze
Spektrum leichter kognitiver Störungen bis zum Zustand
mit minimalem Bewusstein oder zum persistierenden vegetativen Zustand (s. S. 178). Schattierungen dazwischen
sind die postanoxische Demenz mit oder ohne extrapyramidalmotorische Störungen wie Parkinson-Syndrom
oder Choreoathetose, die zerebellare Ataxie, visuelle Agnosien, ein Korsakow-Syndrom oder selten auch persistierende epileptische Anfälle. Postanoxische Spätmyoklonien charakterisieren das Lance-Adams-Syndrom [1119].
Einige Patienten erfahren nach einer initialen Besserung
eine sekundäre Verschlechterung und versterben 1–2
Wochen später. Dies ist als postanoxische Spätenzephalopathie bekannt.
▶▶Diagnostik. Die Diagnose einer hypoxischen Enzephalopathie beruht auf evtl. fremdanamnestischen Angaben,
klinischen Beobachtungen, wie oben beschrieben, und
der Feststellung eines pO2 unter 40 mmHg in der arteriellen Blutgasanalyse, einer CO-Intoxikation, eines systolischen Blutdrucks unter 70 mmHg oder eines Herzstillstands.
Auf diffusionsgewichteten MRT-Bildern erscheint in den
ersten Tagen nach primärem Kreislaufstillstand vor allem
die Hirnrinde signalreich (▶ Abb. 2.109a). Später kann
auch auf Spin-Echo-Bildern die laminäre Kortexschädigung sichtbar werden (▶ Abb. 2.110) [1379]. Bei Sauerstoffmangel und primär intaktem Kreislauf, wie z. B. bei
nach Strangulation, CO-Intoxikation oder Ertrinken, ist
261
a
b
Abb. 2.109 Enzephalopathie infolge anoxisch-ischämischer Schädigung, jeweils am zweiten Tag nach dem schädigenden Ereignis.
a.20-jähriger komatöser Patient nach Herzstillstand. Auf diffusionsgewichteten MRT-Bildern erscheint in den ersten Tagen nach primärem Kreislaufstillstand vor allem die Hirnrinde signalreich.
b.16-jähriges Mädchen nach Ertrinkungsunfall. Bei Sauerstoffmangel und primär intaktem Kreislauf wie z. B. bei Strangulation oder
Ertrinken ist die Signalstörung in den Basalganglien prominenter als in der Hirnrinde.
die Signalstörung in den Basalganglien prominenter als in
der Hirnrinde (▶ Abb. 2.109b) [1211], [1858]. Der prognostische Wert dieser MRT-Veränderungen ist noch offen.
Therapie
Eine milde Hypothermie während 24 Stunden (Ziel = 32–
34 °C Blasentemperatur) verbessert das Schicksal der Patienten mit anoxisch-ischämischer Enzephalopathie nach
Herzstillstand [188], [911]. Wenige Patienten, meistens
Kinder, erleiden ein diffuses Hirnödem mit erhöhtem intrakraniellem Druck. Sie profitieren möglicherweise von
einer hirndrucksenkenden Behandlung. Gegen epileptische Anfälle werden Antikonvulsiva eingesetzt, gegen
Myoklonien Diazepam oder Clonazepam. Medikamente,
die erwiesenermaßen den anoxischen Hirnschaden vermindern, sind bis heute nicht bekannt.
262
Abb. 2.110 Residualzustand bei einer 28-jährigen Frau, die
eine diffuse anoxische Hirnschädigung überlebte. Das T2-gewichtete Spin-Echo-Bild zeigt die Atrophie mit Ausweitung der
Sulci und vor allem die laminäre Schädigung des Kortex. Am
ausgeprägtesten ist die laminäre Schädigung in den parietalen
Gyri, sie ist aber auch in den frontalen Gyri erkennbar. Aufgrund der laminären Signalstörung ergibt sich das Bild einer
Doppelkontur der Gyri.
