Computer-assistierte dreidimensionale Volumenbestimmung von

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Aus dem Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
der Medizinischen Hochschule Hannover
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Computer-assistierte dreidimensionale Volumenbestimmung
von Unterkieferzysten anhand Voxel-basierter Datensätze
Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades der Zahnheilkunde
in der Medizinischen Hochschule Hannover
vorgelegt von Franziska Nickel
aus Wolfenbüttel
Hannover 2013
Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover
am 17.06.2014
Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover
Präsident:
Prof. Dr. med. Christopher Baum
Betreuer:
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Horst Kokemüller
Kobetreuer:
Dr. med.dent. Marcus Stoetzer
Referent:
PD Dr. med. Christian von Falck
Korreferent:
Prof. Dr. med. Michael Jagodzinski
Tag der mündlichen Prüfung: 17.06.2014
Promotionsausschussmitglieder:
Prof. Dr. med. dent. Harald Tschernitschek
Prof. Dr. med. Matthias Fink
PD Dr. med. Björn Jüttner
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
1.1
Einführung
1
1.2
Definition
3
1.3
Allgemeines
3
1.4
Einteilung der Kieferzysten
4
1.5
Ätiologie
6
1.6
Pathogenese
6
1.7
Klinik und Diagnostik von Kieferzysten
8
1.8
Therapie von Kieferzysten
13
1.8.1
Zystostomie (Partsch I)
14
1.8.2
Zystektomie (Partsch II)
15
1.9
Untersuchte Zystenarten
17
1.9.1
Radikuläre Zyste
17
1.9.2
Follikuläre Zyste
18
1.9.3
Keratozystisch odontogener Tumor (Keratozyste)
20
1.10
Knochenaugmentationsmaterialien
1.10.1
1.11
2
Autogene Knochentransplantate (Autograft)
22
23
Fragestellungen
24
Material und Methode
26
2.1
Patientenauswahl
26
2.2
Kohorteneinteilung
26
2.3
Material
28
2.3.1
Exceltabelle
28
2.3.2
Digitaler Workflow der verwendeten Software
29
2.4
Methoden der Volumenberechnung
31
2.4.1
Voreinstellungen
32
2.4.2
Messvorgang von Methode 1 und Methode 2
35
2.5
Datenverarbeitung und statistisches Vorgehen
38
Inhaltsverzeichnis
II
2.5.1
Deskriptive Statistik
38
2.5.2
Auswertende Statistik
39
3
Ergebnisse
3.1
Deskriptive Statistik - Beschreibung des Patientenkollektivs
43
43
3.1.1
Verteilung des gesamten Kollektivs
43
3.1.2
Häufigkeitsverteilung der Kohorten
44
3.1.3
Häufigkeitsverteilung innerhalb der Zystenarten
46
3.2
3.1.3.1 Erstzysten
47
3.1.3.2 Zweitzysten
49
Auswertende Statistik
3.2.1
Methodenvergleich
51
52
3.2.1.1 Vergleich von Mittelwert 1 und Mittelwert 2
52
3.2.1.2 Vergleich der einzelnen Messergebnisse beider Methoden
53
3.2.2
Zystenvolumen und Defektfüllung
56
3.2.2.1 Abhängigkeit zwischen autogener Osteoplastik von Zystenhöhlen
und den untersuchten Einflussparametern
56
3.2.2.2 Korrelation zwischen autogener Osteoplastik von Zystenhöhlen
und Zystenvolumina
4
Diskussion
4.1
Materialkritik
4.1.1
Patientenkollektiv
4.1.2
Vergleich der keratozystisch odontogenen Tumoren unter den
58
61
61
61
Kohorten
62
4.1.3
Vergleich der follikulären Zysten unter den Kohorten
63
4.1.4
Vergleich der radikulären Zysten unter den Kohorten
64
4.1.5
Zusammenfassung
65
4.2
Methodenkritik
65
4.2.1
Interpretation des Methodenvergleichs
65
4.2.2
Indikation der Zystenmessung im Unterkiefer
67
4.2.3
Vorteile dreidimensionaler Datensätze
68
Inhaltsverzeichnis
4.2.4
III
Arbeitsaufwand der Volumenbestimmung in Abhängigkeit von der
Zystenart
69
4.2.5
Ausreißer im Bland-Altman-Plot
70
4.2.6
Weitere Möglichkeiten der Zystenvermessung
71
4.3
4.2.6.1 Volumenbestimmung durch computergestützte Methoden
71
4.2.6.2 Bewertung der computergestützten Methoden
73
4.2.6.3 Zukunft: Segmentierungsalgorithmus
75
4.2.6.4 Volumenbestimmung durch die Injektion von Natriumchlorid
75
Ergebniskritik
77
4.3.1
Bedeutung des Cut-offs für die präoperative Zystendiagnostik
77
4.3.2
Ausreißer im Scatter Plot
79
4.3.3
Kritischer Wert
80
4.3.4
Zystenmorphologie
81
4.3.5
Zukunft: Tissue Engineering
86
4.4
Schlussfolgerungen
87
5
Zusammenfassung
91
6
Literaturverzeichnis
92
7
Abbildungsverzeichnis
101
8
Tabellenverzeichnis
102
9
Glossar
103
10
Curriculum vitae
105
11
Erklärung
106
12
Danksagungen
108
13
Anhang
110
Einleitung
1
1 Einleitung
1.1
Einführung
In keinem anderen Knochen des menschlichen Skeletts entwickeln sich Zysten so häufig wie
im Kieferknochen [46].
Die Erklärung für das häufige Vorkommen liegt in der speziellen Entwicklung von Ober- und
Unterkiefer begründet. Die Besonderheit ihrer embryonalen Genese besteht darin, dass es
die einzigen zahntragenden Knochen des Körpers sind. Somit findet ausschließlich in den
Kieferknochen die Ausbildung der ektodermalen Zahnanlagen statt. Nach Rückbildung der
Zahnleiste oder der Hertwigschen Epithelscheide können Epithelreste zurückbleiben. Diese
stellen potentiell einen Ausgang für die Entwicklung von Zysten dar. Kieferzysten, die aus
Epithelüberbleibseln der Zahnentwicklung entstehen, werden deshalb als odontogene Zysten
bezeichnet. Solche, deren Ursprung nicht mit Geweben des Zahnsystems assoziiert sind,
nennt man nicht-odontogene Zysten.
Das häufige Auftreten von zystischen Prozessen im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich gab
Anlass für diese Studie, in der die Betrachtung der Zyste als Volumen im Vordergrund stand.
Bildgebende Verfahren bieten die Möglichkeit der präoperativen Orientierung über
Kieferzysten. Sie geben wichtige Informationen über die Lokalisation und das Ausmaß von
Zysten. Weiterhin kann die Nähe zu anatomischen Nachbarstrukturen begutachtet werden.
Zur
Verfügung
stehen
die
konventionelle
zahnärztliche
Röntgendiagnostik
zur
zweidimensionalen Betrachtung von zystischen Raumforderungen sowie die Voxel-basierte
radiologische Untersuchung in allen drei Raumebenen (Transversale, Koronare, Sagittale).
Bisher
wurden
die
Volumenberechnungen
maßstabsgetreuen
von
Zysten
dreidimensionalen
genutzt
und
gaben
Bildmedien
damit
nicht
für
Anlass,
ihr
Anwendungsspektrum genauer zu untersuchen.
In dieser Studie wurde ein Kollektiv von 88 Patienten mit Unterkieferzysten retrospektiv
betrachtet, das in den Jahren 2004 bis 2011 in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Einleitung
2
Gesichtschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover behandelt wurde. Bei allen
Patienten wurde eine histopathologisch gesicherte odontogene Zyste entfernt.
Die Berechnung der Zystenvolumina fand anhand der vorliegenden dreidimensionalen CTund DVT-Datensätze Computer-assistiert mit dem Programm iPlan 3.0.2 Volume (Brainlab®,
Feldkirchen, Deutschland) statt. Für die Durchführung der Volumenbestimmung wurden zwei
unterschiedliche
Verfahren
angewendet
und
miteinander
verglichen.
Die
beiden
Messmethoden wurden in Bezug auf die Umsetzbarkeit und Anwendbarkeit im klinischen
Alltag untersucht, um letztlich die effizienteste Methode zu eruieren. Dabei wurde eine auf
den ersten Blick exaktere, aber zeitaufwendigere Messung gegen ein einfacheres,
zeitsparenderes
Verfahren
getestet,
um
die
Präzision
und
Verlässlichkeit
des
Computerprogramms zu evaluieren.
Ziel dieser Untersuchung war es weiterhin, anhand der Vermessungen von Zysten in allen
drei Raumebenen ein Volumen zu definieren, ab welchem eine Defektfüllung des Lumens
mit körpereigenem Knochen aus intra- oder extraoralen Entnahmestellen empfehlenswert
erscheint. Die Entscheidung, ob eine Defektfüllung sinnvoll oder gar notwendig ist, basiert
bisher größtenteils auf den Erfahrungswerten des Operateurs. Es galt herauszufinden, ob
anhand der präoperativen, nicht-invasiven Volumenberechnung von drei untersuchten
Zystenarten eine klinisch relevante Leitlinie für die optimale Behandlung erstellt werden
kann.
Somit könnte im Vorfeld Klarheit über den Therapieumfang für den Patienten geschaffen
sowie Handlungssicherheit für den geplanten chirurgischen Eingriff auf Seiten des
Operateurs aufgebaut werden. Die Bestimmung des bislang unberücksichtigten Volumens
könnte zukünftig die präoperative, bildgebende Diagnostik ergänzen, um die angestrebte
Therapie zu präzisieren und somit eine kostenbewusste Operationskapazitätsplanung zu
ermöglichen.
Einleitung
1.2
3
Definition
Der Begriff Zyste (gr. Kystis = Blase) [31] bezeichnet einen pathologischen Hohlraum, der
lumenwärts epithelial ausgekleidet ist. Die Begrenzung bildet eine bindegewebige
Zystenwand, die als Zystenbalg definiert ist. Sie treten als ein- und mehrkammrige Gebilde
sowohl im Knochen als auch in den Weichteilen auf. Das Lumen kann neben Flüssigkeit
auch gasförmigen oder breiartigen Inhalt enthalten [45]. Das Vorhandensein von ein- oder
mehrschichtigem Epithel unterscheidet die „echten“ Zysten von den Pseudozysten, deren
pathologische Hohlräume epithelfrei sind [23, 27, 46, 62].
1.3
Allgemeines
Zysten im Kieferknochen oder in den Weichteilen des Kopf-Hals-Bereichs sind keine
Seltenheit. Man geht davon aus, dass ca. 3% der erwachsenen Bevölkerung während ihres
Lebens eine Zyste entwickeln [46].
Zysten sind von ihrer Eigenschaft her primär gutartig [27, 45] und zeigen mit einer Häufigkeit
von 0,3 bis 2% [4] nur eine geringe Tendenz zur malignen Entartung [19, 46].
Die höchste Inzidenz der Erkrankung wird im Allgemeinen zwischen der zweiten und fünften
Lebensdekade beobachtet [46]. Mit einem prozentualen Verhältnis von 58% zu 42% scheint
das männliche Geschlecht darüber hinaus häufiger betroffen zu sein [27, 46]. Neuesten
Studien zufolge ist die Entstehung von Zysten in Ober- und Unterkiefer mit einer Verteilung
von 1,13 zu 1 annähernd gleich [77], wobei sich die Lokalisation der pathologischen
Hohlgebilde innerhalb der beiden Kiefer unterscheidet. Während im Unterkiefer der
Seitenzahnbereich prädestiniert ist, dominieren sie eher in der Frontzahnregion des
Oberkiefers [27, 45].
Mit einer Häufigkeit von ca. 80% treten die odontogenen Zysten, die mit Epithelresten der
unvollständig obliterierten Zahnleiste assoziiert sind, deutlich zahlreicher auf als die nichtodontogenen Zysten [12, 53].
Einleitung
4
Die Häufigkeit von Zysten gliedert sich wie folgt:
Häufigkeit der Zystenart
Häufigkeit in %
Radikuläre und residuale Zysten
52,3
Follikuläre Zysten
16,6
Keratozysten
11,2
Nasopalatinale Zysten
11,0
Paradentale Zysten
2,5
Übrige Zysten
6,4
Tabelle 1: Häufigkeitsverteilung der Zystenarten in Prozent [46]
1.4
Einteilung der Kieferzysten
Zysten lassen sich in der Literatur auf vielfältige Art und Weise klassifizieren.
Zunächst einmal findet eine Unterscheidung der anteilig häufiger vorkommenden
Kieferzysten von den Zysten der Weichteile statt [27]. Die Kieferzysten fächern sich
wiederum unter pathogenetischen, topographischen, morphologischen und klinischen
Aspekten auf. Im Folgenden stützt sich diese Arbeit auf die international anerkannte
Klassifikation
der
Weltgesundheitsorganisation
(WHO),
die
auf
pathohistologischen
Gesichtspunkten basiert. Zum einen berücksichtigt diese international gültige Einteilung die
Entstehungsursache, sodass entwicklungsbedingte von entzündungsbedingten Zysten
unterschieden
werden.
Zum
anderen
gibt
diese
Gliederung Auskunft
über
das
Ursprungsgewebe, sodass odontogene von nicht-odontogenen Zysten unterschieden
werden.
Auch das „Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information“ (DIMDI) gibt
im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit regelmäßig die offiziellen Einteilungen im
Gesundheitswesen heraus. Sie sind festgehalten in der „Internationalen statistischen
Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ [11] (10.Revision,
Einleitung
5
German Modification, Version 2013; ICD-10-GM 2013, s. Anhang), die sich wiederum an der
Einteilung der World Health Organisation (ICD-10-WHO 2013) orientiert. Die ICD-Codes
dienen dabei als Verschlüsselung der Diagnose.
Die erste Gliederung der Zysten aus dem Jahr 1971 geht auf die Oralpathologen Kramer,
Pindborg und Shear zurück. Mehrfache Überarbeitungen führten bis zur noch heute
größtenteils gültigen Fassung der WHO von 1992 [36].
Entwicklungsbedingte
Entwicklungsbedingte
Entzündungsbedingte
odontogene Zysten
nicht-odontogene Zysten
odontogene Zysten
Zysten des Ductus
Radikuläre Zysten
nasopalatinus
(apikal, lateral, residual)
Follikuläre Zysten
Odontogene Keratozysten
Nasolabiale- oder
(Primordialzysten)
nasoalveoläre Zysten
Paradentale Zysten
Gingivale Zysten bei Kindern
(Epstein Perlen)
Eruptionszysten
Laterale parodontale Zysten
Gingivale Zysten des
Erwachsenen
Glanduläre odontogene/
sialoodontogene Zysten
Tabelle 2: WHO-Klassifikation der Zysteneinteilung von 1992 [37]
Im Jahr 2005 erfolgte eine entscheidende Neuerung der bis dato entwicklungsbedingten
odontogenen Keratozyste. Die Bezeichnung ist aufgrund des tumorartigen Verhaltens [46]
der Keratozysten nicht mehr zeitgemäß. Hohe Rezidivraten sowie lokal aggressives
Wachstum waren Gründe, den neu benannten „Keratozystischen odontogenen Tumor
(KZOT)“ in die Gruppe der benignen epithelialen odontogenen Tumoren aufzunehmen.
Einleitung
1.5
6
Ätiologie
Voraussetzung für die Entwicklung einer Zyste im Kieferknochen sind Epithelkeime.
Odontogene Zysten können ihren Ursprung zum einen aus Malassez-Epithelresten nehmen
[15], die nach Rückbildung der aus innerem und äußerem Schmelzepithel bestehenden
Wurzelscheide (Hertwigsche Epithelscheide) im Parodontalspalt verbleiben können. Zum
anderen können auch oberflächlicher gelegene Serres-Epithelreste aus der obliterierten
Zahnleiste Herkunftsort sein. Nicht-odontogene Zysten sind nicht mit Überresten der
Zahnentwicklung assoziiert.
Das in der Literatur gängige Synonym der fissuralen Zysten zeigt, dass es Unstimmigkeiten
bezüglich ihrer Ätiologie und Pathogenese gibt, die noch nicht restlos geklärt sind [27].
Streng genommen gilt diese Bezeichnung nur für Zysten, die aus Epithelresiduen
embryonaler Fusionslinien der Gesichtsfortsätze entstanden sind. Neuesten Erkenntnissen
zufolge ist diese Theorie, die ursprünglich von Thoma aus dem Jahr 1937 [78] stammt, nicht
mehr haltbar und zweifelt die Existenz fissuraler Zysten [15] an. In vielen Lehrbüchern
besteht der Begriff weiterhin, aber schon die WHO-Klassifikation von 1992 [36] sowie die
aktuelle Version aus dem Jahr 2005 [3] führt die viel diskutierte globulomaxilläre Zyste nicht
mehr als eigene Entität auf. Vielmehr beschreibt sie die Lokalisation einer Zyste zwischen
seitlichem Schneidezahn und Eckzahn [21]. Eindeutiger scheint die Bezeichnung
dysontogenetisch für die zwei von der WHO anerkannten nicht-odontogenen Zysten. So
entsteht die Zyste des Ductus nasopalatinus aus Epithelresiduen desselbigen und die
nasolabiale (nasoalveoläre) Zyste aus embryonalen Zellsträngen des Tractus nasolacrimalis
[46].
1.6
Pathogenese
Sowohl die Entstehung als auch die Wachstumsmechanismen sind teilweise hypothetischer
Natur und noch nicht bis ins Detail ergründet [27, 46].
Einleitung
Am
7
Beginn der
Zystenentwicklung
steht
die
Proliferation
von
im
Kieferknochen
zurückgebliebenen Zellnestern. Unspezifische länger andauernde Reize, die traumatisch
oder entzündungsbedingt sein können, sind vermutlich dafür verantwortlich.
Kieferzysten können Jahre bis Jahrzehnte unbemerkt bleiben. Grund dafür sind neben
stetigen Wachstumsschüben auch Phasen der Stagnation, sodass eine außerordentlich
langsame
Größenzunahme
resultiert.
Die
Progredienz
des
Wachstums
beruht
wahrscheinlich auf einem Zusammenwirken von osmotischen Vorgängen und mangelnder
Abflussmöglichkeit über das lymphatische System [27].
Eine Flüssigkeitszunahme im Zystenlumen infolge hydrostatischer Druckdifferenzen führt zu
einer enormen Drucksteigerung. Sie liegt in der Erhöhung der Teilchenzahl osmotisch
wirksamer Substanzen [81] begründet, in der aktiven Sekretion [80] der auskleidenden
Epithelzellen, sowie infolge intramuraler Gewebevermehrung [27]. Da der Zystenbalg als
semipermeable Membran fungiert [82], kommt es zu einem Flüssigkeitseinstrom mit dem Ziel
eines hydrostatischen Konzentrationsausgleichs.
Bei den entzündlichen Kieferzysten ist nicht von einem autonomen Wachstum auszugehen
[27]. Das Infiltrat ist reich an Lymphozyten und Plasmazellen. Diese gelten als Zeichen einer
Autoimmunantwort und enthalten zu etwa 40% Immunglobuline [74]. Die chronische
Balgentzündung steht als Wachstumsreiz im Vordergrund. Die daraus resultierenden
Zerfalls- und Stoffwechselprodukte sammeln sich im Lumen an. Main [41] beschrieb
hingegen, dass das Entstehen nicht entzündungsbedingter Kieferzysten mit jener
Wachstumskinetik echter benigner Tumoren [82] assoziiert ist, welche nicht auf reaktiven
Zelladaptationsvorgängen beruht.
Als Folge steigenden Drucks überwiegt der Knochenabbau in der Zystenperipherie. Einen
zudem
fördernden
Effekt
bewirken
Osteoklasten-stimulierende
Faktoren
aus
Prostaglandinen, die von Leukozyten des Zystenbalgs sezerniert werden [27, 42]. Die
sukzessive
Anlagerung
von
Knochen
seitens
des
Periosts
zum
appositionellen
Einleitung
8
Knochenaufbau kann den beschleunigten Abbau nicht kompensieren. Folglich schreitet der
Knochenverlust unaufhaltsam voran.
1.7
Klinik und Diagnostik von Kieferzysten
Das fehlende oder späte Durchbrechen von Zähnen der 2. Dentition sowie scheinbar
unerklärliche Zahnlockerungen oder Zahnkippungen können auf das Vorhandensein einer
Zyste hindeuten. Häufig wird der Verdacht auf eine Kieferzyste jedoch als Zufallsbefund in
einem Röntgenbild gestellt [46].
Grund dafür ist das langsame, symptomlose Wachstum, welches dem Patienten lange Zeit
keine Beschwerden verursacht. Weder Schmerzen noch Rötungen deuten zunächst auf
diesen pathologischen Prozess hin. Zysten, die nicht durch einen Zufallsbefund im
Röntgenbild aufgefallen sind, werden daher erst bei großer Ausdehnung mit folgenden
Symptomen klinisch sichtbar [46]:

Knochenauftreibungen durch verdrängendes Wachstum

Pergamentknistern („Dupuytrensche Geräusch“) bei Palpation durch Fraktur der
minimierten Knochenlamelle

