Wettbewerb Vorwort Smart Campus – Unternehmenszentrale Wien Energie Stromnetz, Wien 11 © M.O.O.CON 2010 DI Bernhard Herzog Partner M.O.O.CON Obwohl etwas vereinfacht gedacht, gilt dieses Credo des Musikers Peter Gabriel auch im Bereich der Architektur: Ein Bauherr, der nicht weiß, was er braucht, kann von seinem Architekten keine Wunder erwarten. Präzise Vorgaben und faire Spielregeln sind dabei notwendig. Es geht nicht darum, Lösungen zu definieren, sondern in Anforderungen zu denken. Um diese zu erfüllen, brauchen wir angesichts gestiegener Nachhaltigkeitsansprüche nicht mehr nur Architekten-, sondern eingespielte Planungsteams. Über Voraussetzungen für zielführende Generalplanerwettbewerbe am Beispiel Smart Campus. smartes Gebäude, dessen Technik desNeues Bauen Energyden Facility Verbrauch Sustainability Forum Nutzers misst, ihn über sein Verhalten informiert und zu mehr Verantwortung animiert. Das, was hier so kurz zusammengefasst wurde, erfordert meistens eine intensive Vorbereitungszeit. Jeder Bauherr muss seine Unternehmensidentität in eine Objektstrategie übersetzen. Mit ihrem Credo, dass Menschen, Organisationen und Objekte immer ineinandergreifen, hilft M.O.O.CON genau bei dieser Übersetzung. So wurden für das Projekt Smart Campus umfangreiche Einzelgespräche mit Führungskräften und Mitarbeitern geführt, um genaue Objektziele ableiten zu können. Abbildung 6: Erste Bilder aus dem Architekturwettbewerb für die Erweiterung der gugler*-Unternehmenszentrale. vertrauensvoll geradlinig tolerant Mag. Martin Honzig Partner M.O.O.CON wettbewerbe 302 78 Warum integrale Planung? Ein Objekt beeinflusst seine Nutzer und seine Umwelt. Es steht für einige Jahrzehnte und verursacht erhebliche Kosten. Es ist daher nicht nur das Werk und die Verantwortung eines Architekten, sondern auch die eines Bauherren, der Nutzer, aller Dienstleister sowie der möglichen Nachnutzer. In Zeiten von Nachhaltigkeit geht es neben dem Zusammenspiel von Funktion, Konstruktion, Form und Servicierbarkeit auch um die Auswirkungen in ökologischer, sozio-kultureller und ökonomischer Hinsicht. Für diese gestiegene Komplexität ist ein integral denkendes Planungsteam notwendig. Anstelle von Architektur- macht es daher Sinn, Generalplanerwettbewerbe auszuschreiben. Dafür hat sich auch das Smart Campus-Team entschieden. Bestellqualität Wien Energie Stromnetz bündelt ihre Kräfte an einem Standort und baut in Wien Simmering eine neue Unternehmenszentrale, den Smart Campus. Hier sollen ab 2015 1.400 Mitarbeiter ihren neuen Arbeitsplatz finden. Die Zusammenlegung der auf ganz Wien verstreuten Arbeitsplätze soll Betriebskosten und vor allem dringend notwendigen Sanierungsaufwand einsparen. Wege sollen verkürzt, Kompetenzen besser gebündelt und die Kommunikation optimiert werden. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen entspricht auch der Identität eines smarten Unternehmens: Wien Energie Stromnetz muss jeden Stromverbraucher zum verantwortungsvollen Umgang mit Energie und Ressourcen animieren. So soll auch der Smart Campus ein Vorzeigehaus in Sachen Energieeffizienz werden: ein © pos architekten ZT - KG, „The worst brief for artists is to be told they can do anything. I have always believed that artists are a lot more creative if you tell them what they can’t do. It’s easier to find holes in a wall than it is trying to build out of nothing.” langfristig praktisch kooperativ zuverlässig durchsetzungsstark So konnte die Architektin Ursula Schneider von pos architekten einen Entwurf