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Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
2.11 Andere Allgemein­erkrankungen mit zentralnervösen Symptomen
Kurzdefinition

Bei einer Hepatopathie mit einem portalen Umgehungskreislauf kommt es wegen mangelnder Detoxifizierung
des Bluts zu einer Enzephalopathie mit Asterixis und bei
akutem Leberversagen zu einer akuten Enzephalopathie
mit Hirnödem. Auch Pankreas- und Darmaffektionen können zu neurologischen Erscheinungen führen.
ptome sind progressiver Sopor bis Koma, und als oft letale
Komplikation tritt ein diffuses Hirnödem mit intrakranieller Druckerhöhung auf.
Therapie
Die notfallmäßige Lebertransplantation ist die einzig wirksame Behandlung, was jedoch meist wegen Mangels an
geeigneten Spenderorganen scheitert.
Morbus Wilson (hepatolentikuläre
­Degeneration)
Leberaffektionen [1662]
Siehe hierzu S. 233.
Hepatische Enzephalopathie bei portokavalem Shunt
Pankreasaffektionen
Bei einer chronischen Hepatopathie mit portaler Hypertonie und spontanen portokavalen Shunts oder operativen Anastomosen umgeht ein Teil des Bluts die Detoxifikation in der Leber. Demzufolge steigen der Toxin- und
inbesondere der Ammoniakgehalt im Blut. Dies führt zur
portokavalen Enzephalomyelopathie.
▶▶Klinik. Anfangs bestehen Apathie, häufiges Gähnen,
Somnolenz und diskrete kognitive Defizite. Dies kann
relativ rasch in eine stärkere Bewusstseinstrübung und
ein Delir umschlagen. Dann ist in der Regel Asterixis
nachweisbar (s. S. 214). Der Muskeltonus nimmt meist
zu, die Eigenreflexe werden lebhaft, und pathologische
Reflexe wie Babinski-Reflex oder selten eine Choreoathetose können auftreten. Auch eine spastische Para- oder
Tetraparese kann vorkommen, isoliert oder zusammen
mit enzephalopathischen Symptomen. Sie ist in der Regel
irreversibel. Krampfanfälle sind selten. Diese Patienten
sind auch gefährdet Myelinolysen zu erleiden (s. S. 259).
▶▶Diagnostik. Das EEG ist meist verlangsamt und zeigt bilateral synchrone triphasische Wellen. Im Labor sind die
Transaminasen in der Regel erhöht, können aber normal
sein. Diagnostisch entscheidend ist das erhöhte Ammoniak.
Therapie
Therapie und Prävention umfassen proteinarme Diät, Kontrolle gastrointestinaler Blutungen, Laktulose oder auch Antibiotika wie Neomycin oder Metronidazol mit dem Ziel, die
Produktion von Ammoniak und anderen Toxinen im Gastrointestinaltrakt zu vermindern.
Enzephalopathie bei akutem Leberversagen
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2.11.9 Leber- sowie Magen-DarmErkrankungen und Nervensystem
Der Diabetes mellitus ist die häufigste Pankreasaffektion
mit Auswirkungen auf das ZNS, am häufigsten via Hypound Hyperglykämien (s. S. 244) oder vaskuläre Komplikationen (▶ Tab. 9.10, s. S. 451). Am peripheren Nervensystem können Mono- und Polyneuropathien entstehen (s. S.
450 f.). Auch ein Inselzelltumor kann zu rezidivierenden
Hypoglykämien führen (s. S. 244). Bei akuter Pankreatitis
treten oft Zeichen einer Enzephalopathie auf als Ausdruck
einer Elektrolytstörung, Koagulopathie oder dergleichen.
Darmaffektionen
Morbus Whipple
Siehe dazu S. 78.
Myoneurogastrointestinales Enzephalopathiesyndrom
Das myoneurogastrointestinale Enzephalopathiesyndrom (MNGIE-Syndrom) entspricht einer mitochondrialen Enzephalopathie mit gastrointestinalen Symptomen
und Myopathie (s. S. 661).