Prall-elastische, fluktuierende Schwellung bei fehlendem Knochendeckel

Zahnkippungen und Zahnlockerungen

Entzündungszeichen bei sekundär infizierten Zysten

Pathologische Frakturen
Unerlässlich sollte die Sensibilitätsprobe sein, denn der entzündlich bedingten radikulären
Zyste geht eine chronische apikale Parodontitis eines devitalen Zahnes voraus.
Der Schwerpunkt der Zystendiagnostik liegt jedoch in der radiologischen Untersuchung [27],
da sie sich auch bei fehlender klinischer Symptomatik hier viel früher manifestiert.
Die Standardmethode zur Fokussuche stellt das Orthopantomogramm (OPT) dar [46]. Diese
konventionelle zahnärztliche Röntgenaufnahme erlaubt einen Gesamtüberblick mit dem Ziel
Einleitung
9
vier Bereiche (Kiefergelenke, Oberkiefer, Unterkiefer, Zähne) gleichzeitig abzubilden. Das
OPT ist eine Panoramaschichtaufnahme (PSA) und entsteht in Bewegung durch Drehung
von Röntgenröhre und Film- Foliensystem um drei verschiedene Rotationszentren. Diese
Drehachsen befinden sich außerhalb der Abbildungsebene und haben die Aufgabe die
Abbildungsschicht an den elliptisch geformten Kieferbereich anzupassen [14, 60].
Abbildung 1:
Umlaufbahn eines Orthopantomogramms
um die drei Rotationszentren (A, B, C) [61]
„Mit freundlicher Genehmigung durch den
Thieme Verlag“
Das Prinzip beruht darauf, dass alle Strukturen scharf abgebildet werden, die vom
Strahlenbündel mit der gleichen Geschwindigkeit erfasst werden [14]. Die Schichtdicke
beträgt im Frontzahnbereich etwa 0,9 cm und im Seitenzahnbereich etwa 2,8 cm [14].
Strukturen, die vor oder hinter der jeweils abgebildeten Schicht liegen und mit höherer oder
niedriger Geschwindigkeit durchlaufen werden, verursachen Unschärfe und Verwischung
[14]. Die Aufnahmetechnik bedingt, dass die Bildqualität durch Überlagerungseffekte negativ
beeinflusst wird und keine präzise Abbildung der realen klinischen Situation möglich ist [49].
Die Aussagekraft ist demzufolge limitiert. Ein weiteres Problem ist die technisch begründete
Ungenauigkeit in der Größenwiedergabe, bedingt durch einen Vergrößerungsfaktor zwischen
1,2 und 1,5 [61].
Demgegenüber
steht
die
überlagerungsfreie
dreidimensionale
Computertomographie (CT) oder digitaler Volumentomographie (DVT).
Darstellung
mittels
Einleitung
10
Abbildung 2:
Orthopantomogramm aus der
Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie der MHH
Die Computertomographie profitiert durch ein eng eingegrenztes Strahlenbündel von der
Rotationsbewegung von Röntgenröhre und Detektoren um den Körper. Auf diese Art und
Weise werden mittels eines fächerförmigen Röntgenstrahls alle Strukturen als Querschnitt
abgebildet [59]. Da sich der Patient während der Aufnahme im CT in Rückenlage befindet
und in Schichtdicken von 1,0 mm untersucht wird, entsteht ein primär transversales (axiales)
Schnittbild. Aus diesen Daten können die sagittale und koronale Ebene in Schichtdicken von
2,0 bis 4,0 mm rekonstruiert werden [40]. Durch die kontinuierliche Bewegung des Patienten
im Zentrum der Röhre, kommt es zu einer spiralförmigen Umlaufbahn der Röntgenstrahlen.
Neben einer lückenlosen Errechnung von dünneren Schichten verkürzt der Spiralmodus
zudem die Untersuchungszeit.
Abbildung 3:
Spiralförmige Umlaufbahn eines
Computertomogramms bei
kontinuierlichem Tischvorschub [59]
„Mit freundlicher Genehmigung durch
Elsevier GmbH, Urban&Fischer Verlag“
Insgesamt steigert die Schnittbilddiagnostik in allen drei Raumebenen und die daraus
rekonstruierbare
dreidimensionale
Darstellung
in
Verbindung
Auflösungsvermögen die Bedeutung der CT gegenüber der OPT [59].
mit
hohem
Einleitung
11
Abbildung 4:
Computertomogramm aus der
Medizinischen Hochschule Hannover
Hohes Ansehen erlangte die Digitale Volumentomographie seit ihrer Einführung in der Zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde im Jahr 1998 [61].
Ein rotierendes kegelförmiges Strahlenbündel erzeugt 360 Durchleuchtungsaufnahmen. Aus
diesen wird das primäre Schnittbild, die axiale Schicht, rekonstruiert [58]. Sie bildet die
Grundlage für die weitere computergestützte Rekonstruktion in der koronaren und sagittalen
Ebene, um wie auch beim CT eine frei drehbare 3D-Darstellung zu erhalten.
Abbildung 5:
Kegelförmiges Strahlenbündel eines
Digitalen Volumentomogramms [61]
„Mit freundlicher Genehmigung durch den
Thieme Verlag“
Die DVT wird als diagnostisches Hilfsmittel immer attraktiver. Grund dafür ist die im Vergleich
zur CT geringere Strahlenexposition bei nahezu gleichwertiger Aussagekraft. Die
Strahlenexposition ist vom Gerät abhängig, sodass der Mittelwert der effektiven Dosis mit
einer
großen
Standardabweichung
behaftet
ist.
Der
Leitlinie
für
Dentale
Volumentomographie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
(DGZMK) sind die aktuellen Werte zu entnehmen [10]. So beträgt die mittlere effektive Dosis
bei der herkömmlichen CT 788+/- 334 μSv und kann durch die Anwendung der DVT auf
221+/- 275 μSv reduziert werden.
Einleitung
Während
Implantate
12
metallische
zahnärztliche
Aufhärtungsartefakte
Restaurationen,
(Scatters)
im
CT
Osteosynthesematerialien
verursachen
und
somit
oder
den
Informationsgehalt maßgeblich einschränken, treten diese unerwünschten Effekte beim DVT
nur in geringem Maße auf [58]. Die Indikationen der DVT entsprechen denen der CT. In den
Bereichen Implantologie und Traumatologie sind dreidimensionale Bildmedien für die präund postoperative Diagnostik von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglichen eine Aussage
über das Knochenangebot und die Lage wichtiger anatomischer Strukturen vor
Implantationen, die Detektion von Raumforderungen im Knochen sowie die Planung von
umfangreichen Eingriffen in der Fehlbildungs- und Rekonstruktionschirurgie [61].
Abbildung 6:
Digitales Volumentomogramm aus
der Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie der MHH
Auf dem Gebiet der Zystendiagnostik sind die dreidimensionalen Bildmedien insofern ein
wichtiges Hilfsmittel [72], da die Betrachtung der zystischen Raumforderung in allen drei
Raumachsen (Transversale, Koronare und Sagittale) möglich ist. Insbesondere kann die
Nachbarschaft zu anatomisch wichtigen Strukturen studiert werden. Weiterhin kann die
größte Ausdehnung der Zyste in allen Ebenen durch Distanzberechnung zweier manuell im
CT markierter Punkte bestimmt werden. Diese Abstandsmessung ist im OPT nur
zweidimensional möglich und durch den Vergrößerungsfaktor nicht maßstabsgetreu. Erst
durch einen definierten Körper zur Referenzmessung können Abstände errechnet werden.
Im Hinblick auf die präoperative Planung chirurgischer Eingriffe wird das OPT zu Gunsten
Einleitung
13
umfangreicherer Datensätze zunehmend als diagnostisches Hilfsmittel verdrängt. Dennoch
wurde die Möglichkeit, die sowohl das CT als auch das DVT durch seine Dreidimensionalität
bietet, bisher nicht für Volumenberechnungen von Zysten genutzt.
Unter röntgenologischer Betrachtung zeichnen sich Kieferzysten meist durch eine scharf
begrenzte Aufhellung aus [45]. Sie ist das Ergebnis einer Verdichtung des Randsaums, die
auf progredienten aber langsamen Knochenumbauprozessen beruht. Die Lokalisation der
meist rundlich bis ovalen Aufhellung kann einen ersten Hinweis auf die Art der Zyste geben.
Schließt sie die Zahnkrone eines retinierten Zahnes ein, liegt der Verdacht einer follikulären
Zyste nahe. Eine in das Lumen ragende Wurzelspitze lässt eine radikuläre Zyste vermuten.
Auch die genaue Betrachtung des Parodontalspaltes ist ein wichtiges röntgendiagnostisches
Mittel. Im Gegensatz zu den radikulären Zysten, bei denen der Parodontalspalt kontinuierlich
in die Aufhellung übergeht, bleibt dieser bei den dysgenetischen „Pseudozysten“ bestehen.
Weiterhin gibt das konventionelle Röntgenbild Auskunft über die Lagebeziehung der Zyste zu
benachbarten Zahnwurzeln. Sie werden vielfach verdrängt, sodass sich die Zahnkronen
gegeneinander neigen und nicht selten Wurzelresorptionen entstehen.
Die unerlässliche und therapierelevante Beurteilung des umliegenden Gewebes, des
Nervkanals und der Kieferhöhle lässt das Orthopantomogramm jedoch nicht ausreichend zu.
Bei Kieferzysten von erheblicher Größe, deren Ausdehnung in die Kieferhöhle reicht oder die
den Nervkanal aus ihrer physiologischen Lage verdrängt haben, sind aussagekräftigere
Computertomographien oder digitale Volumentomographien indiziert.
1.8
Therapie von Kieferzysten
Durch die Tatsache, dass Zysten durch progredientes Wachstum das umgebende Gewebe
durch Druckatrophie, Resorption oder Verdrängung schädigen kann [46] und bei starker
Ausprägung das Risiko einer pathologischen Kieferfraktur besteht [44], ist die chirurgische
Behandlung das Mittel der Wahl [62].
Einleitung
14
Ziele einer jeden Zystenbehandlung sind:

Vollständige Ausheilung der Erkrankung

Weitgehende Schonung bzw. Wiederherstellung umliegender Gewebe

Differentialdiagnostische
Abgrenzung
anderer
Kiefererkrankungen
durch
histologische Diagnosesicherung
Unabhängig von der Behandlungsmethode ist das „Restitutio ad integrum“ wünschenswert.
Das heißt, dass die vollständige Regeneration des Knochens mit anschließend
uneingeschränkter Funktion angestrebt wird.
Die chirurgische Behandlung sollte unter sorgfältiger Schonung des N. alveolaris inferior
sowie des N. lingualis durchgeführt werden, um dauerhafte Sensibilitätsstörungen zu
verhindern. Sind die knöchernen Defekte ausgedehnter oder besteht sogar Frakturgefahr,
können Stabilisierungsmaßnahmen das Risiko mindern. Möglich ist das Einbringen von
körpereigenem Knochen, eventuell in Kombination mit Osteosyntheseplatten.
Die Basis der Therapien bilden auch heute noch die Operationsverfahren nach Partsch I und
Partsch II.
1.8.1 Zystostomie (Partsch I)
Die primäre Intention der Zystostomie nach Partsch I [47], die bereits 1892 beschrieben
wurde, liegt in der Schonung anatomischer Nachbarstrukturen. Durch Fensterung der Zyste
wird sie zu einer Nebenbucht der Mundhöhle gemacht.
Nach Eröffnung findet eine sofortige Druckentlastung statt, wobei der eigentliche Zystenbalg
in-situ verbleibt. Das Zystenlumen wird zunächst tamponiert, bis die primäre Wundheilung
abgeschlossen ist. Es folgt eine offene Nachbehandlung mithilfe eines Obturators, dessen
größte Zirkumferenz nach und nach reduziert wird [27]. Dieser verhindert den erneuten
Verschluss des Lumens. Auf diese Weise kommt es zu einer appositionellen, knöchernen
Einleitung
15
Regeneration der Zystenhöhle. Ziel ist die Metaplasie des Zystenepithels in unverhorntes
Plattenepithel der Mundhöhle.
Die Zystostomie ist ein übersichtlicher und insbesondere gewebeschonender chirurgischer
Eingriff. Der Verbleib des Zystenbalges bedeutet einen gleichzeitigen Schutz für
angrenzende anatomische Strukturen. Dieses Verfahren findet vor allem bei größeren Zysten
Anwendung, um das Risiko von Zahn- und Nervschädigungen zu minimieren. Für Patienten
mit höherem Lebensalter oder solche, die unter vielfältigen allgemeinmedizinischen
Problemen leiden, kann dieses Verfahren von Vorteil sein.
Nachteilig hingegen ist die lange Nachbehandlungszeit, wobei im Erwachsenenalter auch
keine vollständige knöcherne Defektfüllung zu erwarten ist [46]. Möglicherweise verbleibt
eine Einsenkung im ehemaligen Bereich der Zyste, die sich durch Schleimhaut- oder
Muskulaturüberlappungen wieder schließen könnte [62]. Somit ist das Risiko eines Rezidivs
enorm erhöht. Ein weiteres Problem stellt die Probenentnahme dar. Dadurch, dass ein
Großteil des Zystenbalges in situ verbleibt, steht nur ein kleiner Teil für die
pathohistologische Untersuchung zur Verfügung [62], woraus falsche Ergebnisse resultieren
können.
1.8.2 Zystektomie (Partsch II)
Nachdem 1892 die Zystostomie erstmalig beschrieben wurde, folgte im Jahr 1910 ein
weiteres Verfahren von Carl Partsch zur Behandlung von Zysten. Das Prinzip der
Zystektomie nach Partsch II [48] liegt in der vollständigen Entfernung der Zyste samt
Zystenbalg und hat die knöcherne Regeneration des ehemaligen Zystenlumens zum Ziel.
Um den Kieferknochen nicht unnötig zu schwächen, sollte der Zugang möglichst klein
gehalten
werden.
Dennoch
sollte
eine
gründliche
Enukleation
des
Zystenbalges
gewährleistet sein. Dabei besteht die Forderung, diesen als Ganzes zu exstirpieren, um die
Operation durch einen perforierten, erschlafften Zystenbalg nicht zu erschweren.
Einleitung
16
Durch das Einbluten in die Zystenhöhle entsteht ein Blutkoagulum, über das es zunächst zu
einer bindegewebigen, im Folgenden zu einer knöchernen Regeneration kommt. Bei
größeren Zysten mit einem Durchmesser von mehr als 2 cm [45, 62] erhöht sich jedoch das
Risiko einer sekundären Infektion, sodass Partsch diesen Eingriff nur für kleinere Zysten
empfiehlt. Durch Retraktion verliert das Koagulum den Wandkontakt und lässt einen
„infektionsgefährdeten serösen Randspalt“ [46] entstehen. Die Folge wäre eine Entfernung
des Hämatoms mit offener Nachbehandlung im Sinne einer Zystostomie. Die Transformation
des zuvor exstirpierten Zystenepithels ist dann jedoch nicht mehr möglich. Durch die
autogene
Spongiosaplastik
oder
dem
Einsatz
von
allogenem,
xenogenem
oder
alloplastischem Material kann diese Komplikation vermieden werden. Weiterhin muss die
Zystektomie unter strenger Beachtung anatomischer Strukturen durchgeführt werden, da
Nervschädigungen den Patienten dauerhaft beeinträchtigen können und die Gefahr der
Kiefer- oder Nasenhöhleneröffnung besteht.
Wesentlicher Vorteil gegenüber der Zystostomie ist die verkürzte Behandlungszeit, die sich in
erster Linie auf die primäre Wundheilung von acht bis zehn Tagen beschränkt [46]. Zudem
steht für die histologische Untersuchung die komplette Zyste zur vollständigen Aufarbeitung
zur Verfügung. Nicht zuletzt die Minimierung der Rezidivgefahr macht die Zystektomie mehr
und mehr zur „Therapie der Wahl“ [23] bei den meisten Zystenformen.
Die ossäre Regeneration ist langwierig und nimmt selbst bei jungen Patienten in etwa zwei
Jahre in Anspruch. Die maximale Neubildungsrate von 64% wird zwischen dem siebten und
neunten Monat erwartet [27, 57]. In Abhängigkeit vom Volumen des Defizits, den
individuellen
Leistungen
der
Füllmaterialien
und
den
spezifischen
regenerativen
Eigenschaften von Ober- und Unterkiefer kann die knöcherne Restitution großer
Zystenhöhlen auch bis zu fünf Jahre dauern [68]. Während eine schnellere Osteoneogenese
im lateralen Unterkiefer und Unterkieferast beschrieben wird, stellt man im anterioren
Oberkiefer die ungünstigste Regeneration fest [29]. Vermutlich sind morphologische
Gegebenheiten der Zyste Grund für diese Ungleichmäßigkeit. Denn während die
Einleitung
17
ausgeprägte Kompakta des Unterkieferkörpers eher elliptische Zystenformen ermöglicht,
entsteht eine im Vergleich zum Volumen relativ große Oberfläche. Die breite Kontaktfläche
bietet ein gutes Revaskularisierungsvermögen und stellt den Ausgang einer raschen
knöchernen Defektheilung dar.
1.9
Untersuchte Zystenarten
Die nähere Erläuterung von Kieferzysten beschränkt sich auf die drei in dieser Studie
analysierten und prozentual am häufigsten vorkommenden Zysten:
1.9.1 Radikuläre Zyste
Mit einem Anteil von 52,3% [46] ist sie die am häufigsten diagnostizierte Zystenart des
Kieferknochens [27]. Davon entwickeln sich in etwa 60% der radikulären Zysten im
Oberkiefer, wobei der anteriore Kieferabschnitt als Prädilektionsstelle gilt. Sie kann sich in
jedem Alter entwickeln [4], wobei die höchste Inzidenz Ihres Auftretens zwischen dem dritten
und sechsten Lebensdezennium [46] liegt.
Ausgang ist eine Pulpitis mit folgender Pulpanekrose oder Pulpengangrän, die durch
Entzündungsmediatoren zu einer Stimulation verbliebender Malassez-Epithelreste im
Parodontalspalt führt. Es manifestiert sich eine chronische apikale Parodontitis (apikales
Granulom), die Vorstufe der radikulären Zyste [46]. Diese kann in Kontakt mit dem Foramen
apikale (apikale Zyste) oder mit lateralen Seitenkanälen (laterale Zyste) stehen.
Als Zeichen der Entzündung liegt in mitten der Zyste chronisch-entzündliches Infiltrat vor,
sodass sich bei Eröffnung dieser ein gelblich-rahmiger Inhalt entleert [46]. Der Zystenbalg
kann eine Dicke von bis zu 0,5 cm annehmen. Er besteht aus der subepithelialen Zone, der
mehrschichtig unverhornten epithelialen Zystenwand sowie einer kollagenfaserreichen
Bindegewebskapsel [27, 46].
Einleitung
18
Radiologisch ist das apikale Granulom differentialdiagnostisch nicht von einer radikulären
Zyste zu unterscheiden. Die periapikale Aufhellung stellt sich als rundlich und scharf
begrenzt dar, wobei der schuldige pulpentote Zahn in das zumeist einkammrige Lumen
hineinragt. Wenn ihr Durchmesser radiologisch weniger als 6 bis 8 Millimeter beträgt und die
bereits betroffene Läsionsfläche kleiner als 2 cm² ist, kann noch von einer chronischen
apikalen Parodontitis ausgegangen werden [46]. In diesem Stadium ist die konservative
endodontische Behandlung des verursachenden Zahnes unter Einhaltung engmaschiger
Kontrollen indiziert. Eine spätere Wurzelspitzenresektion kann ebenso notwendig sein wie
die Extraktion eines nicht erhaltungswürdigen Zahnes. Ein Ausbleiben der knöchernen
Regeneration ist ein Zeichen des Misserfolges dieses konservativen Therapieversuches und
fordert zugleich die chirurgische invasive Entfernung der Zyste. Die alleinige Entfernung des
schuldigen Zahnes ist keine Therapiemöglichkeit. Das verbleibende, nun als radikuläre
Residualzyste bezeichnete, pathologische Hohlgebilde [46] kann Ausgang für dysplastische
Veränderungen bis hin zum intraössären Karzinom sein [30].
1.9.2 Follikuläre Zyste
Die
follikuläre
Zyste
gehört
laut
WHO-Klassifikation
zu
den
odontogenen
entwicklungsbedingten Kieferzysten. Ihre Inzidenz liegt mit 16,6% an zweiter Stelle der
Häufigkeitsverteilung. Retinierte und verlagerte Zähne stellen eine Disposition für die
Entstehung dieser Zystenart dar.
Sie entwickeln sich aufgrund einer Dysgenese des Schmelzorgans aus innerem und
äußerem Schmelzepithel, wobei dieses mit dem Zystenbalg an der Schmelz-Zement-Grenze
inseriert [27]. Ursächlich für ihre Genese sind entwicklungsgestörte Zahnkeime, deren
physiologischer Zahndurchbruch aufgrund von Retention und Verlagerung gehindert ist [27,
46]. Auch genetische Faktoren werden in Betracht gezogen, da bestimmte Syndrome wie
Dysostosis cleidocranialis, Klippel-Feil-Syndrom, Cherubismus sowie das Hunter-Syndrom
mit vermehrtem Auftreten von follikulären Zysten assoziiert sind [27]. Weiterhin wird
Einleitung
19
diskutiert, ob eine zystische Umwandlung der retikulierten Schmelzpulpa, die eine
Hypoplasie des Schmelzes hervorruft, Ursache für die Entwicklung sein kann. Die Ätiologie
follikulärer Zysten lässt aber auch entzündliche Vorgänge vermuten, die eine Stimulation der
Zellen des Zahnsäckchens provozieren [27].
Die follikuläre Zyste tritt mehrheitlich zwischen der 2. bis 4. Lebensdekade [27, 46, 62] auf,
wobei das männliche Geschlecht mit einem Verhältnis von 1,5 zu 1 häufiger betroffen ist [27,
70]. Die Inzidenz überwiegt im Unterkiefer. Dort sind es vor allem die Weisheitszähne, die
follikuläre Zysten mit großen Ausdehnungen bis in den aufsteigenden Unterkieferast
aufweisen können. Bevorzugt betroffene Zähne sind weiterhin die Eckzähne beider Kiefer,
gefolgt von den dritten Molaren des Oberkiefers. Die follikuläre Zyste umschließt die
Zahnkrone meist haubenförmig. Deshalb wird sie als zentraler (perikoronarer) Typ
bezeichnet. Ebenso ist eine Lokalisation lateral, periradikulär [27] oder zirkulär [79] möglich.
Der charakteristische, histologische Aufbau weist einen lockeren, kollagenfaserarmen
Zystenbalg
sowie
zweischichtiges
unverhorntes
Plattenepithel
auf.
Da
auch
Epithelproliferationen im auskleidenden Epithel entzündeter follikulärer Zysten beobachtet
werden, ist die Angabe über die Lokalisation der Zyste für den Pathologen zum Ausschluss
einer sich ähnlich darstellenden radikulären Zyste äußerst wichtig [27]. Röntgenologisch
erwecken sie nur dann eindeutig Verdacht, wenn sie als scharf begrenzte, meist
einkammrige, perikoronare Aufhellung an retinierten Weisheitszähnen oder verlagerten
Zähnen imponieren. Das Vorkommen anderer Lagetypen der follikulären Zysten erschwert
die radiologische Befundung, sodass die endgültige Diagnose immer das Resultat aus
pathohistologischer Untersuchung und klinischen Aspekten ist.
Damit Zahnfollikel nicht fälschlicherweise als follikuläre Zyste chirurgisch entfernt werden,
sorgte Pindborg 1974 [51] für eine einheitliche Regelung. Demzufolge handelt es sich nur
dann um eine follikuläre Zyste, wenn die Distanz zwischen Zystenwand und Krone ein Maß
von 2,5 mm überschreitet.
Einleitung
20
1.9.3 Keratozystisch odontogener Tumor (Keratozyste)
Bis zum Jahr 2005 wurde der keratozystisch odontogene Tumor (KZOT) als Keratozyste
bezeichnet und laut WHO als odontogene entwicklungsbedingte Zyste klassifiziert. Diese
Benennung wurde seit Einführung von Philipsen im Jahr 1956 [27] bis vor wenigen Jahren in
der Literatur geführt. Die besonderen, mit keinen anderen Zysten vergleichbaren
Eigenschaften gaben Anlass, die ehemalige Keratozyste von nun an als echten Tumor zu
betrachten. Außerordentlich langsames aber lokal aggressives Wachstum zeichnen sie aus
[27, 46]. Ihre Invasivität und hohe Neigung zu Rezidiven [50], die je nach Radikalität der
Operation zwischen 2 bis 63% [46, 71] angegeben wird, erklärt die Umbenennung und die
Neueinteilung in die Gruppe der benignen odontogenen Tumoren im Jahr 2005 [3]. Parallel
dazu besteht die mehrfach revidierte WHO-Klassifikation von 1992 [37] fort, sodass die
Keratozyste weiterhin als entwicklungsbedingte odontogene Zyste aufgeführt ist. Aufgrund
der Gültigkeit von beiden internationalen Einteilungen werden die Begriffe keratozystisch
odontogener Tumor und Keratozyste in dieser Arbeit synonym verwendet. Schließlich ist der
Begriff der Keratozyste auch heute noch in klinischem Gebrauch.
Die enorm erhöhte Rezidivrate im Vergleich zu anderen Kieferzysten liegt an der Fähigkeit,
Mikrozysten auszubilden. Zellstränge aus dem auskleidenden Epithel wachsen in die
umliegende Spongiosa und bilden dort sogenannte Satellitenzysten (Tochterzysten). Sie
erschweren die vollständige Entfernung erheblich und sorgen auch noch nach 10 Jahren für
wiederkehrende keratozystisch odontogene Tumoren. Nur engmaschige regelmäßige
Kontrollen können Rezidive, die sich zumeist in den ersten fünf Jahren nach der Operation
manifestieren
[27,
28],
frühzeitig
entdecken.
Da
Keratozysten
auch
zu
Plattenepithelkarzinomen entarten können [70], sind die Routineuntersuchungen von großer
Wichtigkeit und werden empfohlen [75].
Der Häufigkeitsgipfel von Keratozysten findet sich zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr
[32]. Auch hier erkranken Männer öfter als Frauen [46, 62]. Weiterhin ist der Unterkiefer
Einleitung
21
dreimal so häufig betroffen wie der Oberkiefer, wobei Kieferwinkel und Molarenregion
Prädilektionsstellen sind [27, 46, 62].
Vermehrt multilokuläres Auftreten sowie intrakavitäre Septierungen stellen besondere
Merkmale von Keratozysten dar. Hieraus resultiert röntgenologisch eine mehrkammrige,
girlandenförmige, wolkig imponierende Aufhellung. Als Zeichen der Lumenerweiterung durch
das Wachstum von Tochterzysten in der Peripherie ist häufig keine glatte Begrenzung
ersichtlich. Im Gegensatz zu radikulären und follikulären Zysten lassen osteolytische
Prozesse unscharfe Ränder entstehen, die auch auf ein tumoröses Geschehen hindeuten
können [27].
Gerade bei dieser aggressiven Zystenart, die durch die Ausbildung von Tocherzysten in den
Weichteilen weiter wachsen kann [27], hat die histopathologische Aufarbeitung nach
obligater Entfernung einen besonderen Stellenwert zur Diagnosesicherung [47].
Keratozystisch odontogene Tumoren zeichnen sich durch mehrschichtig verhorntes
Plattenepithel aus. Es werden drei Unterklassen differenziert.
Histologische Subtypen der Keratozyste [46]:

I:

II: breiteres, bis zu achtschichtiges Epithel mit Para- und Hyperparakeratose

III: nur teilweise den Kriterien der Keratozyste entsprechend, aber keiner
flaches, bis zu sechsschichtiges Epithel mit Para- oder Orthokeratose
anderen Zystenart zuzuordnen
Durch die Ausbildung von Satellitenzysten nimmt der keratozystisch odontogene Tumor eine
Sonderstellung ein. Dies erklärt gleichermaßen die Fülle an Behandlungsmaßnahmen bei
fehlendem einheitlichem Therapiekonzept [27]. Die Zystektomie ist in jedem Fall der
Zystostomie vorzuziehen, die mit Rezidivraten von 38 bis 90% [46] unter Belassen des
Zystenbalges keinen Erfolg erzielt. Um mit größerer Wahrscheinlichkeit potentielle
Mikrozysten zu entfernen, können Radikaloperationen in Betracht kommen. Da sie für den
Patienten aber mit außerordentlich funktionellen und ästhetischen Einschränkungen
Einleitung
22
einhergehen und aufwändige plastische Rekonstruktionen verlangen, sollte auf diese
Methode möglichst verzichtet werden [27]. Eine konservative Variante bietet das zusätzliche
Ausfräsen der Zystenkavität nach Zystektomie. Das Anfrischen des Knochens hat die
Entfernung von Mikrozysten zum Ziel. Gegenstand der Therapiekonzepte ist zudem die
Zystektomie mit adjuvanter Anwendung der Carnoy-Lösung, die durch Voorsmit und
Stoelinga [84, 85] postuliert wurde. Das Gemisch aus 1 ml Eisenchlorid, 1 ml Eisessigsäure,
3 ml Chloroform und 6 ml Alkohol erreicht eine intraoperative Gewebefixierung und
erleichtert die Exkochleation der braun eingefärbten Gewebereste. Durch gesunkene
Rezidivraten auf 1 bis 8,7% [7] erscheint diese Methode attraktiv. Jedoch findet dieses
Verfahren aufgrund einer nachgewiesenen neurotoxischen Wirkung der Substanz kaum noch
Anwendung [26].
Multiple keratozystisch odontogene Tumore können auch Ausdruck des Gorlin-GoltzSyndroms sein [4]. Diese auch als Basalzellnävussyndrom bezeichnete autosomal-dominant
vererbbare Krankheit äußert sich durch multilokuläre Keratozysten in Verbindung mit
zahlreichen Basaliomen und ist mit Anomalien des Skeletts vergesellschaftet [24].
1.10 Knochenaugmentationsmaterialien
Schon Partsch hatte festgestellt, dass die Heilung von Zystenhöhlen über das Blutkoagulum
in der Regel komplikationslos verlaufen kann, wenn der Durchmesser nicht größer als 2 cm
ist [48]. Bei Zysten größerer Ausdehnung besteht die Gefahr der sekundären Infektion. Das
Blutkoagulum verliert als Folge der Retraktion und dem damit verbundenem Abreißen der
Fibrinfäden den Wandkontakt [45, 67] und lässt einen Randspalt entstehen, der mit
ausgespresstem serösen Exsudat gefüllt ist. Eine Einwanderung von Mesenchymzellen zur
Bildung der Kapillaren ist behindert und stört die Regeneration.
Aus diesem Grund werden bei größeren Zysten verschiedene Füllstoffe hinzugezogen. Für
die Defektfüllung werden bevorzugt körpereigene Knochentransplantate genutzt sowie
verschiedene Knochenersatzmaterialien (KEM).
Einleitung
23
1.10.1 Autogene Knochentransplantate (Autograft)
Nach wie vor ist die Transplantation von körpereigenem Knochen als „Goldstandard“ [69]
anzusehen. Aufgrund dessen, dass Spender und Empfänger identisch sind, geht keine
Gefahr
von
infizierten
Ersatzmaterialien
oder
immunologisch
bedingten
Abstoßungsreaktionen aus. Die Voraussetzung einer vollständigen Integration ist durch die
osteoinduktiven und osteokonduktiven Eigenschaften des autogenen Transplantats gegeben
[63]. Die Einheilung durchläuft mehrere Phasen vom Prozess der Resorption bis hin zum
schrittweisen Neuaufbau des Knochens. Zunächst sorgen die im Transplantat überlebenden
Osteoblasten für den Beginn der Osteoneogenese. Durch das osteokonduktive Vermögen
dient das autologe Transplantat als Leitschiene für Osteoklasten aus einsprossenden
Gefäßen. Während das Füllmaterial sukzessive abgebaut wird, produzieren Osteoblasten
neues Knochenmaterial. Sie haben sich unter dem Einfluss von wachstumsinduzierenden
Proteinen (BMP= bone morphogenetic protein) aus pluripotenten Mesenchymzellen
differenziert. Letztlich wird der frei transplantierte Knochen unter Belastung auch funktionell
durch Umwandlung von Geflecht- zu Lamellenknochen integriert. Somit wird das
körpereigene Transplantat im Laufe der Einheilung einmal vollständig umgesetzt [63]. Trotz
des zum Teil notwendigen Zweiteingriffs zur Entnahme von autogenem Knochen aus
operationsfernem Gebiet überwiegen die Vorteile dieser Möglichkeit zur Defektfüllung von
Knochenhöhlen und macht sie zur idealen Transplantatform.
Abhängig von dem benötigten Knochenvolumen muss die Entnahmestelle individuell gewählt
werden. Lokoregional kann etwa 1 cm³ Knochen [83] gewonnen werden. Zur Verfügung steht
der aufsteigende Unterkieferast, die Kinnregion, der Tuberbereich, die Spina nasalis anterior
sowie die Crista zygomaticoalveolaris. Größere Knochenmengen bieten nur extraorale
Spenderregionen wie z.B. der Tibiakopf oder die Beckenkammschaufel.
Prinzipiell unterscheidet man drei verschiedene Formen der Transplantate: Kompakta-,
Spongiosa- oder kortikospongiöse Transplantate. Während Kortikalistransplantate eine
ausgezeichnete
Fixation
von
Osteosynthesematerialien
ermöglichen,
bieten
Einleitung
24
Spongiosatransplantate eine größere Oberfläche [69]. Ein großflächiger Kontakt zum
ortständigen Knochen erzielt eine schnelle Revaskularisierung und somit eine zügige
Einheilung. Durch den Einsatz von Knochenmühlen kann dieser Vorteil auch bei kortikalen
Knochentransplantaten genutzt werden. Die Defektfüllung von Zystenhöhlen basiert
vornehmlich auf der spongiösen Osteoplastik. Das poröse Material kann der individuellen
Kavität entsprechend geformt und eingebracht werden. Während intraoral mittels
Knochenschabern kortikospongiöse Knochenspäne gesammelt werden kann, stehen für die
Gewinnung von Spongiosa aus dem Beckenkamm Knochenstanzen zur Verfügung.
In der Literatur sind folgende ideale Eigenschaften von Knochenersatzmaterialien als
wünschenswert beschrieben: Osteoinduktion, Osteokonduktion, Biokompatibilität, Porosität,
Resorbierbarkeit, Belastungsstabilität, Formbarkeit, Sterilität sowie stabile, langfristige
Integration von Implantaten [56]. Zurzeit vereint kein Knochenersatzmaterial so viele
Fähigkeiten auf sich wie der körpereigene Knochen. Autogene Knochentransplantate sind
somit bei gegebenen Voraussetzungen das Material der ersten Wahl [69].
In der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Hochschule
Hannover ist sie ausschließlich Methode der Wahl. Alle Patienten dieser Studie haben
körpereigenen Knochen erhalten.
1.11 Fragestellungen
In der Literatur steht häufig beschrieben, dass es sinnvoll ist, große Kieferzysten mit
Knochenmaterial zu versorgen. Eine genaue Definition der „großen“ Zyste gibt es jedoch
nicht.
In dieser Studie wird dargelegt, wie die Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
der Medizinischen Hochschule Hannover diese Frage klinisch handhabt und ab welchem
Volumen körpereigener Knochen in das Zystenlumen eingebracht wurde. Die intraoperativ
gefällte Entscheidung für oder gegen eine autogene Osteoplastik galt dabei als
Einleitung
25
„Goldstandard“, sodass sich eine retrospektive Analyse der betroffenen Patienten ergab. Die
Volumenbestimmung fand auf zwei verschiedenen Wegen Computer-assistiert statt.
Anhand der zu Grunde liegenden Informationen werden Fragen in den folgenden zwei
Bereichen beantwortet:
I
Methodenvergleich:

Wie groß sind die Übereinstimmungen der Messergebnisse aus Methode 1 und
Methode 2?

Welche Methode ist für den klinischen Alltag in Bezug auf Anwendbarkeit,
zeitlichem Aufwand und Benutzerfreundlichkeit besser geeignet?

Ist es sinnvoll, die Volumenbestimmung von Zysten in die präoperative Diagnostik
aufzunehmen?

Welche weiteren Informationen kann die Software neben der Volumenberechnung
noch liefern und wie können diese genutzt werden?
II
Zystenvolumen und Defektfüllung:

Gibt es eine Korrelation zwischen Zystenvolumen und Defektfüllung mit
körpereigenem Knochen?

Ab welchem Volumen hat sich eine Zystektomie mit anschließender autogener
Osteoplastik in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der
Medizinischen Hochschule Hannover bewährt, sodass diese Vorgehensweise
empfohlen werden kann?

Gibt es eine Abhängigkeit zwischen autogener Osteoplastik von Zystenhöhlen und
dem Alter oder Geschlecht des Patienten?