liefern, der die Marke gugler* und die Werte des Unternehmens optimal repräsentiert (Abbildung 6). Ein Triple-0-Neubau (zero emission, zero energy, zero waste) in Form von Pavillons soll verwirklicht werden. Natürliche und recycelte Materialien, wie zum Beispiel Holz oder Gabionen aus Recyclingbeton, kommen dabei zum Einsatz. „Die Marke gugler* ist menschlich, emotional und nachhaltig“, betont die Architektin. „Diese Kriterien konnte ich auch aus den Moodboards herauslesen, sie dienten als Orientierung für meine Entwürfe.“ Abbildung 1: Moodboard Wien Energie Stromnetz Die Übersetzung der Unternehmensidentität im Rahmen eines Workshops mit inEbenso einewurde Objektstrategie 50 Beteiligten ein Moodboard für ein Energieunternehmen erarbeitet (Abbildung 7). Das Set zeigt nicht nur erfolgte auch bei Smart ein sehr differenziertes Menschenbild sondern auch ein buntes Set, geprägt Technologie Campus auf von Basis derund Umweltbewusstsein. M.O.O.CON MOODS® Zum ersten Mal haben Bauherren und Architekten die Möglichkeit, mittels einerHilfe fundierten Methode ihre Methode. Mit von Vorstellungen hinsichtlich Marke und Architektur besser Bildern einfachen aufeinanderund abzustimmen. Der Architekt Behat Anspruch auf einen Bauherren, der weiß, was er will. Planüberargriffen die eigene beitungenwurde mit dem Bauherren können sehr aufwändig sein, wenn immer wieder ergänzende, unbeachtete AnUnternehmensidentität forderungen und neue Ideen entstehen. Mit M.O.O.CON MOODS und den daraus erzeugten Moodboards schafft dargestellt. Das Ergebnis man einen roten Faden als Orientierungshilfe, einen Input für das Verständnis der Bauherrenistmaßgeblichen ein Moodboard, das als identität. emotionale Orientierungshilfe im Architekturbriefing Abbildung 7: Moodboard Energieunternehmen; die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs dient.liegen ab Dezember 2011 vor. Sind die Ziele definiert, können nun Flächen, Qualitäten und Services konkretisiert werden. Dabei geht es darum, klare qualitative und quantitative Vorstellungen zu entwickeln. Mit dem daraus entstehenden Gebäudemodell wird der angestrebte Kostenrahmen mittels des M.O.O.CON Lebenszykluskostentools® simuliert. Dabei gilt die Formel: Anschaffungs- und Folgekosten ergeben das Lebenszyklusbudget. Inhalte eines Wettbewerbsbriefings Wie eingangs erwähnt, ist ein Wettbewerbsbriefing kein Lösungsvorschlag, sondern eine möglichst genaue Beschreibung der Anforderungen. Neben den Objektzielen in kultureller und sozialer Hinsicht – wer ist der Nutzer und welche Ziele verfolgt dieser – sind funktionale und technische Rahmenbedingungen zu definieren. Das Hauptziel für Wien Energie Stromnetz ist es, die verstreuten Organisationseinheiten an einen gemeinsamen, Identität stiftenden Ort zu vereinen. Die Verwaltung und die Betriebsflächen sollten also möglichst eng miteinander verwoben werden. Für das Briefing wurde daher jeder einzelne Raum in seiner Größe, 15 wettbewerbe 295/296 © M.O.O.CON 2010 Präzise und fair Wettbewerb Generalplanerwettbewerb Smart Campus Vorprüfbericht 2. Stufe ..... Kennzahl: WIRTSCHAFTLICHKEIT Diskontierte Lebenszykluskosten bis 2055 ■ Anforderungen erfüllt ■ Anforderungen teilweise/ überwiegend erfüllt ■ Anforderungen nicht erfüllt ■ nicht prüfbar Generalplanerwettbewerb Smart Campus Vorprüfbericht 2. Stufe ..... Kennzahl: Nr. 5. 