Sprue und andere Resorptionsstörungen
Diese Störungen können eine Polyneuropathie verursachen (s. S. 459). Bei der ulzerativen Kolitis und beim Morbus Crohn sind neurologische Manifestationen in 3 % der
Fälle beschrieben, bei der ulzerativen Kolitis vor allem
peripher neurogene Störungen und beim Morbus Crohn
Myelopathien und Myopathien und einmal Myasthenia
gravis [1221]. Bei der Zöliakie (= Sprue), einer durch eine
Überempfindlichkeit auf Gluten verursachten entzündlich atrophen Dünndarmaffektion, kann es zu einer zerebellaren Ataxie kommen (s. S. 221).
Durch Virusinfektionen, Hepatotoxine oder beim ReyeSyndrom (s. S. 233) kann es zu einem akuten Leberversagen mit sehr starker Erhöhung der Transaminasen, Ikterus und Koagulopathie kommen. Neurologische Leitsym-
263
Erkrankungen, die vorwiegend das Gehirn und seine Hüllen betreffen
Mit wachsender Zahl der morbid übergewichtigen Personen in unserer Gesellschaft nehmen auch die Zahlen
der bariatrischen Eingriffe und Komplikationen zu. Bariatrische Eingriffe können zu einer Reihe neurologischer
Komplikationen führen wie Enzephalopathie, Optikusneuropathie, Myelopathie, Polyradikulopathie und Polyneuropathie. Die Komplikationen können akut auftreten
oder sich auch erst Jahre nach den bariatrischen Eingriffen einstellen. Die meisten Patienten weisen nutritive
Defizite auf, deren Korrektur aber nicht immer zu einer
Besserung der neurologischen Probleme führt.
2.11.10 Blut- sowie Gefäß­
erkrankungen und Nervensystem
Kurzdefinition

Diese Erkrankungen führen in erster Linie zu zerebrovaskulären Komplikationen wie Blutungen und Ischämien
und seltener zu anderen zerebralen Erscheinungen oder
Mono- und Polyneuropathien. Leukämien können sich ferner in einer Meningeosis leucaemica, Leukenzephalopathie oder paraneoplastischen Erscheinungen äußern.
Leukämien
Leukämien sind oft von zerebrovaskulären Komplikationen
begleitet [1600] (s. S. 163). Sie entstehen aufgrund diverser pathogenetischer Mechanismen wie Koagulopathien,
Leukostase, septischen Embolien und als medikamentöse
Nebenwirkung, und sie umfassen intrazerebrale Blutungen, Sinusthrombosen, thrombotische Mikroinfarkte und
größere Territorialinfarkte. Weitere geläufige Manifestationen der Leukämien sind Infiltrationen von peripheren
Nerven, Nervenwurzeln und Meningen [1057].
Die Meningeosis leucaemica tritt bei fast einem Drittel der
Leukämien auf. Sie manifestiert sich durch Kopfschmerzen, Ausfälle von Hirnnerven und hier besonders oft der
Nn. facialis, trigeminus et opticus. Es finden sich auch
Meningismus, psychopathologische Symptome, Hirndruckzeichen wie Stauungspapillen oder Paraparesen
und Blasenlähmungen. Diagnostisch entscheidend ist die
Liquorzytologie. Therapeutisch müssen Zytostatika auch
intrathekal gegeben werden, evtl. in Kombination mit einer Bestrahlung der Neuraxis. Dann kann als Komplikation eine medikamenten- und strahleninduzierte Leukenzephalopathie entstehen, die ähnlich wie eine progressive multifokale Leukenzephalopathie verlaufen kann.
Chlorome, solide Tumoren bei nicht lymphatischen Leukämien, können lokal raumfordernd wirken und z. B. das
Rückenmark komprimieren, und lokalisierte leukämische
Infiltrationen sind Ursachen mannigfacher fokaler neurologischer Ausfälle. Paraneoplastische Erscheinungen sind
264
auf S. 248 f. beschrieben. Bei Leukämiepatienten sind ferner Infektionen, medikamenten- und strahleninduzierte
Toxizität sowie metabolische und Elektrolytstörungen in
die Differenzialdiagnose neurologischer Erscheinungen
einzubeziehen.