Wird eine der untersuchten Zystenarten nach chirurgischer Entfernung besonders
häufig mit Knochenmaterial versorgt?
Material und Methode
26
2 Material und Methode
2.1
Patientenauswahl
Das Kollektiv der vorliegenden Arbeit bestand aus 88 Patienten, die an einer radikulären
Zyste, einer follikulären Zyste oder an einem keratozystisch odontogenen Tumor im
Unterkiefer erkrankten. Die Zysten wurden in dem Zeitraum von 2004 bis 2011 durch
Zystektomie entfernt. Mit dem Ziel der ossären Regeneration wurden die Zystenhöhlen
entweder mit körpereigenem Knochen aufgefüllt, welcher von intraoral oder aus dem
Beckenkamm gewonnen wurde, oder es wurde eine Knochenheilung über das Blutkoagulum
angestrebt - sowohl mit als auch ohne Kollageneinlage.
Um vergleichbare Ergebnisse zu erlangen, beschränkte sich die Volumenberechnung der
Zysten auf einen Kiefer. Im Hinblick auf die Häufigkeitsverteilung von Kieferzysten wurde der
primäre Datensatz auf die prozentual am zahlreichsten vorkommenden Zystenarten
reduziert. Somit wurden nur die radikulären und follikulären Zysten sowie die Keratozysten
erfasst und vermessen. Ein entscheidendes Auswahlkriterium war das Vorliegen einer
qualitativ guten, dreidimensionalen Bildgebung in Form einer CT oder DVT. Von Interesse
waren weiterhin folgende Angaben: Geburtsdatum, Operationsdatum, Geschlecht, Art der
Zyste, Rezidiv, Region des Auftretens, Zystentherapie, intraoperatives Vorgehen in Bezug
auf eine Defektfüllung mit autogenem Knochen.
Es wird für die Studie nur bis auf das Jahr 2004 zurückgeblickt, weil die Daten der zuvor
aufgenommenen Patienten bereits in Archiven gesichert sind, auf die nicht ohne weiteres
zurückgegriffen werden konnte.
2.2
Kohorteneinteilung
Aus dem Kollektiv der 88 Patienten hatten 17 Patienten zwei Zysten in der angegebenen
Zeitspanne von acht Jahren. Von diesen 17 Patienten hatten neun Patienten zwei Zysten
gleichzeitig, sieben der gleichen Art und zwei andersartige. Bei den restlichen acht Patienten
Material und Methode
27
traten die beiden Zysten zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Diese gehörten jeweils zu der
gleichen Zystenart. Der Datensatz wies nur fünf mögliche Rezidive auf. Sie kennzeichneten
sich dadurch, dass sie in zeitlichem Abstand in der gleichen Region auftraten und gleicher
Art waren. Mit der Vorüberlegung, dass Zweitzysten, unabhängig ob Rezidiv oder nicht
Rezidiv, durch regelmäßige klinische und röntgenologische Nachkontrollen vermutlich
frühzeitiger erkannt wurden als erstmalig manifestierte Zysten, wurde das Kollektiv in zwei
Kohorten aufgeteilt. So konnte man vermuten, dass die Zweitzysten in einem frühen Stadium
entdeckt wurden und demzufolge ein kleineres Volumen aufwiesen als Erstzysten, sodass
eine Defektfüllung unwahrscheinlich wurde.
Die vorliegende Studie evaluierte jedoch nicht vermeintlich große gegen kleine Zysten,
sondern überprüft im Allgemeinen, ob eine Korrelation zwischen Zystenvolumen und
Defektfüllung vorliegt. Die Einteilung der beiden Kohorten in Erst- und Zweitzyste wurde
deshalb wie folgt gewählt:
Erstzyste
alle Patienten, die nur einmal eine Zyste
hatten
zzgl. alle Patienten, die zwei Zysten zu
unterschiedlichen Zeitpunkten hatten und
davon die zuerst aufgetretene Zyste
Zweitzyste
alle Patienten, die Zysten zu
unterschiedlichen Zeitpunkten hatten und
davon die später aufgetretene Zyste
zzgl. alle Patienten, die zeitgleich zwei Zysten
hatten und davon die größere Zyste
zzgl. alle Patienten, die zeitgleich zwei
Zysten hatten und davon die kleinere Zyste
Tabelle 3: Einteilung des Patientenkollektivs
Die Patienten, die nur einmal an einer Kieferzyste erkrankten, wurden eindeutig der Gruppe
der Erstzysten zugeordnet.
Patienten, bei denen sich zwei Zysten zu unterschiedlichen Zeitpunkten entwickelten,
wurden ebenfalls eindeutig in Erst- und Zweitzysten unterteilt.
Material und Methode
28
Die bereits erwähnten neun Patienten, bei denen zeitgleich zwei Zysten detektiert wurden,
ließen sich auf konservative Art und Weise in die beiden Kohorten aufteilen. So wurde die
kleinere der beiden Zysten in die Gruppe der Erstzysten aufgenommen.
Hintergrund dieser Einteilung war, dass die Kohorte der Erstzysten demzufolge auch
geringere Zystenvolumina enthielt. Falls in dieser Gruppe eine Kongruenz in Bezug auf eine
autogene Osteoplastik zu erkennen war, traf dieser Zusammenhang mit großer
Wahrscheinlichkeit für die größeren Zysten - die zum Teil in die Kohorte der Zweitzysten
gehörten - ebenso zu.
2.3
Material
2.3.1 Exceltabelle
Der Datensatz enthielt letztlich folgende Informationen:
Zystenart:
Keratozyste (1), Follikuläre Zyste (2), Radikuläre Zyste (3)
Geschlecht:
männlich (0), weiblich (1)
Alter:
Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation
Therapie:
Knochen ja (1), Knochen nein (2)
Kohorte:
Erstzyste (1), Zweitzyste (2)
Region:
entsprechend des Parodontalen Screening Index (PSI) für den Unterkiefer
(UK) in den Sextanten S4 - S6.
Der PSI bezieht sich eigentlich nur auf die Zähne und das Parodontium.
Zur Vereinfachung gehört der jeweilige Knochenabschnitt jedoch mit in die
Sextanten. Der aufsteigende UK-Ast sowie der UK-Winkel werden zu den
Sextanten des Seitenzahnbereichs S4 bzw. S6 gezählt.
Material und Methode
29
Abbildung 7:
Einteilung der Sextanten S1-S6 [5]
„Mit freundlicher Genehmigung durch
Dr. med. dent. Wolfgang Bengel“
2.3.2 Digitaler Workflow der verwendeten Software
Die dreidimensionale Volumenbestimmung von Unterkieferzysten fand mithilfe des
Computerprogramms iPlan 3.0.2 Volume (Brainlab®, Feldkirchen, Deutschland) [73] statt.
Dieses Programm hat sich als Marktführer unter den Navigations- und Planungssoftwares
der kraniofazialen Chirurgie etabliert, sodass es einen großen Stellenwert in der Computerassistierten Chirurgie (CAS) [16, 17, 33, 43, 76] einnimmt.
Ursprünglich findet die Applikationssoftware iPlan, die aus zweidimensionalen Schichten
eine 3D-Ansicht rekonstruiert, in der Traumatologie [22], Orbitachirurgie [34, 65, 90],
Tumorchirurgie [64] sowie in der Wiederherstellung von kraniofazialen Fehlbildungen
Anwendung.
Der
zugrundeliegende
3D-Volume-rendering-Algorithmus
ermöglicht
eine
einheitliche
dreidimensionale Visualisierung des Gesichtsschädels und vermittelt somit eine detailgetreue
Wiedergabe
der
originalen
anatomischen
Situation.
Anhand
des
virtuellen,
aber
realitätsnahen Modells werden präoperative Planungen möglich, die den Erhalt vitalen
Gewebes und eine formgetreue Rekonstruktion zum Ziel haben.
Material und Methode
30
Die Software ermöglicht unter anderem die Markierung von Tumorgrenzen mit den
zugehörigen Sicherheitsabständen, um die Resektionsgrenzen festzulegen. Da Zysten
röntgenologisch eine ähnliche raumfordernde Struktur aufweisen wie Tumorgewebe, lag die
Überlegung nahe, die Software für die Volumenberechnung von Zysten zu nutzen und das
Einsatzgebiet somit zu erweitern.
Datentransfer
Um die Unterkieferzysten des selektierten Patientenkollektivs Computer-gestützt mit dem
Programm iPlan vermessen zu können, war zunächst ein Datentransfer mit anschließender
Umwandlung und Ausrichtung der Datensätze nötig.
Die CT-/DVT-Aufnahmen lagen als DICOM-Datensätze (Digital imaging and communication
in medicine) vor und wurden aus dem hochschulinternen PACS (Picture archiving and
communication system) generiert. Die Umwandlung der DICOM-Datensätze in Softwarekompatible x-brain-Formate geschah durch einen Preprocessing-Algorithmus, der darüber
hinaus alle transversalen CT-/DVT-Schichten an der Frankfurter Horizontalen (FH) und der
Mittelsagittalebene (MS) - der sogenannten FHMS - ausgerichtet hat [54]. Sinn und Zweck
des Preprocessing-Algorithmus ist die Übertragung der Datensätze in die Software sowie die
Standardisierung
der
Datensätze,
um
eine
dreidimensionale
Betrachtung
unter
generalisierten Voraussetzungen zu ermöglichen.
Zur Sicherung von Quantität und Qualität der CT-/DVT-Datensätze wurde die Schichtmenge
auf mindestens 100 und maximal 700 Schichten festgelegt. Die einzelnen Schichten hatten
einen Abstand von höchstens 3 mm.
Segmentierung
Das Zystenvolumen wurde durch die Kennzeichnung der Zystengrenzen in allen drei
Raumebenen der CT/DVT errechnet. Ein Segmentierungsalgorithmus ermöglichte die
virtuelle Markierung der Zystenform. Das genaue Verfahren zur manuellen Durchführung [54]
wird im folgenden Kapitel erläutert.
Material und Methode
31
Interpolation
Ein Interpolationsalgorithmus gewährleistete, dass die Zyste nicht in jeder einzelnen Schicht
der CT/DVT eingezeichnet werden musste. Vielmehr generierte die Software durch diese
Funktion
automatisch
die
zwischenliegenden
Schichten
aus
den
eingezeichneten
Hounsfield-Einheiten (HE). Wenn Knochen durch unpräzises Zeichnen fälschlicherweise als
der Zyste zugehörig gekennzeichnet wurde und somit größere HE-Einheiten involviert waren,
wirkte sich dieser Fehler demnach auch auf die Interpolation aus.
Datenarchivierung
Nachdem die Zyste markiert wurde und die Software aus diesen Informationen einen
virtuellen Zystenkörper erstellt hatte, erfolgte die Sicherung der Datensätze auf einer lokalen
Datenbank. Dafür wurden die x-brain-Formate pseudonymisiert, um sie im Folgenden zum
Erhalt wissenschaftlicher Arbeit für zehn Jahre aufzubewahren.
2.4
Methoden der Volumenberechnung
Die Volumina von 88 Unterkieferzysten wurden Computer-assistiert mit dem Programm iPlan
3.0.2 Volume (Brainlab®, Feldkirchen, Deutschland) berechnet.
Damit dieser Studie repräsentative Volumengrößen zu Grunde lagen, wurde jede Zyste
beider Kohorten dreimal vermessen. Die wiederholten Messungen ergaben letztlich einen
Mittelwert für jede Zyste.
Durch einen Methodenvergleich für die Volumenbestimmung sollte die Eigenleistung und
Präzision
des
Computerprogramms
evaluiert
werden.
Somit
wurde
ein
weiterer
Messdurchlauf unter Anwendung einer zweiten Vorgehensweise durchgeführt. Auch dieses
Verfahren wurde dreimal pro Zyste angewendet. Die drei Einzelmessergebnisse beider
Methoden wurden gemittelt, sodass jeweils ein Mittelwert pro Methode resultierte. Die
Messgrößen der ersten Methode sind Zwischenergebnisse von Methode 2. Im Nachhinein
Material und Methode
32
wurden beide Methoden statistisch analysiert, um zu prüfen, ob die Ergebnisse aus Methode
1 auch gleichzeitig mit einem Genauigkeitsverlust einhergingen.
2.4.1 Voreinstellungen
Vor Beginn der Messung war die Orientierung über die Zyste im Unterkiefer sinnvoll. Dabei
sollte die Zyste im Hinblick auf ihre Lokalisation und Ausdehnung begutachtet werden.
Insbesondere angrenzende anatomische Nachbarstrukturen wie der Nervkanal oder
Zahnwurzeln sollten studiert werden, um einschätzen zu können, inwiefern sie mit der Zyste
Verbindung standen. Die Programmoption „Overview“ bietet für den Nutzer die Möglichkeit,
sich einen Gesamtüberblick über das CT/DVT zu verschaffen:
Feld 1 = Gesamtdarstellung
Feld 2 = transversale Ebene
Feld 3 = sagittale Ebene
Feld 4 = koronare Ebene
Abbildung 8: „Overview“
Der „Overview“ besteht aus vier Fenstern. In Feld 1 erscheint das CT/DVT, während in den
anderen drei Feldern das Röntgenbild in der transversalen (axialen), sagittalen und
koronaren Ebenen dargestellt wird. Es kann auf alle Felder zugegriffen werden. Eine
Material und Methode
33
Veränderung des Achsenkreuzes in einem Feld wirkt sich auch auf die anderen
Darstellungen aus. Somit konnte jeder Punkt des dreidimensionalen Datensatzes mittels
Verschiebung des Achsenkreuzes erreicht werden und ermöglicht so einen präzisen Einblick
in die diagnostisch relevante Struktur.
In dem ersten Feld können zudem verschiedene Einstellungen ausgewählt werden, um den
dreidimensionalen Datensatz zu betrachten. So kann das CT/DVT zum Beispiel knöchern
und röntgenologisch dargestellt werden. Dabei lässt sich der Datensatz in alle Richtungen
rotieren und erlaubt Einblicke, die keine klinische Untersuchung oder zweidimensionale
Bildgebung leisten kann. Die Begutachtung des knöchernen Schädels ist durch die Auswahl
„Bone“ oder „Bone/Vessels“ mit und ohne Weichteilsilhouette möglich und veranschaulicht
eventuelle Knochendefekte. Jede
Situation kann in Form eines Screenshots als
Momentaufnahme festgehalten werden. So zeigt folgende Abbildung das über den gesamten
Bildschirm vergrößerte DVT in der Bone/Vessels – Ansicht.
Abbildung 9: „Overview“ – Vollansicht von Feld 1
Je nach Lokalisation und Größe können Zysten Knochenauftreibungen und -perforationen
verursachen. Bei sorgfältiger Betrachtung der CT/DVT in der skelettalen Ansicht können
Material und Methode
34
solche schon vor Einzeichnung der Zyste erkannt werden. Somit vermittelt das virtuelle, frei
drehbare Knochenmodell dem Nutzer eine sehr genaue Vorstellung über die tatsächliche
klinische Situation, die ihn in der Operation erwarten wird.
Durch die Auswahl „Radiography“ erscheint das CT/DVT in der röntgenologischen Ansicht.
Diese Darstellung gibt insbesondere Aufschluss über die Beziehung der Kieferzyste zu
Zahnwurzeln und dem Nervkanal. Weiterhin kann die Lage der Zyste im Unterkieferkörper
beurteilt und mögliche Septierungen erkannt werden. Vor allem noch wenig ausgeprägte
Tochterzysten des keratozystisch odontogenen Tumors werden durch Rotation der
röntgenologischen Darstellung leichter sichtbar.
Es empfiehlt sich, den gesamten Umfang der Kieferzysten einmal in allen drei Ebenen
„durchzuscrollen“, um fragliche Strukturen eindeutig als der Zyste zugehörig oder nicht
zugehörig zu identifizieren. Schwierigkeiten können sich dann ergeben, wenn die Zyste den
Knochen perforiert und sich weitreichend ins Weichgewebe ausgedehnt hat. Insbesondere
das DVT, das eine zuverlässige knöcherne Darstellung bietet, zeigt Schwächen bei der
Weichgewebedarstellung. Dies galt es zu berücksichtigen.
Nach gründlicher Betrachtung der vorliegenden Zystenhöhle begann ihre Segmentierung.
Zunächst wurde unter dem Button „new object“ ein neues Objekt angelegt und benannt. Im
Anschluss wurde eine Farbe ausgesucht, in der die Zyste markiert wurde. Verschiedene
Voreinstellungen konnten die Segmentierung erleichtern und den Arbeitsaufwand verringern.
Je nach Größe der Zyste konnte der Durchmesser des Pinsels individuell gewählt werden.
Über den Button „Brush“ wurde seine Funktion aktiviert oder deaktiviert. Letztlich entscheidet
der Nutzer subjektiv über die für ihn komfortabelste Einstellung, denn unabhängig von der
Stiftgröße werden exakte Messungen erzielt. Unter Auswahl des Buttons „Eraser“ oder durch
Halten der rechten Maustaste konnte zusätzlich ein „Radiergummi“ zu Hilfe genommen
werden. Der Durchmesser konnte, wie auch die Pinselgröße, stufenlos gewählt werden.
Überkonturierte Bereiche konnten somit schnell und einfach entfernt werden. Ein Häckchen
im Feld „contours“ entschied darüber, ob die Zystenränder nur als Linie dargestellt werden
Material und Methode
35
oder ob die eingegrenzte Fläche vollständig farblich ausgefüllt wird. Als nützlich hat sich die
Einzeichnung als Kontur erwiesen. Auf diese Art und Weise kann sehr exakt überprüft
werden, ob die Zyste im Randbereich über- oder unterdimensioniert ist. Wenn die Zyste
komplett farblich dargestellt ist, kann man nur schlecht den röntgenologisch aufgehellten
Bereich der Raumforderung nachverfolgen.
2.4.2 Messvorgang von Methode 1 und Methode 2
Nach Auswahl aller beliebigen Voreinstellungen begann die Segmentierung der Zyste in der
transversalen Schicht mit dem Ziel der Volumenberechnung. Dafür wurde das Fenster
„4Views“ geöffnet und die entsprechende Raumebene eingestellt.
Die Aufnahmetechnik der CT/DVT bedingt, dass das primäre Schnittbild immer die axiale
Schicht ist, sodass diese Ebene das höchste Auflösungsvermögen aufweist. Die Detektion
der Kieferzyste ist demnach in der transversalen Ebene am eindeutigsten, sodass diese
Raumachse stets Ausgangspunkt der Messung war.
Von in Richtung kaudal-kranial (fußwärts-kopfwärts) kommend, wurde die Schicht eingestellt
in der die Zyste erstmals als röntgenologische Aufhellung erschien. Dann wurde sie entlang
der Grenze zum Knochen eingezeichnet. Die darauf folgende zweite und dritte Schicht
wurden ausgelassen, denn durch die Markierung der Zyste in der vierten Schicht, interpoliert
das Computerprogramm die zwischenliegenden Schichten. Danach wurden die nächsten
vier Schichten aufgerufen, um auch dort nur die vierte Schicht einzuzeichnen. Dieser
Vorgang wurde solange wiederholt bis die Zyste einmal vollständig in den relevanten
transversalen Schichten markiert wurde. Dieses Verfahren kennzeichnete Methode 1.
In der kommenden Abbildung ist die Option „4Views“ aufgerufen und zeigt die als Fläche
eingezeichnete Zyste über vier transversale Schichten.
Material und Methode
36
Abbildung 10: „4Views“
Im Fenster „Plan Content“ wurde die Zyste letztendlich aus den eingezeichneten Schichten
berechnet und das ermittelte Volumen dort in der Einheit cm³ angegeben.
 3D-Zystenkörper
 Volumen in cm³
Abbildung 11: Ausschnitt des Fensters „Plan Content“
Material und Methode
37
Weiterhin erschien die Kieferzyste entweder separat als dreidimensionaler Körper (cyst
cloud), der frei rotiert werden konnte oder die markierte Zyste konnte durch Rückkehr zum
„Overview“ in das CT/DVT projiziert werden.
Durch die beschriebene Art und Weise wurden drei Messungen der Zyste durchgeführt. Alle
drei Einzelmessergebnisse wurden im Nachhinein gemittelt, um das unbekannte Volumen so
exakt wie möglich zu bestimmen.
Die durch Methode 1 bestimmten Volumengrößen waren insofern keine Endergebnisse, da
sie nur durch die Einzeichnung in den tranversalen Schichten zustande gekommen sind. Der
Nutzer vernachlässigte dabei die sagittale und koronare Ebene und vertraute auf die
Interpolation der Software iPlan. Um die Eigenleistung des Programms zu prüfen, mussten
die Ergebnisse aus Methode 1 mit Volumengrößen verglichen werden, die unter
Berücksichtigung aller Raumebenen errechnet wurden. Somit waren die Messgrößen aus
Methode 1 Zwischenergebnisse und dienten als Grundlage für die Anwendung von Methode
2. Nachdem die Zyste durch Anwendung von Methode 1 in allen transversalen Schichten
markiert und das vorläufige Volumen notiert wurde, begann die Korrektur in den noch
fehlenden Raumachsen. Diese Nachbearbeitung kennzeichnete Methode 2 und hatte die
exakte Volumenbestimmung der Kieferzyste zum Ziel.
Die Option „4Views“ wurde aufgerufen, um nacheinander die sagittale und koronare Ebene
einzustellen. Durch die vorherige Interpolation in der axialen Schicht wurden die farblichen
Grenzen der Zyste mit in die anderen Raumebenen übernommen. Sie mussten nun in jeder
Schicht überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Nach Wechsel der Ebenen erlischt
der Interpolationsalgorithmus, sodass die Kontrolle in jeder einzelnen Schicht der Sagittalen
und Koronaren nötig war. Sowohl über- als auch unterkonturierte Grenzen mussten
angepasst werden, um folglich exakte Volumengrößen zu erhalten. Unter „Plan Content“
konnte schließlich das Volumen abgerufen werden, das durch die Einzeichnung in allen
Ebenen errechnet wurde.
Material und Methode
2.5
38
Datenverarbeitung und statistisches Vorgehen
Die Datenerhebung fand mittels Mircosoft Office Excel 2007 statt. Die sich daran
anschließende statistische Verarbeitung der vorliegenden Daten wurde mit den Programmen
IBM SPSS Statistics 19 sowie SAS 9.2 durchgeführt. Die der Veranschaulichung dienenden
Tabellen und Grafiken wurden ebenfalls in Mircosoft Office Excel 2007 oder IBM SPSS
Statistics 19 erstellt. Diese Studie umfasste alle drei Teilbereiche der Statistik.
Unter Verwendung der deskriptiven Statistik wurde der Datensatz zunächst beschrieben,
zusammengefasst und visualisiert [9]. Durch Nutzung der explorativen Statistik wurden die
Daten wiederum nach Auffälligkeiten und Zusammenhängen durchsucht, um aus ihnen
Hypothesen aufzustellen [52]. Die induktive Statistik hatte dahingegen die Aufgabe,
Hypothesen zu testen und Parameter zu schätzen, um von einer Stichprobe auf die
Eigenschaften einer Grundgesamtheit schließen zu können.
Für alle folgenden statistischen Vorgehensweisen wurde das Patientenkollektiv in seine
beiden Untergruppen nach Erst- und Zweitzysten aufgeteilt. Dies gewährleistete, dass auch
die Patienten, die zweimal an einer Zyste erkrankten, nur einmal als Fall unter den
Merkmalen Alter und Geschlecht auftraten.
2.5.1 Deskriptive Statistik
Um zunächst einen Überblick über das untersuchte Patientengut zu bekommen, wurde die
Häufigkeitsverteilung in beiden Kohorten betrachtet.
Es wurden sowohl in der Gruppe der Erstzysten als auch in der Gruppe der Zweitzysten alle
kategoriellen Variablen in absoluten und relativen Häufigkeiten angegeben. Somit wurden die
nominalskalierten Merkmale Zystenart, Geschlecht, Alter, Region und Knochen dargestellt.
Entsprechend der höchsten Inzidenz des Auftretens von Zysten zwischen dem zweiten und
fünften Lebensdezennium, enthielt der Datensatz nur wenige Fälle von Kindern bis zum
Material und Methode
39
18.Lebensjahr. Um dennoch gleichstarke Gruppierungen zu erhalten, wurde das Alter durch
Berechnung der Quartile in vier Kategorien aufgeteilt.
Im Folgenden wurde nicht nur nach Erst- und Zweitzysten unterteilt, sondern weiterhin
wurden die absoluten und relativen Häufigkeiten unter den einzelnen Zystenarten für die
nominalskalierten Merkmale Geschlecht, Region, Knochen und Alter erfasst. Über die
Häufigkeiten sollte die Repräsentanz des Kollektivs überprüft werden.
2.5.2 Auswertende Statistik
Im Hinblick auf die beiden Hauptthematiken „I: Methodenvergleich“ und „II: Zystenvolumen
und Defektfüllung“ wurde nur die Kohorte der Erstzysten betrachtet, die aus 71 Patienten
bestand.
Grund dafür war die konservativ gewählte Einteilung der Gruppen. So befanden sich in der
Gruppe der Erstzysten auch Zweitzysten, die durch engmaschige Nachkontrollen vermutlich
früh entdeckt wurden und somit kleinere Volumina aufwiesen als Erstzysten. Sollte die
Untersuchung der Erstzysten auf einen Zusammenhang zwischen Zystenvolumen und
autogener
Osteoplastik
schließen
lassen,
so
traf
diese
Korrelation
mit
hoher
Wahrscheinlichkeit auch auf die Gruppe der Zweitzysten zu. Denn in der Kohorte der
Zweitzysten befanden sich größere Erstzysten, die durch ihr symptomloses Verhalten lange
Zeit unerkannt blieben. Die Art der Gruppeneinteilung gewährleistete, dass unterschiedliche
