Brucellose

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Biologische Gefahren II
4.2
Brucellose
Erkrankung: Brucellose
Bakterium:
Brucellen – B. melitensis (Maltafieber); B. abortus;
B. suis (Morbus Bang)
Bedeutung als biologischer Kampfstoff haben Brucellen durch ihre
hohe Infektiosität als Aerosol. Vermutlich reichen 10–100 Bakterien
aus, um beim Menschen eine Infektion auszulösen. Herabgesetzt
wird ihre Eignung als B-Kampfstoff durch die variable Inkubationszeit
(5 Tage bis mehrere Monate) und dadurch, dass ca. 90 % der natürlich erworbenen Infektionen subklinisch verlaufen.
Allerdings könnten diese „Nachteile“ ggf. durch größere Aerosolmengen ausgeglichen werden.
4.2.1
Information zum Erreger
Mikrobiologie
Gramnegative, aerob wachsende, unbewegliche Stäbchen.
Gehören zu den α-2-Proteobacterien. Die Gattung Brucella
umfasst 6 nahe verwandte Spezies, von denen drei – entsprechend ihrer Wirtsspezifität – weiter in Biovare unterteilt
werden.
Die Spezies B. melitensis, B. abortus, B. suis und B. canis
sind verantwortlich für Infektionen des Menschen.
Pathogenität
Keine ausreichend evidenzbasierten Daten verfügbar.
Tenazität
• Hohe Resistenz gegen Austrocknung.
• Lange Überlebenszeiten in Erde, Wasser, Faeces, Kadavern oder Milchprodukten (z. B. in Heu länger als 5 Mon., in
Kot bis zu 75 d, in eingepökeltem Schweinefleisch bis zu
2 Mon., in Butter bis zu 4 Mon., in frischem Schafs- und
Ziegenkäse bis zu 6 Mon.)
Empfindlich gegenüber:
• Hitze (.ca. 10 min in Wasser bei 60°C
• Brucellen in der Milch werden durch Pasteurisierung sicher
abgetötet.
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4 Bekannte Erreger – Brucellose
Natürliches Vorkommen
Endemiegebiet ist der Mittelmeer-Raum, die Arabische Halbinsel, der Mittlere Osten, Afrika, Mittel- und Südamerika.
Natürliches Reservoir für Brucellen sind verschiedene Tierarten (Schafe, Ziegen, Rinder und andere Bovidae, Schweine,
Rentiere, Nagetiere, Hunde).
Deutschland ist seit 2000 amtlich frei von Schaf/Ziegen- und
Rinderbrucellose. Importierte humane Fälle aus Endemiegebieten: ca. 20–30/Jahr.
Risikogruppe
Beruflich Exponierte (inklusive Laborpersonal), die Umgang
mit Geweben oder Ausscheidungen infizierter Tiere haben.
Reisende in Endemiegebiete.
4.2.2
Information zur Erkrankung
Übertragung
Übertragung vom infizierten Tier auf den Menschen peroral,
transdermal, über Konjunktiven oder per inhalationem möglich.
Hauptinfektionsquelle sind kontaminierte Lebensmittel (v. a.
nicht pasteurisierte Milchprodukte und rohes Fleisch).
Mensch-zu-Mensch-Übertragung prinzipiell möglich (Sexualkontakt, Transplantation), wurde bisher aber nur in Einzelfällen beschrieben.
Infektiosität / Kontagiosität /
Minimal infektionsauslösende Dosis
10–100 vitale Bakterien.
90 % der natürlich erworbenen Infektionen verlaufen subklinisch, nach anderen Quellen liegt die Manifestationsrate
beim Menschen zwischen 50 und 80 %.
Pathogenese
Brucellen haben eine große Überlebensfähigkeit in Makrophagen, in denen sie sich auch vermehren können.
Nach der Phagozytose verhindert das Bakterium durch
Aktivierung zahlreicher Virulenzfaktoren die Verschmelzung
des Phagosoms mit dem Lysosom. Das Phagosom wird
dann in die replikative Nische des Bakteriums eingebaut
und kann dort nicht durch genügend hohe Antibiotikakon113
Biologische Gefahren II
zentrationen abgetötet werden.
Deshalb hängt der Therapieerfolg entscheidend vom frühzeitigen Behandlungsbeginn ab – ansonsten ist mit primären Therapieversagern auch unter adäquater Antibiotikatherapie zu rechnen.
Inkubationszeiten
5–30 Tage, aber auch mehrere Monate sind möglich.
Klinik
Unspezifische Allgemeinsymptome mit undulierendem
Fieber, Abgeschlagenheit, Schweißausbrüchen, Müdigkeit,
Kopf- und Gliederschmerzen, Arthralgien.
Erkrankung verläuft häufig generalisiert mit verschiedenen
Organmanifestationen (z. B. Splenomegalie, Hepatomegalie, Prostatitis, Spondylitis, Sakroiliitis, Neurobrucellose,
Hepatitis, Endokarditis, pulmonale Beteiligung).
Chronifizierung möglich (d. h. Rückfall nach primärer Erkrankung, oft nur mit unspezifischen Symptomen oder
lokaler Infektion).
In 90 % jedoch subklinische Verläufe wahrscheinlich (durch
die geringe Anzahl der bei überwiegend natürlichen Expositionen aufgenommenen Keime).
Typischer Endpunkt
Unbehandelt: Letalität < 2–5 % (80 % der Todesfälle beruhen auf Endokarditis mit Herzinsuffizienz).