5.1 + o - ~ THEMA I Kriterium Vorprüfung Indikator bzw. Planungskennwert I qualitatives Merkmal 01 Anmerkungen I Hinweise natürliche Belichtung und Belüftung der Baukörper natürliche Belichtung und Belüftung Büros Büroräume erfüllt teilw. erfüllt nicht erfüllt 3 unterschiedliche Fassadentypen je Ausrichtung und Funktion; 3 Fensterbänder für Belichtung: Verminderung Tageslichteintrag durch opakes Band zw. Oberlichte und Fenster; Unterlicht für Belichtung vernachlässigbar, jedoch erhöhte Wärmebrückengefahr Verkehrsflächen Verwaltung erfüllt teilw. erfüllt nicht erfüllt 5.2 natürliche Belichtung und Belüftung Betriebsflächen Tageslichtversorgung der Erschließungsgänge nur durch Oberlichten und kleine, sehr niedrig angeordnete Fenster. Zentralmagazin und Werkstätten erfüllt teilw. erfüllt nicht erfüllt Belichtung durch Oberlichten eingeschränkt durch tiefe Deckenträger. Keine seitliche Belichtung, außer durch Tore. Garagen erfüllt teilw. erfüllt nicht erfüllt 5.3 moocon® Gefahr sommerlicher Überhitzung Geländeabsenkung im Norden und Süden für partielle natürliche Belichtung und Belüftung. Büros Verwaltung niedrig teilweise hoch Gute Eigenverschattung der Bauteile, Speichermasse, Nachtlüftung 1.OG über Eingang (Süd): Pläne widersprüchlich in Ausarbeitung (tw. raumhohe Verglasung, tw. wie Restaurant mit 3 Fensterbändern) Werkstätten, Labors und Lager niedrig teilweise hoch 6. Schlüssigkeit des Haustechnik- und thermischenergetischen Konzeptes insb. In Bezug auf das Thema SMART 6.1 Plausibilität/Angemessenheit des Energiekonzeptes für Verwaltung und Betrieb Oberlichten horizontal: Überhitzungsgefährdung des Betriebsgebäudes Verwaltung innovativ energieeffizient konventionell od. nicht funktionstüchtig Grundkonditionierung: Bauteilaktivierung für Heizung und Kühlung; Spitzenabdeckung: an Lüftung (Quelllüftung) angeschlossene Konvektoren; Ab Heizlast von 25% Umschaltung der Grundlast auf Heiz/Kühldecke Betrieb innovativ energieeffizient Strahlerplatten (an der Decke) konventionell od. nicht funktionstüchtig 6.2 Energieerzeugung abgestimmt mittel wahllos od. nicht ausreichend 6.3 Wärme/Kälte: Erdwärmepumpe für Grundlast (Tiefenbohrung!) Gasbrennwertkessel für Spitzenlast 280m² Solaranlage Strom: 10 Stk. Windräder 2200m² PV Innovationsgehalt (Smart) lt. Aufgabenstellung Smart Campus innovativ energieeffizient konventionell 7. Einsatz energieeffizienter und nachhaltiger Maßnahmen 7.1 Reduktion des in den Kanal eingeleiteten Regenwassers 7.2 Nachhaltige Maßnahmen allgemein individuelle Temperatursteuerung möglich; Funkbus; Fensterkontakt gekoppelte Konvektoren; Green IT umfassend teilweise nicht vorhanden umfassend teilweise nicht vorhanden wassergeführte Kühlung des Rechenzentrums; Abwärmenutzung; nachhaltige Materialien; nanobeschichtete Oberflächen zur besseren Reinigung Auswahl des richtigen Verfahrens Die Auswahl des richtigen Verfahrens gehört zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren eines Wettbewerbes. Reichen für kleinere Aufträge geladene und einstufige Wettbewerbe, so braucht man bei größeren Aufträgen in der Regel offene und mehrstufige Verfahren. Wichtig ist, dass faire und nachvollziehbare Spielregeln entwickelt werden. Für Wettbewerbsteilnehmer sind die Verfahren mit erheblichen Aufwänden und Risiken verbunden, wenn auch Aufwandsentschädigungen einen Teil der Leistung abdecken. Je nach Zielsetzung gehört dazu auch die Besetzung der Fachjury mit Experten. Neben Architekten wurden für die Vorprüfung beim Smart Campus auch Experten herangezogen, die die Funktionalität, den Energieverbrauch und die Haustechnik prüfen konnten. Darüber hinaus ist eine Sachjury unter intensiver Beteiligung des Bauherrn notwendig. In