Volumengrößen in der Studie untersucht wurden und keine Selektion von kleinen und großen
Zysten vorlag.
Im Hinblick auf die Untersuchung von Zystenvolumina und ihre Defektfüllung wurden alle
Merkmale, die Einfluss haben könnten, in Kategorien aufgeteilt.
Schon für die deskriptive Statistik wurde das Alter kategorisiert. Aufgrund dessen, dass
Quartile sensibler gegenüber Ausreißern sind als das arithmetische Mittel, wurden auch die
Mittelwerte von Methode 1 und 2 in Quartile aufgeteilt.
Material und Methode
40
Kategorie
Methode 1
Methode 2
1 (Minimum – 0,25 Quartil)
0,0980- 1,8625 cm³
0,0960- 1,8630 cm³
wiederholten
2 (0,25 Quartil – 0,5 Quartil)
1,8625- 3,1900 cm³
1,8630- 3,2050 cm³
Messungen
3 (0,5 Quartil – 0,75 Quartil)
3,1900- 4,9170 cm³
3,2050- 4,8980 cm³
4 (0,75 Quartil – Maximum)
4,9170- 19,121 cm³
4,8980- 19,000 cm³
Mittelwerte der
Kategorie
Altersquartil
Alter
1 (Minimum – 0,25 Quartil)
8 – 27,5 Jahre
2 (0,25 Quartil – 0,5 Quartil)
27,5 – 42 Jahre
3 (0,5 Quartil – 0,75 Quartil)
42 – 55,25 Jahre
4 (0,75 Quartil – Maximum)
55,25 – 77 Jahre
Kategorie
Art
1
Keratozystisch odontogener Tumor
2
Follikuläre Zyste
3
Radikuläre Zyste
Zystenart
Kategorie
Geschlecht
M/W
0
männlich
1
weiblich
Tabelle 4: Kategorisierung der Merkmale: Mittelwerte der wiederholten Messungen, Alter,
Zystenart, Geschlecht
Um den Einfluss eines der nominalskalierten Merkmale auf das Einbringen von
körpereigenem Knochen zur Defektfüllung des Zystenlumens zu prüfen, wurde eine
univariate logistische Regression durchgeführt. Dabei wurden die Merkmale Zystenart,
Geschlecht, Alter und Mittelwert der wiederholten Messungen separat gegen die dichotome
Zielgröße Knochen ja/nein getestet.
Während die Kategorie „Knochen ja“ das intraoperative Einbringen von körpereigenem
Knochen aus dem Beckenkamm oder von intraoralen Entnahmestellen beschrieb, waren
unter der Kategorie „Knochen nein“ alle Maßnahmen zu verstehen, die keine autogene
Material und Methode
41
Osteoplastik innehatten. Diese Zystenlumina regenerierten sich über die Organisation des
Blutkoagulums, das in vielen Fällen durch Kollageneinlagen stabilisiert wurde. Auch
Osteosyntheseplatten fanden vielfach Anwendung, um frakturgefährdete Kieferregionen zu
versorgen.
Welche der genannten Variablen Einfluss auf die Defektfüllung hatten, wurde mithilfe des
Wald-Chi-Quadrat-Tests (χ²-Tests) [87] dargelegt. Dieser untersucht Abhängigkeiten von
Merkmalen und stellt somit mögliche Zusammenhänge fest [39]. Die Nullhypothese lautete:
„Es gibt keinen Einfluss zwischen autogener Defektfüllung und der betrachteten Variable.“
P-Werte die kleiner als 25% waren (p < 0,25) wurden als signifikant angesehen, um als
Entscheidungskriterium für die Verwendung des Merkmals in einer anschließenden
multivariaten logistischen Regression zu dienen. Hierbei wurde wiederum der χ²-Test
angewendet, um diesmal die Interaktion zweier vorselektierter Variablen in Bezug auf die
binäre Zielgröße Knochen ja/nein zu überprüfen. Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p <
0,1 konnte die Nullhypothese: „Es gibt keinen Einfluss zwischen zwei Variablen und
autogener Defektfüllung“ abgelehnt werden.
Nachdem die Einflussparameter im Hinblick auf mögliche Zusammenhänge geprüft wurden,
war
ein
Methodenvergleich
Gegenstand
der
statistischen
Auswertung.
Um
die
Übereinstimmung der beiden Messmethoden zu prüfen, wurden zwei verschiedene Modelle
angewandt.
Zum einen wurden die Mittelwerte von Methode 1 und Methode 2 für einen gepaarten t-Test
[8] verwendet. Dieser sollte die Methoden über die Differenzen der gemittelten Messwerte,
die beim gleichen Kollektiv erhoben wurden, vergleichen. Der Differenzenschätzer wurde mit
dem
zugehörigen
95%-Konfidenzintervall
sowie
dem
Standardfehler
und
der
Standardabweichung angegeben. Die Nullhypothese lautete: „Es gibt keinen Unterschied
zwischen Methode 1 und Methode 2“, wobei das Signifikanzniveau bei 5% lag.
Aufgrund dessen, dass dieser statistische Test nur die durchschnittlichen Differenzen der
Mittelwerte
(Verzerrung)
berücksichtigte,
hätte
eine
falsche
Beurteilung
des
Material und Methode
42
Methodenvergleichs resultieren können. Von entscheidender Bedeutung war insbesondere
die Streuung der einzelnen Messwertepaare, sodass zusätzlich die grafische Methode nach
Bland and Altman [6] durchgeführt wurde. Es ist ein Verfahren, das sowohl die Verzerrung,
als auch die Streuung der Vergleichsdaten beachtet und somit das Verfahren der Wahl für
die Veranschaulichung und Quantifizierung von Methodenvergleichen ist [25].
Der Differenzenschätzer gab auch hier den bestmöglichen unbekannten Parameter wieder.
Sein Standardfehler sowie das zugehörige 95%-Konfidenzintervall und der p-Wert wurden
angegeben. Die errechneten Übereinstimmungsgrenzen (limits of agreement) wurden für die
Zeichnung des entsprechenden Bland-Altman-Plots benötigt und gaben den Bereich an in
dem sich 95% der Werte befanden.
Des Weiteren sollte das Zystenvolumen berechnet werden, ab welchem mit großer
Wahrscheinlichkeit eine autogene Osteoplastik durchgeführt wurde. Um eine Antwort auf
diese Frage zu finden, fand die Receiver Operating Characteristics (ROC)- Kurve [20]
Anwendung. Durch Gegenüberstellung der Wertepaare von Sensitivität und Spezifität konnte
bei gleichzeitiger Visualisierung der bestmögliche Parameterwert ermittelt werden.
Die Sensitivität wird auch als Richtig-Positiv-Rate bezeichnet [35]. In dieser Studie gab sie
den Anteil unter allen mit Knochen versorgten Patienten an, der zu Recht eine Defektfüllung
nach Zystektomie erhielt. Dementsprechend verstand man hingegen unter Spezifität die
Fähigkeit Zystenlumina zu erkennen, die keiner Defektfüllung bedurften. Somit gab die
Sensitivität den Anteil der Patienten an, der korrekt als negativ eingestuft wurde und
tatsächlich keine autogene Osteoplastik benötigte. Für die Güte eines diagnostischen Tests,
sollten folglich Sensitivität und Spezifität möglichst hoch sein [1].
Der Youden-Index [88] ist definiert als Sensitivität + Spezifität -1. Mithilfe dieses Index konnte
der optimale Grenzwert berechnet werden, an dem Sensitivität und Spezifität maximal
wurden. Daraus wurde schließlich der Cut-off-Wert bestimmt. Dieser Wert gab demzufolge
an, ab welchem Volumen die Zystenhöhle - unter Beachtung von Sensitivität und Spezifität in der Abteilung für MKG-Chirurgie der MHH mit körpereigenem Knochen versorgt wurde.
Ergebnisse
43
3 Ergebnisse
3.1
Deskriptive Statistik - Beschreibung des Patientenkollektivs
3.1.1 Verteilung des gesamten Kollektivs
Unter den 88 Patienten, die in dieser Studie retrospektiv betrachtet wurden, befanden sich
57 Männer und 31 Frauen. Die prozentuale Verteilung kann dem folgenden Diagramm
entnommen werden.
Abbildung 12:
Geschlechterverteilung unter
den Erstzysten
Der Altersdurchschnitt lag bei 41,57 Jahren. Die Standardabweichung betrug 18,30 Jahre.
Der jüngste Patient war acht Jahre alt. Der älteste Patient war 77 Jahre alt.
Unter den Männern lag der Altersdurchschnitt bei 45,54 Jahren, bei den Frauen hingegen bei
34,26 Jahren.
Die Boxplots bilden jeweils die Altersverteilung sowie die Altersverteilung in Zusammenhang
mit der Geschlechterverteilung ab.
Ergebnisse
44
Abbildung 14:
Abbildung 13:
Altersverteilung des
Altersverteilung des
gesamten Patientenkollektivs
Patientenkollektivs
gesamten
Abbildung
Abbildung 14:
13:
Altersverteilung
Altersverteilung unter
unter den
den
Geschlechtern
des
Geschlechtern des gesamten
gesamten
Patientenkollektivs
Patientenkollektivs
Die Verteilung der Zysten innerhalb des Kiefers war in den Regionen S4 und S6 annähernd
gleich. So waren 40 Zysten (45,5%) in S4 und 42 Zysten (47,7%) in S6 zu verzeichnen. Nur
sechs Zysten (6,8%) entwickelten sich in der Region S5.
3.1.2 Häufigkeitsverteilung der Kohorten
In Kapitel 2.2 wurde bereits die Einteilung der Kohorten beschrieben. Es handelte sich um 71
Erstzysten und 17 Zweitzysten.
Ergebnisse
45
Für beide Gruppen wurden Häufigkeitstabellen erstellt, in denen die absoluten und relativen
Häufigkeiten der Merkmale Zystenart, Altersquartil, Region, Geschlecht und Knochen
angegeben wurden.
1) Häufigkeitsverteilung unter den Erstzysten:
Kategorie
Abs. Häufigkeit
Prozent
1 (Keratozyste)
25
35,2
2 (Follikuläre Zyste)
30
42,3
3 (Radikuläre Zyste)
16
22,5
Abs. Häufigkeit
Prozent
1 (8 – 27,5 Jahre)
17
23,9
2 (27,5 – 42 Jahre)
14
19,7
3 (42 – 55,25 Jahre)
22
31,0
4 (55,25 – 77 Jahre)
18
25,4
Abs. Häufigkeit
Prozent
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
35
49,3
S5 (Zähne 33 - 43)
6
8,5
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
30
42,3
Abs. Häufigkeit
Prozent
0 (männlich)
49
69,0
1 (weiblich)
22
31,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit
Prozent
1 (kein Knochen)
39
54,9
2 (Knochen)
32
45,1
Zystenart
Kategorie
Altersquartil
Kategorie
Region
Kategorie
Geschlecht
Knochen
Tabelle 5: Häufigkeitsverteilung unter den Erstzysten
Ergebnisse
46
2) Häufigkeitsverteilung unter den Zweitzysten:
Kategorie
Abs. Häufigkeit
Prozent
1 (Keratozyste)
8
47,1
2 (Follikuläre Zyste)
8
47,1
3 (Radikuläre Zyste)
1
5,9
Abs. Häufigkeit
Prozent
1 (8 – 27,5 Jahre)
5
29,6
2 (27,5 – 42 Jahre)
5
29,6
3 (42 – 55,25 Jahre)
3
17,4
4 (55,25 – 77 Jahre)
4
23,5
Abs. Häufigkeit
Prozent
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
5
29,4
S5 (Zähne 33 - 43)
0
0,0
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
12
70,6
Abs. Häufigkeit
Prozent
0 (männlich)
8
47,1
1 (weiblich)
9
52,9
Kategorie
Abs. Häufigkeit
Prozent
1 (kein Knochen)
12
70,6
2 (Knochen)
5
29,4
Zystenart
Kategorie
Altersquartil
Kategorie
Region
Kategorie
Geschlecht
Knochen
Tabelle 6: Häufigkeitsverteilung unter den Zweitzysten
3.1.3 Häufigkeitsverteilung innerhalb der Zystenarten
Innerhalb der drei analysierten Zystenarten wurden die Häufigkeiten für die Merkmale Alter,
Region, Geschlecht und Knochen berechnet. Auch hier wurde zwischen beiden Kohorten
unterschieden.
Ergebnisse
47
3.1.3.1 Erstzysten
1)
Keratozystisch odontogener Tumor
Diese Gruppe bestand aus 25 Patienten. Die kleinste Keratozyste hatte ein Volumen von
0,282 cm³. Die Größte hingegen wies ein Volumen von 14,112 cm³ auf. Im Durchschnitt
waren die keratozystisch odontogenen Tumoren im Vergleich zu den beiden anderen
Zystenarten mit 5,012 cm³ die ausgedehntesten pathologischen Hohlgebilde.
Kategorie
Altersquartil
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (8 – 27,5 Jahre)
11
44,0
2 (27,5 – 42 Jahre)
2
8,0
3 (42 – 55,25 Jahre)
6
24,0
4 (55,25 – 77 Jahre)
6
24,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
12
48,0
S5 (Zähne 33 - 43)
1
4,0
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
12
48,0
Region
Kategorie
Geschlecht
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
0 (männlich)
16
64,0
1 (weiblich)
9
36,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (kein Knochen)
9
36,0
2 (Knochen)
16
64,0
Knochen
Tabelle 7: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Erstzysten unter den KZOT
2)
Follikuläre Zyste
Die 30 untersuchten follikulären Zysten dieser Gruppe umfassten einen Volumenbereich von
0,096 cm³ bis zu 19,001 cm³. Im Mittel waren diese Zysten 4,003 cm³ groß.
Ergebnisse
48
Kategorie
Altersquartil
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (8 – 27,5 Jahre)
3
10,0
2 (27,5 – 42 Jahre)
8
26,7
3 (42 – 55,25 Jahre)
11
36,7
4 (55,25 – 77 Jahre)
8
26,7
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
17
56,7
S5 (Zähne 33 - 43)
0
0,0
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
13
43,3
Region
Kategorie
Geschlecht
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
0 (männlich)
22
73,3
1 (weiblich)
8
26,7
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (kein Knochen)
20
66,7
2 (Knochen)
10
33,3
Knochen
Tabelle 8: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Erstzysten unter den FZ
3)
Radikuläre Zyste
Das Durchschnittsvolumen der radikulären Zysten dieser aus 16 Patienten bestehenden
Gruppe erreichte ein Volumen von 3,271 cm³. Die kleinste bzw. größte analysierte radikuläre
Zyste wies ein Volumen von 0,270 cm³ bzw. 10,617 cm³ auf.
Ergebnisse
49
Kategorie
Altersquartil
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (8 – 27,5 Jahre)
3
18,8
2 (27,5 – 42 Jahre)
4
25,0
3 (42 – 55,25 Jahre)
5
31,3
4 (55,25 – 77 Jahre)
4
25,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
6
37,5
S5 (Zähne 33 - 43)
5
31,3
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
5
31,3
Region
Kategorie
Geschlecht
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
0 (männlich)
11
68,8
1 (weiblich)
5
31,2
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (kein Knochen)
10
62,5
2 (Knochen)
6
37,5
Knochen
Tabelle 9: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Erstzysten unter den RZ
3.1.3.2
1)
Zweitzysten
Keratozystisch odontogener Tumor
Das durchschnittliche Volumen unter den acht in dieser Gruppe befindlichen Keratozysten
betrug 3,624 cm³ und umfasste insgesamt einen Volumenbereich von 0,357 cm³ bis 12,099
cm³.
Ergebnisse
50
Kategorie
Altersquartil
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (8 – 27,5 Jahre)
3
37,5
2 (27,5 – 42 Jahre)
1
12,5
3 (42 – 55,25 Jahre)
2
25,0
4 (55,25 – 77 Jahre)
2
25,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
1
12,5
S5 (Zähne 33 - 43)
0
0,0
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
7
87,5
Region
Kategorie
Geschlecht
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
0 (männlich)
4
50,0
1 (weiblich)
4
50,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (kein Knochen)
5
62,5
2 (Knochen)
3
37,5
Knochen
Tabelle 10: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Zweitzysten unter den KZOT
2)
Follikuläre Zyste
Im Mittel betrug das Volumen in dieser Gruppe, die aus acht follikulären Zysten bestand,
3,339 cm³.
Ergebnisse
51
Kategorie
Altersquartil
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (8 – 27,5 Jahre)
2
25,0
2 (27,5 – 42 Jahre)
3
37,5
3 (42 – 55,25 Jahre)
1
12,5
4 (55,25 – 77 Jahre)
2
25,0
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
S4 (li. UK-Winkel – Zahn 34)
3
37,5
S5 (Zähne 33 - 43)
0
0,0
S6 (Zahn 44 – re. UK-Winkel)
5
62,5
Region
Kategorie
Geschlecht
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
0 (männlich)
3
37,5
1 (weiblich)
5
62,5
Kategorie
Abs. Häufigkeit Rel. Häufigkeit
1 (kein Knochen)
6
75
2 (Knochen)
2
25
Knochen
Tabelle 11: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Zweitzysten unter den FZ
3)
Radikuläre Zyste
In die Gruppe der Zweitzysten gehörte weiterhin eine radikuläre Zyste mit einem Volumen
von 0,825 cm³. Sie entwickelte sich bei einem Mann, der dem zweiten Altersquartil angehörte
und demzufolge zwischen 27,5 und 42 Jahren alt war.
Diese Zyste war im linken Unterkieferkörper (S4) lokalisiert, und ihr Lumen wurde nach
Durchführung der Zystektomie nicht mit Knochen einer körpereigenen Spenderregion
aufgefüllt.
3.2
Auswertende Statistik
Die Analyse der auswertenden Statistik beschränkte sich auf die 71 Patienten aus der
Kohorte der Erstzysten. Die Hauptthematiken „I: Methodenvergleich“ und „II: Zystenvolumen
und Defektfüllung“ werden im folgenden Ergebnisteil evaluiert.
Ergebnisse
52
3.2.1 Methodenvergleich
3.2.1.1 Vergleich von Mittelwert 1 und Mittelwert 2
Die Mittelwerte aus beiden Methoden wurden für einen verbundenen t-Test genutzt. Es
handelt sich um ein Testverfahren, das der Überprüfung von aufgestellten Hypothesen dient.
Der t-Test traf anhand der Differenz der Messwerte eine Aussage darüber, ob sich zwei
Gruppen von Messwerten voneinander unterscheiden. Da beide Methoden am gleichen
Kollektiv angewandt wurden, handelte es sich um einen verbundenen (gepaarten) t-Test.
In diesem Fall lautete die Hypothese: „Es gibt keinen Unterschied zwischen Methode 1 und
Methode 2“. Das Signifikanzniveau lag bei 5%, sodass die Hypothese für p-Werte > 0,05
beibehalten werden konnte.
durchschnittl.
Standard-
Standard-
95% -Konfidenz-
Differenz
abweichung
fehler
intervall
in cm³
in cm³
in cm³
in cm³
0,0157
0,0716
0,0085
Vergleich
p-Wert
Mittelwert 1
-
-0,0012
0,0327
0,0681
Mittelwert 2
Tabelle 12: Ergebnisse des verbundenen t-Tests für Mittelwert 1 und 2
Der obigen Tabelle sind die berechneten Werte zu entnehmen.
Die durchschnittliche Messwertdifferenz lag bei 0,0157 cm³ mit einer Standardabweichung
von 0,0716 cm³ und einem Standardfehler von 0,0085 cm³. Somit wichen die Volumenwerte,
die durch Methode 1 und 2 ermittelt wurde, im Schnitt um 0,0157 cm³ ab. Das 95%Konfidenzintervall
mit
den
Werten
-0,0012
cm³
und
+0,0327
cm³
stellte
den
Vertrauensbereich um die errechnete durchschnittliche Differenz dar, in dem der wahre
Parameter zu 95% lag. Der zuvor festgelegte Toleranzbereich von 2 cm³, um den herum
Schwankungen des wahren
unterschritten.
Zystenvolumens
akzeptiert
wurden,
blieb
demzufolge
Ergebnisse
53
Der p-Wert von 0,0681 lag über dem Signifikanzniveau von 5%, sodass die Nullhypothese:
„Es gibt keinen Unterschied zwischen Methode 1 und 2“ beibehalten werden konnte.
3.2.1.2 Vergleich der einzelnen Messergebnisse beider Methoden
Der t-Test prüft die Gleichheit der Mittelwerte über ihre durchschnittliche Differenz, die auch
als Verzerrung bezeichnet wird.
Um die Übereinstimmung von Messmethoden beurteilen zu können, ist die zusätzliche
Einbeziehung der Streuung nötig. Diese statistische Maßzahl beachtet die Differenzen der
einzelnen Messwertpaare und hat somit, im Gegensatz zum reinen Mittelwertvergleich, eine
größere Aussagekraft bezüglich der Analyse zweier Methoden.
Das Verfahren der Wahl für Methodenvergleiche bietet das grafische Verfahren nach BlandAltman. Dieses statistische Modell berücksichtigt sowohl die Verzerrung als auch die
Streuung und visualisiert individuelle Abweichungen und Ausreißer in einem Bland-AltmanPlot.
Vergleich
Differenzen-
Standard-
95% -Konfidenz-
schätzer
fehler
intervall
in cm³
in cm³
in cm³
0,01579
0,01119
p-Wert
Methode 1
-
-0,00653
0,03811
0,16270
Methode 2
Tabelle 13: Ergebnisse des Methodenvergleichs nach Bland-Altman
Der Differenzenschätzer gab den bestmöglichen unbekannten Parameter an. Er sagte aus,
dass die einzelnen gegeneinander gemessenen Zystenvolumina eine durchschnittliche
Abweichung von 0,01579 cm³ vom wahren Wert aufwiesen.
Dieser Wert stimmte nahezu exakt mit der durchschnittlichen Mittelwertdifferenz aus dem
gepaarten t-Test überein (Tabelle 12). Demzufolge wiesen die Methoden zur Bestimmung der
Ergebnisse
54
Unterkieferzystenvolumina im Schnitt einen gleichermaßen geringen Unterschied auf. Das
zugehörige 95%- Konfidenzintervall lag bei -0,00653 cm³ und +0,03811 cm³ bei einem
Standardfehler von 0,01119 cm³. Die Nullhypothese:„ Es gibt keinen Unterschied zwischen
Methode 1 und Methode 2“ wurde bei einem p-Wert von 0,1627 beibehalten, da er das
Signifikanzniveau von 5% deutlich überstieg.
Die Visualisierung liefert der Bland-Altman-Plot:
Auf der Ordinate (Methode1-Methode2) wurden die gemittelten Differenzen der einzelnen
Volumenmesswerte für jeden Patienten aufgetragen, die anhand beider Methoden bestimmt
wurden.
Die Abszisse (Methode1-Methode2/2) repräsentierte hingegen die einzelnen Mittelwerte für
jeden Patienten, die nach Anwendung von Methode 1 und 2 berechnet wurden. Gemäß der
unterschiedlichen Kieferzysten, die in dieser Studie vermessen wurden, handelte es sich um
Volumengrößen von minimal 0,098 cm³ (Mittelwert 1) bzw. 0,096 cm³ (Mittelwert 2) und
maximal 19,121 cm³ (Mittelwert 1) bzw. 19,000 cm³ (Mittelwert 2). Entsprechend der Anzahl
wiederholter Messungen gaben verschiedene Farben die drei Messungen wieder.
Für die Ermittlung der Übereinstimmungsgrenzen (limits of agreement) in denen sich 95%
aller Messwerte befanden, wurde die Formel d +/- 1,96 x s angewandt. Der Parameter d
steht für den Differenzenschätzer und s für die Varianz, welche die Verteilung um den
Differenzenschätzer angibt. Durch Einsetzen der zuvor aus beiden Methoden ermittelten
Varianz von 0,1633 cm³ in die genannte Formel ergab sich eine untere Grenze von -0,3043
cm³ sowie eine obere Grenze von +0,3359 cm³.
Die
im
Plot
visualisierten
Übereinstimmungsgrenzen
(grob
gestrichelte
Linien)
gewährleisteten einen genauen Überblick darüber, inwieweit die restlichen 5% vom
Differenzenschätzer und dem angrenzenden Toleranzbereich abwichen.
Weiterhin
wurden
die
Nulllinie
(durchgezogene
Linie)
Differenzenschätzers (fein gestrichelte Linie) eingezeichnet.
sowie
die
Linie
des
Ergebnisse
55
Abbildung 15: Bland-Altman-Plot für den Methodenvergleich
Der Bland-Altman-Plot stellte als Punktewolke vor allem die Verteilung bzw. Ballung der
Messergebnisse um die Null- und Differenzenschätzerlinie dar. Weiterhin zeigte der Plot auf,
bei welchen Zystenvolumina Ausreißer zu verzeichnen waren.
Aufgrund der geringen Verzerrung von 0,01579 cm³ hatten die beiden Linien nur einen
minimalen Abstand voneinander. Die Nulllinie beschreibt den Idealfall, in dem beide
Methoden exakt die gleichen Ergebnisse erzielen.
Unter Begutachtung von Abbildung 15 fiel die Annäherung der ermittelten Werte an die
Nulllinie
und
den
bestmöglichen
unbekannten
Parameter
auf.
Insbesondere
bei
Volumengrößen von bis zu etwa 3 cm³ waren kaum Abweichungen zu verzeichnen. Die
Werte unterlagen Schwankungen von weniger als 0,1 cm³. Das sprach zum einen für die
hohe Übereinstimmung der Methoden, zum anderen für die Genauigkeit der durch die
Software iPlan bestimmten Zystenvolumina.
Ergebnisse
56
In dem Volumenbereich bis 3 cm³ war nur ein Ausreißer zu verzeichnen. Dieser betraf eine
erste Messung (blauer Kreis) und lieferte für eine Zyste mit einem Volumen von ca. 1,8 cm³
einen Wert, der um etwa 0,1 cm³ kleiner war als der Differenzenschätzer.
Für Zystenvolumina, die größer als 3 cm³ waren, konnten vermehrt Streuungen für alle
wiederholten Messungen beobachtet werden. Bei diesen Abweichungen handelte es sich
aber um Streuungen, die die Übereinstimmungsgrenzen von -0,3043 cm³ und +0,3359 cm³
nicht überschritten. Dabei schien es jedoch keine Steigerung der Abweichungen in
Abhängigkeit der Zystengröße zu geben.
Drei Messergebnisse wichen deutlich von der Nulllinie ab und befanden sich außerhalb der
Übereinstimmungsgrenzen. Der größte Ausreißer konnte bei einer Zyste mit einem Volumen
von etwa 11,5 cm³ festgestellt werden. Dieser wurde im Rahmen einer ersten Messung