Polycythaemia vera [1457]
Häufig finden sich subjektive Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus und Parästhesien. Bei
einem Fünftel der Patienten kommen objektive neurologische Symptome vor, vor allem vaskuläre zerebrale Insulte, Blutungen, extrapyramidale Symptome (ParkinsonSymptome, Chorea), Visusstörungen, Hirndruckzeichen,
Krampfanfälle und psychoorganische Veränderungen.
Auch eine Polyneuropathie wurde beschrieben. Einige
neurologische Symptome sprechen auf Aderlässe und die
Behandlung des Grundleidens gut an. Eine Polyzythämie
kann mit einem zerebellaren Hämangioblastom, das Erythropoetin produziert, kombiniert sein.
Sichelzellanämie [12], [1936]
Diese autosomal-rezessiv erbliche Erkrankung betrifft
vor allem Schwarze mit Vorfahren aus der Sahara oder
Subsahara-Regionen, seltener auch Angehörige anderer
ethnischer Gruppen. In den USA erkrankt 1 von 600, und
8 % der Schwarzen sind heterozygote, asymptomatische
Genträger. Die Sichelzellanämie verkürzt die Lebenserwartung relevant. Bei homozygoten Genträgern wird das
normale Hämoglobin zu mehr als der Hälfte durch Hämoglobin S ersetzt, das im deoxygenierten Zustand Polymere bildet und damit eine Sichelung und Schädigung der
Erythrozyten und eine Anämie verursacht.
▶▶Komplikationen. Die Sichelzellen haften sich an das Gefäßendothel und führen so zu Gefäßverschlüssen, die für
die meisten klinischen Manifestationen und die schweren neurologischen Komplikationen der Sichelzellanämie
verantwortlich sind. Sie umfassen akute Schmerzkrisen
in Brust, Abdomen, Rücken oder Extremitäten (Sichelzellkrisen), Beinulzera, Osteonekrosen, Spontanaborte,
Priapismus und Milzinfarkte. Letztere machen Sichelzellanämiker empfänglich für Streptococcus-pneumoniaeInfektionen, Salmonellenosteomyelitiden sowie Staphylococcus- und Escherichia-coli-Sepsis. Im Alter von 20
Jahren haben mehr als 10 % einen Hirnschlag erlitten.
Hirnschlaggefährdete Sichelzellanämiker können mittels
Doppler-Sonografie entdeckt werden. Mit zunehmender
Flussgeschwindigkeit in der A. carotis interna und A. cerebri media steigt das Hirninfarktrisiko, und wegen der
Gefäßwandschädigung steigt auch das Risiko von Hirnblutungen. Zu Hirnblutungen kommt es in der Regel Jahre
nach Infarkten.
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Bariatrische Chriurgie [962], [1857]
2.12 Demenzen und neuro­psychologische Syndrome
Bei guter medizinischer Betreuung überleben Sichelzellanämiker heute bis zum 5. oder 6. Lebensjahrzehnt. Bei
Kleinkindern reduziert eine Penicillinprophylaxe Pneumokokkeninfektionen, und mit 2 Jahren sollten die Kinder gegen Streptococcus pneumoniae geimpft werden. Folsäure
wird zur Vermeidung einer megaloblastären Erythropoese
eingesetzt, und bei Fieber sollen Flüssigkeit und Antibiotika gegeben werden.
Wiederholte Bluttransfusionen reduzieren bei Kindern das
Risiko eines ersten und weiterer Hirninfarkte, weil damit
der Hämoglobin-S-Anteil reduziert wird. Ein HämoglobinS-Anteil unter 30 % vermindert vaskuläre Komplikationen
relevant. Wiederholte Transfusionen führen jedoch zu einem Eisenüberschuss, und es ist bis heute unbekannt, wie
lange Transfusionen nötig sind. Hydroxyurea erhöht den
Hämoglobin-F-Anteil. Es vermindert die Zahl der Sichelzellkrisen und den Bedarf an Transfusionen. Führen die
wiederholten Transfusionen dennoch zu einer Eisenüberladung, kommen Eisenchelatoren wie Deferoxamin oder
Desferasirox zum Einsatz.
