276_356_BIOsp_0309.qxd 22.04.2009 16:00 Uhr Seite 335 335 Arzneimittelzulassung Der lange Weg zum Markteintritt ó Zwölf Jahre vergehen im Durchschnitt, bis ein neues Medikament auf den Markt kommt – und etliche bleiben auf der Strecke: Der vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller) schätzt, dass nur etwa eine von 5.000 bis 10.000 untersuchten Substanzen die Marktreife erreicht. Auf dem Weg dorthin ist der Wirkstoff Trabedersen, den die Regensburger Antisense Pharma GmbH zur Behandlung von Patienten mit bösartigen Tumoren entwickelt. Das Antisense-Oligodesoxynukleotid bindet spezifisch an die mRNA für TGF-beta-2 (Transforming growth factor beta-2) und unterdrückt die Neubildung dieses Proteins, das Tumorzellen vor einem Angriff von Immunzellen schützt und die Teilungsrate und Migrationsfähigkeit von Krebszellen steigert. Diese Phasen hat Trabedersen erfolgreich und vergleichsweise preisgünstig durchlaufen: Die Entwicklungskosten betrugen bisher deutlich weniger als 100 Mio. Euro – üblicherweise liegen sie für onkologische Wirkstoffe bei knapp dem Zehnfachen. Anfang 2009 startete nun eine weltweite Phase-IIIStudie, an der ca. 70 Studienzentren in voraussichtlich 14 Ländern Europas, Amerikas und Asiens beteiligt sind. In der Zulassungsstudie muss Trabedersen eine signifikant bessere Wirksamkeit gegen rezidivierende oder refraktäre anaplastische Astrozytome – sehr aggressive Gehirntumore – zeigen. Standardchemotherapie für die Behandlung dieser Patienten ist Temozolomid bzw. Carmustin. Harmonisierte Zulassungsverfahren Von der präklinischen Phase zur Zulassungsstudie Vor der Zulassung eines Arzneimittels müssen Hersteller Daten zur angemessenen pharmazeutischen Qualität, therapeutischen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und zum Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko sammeln: In der präklinischen Phase untersuchen Forscher zunächst in vitro an Zellkulturen, später in vivo im Tiermodell beispielsweise Wirkmechanismus oder Halbwertszeit des Wirkstoffs. „Aber diese Studien sind nur beschränkt aussagekräftig, was die Wirksamkeit beim Menschen angeht“, erklärt Dr. Hubert Heinrichs, Chief Medical Officer bei Antisense Pharma. Also folgen klinische Studien am Menschen: In der nicht vorgeschriebenen, aber empfohlenen Phase 0 erhalten die Probanden subtherapeutische Dosen des Wirkstoffs, um erste Daten zur Verträglichkeit und Pharmakodynamik beim Menschen zu erheben. In Phase I, früher wegen der erstmaligen Gabe therapeutischer Dosen auch als „First in Man“ bezeichnet, stehen vor allem die Verträglichkeit und Sicherheit des Wirkstoffs, aber auch die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik auf dem Prüfstand. In der möglichst randomisierten und aktiv kontrollierten anschließenden Phase II werden das Therapiekonzept überprüft („Proof of Concept“, Phase IIa) und die optimale Dosierung ermittelt („Dose Finding“, Phase IIb). BIOspektrum | 03.09 | 15. Jahrgang Wie viele Patienten an einer Zulassungsstudie teilnehmen müssen, lässt sich im Vorfeld abschätzen; je nach Studiendesign liegt die Zahl zwischen etwa 200 und 10.000. „Sieht man in Phase II einen großen Effekt, wird die nötige Fallzahl für die Phase-III-Studie kleiner“, erklärt Hubert Heinrichs. Da Trabedersen bereits in Phase II einen deutlichen Überlebensvorteil bewirkte, müssen insgesamt nur etwa 135 Patienten behandelt werden, die entweder Trabedersen oder die Standardchemotherapie erhalten. An das Hauptzielkriterium einer Zulassungsstudie legen die Zulassungsbehörden wie die European Medicines Agency (EMEA) oder die Food and Drug Administration (FDA) in den USA immer strengere Maßstäbe an: „Bei einem Krebsmedikament reicht es nicht mehr aus, wenn sich der Tumor verkleinert. Die Behörden verlangen heute ein längeres Überleben der Patienten“, sagt Hubert Heinrichs. Hauptzielkriterium der Studie ist daher die Überlebensrate in einem Zeitraum von 24 Monaten – überleben während dieser Zeit signifikant mehr mit Trabedersen behandelte Patienten als unter der Standardchemotherapie, können die Hersteller die Zulassung beantragen. Zur Verringerung der Bürokratie haben die EU-Staaten die Arzneimittelzulassung harmonisiert: Im zentralisierten Verfahren, das für onkologische und verschiedene andere Wirkstoffe zwingend vorgeschrieben ist, kann die Zulassung für die gesamte Europäische Union beantragt werden. Außerdem gibt es das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren, in denen nacheinander bzw. gleichzeitig die Zulassung in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten beantragt wird. Die Zusammenarbeit in Sachen Arzneimittelzulassung mit den USA oder Japan hat zum Teil andere Schwerpunkte: „In Japan legen die Behörden Wert darauf, dass in einer Zulassungsstudie Daten für japanische Patienten erhoben werden“, erklärt Hubert Heinrichs. Auch die FDA stelle mitunter andere Anforderungen als die EMEA. Arzneimittelproduzenten müssen daher entweder für jede Region eigene Zulassungsstudien durchführen oder in Absprache mit den Behörden in allen Regionen Patienten rekrutieren und Daten erheben. Neben den formalen Hürden – die sich durch eine frühzeitige Kontaktaufnahme zu und partnerschaftlichen Umgang mit den Zulassungsbehörden häufig niedrig halten lassen – gibt es weitere „Stolpersteine“ auf dem Weg zur Zulassung, z. B. seltene Nebenwirkungen, eine unerwartet geringe Wirksamkeit oder die Zulassung eines Konkurrenzpräparats. Immerhin: Je weiter das Zulassungsverfahren voranschreitet, desto größer sind die Chancen für eine Marktzulassung – für einen Wirkstoff, der es bis in die klinische Phase III geschafft hat, liegen sie bei zwischen 60 und 70 Prozent. ó Korrespondenzadresse: Alexis Katechakis ANTISENSE PHARMA GmbH Josef-Engert-Straße 9 D-93053 Regensburg Tel.: 0941-92013-0 [email protected] www.antisense-pharma.com