ermittelt und wies ein um ca. 1 cm³ größeres Volumen auf. Jedoch liegt selbst diese
Schwankung
in
dem
zuvor
festgelegten
Toleranzbereich
für
die
Grenzen
der
Zystenberechnung von 2 cm³. Die zwei weiteren Ausreißer, die in einer ersten und zweiten
Messung zu verzeichnen waren, schwankten um ca. +0,4 bis +0,5 cm³ um die Nulllinie.
3.2.2 Zystenvolumen und Defektfüllung
3.2.2.1 Abhängigkeit zwischen autogener Osteoplastik von Zystenhöhlen und den
untersuchten Einflussparametern
Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob es einen Zusammenhang zwischen dem
Einbringen von körpereigenem Knochen und den Parametern Zystenart, Geschlecht, Alter
und den Mittelwerten der wiederholten Messungen gab, wurde eine univariate logistische
Regression durchgeführt.
Um mögliche Abhängigkeiten zu detektieren, wurde der Wald-Chi-Quadrat-Test (χ²-Tests)
angewandt. Dieser testete jede genannte Variable gegen die dichotome Zielgröße Knochen
ja/nein. Die Nullhypothese lautete: „Es gibt keinen Einfluss zwischen autogener Defektfüllung
Ergebnisse
57
und der betrachteten Variable.“ Das Signifikanzniveau wurde auf 25% festgelegt. Alle
Variablen, deren p-Werte kleiner als 0,25 waren, waren somit signifikant und wurden in einer
anschließenden multivariaten logistischen Regression näher betrachtet.
Variable
p-Wert
Zystenart
0,0657
Geschlecht
0,9652
Alter
0,0747
Mittelwert der wiederholten Messungen
0,0111
Tabelle 14: Abhängigkeit eines Einflussparameters auf Knochen ja/nein
Der
Wald-Chi-Quadrat-Test
(χ²-Tests)
veranschaulichte,
dass
die
Mittelwerte
der
wiederholten Messungen, also letztlich das Volumen der Kieferzysten, mit einem p-Wert von
0,0111 einen Einfluss auf die Defektfüllung von Zystenhöhlen mit autogenem Knochen
hatten. Ferner konnte die Nullhypothese auch für die Parameter Zystenart (p = 0,0657) und
Alter (p = 0,0747) abgelehnt werden.
Demgegenüber verdeutlicht der p-Wert von 0,9652, dass die autogene Osteoplastik von
Zystenhöhlen unabhängig von dem Geschlecht des Patienten angewandt wurde.
Die anschließende multivariate logistische Regression berücksichtigte folglich nur die bereits
vorselektierten Variablen: Mittelwerte der wiederholten Messungen (Volumen), Zystenart und
Alter. Die Nullhypothese: „Es gibt keinen Einfluss zwischen zwei Variablen und autogener
Defektfüllung“ konnte bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,1 abgelehnt werden.
Variablen
p-Wert
Zystenart und Alter
0,7882
Alter und Mittelwerte
0,2728
Zystenart und Mittelwerte
0,0922
Tabelle 15: Abhängigkeit zweier Einflussparameter auf Knochen ja/nein
Ergebnisse
58
In diesem Fall prüfte der angewendete Wald-Chi-Quadrat-Test (χ²-Tests) die Interaktion
zweier Merkmale auf die binäre Zielgröße Knochen ja/nein. Die p-Werte verdeutlichten, dass
die Nullhypothese nur für die Variablen „Zystenart und Mittelwerte“ (p = 0,0922) abgelehnt
werden konnte. Hingegen schien es statistisch keinen signifikanten Zusammenhang
zwischen den Merkmalen „Zystenart und Alter“ (p = 0,7882), sowie „Alter und Mittelwerten“
(p = 0,2728) zu geben.
3.2.2.2 Korrelation zwischen autogener Osteoplastik von Zystenhöhlen und
Zystenvolumina
Die Receiver Operating Characteristics (ROC)- Kurve war das zu Grunde liegende
statistische Verfahren, um diesen Aspekt zu beurteilen.
Abbildung 16: ROC-Kurve für die Mittelwerte beider Methoden
Ergebnisse
59
Die ROC - Kurve ergab sich aus der Gegenüberstellung von Spezifität und Sensitivität. Alle
möglichen Wertepaare wurden gegeneinander aufgetragen und mithilfe des Youden-Index
der optimale Grenzwert bestimmt.
Für beide Methoden erreichte der Youden-Index sein Maximum bei einer Sensitivität von
0,730 und der Differenz aus 1-Spezifität= 0,333. Der zugehörige Cut-off-Wert lag bei 3,205.
Folglich wurden exstirpierte Zystenlumina, die ein Volumen von mindestens 3,21 cm³
aufwiesen, unter Berücksichtigung von Sensitivität und Spezifität, intraoperativ mit
körpereigenem Knochen versorgt.
Der entsprechende Scatter Plot visualisiert, ob und vor allem bei welchen Volumengrößen
eine Abweichung vom ermittelten Cut-off Wert zu verzeichnen war.
Abbildung 17: Scatter-Plot für die Mittelwerte 2 mit dem Cut-off
Ergebnisse
60
Alle Patienten, die keine autogene Osteoplastik erhielten, werden durch rote Kreise
repräsentiert. Die grünen Kreise stellen alle Patienten mit knöcherner Defektfüllung dar.
Idealerweise hätte der Cut-off eine Trennungslinie dargestellt – die roten Kreise würden sich
links befinden, die grünen Kreise rechts. In dieser Studie liegen jedoch eine verringerte
Sensitivität und Spezifität vor. Somit befinden sich auch links vom Cut-off Patienten, deren
Zystenvolumina kleiner als 3,21 cm³ waren und dennoch mit körpereigenem Knochen
versorgt
wurden.
Hingegen
befinden
sich
rechts
vom
Cut-off
Patienten,
deren
Zystenvolumina größer als 3,21 cm³ waren und ohne autogene Osteoplastik versorgt
wurden. Aus welchen Gründen diese Entscheidungen getroffen wurden, muss in der
Diskussion ebenso evaluiert werden.
Die Entscheidung, ob das Einbringen von Knochen sinnvoll ist oder nicht, wurde stets intuitiv
vom Operateur getroffen. Da die vorliegende Studie auf retrospektiven Daten beruht und
zum Operationszeitpunkt noch keine Volumenbestimmung stattfand ergibt sich somit eine
Evaluation des subjektiven Vorgehens.
Diskussion
61
4 Diskussion
4.1
Materialkritik
4.1.1 Patientenkollektiv
Da es keine vergleichbare Studie gibt, die durch die Auswertung dreidimensionaler
Bildmedien die Volumenberechnung von Kieferzysten untersucht, gibt es auch keine
Fallzahl, an der eine Orientierung hätte stattfinden können.
Das Kapitel 3.1 beschreibt die grundsätzliche Verteilung innerhalb des untersuchten
Patientenpools. Die Analyse der deskriptiven Statistik bestätigte, dass der Ausschnitt von 88
Patienten eine repräsentative Gruppe darstellt, da dieses Kollektiv im Hinblick auf
Verteilungen
und
Häufigkeiten
in
den
Bereichen
Durchschnittsalter
und
Geschlechterverteilung den allgemeinen Literaturangaben zu Kieferzysten entsprach.
Da sich diese Studie auf den Unterkiefer beschränkte, konnte keine vergleichende Aussage
zum Oberkiefer bezüglich Häufigkeit und Lokalisation von Zysten getroffen werden. Jedoch
konnte bestätigt werden, dass der Unterkieferseitenzahnbereich, der in der Literatur als
Prädilektionsstelle
[27]
gilt,
offensichtlich
häufiger
betroffen
war
als
der
Unterkieferfrontzahnbereich. So entwickelte sich in der Region S5 nur sechsmal eine Zyste,
wohingegen in den Regionen S4 und S6 40 bzw. 42 Zysten diagnostiziert wurden.
Der Hauptunterschied zwischen diesem Patientengut und den allgemeinen Literaturangaben
lag in der Häufigkeitsverteilung der Zystenarten. Zwar konzentrierte sich diese Arbeit auf die
drei Zysten mit der höchsten Prävalenz, jedoch formierten sie sich in diesem Kollektiv in
einer anderen Rangfolge.
Während allgemein betrachtet die radikuläre Zyste unter allen erkrankten Personen mit
52,3% [46] die häufigste Kieferzyste darstellt, war es in diesem Kollektiv hingegen die
follikuläre Zyste mit 42,3%. In der Literatur ist die follikuläre Zyste mit 16,6% die
zweithäufigste Kieferzyste, die mit 11,2% von den Keratozysten gefolgt wird. Das analysierte
Diskussion
62
Patientengut wies mit einer relativen Häufigkeit von 35,2% am zweithäufigsten Keratozysten
auf. Die radikulären Zysten bildeten mit 22,5% den geringsten Anteil.
Diese verschobenen Relationen liegen vermutlich darin begründet, dass Kliniken wie die
Mund-,
Kiefer-
und
Gesichtschirurgie
der
Medizinischen
Hochschule
Hannover
anspruchsvollere und umfangreichere Krankheitsbilder behandeln. Kieferzysten sind oft
Zufallsbefunde auf zahnärztlichen Röntgenbildern. Insbesondere dann, wenn die Zyste
bereits große Ausmaße angenommen hat und möglicherweise eine Affektion des Nervkanals
oder eine Destruktion umliegender Gewebe stattgefunden hat, werden diese Patienten in
Kliniken überwiesen. Dort stehen entsprechende bildgebende Verfahren sowie umfangreiche
Therapieoptionen zur Wahl, die das Behandlungsspektrum unter anderem auf die
Augmentation mit autogenem Knochen erweitert. Letztlich resultieren daraus prozentuale
Verhältnisse, die von den üblichen Verteilungen abweichen.
Die statistische Auswertung ergab, dass vor allem die follikulären Zysten sowie die
keratozystisch odontogenen Tumoren große Volumina erreichen können, die einer
Defektfüllung mit körpereigenem Knochen bedurften. Solch ein invasiver Eingriff, der unter
Umständen mit der Entnahme von Beckenknochen einhergeht, kann nur in einer Klinik für
MKG-Chirurgie durchgeführt werden. Dahingegen werden radiologisch eindeutige radikuläre
Zysten mit kleinen Volumina auch in oralchirurgischen Praxen entfernt.
4.1.2 Vergleich der keratozystisch odontogenen Tumoren unter den Kohorten
Erstzysten
Der Altersgipfel für das Auftreten dieser Zystenart wird zwischen dem 20. und 30.Lebensjahr
[46, 62] angegeben. Mit einem prozentualen Verhältnis von 44% erkrankten auch in dieser
Kohorte die 8- bis 27,5-jährigen am häufigsten. Das männliche Geschlecht sowie die
Lokalisation im Kieferwinkel- und Molarenbereich gelten als Prädilektion [27, 46, 62]. Mit
64% schien das vermehrte Auftreten von Keratozysten bei Männern dieser Studie ebenso
Diskussion
63
bestätigt wie das zahlreiche Vorkommen dieser Zystenart im rechten und linken
Unterkieferkörper. So waren die Regionen S4 und S6 mit jeweils 48% gleichermaßen häufig
betroffen.
Weiterhin ergab die Auswertung, dass diese aggressive Zystenart, deren durchschnittliches
Volumen in der vorliegenden Studie 5,012 cm³ aufwies, mit 64% weitaus am häufigsten mit
körpereigenem Knochen versorgt wurde. Bei 16 von 25 Patienten entschieden sich die
Chirurgen intraoperativ für eine autogene Osteoplastik.
Zweitzysten
Im Gegensatz zur Kohorte der Erstzysten, in der eine Keratozyste in der Region S5 zu
verzeichnen war, entwickelten sich alle Zysten dieser Gruppe im rechten oder linken
Unterkieferkörper. Mit 87,5% war die Region S6 jedoch deutlich häufiger betroffen als die
Region S4. Auch hier nahm das erste Altersquartil mit 37,5% den größten Anteil ein. Ein
Unterschied zwischen den Geschlechtern war hingegen nicht zu erkennen.
Das im Vergleich zur Kohorte der Erstzysten auf 3,625 cm³ gesunkene durchschnittliche
Volumen wirkte sich scheinbar auf die Defektfüllung mit körpereigenem Knochen aus. Von
acht erkrankten Personen wurden nur drei mit einer autogenen Osteoplastik versorgt.
4.1.3 Vergleich der follikulären Zysten unter den Kohorten
Erstzysten
Die Regionen S4 und S6 beinhalteten auch den Bereich der Weisheitszähne, die oft retiniert
sind. Die Regionen S4 und S6 waren mit relativen Häufigkeiten von 56,7% und 44,3% auch
in dieser Studie am häufigsten betroffen. Männer sind laut Literatur im Verhältnis 1,5 zu 1
häufiger betroffen als Frauen [27]. In der vorliegenden Studie bestand die Gruppe aus 22
Männern und acht Frauen, welches einem noch deutlicheren Verhältnis von 2,75 zu 1
entsprach. Das Häufigkeitsmaximum liegt zwischen dem 2. und 4. Lebensdezennium [27,
Diskussion
64
46, 62], wohingegen das Altersquartil der 42- bis 55,25-jährigen dieses analysierten
Patientengutes mit 37,5% den größten Anteil einnahm.
Unter den 30 Patienten, deren Zystenhohlräume im Mittel 4,003 cm³ groß waren, wurde ein
Drittel der exstirpierten Zystenlumina mit autogenem Knochen versorgt.
Zweitzysten
Auch in dieser Gruppe waren die acht follikulären Zysten nahezu ausgeglichen in den
Regionen S4 und S6 verteilt. Mit 37,5% stellte die Kategorie der 27,5 bis 42 Jahre alten
Patienten den größten Anteil dar und enspricht somit den Literaturangaben. Die
Geschlechterverteilung hingegen widerspricht mit mit fünf Frauen und drei Männern den
allgemeinen Angaben.
Das Durchschnittsvolumen der follikulären Zysten dieser Kohorte lag bei 3,339 cm³, wobei
nur ein Viertel der Patienten eine knöcherne Defektfüllung erhielt.
4.1.4 Vergleich der radikulären Zysten unter den Kohorten
Erst- und Zweitzysten
Die höchste Inzidenz des Auftretens von radikulären Zysten liegt zwischen der 30. und 60.
Lebensdekade [46]. Auch in dieser Studie war die dritte Kategorie, welche die 42- bis 55,25jährigen repräsentiert, am häufigsten betroffen. Darunter befanden sich 11 Männer und fünf
Frauen, sodass das Verhältnis auf Seiten des männlichen Geschlechts lag. Die Zysten
waren recht gleichmäßig in den Regionen S4 – S6 lokalisiert. Schließlich kann potentiell
jeder Zahn in gleichem Maße von einer kariösen Läsion betroffen sein. Bei Fortschreiten
derselbigen kann eine Pulpitis induziert werden, wobei die daraufhin folgende und
unbehandelte apikale Parodontits den Wegbereiter für das Entstehen einer radikulären Zyste
darstellen kann. Das durchschnittliche Volumen betrug 3,271 cm³. Von 16 Zystenhöhlen
wurden nur sechs mit körpereigenem Knochen versorgt.
Diskussion
65
Aufgrund dessen, dass die Kohorte der Zweitzysten nur eine radikuläre Zyste beinhaltete,
war ihre statistische Auswertung und Überprüfung auf Zusammenhänge wenig sinnvoll und
darüber hinaus nicht aussagekräftig.
4.1.5 Zusammenfassung
Die wenigen zu verzeichnenden Abweichungen in Bezug auf die in der Literatur
beschriebenen Häufigkeiten und Verteilungen sind vor allem in der Kohorte der Zweitzysten
durch eine zu geringe Fallzahl zu erklären. So konnte die Aufteilung von 17 Zweitzysten in
drei Untergruppen keine ausreichende Anzahl liefern, welche die Charakteristiken von
Zysten aufzeigen könnte. Die Evaluation der Ergebnisse aus der deskriptiven Statistik und
ihre Interpretation für die Kohorte der Erstzysten ergaben nur minimale Unterschiede zu
literaturbasierten Angaben. Das spricht sowohl für die Aussagekraft des analysierten
Patientengutes als auch für seine Repräsentanz, um erworbene Erkenntnisse auch auf die
Allgemeinheit übertragen zu können.
4.2
Methodenkritik
4.2.1 Interpretation des Methodenvergleichs
Die vorliegende Studie beschreibt erstmalig ein Verfahren zur Bestimmung von
Unterkieferzystenvolumina anhand Voxel-basierter Datensätze.
Es gibt weder ein etabliertes Verfahren zur Durchführung noch Veröffentlichungen darüber,
ob
die
Software
iPlan
exakte,
repräsentative
Ergebnisse
auf
dem
Gebiet
der
Zystenvermessung liefern kann. Die Kapitel 3.2.1.1, sowie 3.2.1.2 geben Auskunft über die
Ergebnisse der statistischen Auswertung, die im Hinblick auf die Vergleiche zwischen
Methode 1 und Methode 2 der Volumenberechnung erhoben wurden.
Sowohl der verbundene t-Test (Tabelle 12) als auch das gemischte Modell nach BlandAltman (Tabelle 13) lieferten p-Werte, die über dem Signifikanzniveau von 5% lagen.
Diskussion
66
Demzufolge konnte die Nullhypothese: „Es gibt keinen Unterschied zwischen Methode 1 und
Methode 2“ beibehalten werden. Der Vergleich der einzelnen wiederholten Messungen
zeigte mit einem p-Wert von 0,1627 ein noch deutlicheres Ergebnis als der reine
Mittelwertvergleich mit einem p-Wert von 0,0681. Daraus resultierte, dass beide Methoden
die
mittels
iPlan
durchgeführt
wurden,
geeignet
sind,
präzise
und
zuverlässige
Messergebnisse zu erzielen. Entsprechend dem Bland-Altman-Plot lag die durchschnittliche
Abweichung vom wahren unbekannten Zystenvolumen lediglich bei 0,0157 cm³.
Da beide Varianten zur Volumenbestimmung von Unterkieferzysten genaue Werte
berechneten, konnten sekundäre Gesichtspunkte wie die Anwendbarkeit der Software und
der zeitliche Aufwand der Vermessung die Evaluation ergänzen. Im Hinblick auf die
routinemäßige Integration der Volumenberechnung zur Ergänzung der präoperativen
Diagnostik von Kieferzysten ist vor allem eine einfache Methode erstrebenswert. Das
Kosten-Nutzen-Verhältnis muss für die Etablierung des Verfahrens im klinischen Alltag
möglichst günstig sein. Unter diesem Aspekt kommt insbesondere die Methode in Betracht,
die durch die größere Zeitersparnis besticht.
Der Vorteil von Methode 1 liegt eindeutig in der schnelleren Durchführbarkeit. Die Zyste wird
nach genauer virtueller Inspektion ausschließlich in der transversalen Ebene und dort nur in
jeder vierten Schicht eingezeichnet. Die Ergebnisse der statistischen Auswertung ergaben,
dass man durchaus auf die exakte Interpolation der Software iPlan in der koronaren und
sagittalen
Raumebene
vertrauen
kann.
Der
naheliegende
Verdacht,
dass
die
Messergebnisse von Methode 1 im Vergleich zur umfangreicheren Methode 2 mit einem
Genauigkeitsverlust einhergehen, bestätigte sich nicht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Methode 1 die zeit- und arbeitsaufwändigere
Methode 2 überflüssig macht, welche durch die manuelle Korrektur alle Ebenen und alle
dargestellten Schichten berücksichtigt. Zudem verlangt sie in größerem Maße die
Geschicklichkeit, Sorgfalt und Präzision des Nutzers während des Segmentierungsvorgangs.
Diskussion
67
4.2.2 Indikation der Zystenmessung im Unterkiefer
Die vorliegende Studie beschäftigte sich mit Zysten, die sich im Unterkiefer manifestierten.
Zum einen konnten im Datenarchiv der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der
Medizinischen Hochschule Hannover in den Jahren 2004 bis 2011 geringfügig mehr
behandelte Zysten des Unterkiefers retrospektiv ausfindig gemacht werden. Zum anderen
sprechen zystenspezifische Gründe für den Einsatz der Methodik zur Volumenberechnung
und der anschließenden Verwendung gewonnener Erkenntnisse im Unterkiefer.
Das Hauptargument, Unterkieferzystenvolumina im Gegensatz zu Zystenvolumina des
Oberkiefers zu ermitteln, lieferte die Anatomie der betroffenen Strukturen.
Zysten, die sich im Seitenzahnbereich des Oberkiefers entwickeln, infiltrieren häufig die
Kieferhöhle. Je nachdem wie lange das meist symptomlose Wachstum vorangeschritten ist,
stülpt sich die Zyste mehr oder weniger stark in die Kieferhöhle hinein. Die Zyste kann trotz
enormer Ausdehnung in die Kieferhöhle jedoch nur zu einer geringen Knochenosteolyse
führen. Das berechnete Volumen ist in diesem Fall kein Maß dafür, wieviel Knochen benötigt
wird. Im Gegensatz zum Unterkiefer ist hier schließlich keine knöcherne Versorgung des
Raumes nötig, den die Zyste vor ihrer Entfernung eingenommen hat. Unter Umständen sind
neben einer Zystantrostomie keine weiteren rekonstruktiven chirurgischen Maßnahmen
notwendig. Demzufolge wird eine in der Kieferhöhle befindliche Zyste, die durch die
physiologische Knochenstruktur begrenzt ist und keine formgebenden Defizite hinterlässt,
nach Zystektomie nicht wieder als vollständiges Volumen aufgefüllt.
Ein weiteres Argument für die Vermessung von Zysten des Unterkiefers liegt darin, dass
dieser als Prädilektionsstelle unter den follikulären Zysten und den keratozystisch
odontogenen Tumoren gilt. Insbesondere diese beiden Zystenarten können große Volumina
erreichen und somit weitaus häufiger versorgungsbedürftig sein als andere Zystenarten.
So wies die größte Keratozyste in dem vorliegenden Kollektiv ein Volumen von 14,112 cm³
auf und die ausgedehnteste follikuläre Zyste ein Volumen von 19,001 cm³. Beide
Zystenhöhlen wurden mit körpereigenem Knochen zur Defektfüllung versorgt. Auch die
Diskussion
68
statistische Auswertung bestätigte die häufige Durchführung der autogenen Osteoplastik mit
einem Anteil von 64% unter den Keratozysten.
Weiterhin verfügt der Unterkiefer durch den Verlauf des N. alveolaris inferior im Nervkanal
über eine wichtige anatomische Struktur, deren Schutz und Kontinuitätserhalt einen hohen
Stellenwert hat. Die Vermessung der Zyste geht unvermeidlich mit einer genauen
Orientierung über den Verlauf und die Beziehung zum Zystenkörper einher. Die
Segmentierung bietet auch weniger erfahrenen Chirurgen den Vorteil, sich einen präzisen
Einblick in die tatsächliche anatomische Situation zu verschaffen.
4.2.3 Vorteile dreidimensionaler Datensätze
Voxel-basierte Datensätze bildeten die Basis der vorliegenden Arbeit.
Da diese Untersuchung das Volumen von Zysten analysierte, kamen für die Auswertung nur
Bildmedien in Frage, die eine räumliche Darstellung zuließen. Somit schloss sich die
Verwendung der PSA als Vertreter der konventionellen zahnärztlichen Röntgenaufnahme
aus, sodass die dreidimensionalen Bildgebungen (CT/DVT) in den Focus rückten.
Neben der Tatsache, dass ausschließlich diese Bildmedien für eine adäquate Durchführung
der Volumenbestimmung von Zysten geeignet waren, überzeugten die 3D-Röntgenbilder
auch in qualitativer und quantitativer Hinsicht.
Der Vorteil lag in der räumlichen Zuordnung aller anatomischen Strukturen, sodass genaue
Informationen
über
die
Lokalisation
pathologischer Auffälligkeiten
resultierten.
Die
Begutachtung der Datensätze in allen drei Raumebenen gab einen virtuellen aber
realitätsnahen Einblick in die klinische Situation. Im Gegensatz zum OPT, das ohne
Referenzpunkt keine maßstabsgetreue Abbildung ist, besteht beim CT und DVT nicht das
Problem eines Dimensionsverlustes. Sie können eine 1:1-Darstellung liefern.
Die Überlegenheit von dreidimensionalen Bildgebungen gegenüber der zweidimensionalen
Röntgentechnik bei der radiologischen Untersuchung von Unterkieferzysten zeigte eine
Diskussion
69
Studie aus Munksgaard (Dänemark) [38]. In dieser Untersuchung wurden 12 Zysten des
Unterkiefers mittels Orthopantomographie (OPT), Magnetresonanztomographie (MRT) und
Computertomographie (CT) betrachtet, wobei die vorhandenen CT-Aufnahmen durch zwei
Programme in ein Standard- und ein Dental-CT transformiert wurden. Bewertet wurden
folgende Parameter: Darstellung der Unterkieferanatomie, des Mandibularkanals, der
Kortikalismitbetroffenheit und des Zystenvolumens. Die statistische Auswertung ergab für
das CT in allen analysierten Bereichen ein signifikant besseres Ergebnis (p < 0,001).
Darüber hinaus überzeugte unter den Computertomographien insbesondere das Dental-CT
bei der Visualisierung des Nervkanals (p < 0,02) und der umgebenden Kortikalis (p < 0,02).
So kamen sie zu dem Ergebnis, dass die dreidimensionalen Datensätze durch die präzise
Kenntnis und Beurteilung der vestibulooralen Richtung des Unterkieferkörpers sowie der
Knochenqualität die chirurgischen Leistungen in einigen Fällen verbessern können.
4.2.4 Arbeitsaufwand der Volumenbestimmung in Abhängigkeit von der
Zystenart
Unabhängig davon, welche Methode genutzt wurde, war der korrekte versierte Umgang mit
dem Computerprogramm wichtig. Weiterhin ist die richtige Befundung der CT-/DVTDatensätze
im
Hinblick
auf
das
Erkennen
der
pathologischen