Behandelt: lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit von erkrankten Personen.
Immunität
Die natürliche Infektion hinterlässt keine anhaltende komplette Immunität.
Differenzialdiagnostisch sollen folgende Erkrankungen in Erwägung
gezogen werden:
Lymphom, Tumorfieber (auf Grund des Fiebers, der Leukopenie und einer LK-Vergrößerung im Rö-Thorax-Bild), aber
auch TBC und Endokarditiden.
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4 Bekannte Erreger – Brucellose
4.2.3
Diagnostik
Neben Umweltproben, auf die hier nicht näher eingegangen wird,
können zur Diagnostik folgende klinische Untersuchungsmaterialien
herangezogen werden:
• Blut (zur Kultur und Serologie),
• Bioptate (Knochenmark, Gewebeproben),
• Punktate (z. B. Synovialflüssigkeit, Abszessmaterial),
• Liquor.
Brucellen enthaltende Proben sollten innerhalb von 2 Stunden nach
der Entnahme kultiviert werden. Eine vorübergehende Aufbewahrung bei 2–8°C ist möglich. Angaben zu den grundsätzlichen Transportbedingungen finden sich in Kapitel 3.3.
Laborarbeiten bei begründetem Verdacht auf eine Brucella-Infektion
sollten in einem Labor der Sicherheitsstufe 3 durchgeführt werden.
Die weitere Charakterisierung des Erregers sollte im Referenz-Labor
erfolgen:
Referenzlabor für die Brucellose bei Mensch und Tier:
Friedrich-Loeffler-Institut
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
Institut für bakterielle Infektionen und Zoonosen
Naumburgerstr. 96a
07743 Jena
Mit einer begründeten Verdachtsdiagnose aus klinischem Material ist
methodenbedingt innerhalb von 24 h zu rechnen (EM: 90 min – bei
fixierter Probe 20 min, PCR 4–24 h).
Die klinische Probe gilt grundsätzlich nur nach Erregerisolierung als
diagnostisch bestätigt. Ein positiver Antikörper-Nachweis alleine ist
nicht ausreichend. Signifikant hohe Anti-Brucella-Titer oder ein 4facher Titeranstieg bei entsprechender Symptomatik gelten als Beleg
für eine akute Infektion (s. a. Falldefinition gemäß IfSG). Molekularbiologisch ist z. B. der Nachweis von Membran- oder Oberflächenproteingenen möglich.
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Biologische Gefahren II
Ergänzend zur infektiologischen Diagnostik sollten labormedizinische
Untersuchungen durchgeführt werden. In Falldarstellungen werden
folgende Befunde als charakteristisch beschrieben:
Relative Lymphozytose, Leukopenie, Anämie.
Bei Patienten mit Neurobrucellose findet sich im Liquorpunk6
tat oft eine Pleozytose mit im Mittel 244 × 10 Zellen/l, Protein hoch, Glukose niedrig.
4.2.4
Therapie
Impfung
Derzeit gibt es keinen für Menschen zugelassenen Impfstoff.
Prä- oder periexpositionelle
Prophylaxe
Nach aktueller Datenlage kann keine Empfehlung gegeben
werden.
PostexpositionsProphylaxe (PEP)
Nach aktueller Datenlage kann keine Empfehlung gegeben
werden.
Behandlung Erkrankter
Das derzeitig durch die WHO empfohlene Behandlungsschema beruht auf der Kombination von täglich 200 mg
Doxycyclin und 600–900 mg Rifampicin über einen Zeitraum von 6 Wochen (Cave: Herxheimer-Reaktion).
Alternativ zu Rifampicin kommt die Gabe von Streptomycin
(tägl. 1 g i. m. 2–3 Wochen lang) in Frage.
Schließlich ist auch eine Tripel-Therapie mit Doxycyclin,
Rifampicin und Ciprofloxacin möglich.
Ggf. kann eine chirurgische Therapie bei Befall von Knochen und Herzklappen notwendig werden.
4.2.5
Präventionsmaßnahmen
Prävention
Tötung infizierter Tierbestände, Kadaververnichtung, Importkontrolle.
Pasteurisierung von Milch tierischen Ursprungs, erkrankte
116
4 Bekannte Erreger – Brucellose
Mütter dürfen nicht stillen bzw. muss die Milch abgekocht
werden.
Vakzination
Tiere können effektiv durch attenuierten Lebend- oder
Totimpfstoff vor einer Erkrankung geschützt werden.
Meldepflicht
§ 7 IfSG: namentliche Meldung auch bei direktem oder
indirektem Nachweis mit Hinweis auf akute Infektion.
Eigenschutz beim
Umgang mit Erkrankten
Übliche krankenhaushygienische Maßnahmen.
Absonderungsmaßnahmen
Blut, Urin, Sperma, Fruchtwasser, Nachgeburt und Lochialsekret Erkrankter ist als infektiös zu betrachten.
Da Mensch-zu-Mensch-Übertragungen nur sehr vereinzelt
beschrieben wurden (Sexualkontakte, Transplantationen,
Stillen), keine besonderen Absonderungsmaßnahmen
notwendig.
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Herausgeber:
Bundesamt für Bevölkerungsschutzund Katastrophenhilfe
Provinzialstraße 93
53127 Bonn
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
13353 Berlin
Bezugsquelle: www.bevoelkerungsschutz.de
1. Auflage
Stand: 2007; 2013 auf Fehler und Adressen hin überarbeitet
ISBN 3-939347-07-8
ISBN 978-3-939347-07-1
111
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