großen Wettbewerben erfolgt dies meist in Abstimmung mit Interessengemeinschaften und Abbildung 2: Auszug aus dem Vorprüfbericht Bewertung von technischen Kriterien an Hand eines vordefinierten Kriterienkatalogs und vergleichende Darstellung aller Wettbewerbsbeiträge hinsichtlich ihrer Lebenszykluskosten. moocon® Behörden. Im Fall Smart Campus erwies sich das offene, EU-weit ausgeschriebene und zweistufige Verfahren in enger Zusammenarbeit mit der Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten als passend. Für die Qualifikation zur zweiten Stufe beim Smart CampusWettbewerb sind für das Planungsteam Eignungskriterien vordefiniert worden. Ziel war es, kompetente Teams für die komplexe Aufgabe zu erhalten. Bewertung von Wettbewerbsbeiträgen Der Auslober und sein Wettbewerbsteam sind zu einer objektiven und nachvollziehbaren Beurteilung der Beiträge verpflichtet. Eine genaue Bestellqualität, wie oben definiert, sowie die Festlegung von quantitativen und qualitativen Kriterien und deren Messbarkeit sind dabei erforderlich. So wurden die Wettbewerbsbeiträge im Rahmen der Vorprüfung beim Smart Campus nach formalen, funktionalen und technischen Kriterien sowie die Auswirkungen auf ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Aspekte evaluiert. Für jeden Wettbewerbsbeitrag wurden die Energiekosten und -verbräuche sowie die Lebenszykluskosten berechnet und verglichen. Die Haustechnikkonzepte wurden hinsichtlich Innovationsgehalt, Effizienz und Komforterreichung analysiert, die Verkehrsführung von einem Experten auf Praktikabilität geprüft. Es konnte für jede Arbeit gezeigt werden, in welchem Verhältnis die Investitions- und Betriebskosten zum Budget stehen, wie viel Energie das Gebäude voraussichtlich verbrauchen wird und welchen Komfort durch die Haustechnik zu erwarten ist. In der Jurysitzung wurden die Ergebnisse der Vorprüfung mit den städtebaulichen und baukünstlerischen Aspekten ergänzt und in einer intensiven Diskussion abgewogen. Es wurden immer die Teamleistungen und nicht die der Einzelplayer bewertet. Ergebnisqualität Auch der beste Siegerentwurf erfüllt meist nicht alle Anforderungen, sondern stellt lediglich die beste Basis für die weitere Bearbeitung dar. Nach erfolgreicher Jurierung eines Wettbewerbs beginnt daher entweder im Rahmen der Wettbewerbsdetaillierung oder bereits im Rahmen des Vorentwurfes die Optimierung. Den Entwurf mit dem größten Potenzial für den Smart Campus lieferte der Architekt Egon Türmer von Holzbauer & Partner ZT GmbH. Ab nun gilt es die Anforderungen auf Bauherrnseite weiter zu detaillieren und die Qualität der Lösungsvorschläge des Planerteams zu sichern. So kann sich der Bauherr professionell auf sein neues Zuhause vorbereiten. DI Bernhard Herzog, Mag. Martin Honzig, Partner M.O.O.CON 79 wettbewerbe 302 Aufgabe und Anordnung im Gebäude sowie in seiner Bau- und Ausstattungsqualität beschrieben. Darüber hinaus musste der Nachhaltigkeit konsequent Rechnung getragen werden. Smart Campus soll ein Vorzeigehaus in Sachen Energieeffizienz werden. Daher wurden messbare Kennwerte für den Ressourcen- und Energieverbrauch in der Errichtung und im Betrieb festgehalten. So sind beispielsweise Vorgaben hinsichtlich des maximalen Primärenergiebedarfs und der Verwendung alternativer Energien gemacht worden. Ebenso wurden die Anforderungen beschrieben, in welchem Rahmen das intelligente Zusammenwirken zwischen Nutzer und Technik ermöglicht werden soll und welches Kom01 fortniveau für die Mitarbeiter sicherzustellen ist.