Zystenstruktur
Grundvoraussetzung für präzise Volumenbestimmungen. Wie bereits erwähnt, beeinflussten
individuelle Gegebenheiten den zeitlichen Aufwand der Vermessung. In der Masse konnte
mit wenigen Ausnahmen das Volumen von radikulären Zysten am schnellsten bestimmt
werden. Diese wurden gefolgt von den follikulären Zysten. Die Segmentierung der
keratozystisch odontogenen Tumoren nahm häufig die meiste Zeit in Anspruch. Das lag zum
einen darin begründet, dass das Volumen von radikulären Zysten oftmals kleiner war als das
der Keratozysten und es somit weniger Schichten zu vermessen gab. Zum anderen waren
es aber auch typische Charakteristiken von Zysten, die den Zeitaufwand modulierten.
Diskussion
70
Radikuläre Zysten lieferten meist scharf begrenzte radiologische Aufhellungen, die
tropfenförmig an der Wurzelspitze lokalisiert waren. Werden sie früh erkannt, sind die
Volumina klein und unter Umständen ist nur der schuldige Zahn affektiert. Somit konnte die
Segmentierung ungehindert von involvierten Zahnwurzeln oder dem Nervkanal stattfinden
und führte sehr schnell zum Ergebnis.
Follikuläre Zysten verlangten dagegen oftmals etwas mehr Zeit zur Vermessung. Zwar waren
auch sie in der Regel scharf begrenzt und oval, was die Markierung erleicherte, doch ist stets
die Krone eines retinierten Zahnes umgeben. Die typische Manifestation im Kieferwinkelund Molarenbereich bedeutete gleichzeitig eine gewisse Nervnähe. Es war darauf zu achten,
dass die Aufhellung des transversal angeschnittenen Nervkanals nicht fälschlicherweise als
der Zyste zugehörig eingezeichnet wurde. Die Aussparung von involvierten Zahnanteilen,
Nachbarzähnen oder dem Mandibularkanal ist deshalb als aufwendiger einzustufen.
Durchschnittlich nahm die Volumenbestimmung der Keratozysten die größte Zeitspanne in
Anspruch. Die Vermessung wurde dadurch erschwert, dass sich diese Zystenart
röntgenologisch
durch
unscharfe,
mehrkammrige,
girlandenförmige
Aufhellungen
auszeichnete. Die wolkig erscheinende Struktur sowie die intrakavitären Septierungen hatten
unterschiedliche Transluzenzen innerhalb der Raumforderung zur Folge, sodass die
Morphologie der Keratozysten häufig nicht auf den ersten Blick eindeutig ersichtlich war.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der zeitliche Aufwand der Vermessung
Schwankungen unterlegen ist, die von den individuellen morphologischen Zystenstrukturen
abhängig sind.
4.2.5 Ausreißer im Bland-Altman-Plot
Bei der Auswertung des Bland-Altman-Plots fielen drei Ausreißer auf (Abbildung 15). Bei
diesen
Messergebnissen
handelte
es
sich
um
Diskrepanzen,
die
über
die
Übereinstimmungsgrenzen von -0,3043 cm³ und +0,3359 cm³ hinausgingen. Sie kamen bei
Diskussion
71
den wiederholten Messungen von großen follikulären Zysten zustande und wichen in etwa
um 0,4 cm³, 0,5 cm³ und um 1 cm³ vom wahren unbekannten Volumen ab. Die
Abweichungen verteilten sich zweimal auf die erste und einmal auf die zweite von je drei
Messungen.
In Anbetracht dessen, dass sich alle anderen Messungen innerhalb der limits of agreement
befanden und insbesondere bei den kleineren Zystenvolumina bis 3 cm³ nur minimale
Schwankungen um den Differenzenschätzer zu verzeichnen waren, lag hier vermutlich ein
Anwenderfehler vor. Der korrekte Umgang mit der Software und die Nutzung derselbigen
erfordert eine gewisse Übung und Routine. Zu Beginn der Studie könnte dieser Aspekt die
Fehlerquelle für die drei Ausreißer darstellen. Nach mehrfacher Anwendung kam es zu
einem stetigen Anstieg der Lernkurve für die Durchführung der Zystensegmentierung,
sodass sich die anfänglichen Schwierigkeiten schnell relativierten. Die nahezu identischen
Werte aus dem t-test von 0,0157 cm³ für die durchschnittliche Abweichung (Tabelle 12) und
dem Differenzenschätzer aus dem Bland-Altman-Plot von 0,01579 cm³ (Tabelle 13)
bestätigten, dass die Ergebnisse durch den Lerneffekt seitens des Anwenders während der
Durchführung nicht weiter negativ beeinflusst wurden.
4.2.6 Weitere Möglichkeiten der Zystenvermessung
4.2.6.1 Volumenbestimmung durch computergestützte Methoden
Neben den beiden Methoden zur Volumenberechnung von Unterkieferzysten, die in dieser
Arbeit verglichen wurden, bietet die Software weitere Optionen, um das Ausmaß von Zysten
zu bestimmen.
A) Expandierender Block
Für dieses Verfahren wird der CT-/DVT-Datensatz zunächst genau betrachtet. Es empfiehlt
sich, die größte Ausdehnung der Zyste in der Koronaren oder Sagittalen aufzusuchen, um
dort manuell durch die Markierung zweier Punkte jeweils Höhe und Breite der Zyste zu
Diskussion
72
bestimmen [73]. Anschließend kann eine der Zyste ähnliche geometrische Figur ausgewählt
werden. Die Software bietet einige vordefinierte Formen wie z.B. Zylinder, Kugeln oder
Vierecke. Bei komplexeren Zystengestalten kann die Kontur auch in minimierter Form
eingezeichnet werden, um selbst einen Körper zu konstruieren. Nach Auswahl der
geometrischen Form kann diese zentral in die zu berechnende pathologische Struktur gelegt
werden. Die vorherige Distanzberechnung ermöglicht es, dem Körper die entsprechenden
Größen zuzuordnen. Wenn das Ausmaß der Zyste in der Koronaren gemessen wurde, kann
nach „Durchscrollen“ der Sagittalen oder Transversalen ebenfalls die Tiefe der Zyste
abgeschätzt werden. Letztlich kann man die Figur (z.B. Zylinder) um die eingegebenen
Werte (Längen) dreidimensional expandieren lassen.
Aufgrund dessen, dass der dreidimensionale Körper die individuelle Zystengestalt entweder
über- oder unterkonturiert, ist jedoch eine nachträgliche Korrektur in allen Schichten einer
Ebene nötig.
B) Seed-Brushing
Eine andere Option der Volumenbestimmung bietet das Seed-Brushing [73].
Bei diesem Verfahren wird die Zyste im CT-/DVT-Datensatz aufgesucht, um diese in einer
beliebigen Ebene als grobe Struktur zunächst zu erfassen. Diese Markierung geschieht
manuell durch den Anwender und ermöglicht eine von geometrischen Figuren unabhängige
eigene Segmentierung. Diese ausgewählte Fläche repräsentiert nun die inkludierten
Bereiche und wird in der Farbe Orange dargestellt. Im Programmfenster „Overview“ können
wiederum unter gleichzeitiger Betrachtung aller Ebenen die eingeschlossenen Bereiche
gegebenenfalls erweitert bzw. minimiert werden. Im nächsten Schritt wird die inkludierte
Fläche präzisiert, indem die Funktion des Exkludierens ausgewählt wird. Durch ihre
Aktivierung können Strukturen, die nicht der Zyste angehören, wieder ausgeschlossen
werden. Diese blau markierten Areale müssen genauso wie die orangen inkludierten
Diskussion
73
Bereiche in allen Schichten und Ebenen korrigiert werden. Als Endergebnis erhält man das
Volumen der inkludierten Fläche.
C) Thresholding
Durch Nutzung der Hounsfield-Einheiten (HE) kommt das Thresholding in Betracht [18, 55].
Nach
Begutachtung
des
Datensatzes
wird
eine
Kugel
hineingelegt,
welche
die
röntgenologische Aufhellung der Zyste umfasst [73]. Im „Overview“ kann die korrekte
Dimensionierung und Positionierung der Kugel durch die gleichzeitige Darstellung aller
Raumebenen kontrolliert werden. Dieser begrenzte Raum wird als Region of interest (ROI)
bezeichnet und enthält zunächst ein breites Intervall von HE-Einheiten.
Das weitere Vorgehen liegt darin, die Kugel durch Verschiebung der HE-Einheiten so zu
beeinflussen, dass nur noch die der Zyste zugehörige Fläche segmentiert bleibt. Folglich
verliert die Kugel ihre Form, während die Markierung nun mehr und mehr die eigentliche
Zystenmorphologie annimmt. Alle Bereiche in der ROI, die die gleichen HE-Einheiten
aufweisen wie die Zyste, ihr aber nicht angehören, werden fälschlicherweise segmentiert und
müssen durch manuelles Nachzeichen bzw. Radieren im Nachhinein korrigiert werden.
4.2.6.2 Bewertung der computergestützten Methoden
Der expandierende Block, das Seed-Brushing sowie das Thresholding sind bereits bekannte
und in der Anwendung von iPlan geläufige Verfahren. Bisher kamen diese Methoden vor
allem bei der Planung in der Tumorchirurgie zum Einsatz. Alle drei Methoden erscheinen
ebenfalls vielversprechend, um das Volumen von Kieferzysten zu bestimmen. Fraglich bleibt
jedoch, ob die berechneten Werte auch nahezu exakt den tatsächlichen Volumina
entsprechen. Denn im Hinblick auf die Präzision des Segmentierungsvorgangs bleibt
Methode 1 weiterhin überlegen.
Diskussion
74
Der expandierende Block ist vor allem deshalb kritisch zu betrachten, da wachsende
geometrische Körper keinesfalls die Morphologie einer Zyste annehmen können. Die
nachträgliche Korrektur erscheint sowohl arbeitsaufwendig als auch zeitintensiv und kann
bestenfalls ein näherungsweise genaues Ergebnis liefern.
Auch bei Anwendung des Seed-Brushings sind zunächst durch das grobe manuelle
Inkludieren und Exkludieren keine exakten Zystenvolumina zu erwarten. Die Werte nähern
sich erst dann der realen Größe, je mehr Aufwand zum Definieren der ein- und
ausgeschlossenen Flächen betrieben wird.
Die
Nutzung
der
erfolgversprechendsten
HE-Einheiten
beim
Thresholding
bezüglich
Genauigkeit
und
erscheint
Schnelligkeit.
hingegen
Insbesondere
am
die
Volumenbestimmung von radikulären und follikulären Zysten, die sich durch einen
sklerosierenden Randsaum zumeist scharf begrenzt darstellen, nimmt vermutlich nur wenig
Zeit in Anspruch. Andererseits könnten die unterschiedlichen Transluzenzen innerhalb von
Keratozysten ein Problem darstellen.
Als Erstbeschreiber auf dem Gebiet der dreidimensionalen Volumenbestimmung von
Kieferzysten wurde in der vorliegenden Arbeit jedoch die Methode angewandt, die mit
größtmöglicher Sicherheit präzise Volumenergebnisse erzielte. Es ist davon auszugehen,
dass Methode 1, die alle Ebenen und zystenrelevanten Schichten berücksichtigte, das
höchste Potential für exakte Volumenbestimmungen bot. Methode 1 wurde somit zur
Grundlage der vorliegenden Arbeit. Andernfalls resultiert letztlich eine falsche Aussage in
Bezug auf die Frage, ob Zystenvolumina und autogene Osteoplastik miteinander korrelieren.
Vorstellbar wäre, die Verfahren des expandierenden Blocks, des Seed-Brushings und des
Thresholdings in weiterführenden Untersuchungen im direkten Vergleich mit Methode 1 zu
evaluieren. Somit wären Gegenüberstellungen in den Bereichen Genauigkeit, Anwendbarkeit
und Schnelligkeit der Verfahren möglich.
Diskussion
75
4.2.6.3 Zukunft: Segmentierungsalgorithmus
Die Genauigkeit und Präzision der Volumenbestimmung durch die beiden untersuchten
Methoden konnte anhand dieser Studie bestätigt werden. Für die Zukunft ist demzufolge ein
erweitertes Verfahren wünschenswert, das bei gleichbleibender Zuverlässigkeit der
Ergebnisse
den
gegenwärtigen
Methoden
in
Bezug
auf
Schnelligkeit
und
Anwenderfreundlichkeit überlegen ist.
Erstrebenswert ist ein Segmentierungsalgorithmus, der allein durch die einzige Markierung
der Zyste in zwei Raumebenen ein präzises Volumen berechnet und eine realitätsnahe
Zystengestalt konstruiert. Dabei sollte die Markierung in der Sagittalen und Transversalen
genügen, da jede Raumebene für sich eine zweidimensionale Information enthält und die
dritte Ebene somit automatisch konstruiert wird. So gibt die sagittale Ebene Auskunft über
die anatomischen Strukturen bezüglich Höhe und Breite, während die transversale Achse
neben der Breite auch Angaben über die Tiefe liefert. Für den Nutzer bestünde daher der
präoperative Arbeitsaufwand lediglich in der einmaligen Segmentierung der Kieferzyste in
zwei Raumachsen. Dieser Softwarefortschritt würde den zeitlichen Aufwand auf ein Minimum
reduzieren
und
den
Kosten-Nutzen-Faktor
begünstigen.
Folglich
würde
die
Volumenbestimmung von Zysten in der präoperativen Diagnostik durch die Kombination aus
einfacher Durchführbarkeit und hoher Zeitersparnis an Attraktivität gewinnen.
4.2.6.4 Volumenbestimmung durch die Injektion von Natriumchlorid
Im Rahmen einer Studie aus Wuhan (China) [89] wurde im Jahr 2011 eine weitere Methode
zur Volumenberechnung von Zysten durchgeführt.
In der Untersuchung mit dem Titel „Changes in bone density and cyst volume after
marsupialization of mandibular odontogenic keratocysts (keratoystic odontogenic tumors)”
konnte in erster Linie beobachtet werden, wie sich die Knochendichte im Zystenlumen nach
Zystostomie verhält. Untersucht wurden 53 Patienten, die eine Keratozyste im Unterkiefer
aufwiesen. Die Zystendurchmesser variierten zwischen 4,1 und 11 cm und betrugen im Mittel
Diskussion
76
5,4 cm. Evaluiert wurden Röntgenbilder, die jeweils einen, drei und sechs Monate
postoperativ angeordnet wurden. Welches Volumen die Zysten zum Zeitpunkt der
radiologischen Kontrolle aufwiesen, wurde durch die Injektion von Natriumchlorid (NaCl) in
die durch eine offene Nachbehandlung therapierte Zystenhöhle gemessen.
Zu beachten ist jedoch, dass in dieser Studie nicht die exakte Ermittlung des
Zystenvolumens im Vordergrund stand. Vielmehr sollte das antiproportionale Verhalten von
Knochendichte und Zystenvolumen überprüft werden. Es sollte aufgezeigt werden, inwiefern
die Knochenregeneration nach einer Zystostomie voranschreitet.
Die
Intention
der
vorliegenden
Dissertation
lag
hingegen
darin,
anhand
einer
reproduzierbaren, einfachen, schnellen und vor allem nicht-invasiven Methodik präzise
Zystenvolumina zu bestimmen. Diese Voraussetzungen sind durch die Injektion von
Flüssigkeit nicht gegeben. Zum einen gibt es sowohl bei der Zystostomie als auch bei der
Zystektomie immer einen Zugang zum Lumen, der je nach Lokalisation und Operateur
individuell in seiner Größe variiert. Über diesen entweicht Flüssigkeit, sodass keine
vollständige Füllung der Zyste sichergestellt werden kann und das wahre injizierte Volumen
unbekannt bleibt. Zum anderen ist dies ein invasiver Eingriff, der zeitgleich mit der definitiven
Zystenentfernung einhergeht. Der Wunsch nach Handlungssicherheit für den Patienten und
den Chirurgen vor allem im präoperativen Gespräch ist damit nicht mehr gegeben.
Ein weiterer Aspekt der gegen die Etablierung dieses Verfahrens spricht, liegt in der
subjektiven Durchführung der Technik. Eine Methode die evaluiert wird, muss stets unter
identische Bedingungen durchgeführt werden, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Bei
der Injektion von Flüssigkeit mit dem Ziel das Volumen einer Zyste zu bestimmen, liegen die
Fehlerquellen zum einen in der Anwendung unterschiedlicher Stempeldrücke. Zum anderen
in der individuellen Resorption durch die umliegenden Gewebe.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Verwendung der Software iPlan zur
Volumenberechnung von Kieferzysten der oben beschriebenen Injektionsmethode überlegen
ist. Es ist kein invasiver Eingriff nötig, sodass das Verfahren theoretisch beliebig oft
Diskussion
77
angewendet werden kann. Die Computer-assistierte Berechnung liefert bei richtiger Nutzung
exakte reproduzierbare Ergebnisse und verlangt nur geringe Vorkenntnisse im Umgang mit
der Software.
4.3
Ergebniskritik
4.3.1 Bedeutung des Cut-offs für die präoperative Zystendiagnostik
Nachdem in Kapitel 3.2.2.2 ausführlich auf die Berechnung und die Interpretation des Cutoffs eingegangen wurde, kann nun ihre klinische Relevanz näher betrachtet werden.
Die retrospektive Analyse des ausgewerteten Patientenkollektivs ergab einen Cut-off von
3,21 cm³. Daraus folgt, dass dieses Zystenvolumen in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover unbewusst als eine Art
Schnittstelle für eine autogene Osteoplastik der exstirpierten Zystenhöhlen galt. Da dieser
Wert durch die nachträgliche Auswertung von Patientendaten berechnet wurde, basiert er auf
individuellen Entscheidungen der Operateure und spiegelt Erfahrungswerte wieder. Jedoch
musste beachtet werden, dass dieser Cut-off mit einer Sensitivität von 73,0% und einer
Spezifität von 66,6% behaftet war. Die diagnostische Güte lag demzufolge deutlich unter
dem angestrebten Idealwert von 100%.
Daraus folgte, dass der Cut-off von 3,21 cm³ kein Grenzwert ist, der für die Therapie von
Zysten grundsätzlich gelten kann. Durch die verringerte Sensitivität und Spezifität war das
errechnete Volumen nicht aussagekräftig genug, um als Leitlinie für oder gegen eine obligate
Defektfüllung mit körpereigenem Knochen etabliert werden zu können.
Aufgrund dessen, dass die Sensitivität mit 73,0% einen im Vergleich zur Spezifität höheren
Prozentsatz aufwies, kann dennoch eine Empfehlung für eine Orientierung an diesem Wert
ausgesprochen werden. Die Sensitivität gibt stets den Anteil der Kranken an, der
korrekterweise als krank erkannt wurde. In der vorliegenden Dissertation umfasste er
demnach alle Patienten, die im Hinblick auf den Grenzwert berechtigterweise eine autogene
Diskussion
78
Osteoplastik erhielten. Somit wurde in Anbetracht der Sensitivität von 73,0%, die für den
hausinternen Cut-off von 3,21 cm³ galt, in den meisten Fällen intuitiv die richtige
Entscheidung getroffen. Medizinisch betrachtet ist es weniger schwerwiegend, eine Therapie
für den Patienten zu wählen, die mit hoher Sicherheit zum Erfolg führt. Der gegenteilige Fall,
in dem der Patient unterversorgt bleibt, ist kritischer zu sehen. Daher ist im Fall der
Zystektomie mit anschließender autogener Knocheneinlagerung eine aussagekräftige
Sensitivität höherwertig einzustufen als eine hohe Spezifität. Wird unnötigerweise ein
Zystenlumen, das kleiner als 3,21 cm³ ist, mit Knochenmaterial aufgefüllt, sind per se neben
den Risiken des Zweiteingriffs keine Konsequenzen für die Zystenhöhle zu erwarten.
Hingegen birgt das Unterlassen eines laut Cut-off defektfüllungsbedürftigen Zystenlumens
das Risiko einer sekundären Infektion oder einer Fraktur des geschwächten Knochens. Für
diesen Fall würden weitere chirurgische Maßnahmen notwendig werden. Sicherlich muss bei
fraglicher Indikationsstellung abgewägt werden, ob das Risiko eines Zweiteingriffs für die
Entnahme aus körpereigenen Spenderregionen tragbar ist. Jedoch birgt die unversorgte
Zystenhöhle ebenso Gefahren.
In den eben angesprochenen Grenzfällen handelt es sich um Zystenvolumina von +/- 3,21
cm ³. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich der Zweiteingriff zur Knochengewinnung bei
Zysten dieser Größenordnung vermutlich vor allem auf die risikoarme lokoregionale
Entnahme von partikulierten Knochenstanzen beschränkt. Wird dennoch das Heben eines
Beckenspans erforderlich, sind die Risiken dieser geplanten Operation durch eine sorgfältige
Anamnese sowie eine atraumatische Operationsweise unter sterilen Bedingungen sicherlich
besser überschaubar als die Folgen eines infizierten Zystenlumens.
Im Zweifelsfall stellt die Defektfüllung grenzwertiger Zystengrößen mit autogenem Knochen
bei Patienten mit unauffälliger allgemeinmedizinischer Anamnese, bei denen keine
schwerwiegenden Komplikationen zu erwarten sind, die eleganteste und sicherste Therapie
dar.
Diskussion
79
Unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse resultiert, dass die Entfernung von
Kieferzysten nach wie vor eine gewisse klinische Bewandtnis verlangt. Wenn die
präoperative Volumenbestimmung angewandt wird, kann eine Orientierung an dem
ermittelten Volumen von 3,21 cm³ stattfinden. Die Aussagekraft des Cut-offs ist jedoch
niedriger einzustufen als die Erfahrung und das Wissen des Operateurs. Ihm stehen zum
einen Informationen bezüglich der Anamnese und den allgemeinmedizinischen Risiken zur
Verfügung. Zum anderen kennt er klinisch die intraoperative Situation. Das Computerassistiert errechnete Volumen kann diese wichtigen Informationen nicht ersetzen, sondern
nur ergänzen.
4.3.2 Ausreißer im Scatter Plot
Durch Begutachtung des Scatter Plots (Abbildung 17) fiel auf, dass es auf beiden Seiten des
Cut-offs Ausreißer zu verzeichnen gab. Folglich wurden sowohl Zysten mit kleineren
Volumina als 3,21 cm³ mit körpereigenem Knochen versorgt, während einige größere Zysten
ohne weitere Defektfüllung verblieben. Als Grund dafür wurden individuelle Gegebenheiten
vermutet.
Denkbar ist, dass die lokale anatomische Situation des perizystischen Gewebes die
Möglichkeit für eine enorale Entnahme partikulierten Knochens bot. Insbesondere bei der
Zystektomie einer kleinen follikulären Zyste im Unterkieferwinkel oder einer radikulären Zyste
in der anterioren Unterkieferregion kann meist problemlos peripher Knochenspäne
gewonnen werden. Diese Entnahme geht nicht mit einer Schwächung der Spenderregion
einher.
Auf der anderen Seite wurde zum Teil bei ausgedehnten Zysten auf eine autogene
Osteoplastik verzichtet. Vermutlich sind multiple Kofaktoren sowie die subjektive Erfahrung
des Operateurs der Grund, weshalb das Risiko einer Unterkieferfraktur oder einer gestörten
Wundheilung über das konventionelle Blutkoagulum als vernachlässigbar beurteilt wurde.
Diskussion
80
Möglich wäre, dass intraoperativ eine infizierte Zystenhöhle vorgefunden wurde. Unter
diesen
Bedingungen
ist
eine
Defektfüllung
mit
autogenem
Knochen
wenig
erfolgversprechend, da mit hohen Verlustraten gerechnet werden muss.
4.3.3 Kritischer Wert
In seinem Buch von 1910 beschrieb Partsch erstmals die Methodik der Zystektomie [48], die
auch unter der Bezeichnung Partsch II bekannt ist.
Auch heute noch richtet sich die oralchirurgische Literatur [27, 45] nach seiner Empfehlung,
die Zystektomie nur bei Zysten bis zu einem Durchmesser von 2 cm durchzuführen.
Aufgrund befürchteter Wundheilungsstörungen und Sekundärinfektionen, sei bei größeren
Zysten die bereits 1892 beschriebene Zystostomie [47] indiziert. Erst durch Maßnahmen der
Defektfüllung, die zeitgeschichtlich vom „Schulte-Koagulum“ [66] bis zu heutigen
körpereigenen
und
körperfremden
Augmentationsmaterialien
reichen,
konnte
das
Indikationsgebiet der Zystektomie erweitert werden.
Unter der Annahme einer kugelförmigen Gestalt mit einem Durchmesser von 2 cm beträgt
das mathematisch errechnete Volumen 4,19 cm³. Der retrospektiv ermittelte Cut-off dieser
Studie lag bei 3,21 cm³, welches wiederum einem Kugeldurchmesser von 1,83 cm
entspricht. Anhand dieses vereinfachten Modells konnte die Aussage von Partsch, nur
Zysten mit einem Durchmesser von maximal 2 cm geschlossen zu behandeln, bekräftigt
werden. Der auf der Basis von CT-/DVT-Aufnahmen Computer-gestützt berechnete Wert von
1,83 cm stimmte näherungsweise mit dem kritischen Wert von 2 cm überrein. Demzufolge ist
sowohl eine Orientierung an dem historischen Grenzwert von Partsch als auch an dem
