Skript: Gesellschaftsmodelle, incl. Exkurs „Status“ Soziale Ungleichheit und Gesellschaftsmodelle Kriterien zur gesellschaftlichen Analyse: „alte“ Dimensionen „neue“ Dimensionen Einkommen, Vermögensverteilung Macht, Herrschaft Prestige, Status Bildung ArbeitsFreizeitWohn-, Wohnumweltbedingungen soziale Sicherheit (Sicherheit des Arbeitsplatzes, Gesundheit, Alterssicherheit) Vorurteile, Diskriminierung Verteilungsprinzipien (in Deutschland): a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) Geburtsprinzip (veraltet) Leistungsprinzip Sozialprinzip (Umverteilung nach Bedürftigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität) Prinzip der ausgehandelten Zuteilung oder Belastung (z.B. Subventionen) Kampf- und Verhandlungsprinzip (z.B. Tarifrunden) Vererbungsprinzip Wahl Lebens- und Dienstalter (Annuitätsprinzip) Verteilung nach Zufall (Lotterie) Beziehungen Exkurs: „Status“ = Stellung eines Menschen innerhalb der Gesellschaft Alle Menschen verfügen über ein Statusbündel, d.h. sie nehmen aufgrund des Status, den sie haben, mehrere Rollen wahr. Aus Einzelstatuen (z.B. Einkommen, Macht, Bildung, Familienstand, Geschlecht, Alter, …) setzt sich der Gesamtstatus eines Menschen zusammen. Man unterscheidet zwischen ascribed/ zugeschriebenem Status (nicht abhängig von den individuellen Fähigkeiten, nicht bzw. nur in Grenzen beeinflussbar, z.B. Alter, Geschlecht, Aussehen) und achieved/ erworbenem Status (abhängig von den individuellen Leistungen, änderbar, z.B. Bildung, Beruf). Beurteilung des Gesamtstatus: Statuskonsistenz: Übereinstimmung aller Einzelstatuen (z.B. Angestellte mit mittlerem Einkommen, mittlerer Reife, …) Statusinkonsistenz: Nichtübereinstimmung der Einzelstatuen (z.B. Taxifahrer Dr. phil) www.sozialkunde.digitale-schule-bayern.de 1 © Susanne Behlert Skript: Gesellschaftsmodelle, incl. Exkurs „Status“ Ein kurzer historischer Abriss der Gesellschaftsmodelle 1. Ständegesellschaft (~ 800 – 1830): - feste, hierarchische Gliederung der Gesellschaft Unterscheidung der Stände in Lebensgewohnheiten, Kleidung, Privilegien, Besitz etc. voneinander (sog. Ständepyramide) - von Geburt an Festlegung der Zugehörigkeit zu bestimmten Stand – Auf- und Abstiegsmöglichkeiten kaum vorhanden - Legitimation durch Religion und Tradition 2. Klassengesellschaft (~ 1830 – 1918): - infolge des zunehmenden Wohlstands wird Kriterium der Geburt vom Kriterium des Besitzes abgelöst/ ergänzt - Auslesefaktor nun: Besitz von Produktionsmitteln – Zugang zu Eigentum, Boden, Geld, Maschinen, … - somit: Konflikt zwischen Besitzende (Kapitalisten, Bildungsbürgertum) und Nichtbesitzern (Arbeitern, Proletariat) [nach Marx] - geringe vertikale Mobilität: meist nur Abstiegsprozesse [nur von Marx/Engel und Nachfolgern geprägter Begriff, Ständebegriff darin aufgehend] Kritik an der „Klassen- Theorie“ bzw. deren „Modernisierung“: - Klassenkampf nicht zwangsläufig, Kompromisse möglich (z.B. Tarifverhandlungen), AN und AG aufeinander angewiesen - kleine/ mittlere Betriebe vs. Großbetriebe - Entstaatlichung - nicht eingetretene Verelendung, im Gegenteil (Massen)Konsum und damit Wohlstand gesamtgesellschaftlich gestiegen - technische Entwicklungen (siehe Arbeitsschutz, Abnahme der körperlichen Belastung) - Beteiligung der AN am Unternehmergewinn - staatliche Transferzahlungen (siehe Sozialversicherung, ALG I und II) - Zugang zu Bildung Der Modernisierungsprozess ist daran erkennbar, dass die „alten“ Kriterien für Klasse und Stand sich nicht auflösen, sondern sich in einer dynamischeren, vielfältigeren Schichtungsstruktur fortsetzen. 