Eine weitere Hoffnung sind Knochenmarktransplantationen,
mit denen bis heute kurzfristige, aber vielversprechende
Erfahrungen vorliegen, um chronische Lungen- und Knochenprobleme sowie ZNS-Komplikationen der Sichelzellanämie zu vermeiden.
Perniziöse Anämie
Siehe hierzu Kapitel „Funikuläre Spinalerkrankung”, S.
335.
Myelome
Myelome verursachen ZNS-Erscheinungen via Hyperkalzämie (s. S. 248) oder Urämie (s. S. 256) und Monound Polyneuropathien (s. S. 454).
Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Rendu-Osler-Weber-Syndrom) [763]
Dieses autosomal-dominant vererbte Leiden ist durch generalisierte Teleangiektasien und größere arteriovenöse
Malformationen mit Befall vor allem der Nase, der Haut,
der Lungen, des Gastrointestinaltrakts und auch des Gehirns und des Rückenmarks charakterisiert.
Neurologische Manifestationen umfassen zerebrale Ischämien, Anfälle, intrazerebrale und subarachnoidale Blutungen und bei spinalem Befall auch Paraparesen. Bei
pulmonalen arteriovenösen Malformationen kommen
gehäuft Hirnabszesse vor. Nach Ischämien besteht ein
therapeutisches Dilemma, da Antithrombotika wegen
Blutungsgefahr kontraindiziert sind und nicht gegeben
werden sollen.
2.12 Demenzen und neuro­
psychologische Syndrome
Kurzdefinition

Eine Läsion eines bestimmten Gehirnareals, beispielsweise
durch einen Infarkt, einen Tumor oder eine Blutung, kann
zu einem voraussehbaren kognitiven Defizit bzw. einem
speziellen neuropsychologischen Syndrom führen. Bei
multiplen Läsionen oder wenn die Funktion oder Struktur
der Neuronen diffus verteilt in mehreren Hirnarealen gestört wird, resultiert in der Regel eine Demenz. Sie entspricht einem Verlust der intellektuellen Fähigkeiten. Ihre
Ursachen sind vielfach und teilweise behandelbar. Das
Instrument zur Erkennung kognitiver Defizite ist die neuropsychologische bzw. verhaltensneurologische Untersuchung. Sie wird im ersten Teil dieses Kapitels erläutert. In
den nachfolgenden Abschnitten sind die speziellen zerebralen Syndrome dargestellt.
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Therapie
2.12.1 Neuropsychologische
bzw. verhaltensneurologische
Untersuchung [173], [299], [805], [989], [1344],
[1355], [1786], [1917]
Kurzdefinition

Läsionen einer bestimmten Hirnregion führen oft zu voraussehbaren kognitiven Defiziten und Verhaltensstörungen. In diesem Abschnitt wird ein am Krankenbett
durchführbarer Mentalstatus beschrieben, mit dem Störungen der Sprache (Aphasie), der Ausführung von Willkürbewegungen (Apraxie), des Gedächtnisses (Amnesie),
des Erkennens (Agnosie) sowie räumlich konstruktive
Funktions- und Orientierungsstörungen und Störungen
der Raumverarbeitung aufgedeckt werden können. Bei
einer fokalen Hirnläsion fallen nur eine oder einzelne neuropsychologische Funktionen aus. Bei multifokalen oder
diffus und weit ausgebreiteten Hirnläsionen sind mehrere
neuropsychologische Bereiche gestört. Es kommt zum klinischen Bild einer Demenz, bei der auch Ausfälle höherer
bzw. integrativer kognitiver Leistungen bestehen.
Die neuropsychologische Untersuchung (oder Mentalstatus) analysiert die kognitiven Funktionen und das damit verbundene Verhalten. Neuropsychologie wird daher
auch als Verhaltensneurologie bezeichnet. Ihr Ziel ist es,
kognitive Defizite infolge organischer Hirnfunktionsstörungen aufzudecken, organische von nicht organischen
Verhaltensstörungen zu trennen und damit den Raum
265
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