3. Schichtungsgesellschaft (seit 1918): - Differenzierung nach mehreren sozialen Merkmale, diese werden mit sozialem Prestige (Ansehen) versehen und bilden so die Grundlage für die Einstufung in die gesellschaftliche Rangskala: Schichten = hierarchisch angeordnete Statusgruppen von Personen mit gleichen oder ähnlichem Status [siehe Exkurs „Status“] - Kriterien: Qualifikation/Bildung – Einkommen – Beruf – Status/ Prestige Soziale Positionen werden nicht nach Herkunft oder Besitz, sondern nach Leistung und Bildung vergeben große vertikale Mobilität – Durchlässigkeit zwischen den Schichten nach oben und unten www.sozialkunde.digitale-schule-bayern.de 2 © Susanne Behlert Skript: Gesellschaftsmodelle, incl. Exkurs „Status“ Formen der Schichtung: „Pyramide“ „Zwiebel“ „Haus“ „Wolken-Schnittmengen“ (siehe Milieu) Vorteil: Kritik: Vereinfachung der komplexen Wirklichkeit durch die Reduzierung auf Wesentliches Ausgehen von Statuskonsistenz – Nichtbeachtung von Transferleistungen – einseitige, unvollständige Abbildung mit unzureichendem Erklärungspotential – eng, starr, grob, lebensfern – männlich geprägtes Erwerbsmodell – horizontale Mobilität/ Ungleichheiten nicht beachtend (Geschlecht, Alter, Region, …) 1980er/1990er Jahre: Vielschichtigkeit moderner Gesellschaften sind mit dem Klassen- und Schichtbegriff nicht mehr fassbar. 4. soziale Milieus: - (lösen das Schichtmodell ab, welches im Milieumodell aufgeht) pluralisierte Ungleichheitsstruktur, fortgeschrittene postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft Milieu = die Gesamtheit der natürlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebensumstände, das »Umfeld« einer Person = Zusammenfassen von Menschen, die sich in Lebensweise, Lebensauffassung und sozialer Lage ähneln und die subkulturelle Einheiten der Gesellschaften bilden Entwicklungsbereiche: Konsumforschung, Wahlforschung, Sozialisationsforschung (z.B. Erziehungsstile) 5. Lebensstile: = relativ stabiles, regelmäßig wiederkehrendes Muster der alltäglichen Lebensführung, das i.d.R. folgende Merkmale aufweist: - Lebensstile sind bereichsübergreifend mit einem Schwerpunkt im Freizeit- und Konsumbereich. Daneben beziehen sie sich auf Familienleben, Geschmack und kulturelle Interessen, am Rande auf Arbeit und Politik mitunter. - Lebensstilanalysen rücken expressiv-ästhetische Orientierungen und Handlungen ins Zentrum – die mehr oder weniger bewusste Selbstdarstellung der Individuen in Fragen des Geschmacks und der kulturellen Interessen. - Lebensstile haben ganzheitlichen, sinnhaften Charakter. Ihre verschiedenen Elemente ergeben für die Individuen „ein Ganzes“ und machen „subjektiv Sinn“. - Lebensstile sind identitätsstiftend und aus/abgrenzend. Sie schaffen individuelle oder kollektive Identitäten, weil sich Menschen oder Gruppen mit einem bestimmten Muster der Lebensführung identifizieren. www.sozialkunde.digitale-schule-bayern.de 3 © Susanne Behlert