technisch bestimmten Cut-off-Volumen von 3,21 cm³ durchaus begründet und sinnvoll für die
Therapieplanung.
Sicherlich dreht sich die Entscheidung durch die heutigen Möglichkeiten weniger um die
Frage, ob eine Zystostomie oder Zystektomie durchgeführt wird. Heute wie auch in Zukunft
Diskussion
81
stellt sich die Frage: „Defektfüllung ja/nein“, wobei die genannten Werte eine gute
Orientierung bieten können.
4.3.4 Zystenmorphologie
Das Cut-off-Volumen von 3,21 cm³ konnte sich mangels ausreichender Aussagekraft nicht
als Leitlinie etablieren, jedoch lag die Überlegung nahe, die gewonnenen Erkenntnisse aus
der Zystensegmentierung anderweitig zu nutzen. Aufgrund dessen, dass die Zyste bei ihrer
Entfernung zumeist nicht in ihrer Kontinuität erhalten bleibt bzw. ihre Eröffnung Teil der
Therapie
ist,
kann
die
virtuelle
Gestalt
neue
Erkenntnisse
in
Bezug
auf
die
Zystenmorphologie liefern.
Unter der Programmoption „Plan content“ konnte nicht nur das Zystenvolumen abgerufen
werden, sondern es wurde die virtuelle Gestalt des eingezeichneten Objekts (cyst shap)
dargestellt. Durch Rotation des Objekts konnte die Kieferzyste aus allen Perspektiven
betrachtet werden, um so die genaue Morphologie der Zyste zu studieren. Wie bereits in
Kapitel 2.4.1 beschrieben, konnte die Zystengestalt im Fenster „Overview“ zudem in die
knöcherne oder röntgenologische Ansicht des Kiefers projiziert werden.
Bei
der
praktischen
Durchführung
der
Volumenbestimmung
für
das
untersuchte
Patientenkollektiv zeichneten sich zystentypische Merkmale ab, die größtenteils mit den
radiologischen Kennzeichen der drei analysierten Zystenarten übereinstimmten.
So stellte sich die plastische Morphologie der radikulären Zysten, wie auch röntgenologisch
als Negativ beschrieben, zumeist als einkammrige runde bis tropfenförmige Struktur dar. Ihre
größte Zirkumferenz lag im mittleren bis unteren Teil des Unterkieferkörpers. Die ins Lumen
ragende Wurzelspitze konnte durch Rotieren des Objekts eindeutig erkannt werden.
Die Besonderheit der Gestalt von follikulären Zysten lag dagegen in dem haubenartigen
Aufsitzen dieser Zystenart um die Krone retinierter Zähne. Diese tatsächliche klinische
Situation konnte im OPT oder nativen CT/DVT nur vermutet werden, wohingegen dieses
Diskussion
82
Merkmal nach korrekter Zystenmarkierung anschaulich visualisiert werden konnte. Die
folgenden Screenshots zeigen dieses Merkmal auf:
Abbildung 18: Follikuläre Zyste in der knöchernen Ansicht
Abbildung 19: Follikuläre Zyste in der radiologischen Ansicht
Diskussion
83
Abbildung 20: Segmentierte follikuläre Zyste in der Koronaren
Die
Keratozysten
hingegen
bildeten
oftmals
abstrakte
vielgestaltige
Zystenmuster
verschiedenster Ausprägung. Durch die Mehrkammrigkeit der Zystenhöhle ähnelte die
Morphologie einer wolkenartigen Struktur. Im Gegensatz zu radikulären und follikulären
Zysten, die meist eine gleichmäßige Oberfläche zeigten, wies die Gestalt der keratozystisch
odontogenen Tumoren Einschnürungen und Strikturen auf, die vermutlich das Resultat aus
dem Wachstum von Satellitenzysten waren. Gerade Keratozysten, die sich ungehemmt im
aufsteigenden Unterkieferast manifestiert hatten, ergaben nach Einzeichnung eine
beeindruckende komplexe Gestalt.
Diskussion
84
Abbildung 21: Keratozyste in der knöchernen Ansicht mit Weichteilsilhouette
Abbildung 22: Keratozyste im „Overview“
Nach Segmentierung und Interpolation der Zyste durch die Software können die
Programmfenster in Form von Screenshots abfotografiert werden.
Diese Option gab Anlass für die Überlegung, dem Pathologen neben der Gewebeprobe auch
einen Screenshot zur Verfügung zu stellen, der die Morphologie der Zyste vor ihrer
Diskussion
Entfernung
85
zeigt.
Die
histologische Aufarbeitung
der
Operationspräparate
ist
zur
Diagnosesicherung und vor allem zum Ausschluss des aggressiven keratozystisch
odontogenen Tumors von großer Wichtigkeit. Unter Umständen liegen aber nur
unzureichende Probenentnahmen oder ungenügende klinische Angaben der betroffenen
Kieferregion vor. Diese lassen keinen eindeutigen Befund zu, sodass falsche Ergebnisse
resultieren können. Die bildliche Übermittlung der Informationen über Morphologie und
Lokalisation der Zyste könnte die Befunderhebung der Pathologen erleichtern und
präzisieren, um Irrtümer zu vermeiden.
Histologisch ähneln sich die radikulären und die entzündeten follikulären Zysten, da sie mit
Epithelproliferationen einhergehen, die auch in radikulären Zysten vorzufinden sind. Ohne
klinische Angabe von Seiten des Chirurgen, ob und welche Zähne betroffen sind bzw.
welcher Kieferabschnitt in den zystischen Prozess involviert ist, ist eine Unterscheidung
kaum möglich [27]. Der Screenshot könnte fälschliche Diagnosen dieser Zystenarten bei
richtiger und adäquater Markierung vermeiden.
Ebenso können klinisch als follikulärer Genese verdächtigte Zysten histologisch auch
Keratozysten darstellen. Dieser Irrtum kann dann auftreten, wenn sich unentdeckte
Keratozysten mit dem Zahnsäckchen retinierter oder im Durchbruch befindlicher Zähne
vereinen und sogenannte follikuläre Keratozysten entstehen lassen [27]. Da sich
intraoperativ der Verdacht auf eine follikuläre Zyste erhärtet, sobald diese in Beziehung zum
koronaren Anteil von Zähnen steht, kann ein keratozystisch odontogener Tumor in dieser
Situation eventuell unerkannt bleiben.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Screenshot hilfreich für die anschließende
histologische Aufarbeitung des Präparates sein kann. Die Aussagekraft ist aus dem Grund so
hoch, da der Screenshot viele wichtige Informationen gemeinsam übermittelt. Der Pathologe
erhält auf einen Blick Auskunft über Größe und Volumen der Zyste, über ihre Gestalt sowie
ihre Lokalisation im Knochen und darüber, ob und welche Zähne betroffen sind.
Diskussion
86
In Zukunft könnten Kieferzysten unter anderem durch einen Screenshot dokumentiert
werden, um diesen zusammen mit der Gewebeprobe der Pathologie zur Verfügung zu
stellen. Wird präoperativ keine Zystenmarkierung durchgeführt, kann die Segmentierung bei
unklarem histopathologischen Befund auch nachgeholt werden, wenn die daraus
gewonnenen Informationen zur Diagnosefindung beitragen. Der Vorteil liegt demzufolge
darin, dem Pathologen ohne zusätzlichen Zeitaufwand einen präzisen Eindruck über die
tatsächliche klinische Situation zu gewähren. Der Pathologe kann damit einen Bezug
zwischen Probe und Patient herstellen.
Die Screenshots könnten zudem als permanentes Dokument mit in die Akte aufgenommen
werden, da sie vor allem im Hinblick auf eventuell wiederauftretende Zysten Vergleiche
bieten können und Beobachtungen des Rezidivierungsmusters zulassen.
4.3.5 Zukunft: Tissue Engineering
Sind Volumen und Gestalt der Kieferzyste bekannt, kann präoperativ eine Einschätzung
darüber erfolgen, ob und wieviel Knochen zur Defektfüllung entnommen werden muss.
Idealerweise könnte bei ausgedehnten Zysten die virtuelle Zystengestalt in Zukunft als
dreidimensionale Schablone für die Rekonstruktion dienen. Anhand dieses Musters könnte
ein formgetreues Knochentransplantat aus geeigneten Regionen entnommen werden.
Eine ähnliche Methode beschreibt der klinische Fall einer spanischen Studie, in welcher die
mandibuläre Keratozyste eines 51-jährigen Patienten durch segmentale Resektion entfernt
wurde [2]. Anhand einer CT wurde vor der Operation ein 3D-Modell des voraussichtlich
entstehenden
Defektes
im
Unterkiefer
erstellt.
Zeitgleich
zur
Entfernung
des
Mandibularsegments konnte schließlich simultan anhand der vorgefertigten Schablone das
kongruente Knochentransplantat aus dem Beckenkamm entnommen werden.
Im Gegensatz zu diesem Fall könnte das zukünftige Bestreben darin liegen, möglichst kleine
Traumata zu evozieren, um die radikalen Segmentresektionen durch passgenaue
Diskussion
Transplantate
87
zu
optimieren.
Formgetreue,
der
Zystenmorphologie
entsprechende
dreidimensionale Vorlagen könnten die Verschnittmengen mit dem Ziel einer reduzierten
Entnahmemorbidität minimieren. Auch wenn der Zugangsweg einer zirkulär von Knochen
begrenzten Zystenhöhle für das Einbringen eines größengleichen Transplantats nach bukkal
erweitert werden müsste, bestünde der Vorteil der verminderten Komplikationsrate. Bei der
Anwendung
dieses
passgenauen
Prinzips
könnten
postoperative
Risiken
wie
Wundheilungsstörungen oder Hämatombildungen an den Grenzflächen, die zur Infektion des
Zystenlumens führen könnten, minimiert werden.
Weiterhin könnte das Forschungsgebiet des Tissue Engineerings die Methode formgetreuer
Knochentransplantate erweitern, ergänzen bzw. optimieren. Denkbar wäre, das Anzüchten
von Gewebe aus Periostzellen und Knochenmarksstromazellen [56, 69] dahingehend zu
nutzen, partikulierten oder auch passgenauen kompakten Knochen außerhalb des Körpers in
der erforderlichen Menge herzustellen [86]. Durch vorherige Volumenbestimmung der
Kieferzyste mithilfe der Software iPlan und anschließender Konstruktion der virtuellen
Zystengestalt stünden die nötigen Informationen für einen Gewebeersatz zur Verfügung.
Durch Nutzung des Tissue Engineerings könnte in Zukunft ein Zweiteingriff zur Entnahme
autogenen Knochens überflüssig werden. Die damit verbundenen intra- und postoperativen
Komplikationen, welche insbesondere eine Gefahr für allgemeinmedizinisch vorbelastete
Risikopatienten darstellen, entfallen folglich für die Spenderregion.
4.4
Schlussfolgerungen
Im Laufe des Lebens tritt bei etwa 3% der erwachsenen Bevölkerung eine Zyste des Kiefers
oder der Weichteile im Kopf- und Halsbereich auf. Die Erkrankung zählt somit zu den
häufigeren Malformationen, sodass die Diagnostik und Therapie von Kieferzysten ein
wichtiger und geläufiger Bestandteil der chirurgischen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist.
In der Diagnostikphase stehen die dreidimensionalen bildgebenden Verfahren (CT, DVT) der
konventionellen zweidimensionalen Röntgentechnik (OPT) voran. Das OPT ist lediglich in
Diskussion
88
der Lage, grob orientierende Aussagen zu liefern. Die genaue Lokalisation der Zyste,
insbesondere in der transversalen Dimension, ihre räumliche Ausdehnung und Nähe zu
anatomisch wichtigen Nachbarstrukturen wie dem Mandibularkanal oder der Zahnwurzeln,
kann nur durch 3D-Verfahren visualisiert werden.
Die Therapie von Kieferzysten basiert auch heute noch auf den Grundsätzen von Partsch.
Durch die Möglichkeit der Defektfüllung sowie die stetige Weiterentwicklung bezüglich der
zur Verfügung stehenden Materialien rückt die offene Behandlung im Sinne der Zystostomie
mehr und mehr in den Hintergrund. Aus diesem Grunde wertet die vorliegende Arbeit Zysten
aus, die mittels Zystektomie entfernt wurden.
Da sich das operative Vorgehen im Wesentlichen auf die Erfahrungswerte des Chirurgs
stützt, steigt der Bedarf nach einem objektiven Konzept der Zystenbeurteilung. Dieses
könnte auch weniger erfahrenen Kollegen präoperativ eine Entscheidungshilfe bieten.
Zudem
könnte
intraoperativ
für
Handlungssicherheit
gesorgt
werden
und
Operationskapazitäten könnten besser kalkuliert werden. Das bislang unberücksichtigte
Zystenvolumen gab somit Anlass zur näheren Untersuchung mit dem Ziel, Parallelen und
Abhängigkeiten bezüglich der Therapie anhand bereits versorgter Patienten aufzufinden.
Diese Studie, die sich auf die retrospektiven Daten von 88 Patienten mit Unterkieferzysten
stützte, konnte die Präzision der angewendeten Software bestätigen. iPlan erwies sich als
geeignetes
Programm,
um
anhand
Voxel-basierter
Bildmedien
zuverlässige
und
reproduzierbare Volumina zu berechnen. Für die Volumenbestimmung wurden zwei
verschiedene Computer-assistierte Verfahren durchgeführt. Die hohe Genauigkeit beider
Messvarianten konnte durch zwei
unterschiedliche statistische Methodenvergleiche
festgestellt werden. Da die Anwendung beider Messmethoden zu präzisen Ergebnissen
führte, konnte letztlich das effizientere Verfahren empfohlen werden. Methode 1, bei der die
Zystensegmentierung
arbeitsaufwendig.
in
Die
der
transversalen Ebene
Verlässlichkeit
des,
die
genügt,
ist
weniger
Segmentierung
zeit-
und
unterstützenden,
Interpolationsalgorithmus war so hoch, dass keine Korrektur in den anderen Raumachsen
nötig war. Die arbeitsintensivere Methode 2 erwies sich als überflüssig.
Diskussion
89
Positiv zu bewerten war weiterhin die benutzerfreundliche Software. Sie zeichnete sich durch
ihre einfache Handhabung sowie ihre ausgezeichnete Grafik aus. Die stufenlose Rotation
der Achsen erlaubte auf virtueller Ebene einen detailgetreuen Einblick in die tatsächliche
anatomische Situation, sodass mögliche Komplikationen schon vor dem operativen Eingriff
erfasst und im Verlauf vermieden werden könnten.
Bezüglich der Frage ab welchem Zystenvolumen eine Defektfüllung mit autogenem Knochen
vorgenommen wurde, erwies sich das errechnete Cut-off-Volumen von 3,21 cm³ als nicht
aussagekräftig genug. Der Wert ist mit einer Sensitivität von 73,0% und Spezifität von 66,6%
behaftet und kann daher nicht in Form einer Leitlinie für die Defektfüllung in der
Zystentherapie etabliert werden. Im Hinblick auf die Empfehlung von Partsch, die
Zystektomie lediglich für Zystendurchmesser von maximal 2 cm anzuwenden, bietet der Cutoff dennoch eine gute Orientierung. Im vereinfachten Kugelmodell betrug der Durchmesser
einer
Zyste,
die
dem
Cut-off-Volumen
entsprach,
1,83
cm
und
stimmte
somit
näherungsweise mit dem kritischen Wert von Partsch überein. In Anbetracht des
medizinischen Fortschritts für Augmentationsmaterialien konnte dieser Grenzwert, der im
ursprünglichen Sinne die Indikation von Zystostomie und Zystektomie beeinflusste, nunmehr
als Schnittpunkt bei der Entscheidung für oder gegen Maßnahmen der körpereigenen
Defektfüllung verstanden werden.
Da die Software eine ausgezeichnete Grafik lieferte, konnte die Zystenmorphologie genau
studiert werden. Klinisch bleiben Zysten bei ihrer Entfernung zumeist nicht in ihrer Kontinuität
erhalten, sodass die virtuelle Betrachtung ihrer Struktur Einblicke in die komplexe
Morphologie der pathologischen Hohlgebilde liefern konnte.
Weiterhin könnte ein Screenshot als Momentaufnahme alle für den Pathologen wichtigen
und für die Diagnose nötigen klinischen Informationen gemeinsam liefern. Der Screenshot
gibt auf einen Blick Auskunft über die Lokalisation der Zyste im Kiefer, ihre Ausdehnung und
ihre Beziehung zu Nachbarzähnen. So könnten Übermittlungsfehler, die auf fehlende oder
ungenaue klinische Angaben zurückzuführen sind, vermieden werden. Zudem könnten
Diskussion
90
dokumentarisch in der Akte aufbewahrte Screenshots die Möglichkeit bieten, aufgetretene
Rezidive zu vergleichen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die nicht-invasive Volumenbestimmung von
Unterkieferzysten ein hilfreiches zusätzliches Verfahren in der präoperativen Diagnostik
darstellt. Die Verfügbarkeit der Software iPlan sowie einer qualitativ guten CT/DVT ist
Grundvoraussetzung für die Durchführung der Zystensegmentierung, die durch die
zeitsparende Methode 1 empfohlen werden kann. Auch wenn das errechnete Volumen als
rationale Zahl keinesfalls die Erfahrung der Chirurgen oder den operativen Situs ersetzen
kann, wird der Anwender allein durch den Vorgang der Segmentierung mit der Kieferzyste
konfrontiert. Er setzt sich zwangsläufig mit der genauen Morphologie auseinander, sodass
mögliche Probleme schon vor dem Eingriff detektiert werden können.
Es ist anzunehmen, dass die dreidimensionale Begutachtung und Berechnung von Zysten
insbesondere dann in den klinischen Alltag integriert wird, wenn die Entnahme passgenauer
Knochentransplantate oder die biologische Herstellung von qualitativ gleichwertigem
Gewebeersatz ein Teil der routinemäßigen, sicheren und erfolgreichen Option der
Zystentherapie wird.
Zusammenfassung
91
5 Zusammenfassung
Die vorliegende Studie beruhte auf retrospektiv erhobenen Daten von 88 Patienten mit
Unterkieferzysten, die im Zeitraum von 2004 bis 2011 durch Zystektomie in der Klinik für
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover entfernt
wurden. Es galt herauszufinden, ob die Volumenberechnung von Unterkieferzysten wertvolle
Informationen liefert und somit Teil der präoperativen Diagnostik werden sollte.
Die Volumenberechnung fand durch zwei Methoden Computer-assistiert mithilfe der
Planungs-
und
Navigationssoftware
iPlan
3.0.2
Volume
(Brainlab®,
Feldkirchen,
Deutschland) statt. Diese Untersuchung belegte, dass die Volumenergebnisse beider
Verfahren keine statistisch signifikanten Unterschiede aufwiesen. Dieser Aspekt bestätigte
die Verlässlichkeit des Interpolationsalgorithmus von iPlan, der Teil der weniger zeit- und
arbeitsintensiven Methode 1 (Autosegmentierung in der Transversalen) war. Die manuelle
Korrektur der Zystengestalt in der koronaren und sagittalen Ebene, wie sie in Methode 2
durchgeführt wurde, erwies sich als überflüssig.
Die vorliegende Studie ergab weiterhin, dass die Zysten des analysierten Kollektivs ab einem
Volumen von 3,21 cm³ mit autogenem Knochen gefüllt wurden. Dieser Cut-off-Wert erwies
sich als nicht aussagekräftig genug, um in Form einer Leitlinie für die Defektfüllung in der
Zystentherapie etabliert werden zu können. Vielmehr bestätigte der Wert die bereits seit über
100 Jahren geltenden Grundsätze der Zystentherapie von Partsch.
In Anbetracht dessen, dass die Volumenberechnung weder die Erfahrung der Operateure
noch den klinischen operativen Situs ersetzen kann, bietet dieses nicht-invasive Verfahren
dennoch die Möglichkeit, die präoperative bildgebende Diagnostik zu ergänzen. Der
Messvorgang konfrontiert den Anwender zwangsläufig mit der Lage und Ausdehnung der
Zyste, sodass ihre dreidimensionale Morphologie genau studiert werden kann. Die Angabe
des Volumens gibt darüber hinaus eine Orientierungshilfe bei der Entscheidung über eine
potentielle Notwendigkeit zur Defektfüllung und somit auch über eine kostenbewusste
Operationskapazitätsplanung.
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Abbildungsverzeichnis
101
7 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Umlaufbahn eines Orthopantomogramms um die drei Rotationszentren
(A, B, C) [61] .................................................................................................... 9
Abbildung 2: Orthopantomogramm aus der Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie der MHH .............................................................................10
Abbildung 3: Spiralförmige Umlaufbahn eines Computertomogramms bei
kontinuierlichem Tischvorschub [59]................................................................10
Abbildung 4: Computertomogramm aus der Medizinischen Hochschule Hannover ............. 11
Abbildung 5: Kegelförmiges Strahlenbündel eines Digitalen Volumentomogramms [61] ....... 11
Abbildung 6: Digitales Volumentomogramm aus der Abteilung für Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie der MHH .............................................................................12
Abbildung 7: Einteilung der Sextanten S1-S6 [5] ..................................................................29
Abbildung 8: „Overview“ .......................................................................................................32
Abbildung 9: „Overview“ – Vollansicht von Feld 1 .................................................................33
Abbildung 10: „4Views“.........................................................................................................36
Abbildung 11: Ausschnitt des Fensters „Plan Content“ .........................................................36
Abbildung 12: Geschlechterverteilung unter den Erstzysten .................................................43
Abbildung 13: Altersverteilung des gesamten Patientenkollektivs .........................................44
Abbildung 14: Altersverteilung unter den Geschlechtern des gesamten
Patientenkollektivs .........................................................................................44
Abbildung 15: Bland-Altman-Plot für den Methodenvergleich ...............................................55
Abbildung 16: ROC-Kurve für die Mittelwerte beider Methoden ............................................58
Abbildung 17: Scatter-Plot für die Mittelwerte 2 mit dem Cut-off ...........................................59
Abbildung 18: Follikuläre Zyste in der knöchernen Ansicht ...................................................82
Abbildung 19: Follikuläre Zyste in der radiologischen Ansicht ...............................................82
Abbildung 20: Segmentierte follikuläre Zyste in der Koronaren.............................................83
Abbildung 21: Keratozyste in der knöchernen Ansicht mit Weichteilsilhouette ......................84
Abbildung 22: Keratozyste im „Overview“ .............................................................................84
Tabellenverzeichnis
102
8 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Häufigkeitsverteilung der Zystenarten in Prozent [46]............................................ 4
Tabelle 2: WHO-Klassifikation der Zysteneinteilung von 1992 [37] ........................................ 5
Tabelle 3: Einteilung des Patientenkollektivs ........................................................................27
Tabelle 4: Kategorisierung der Merkmale: Mittelwerte der wiederholten Messungen,
Alter, Zystenart, Geschlecht..................................................................................40
Tabelle 5: Häufigkeitsverteilung unter den Erstzysten ...........................................................45
Tabelle 6: Häufigkeitsverteilung unter den Zweitzysten.........................................................46
Tabelle 7: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Erstzysten unter den KZOT .......................47
Tabelle 8: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Erstzysten unter den FZ ............................48
Tabelle 9: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Erstzysten unter den RZ............................49
Tabelle 10: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Zweitzysten unter den KZOT ...................50
Tabelle 11: Häufigkeitsverteilungen innerhalb der Zweitzysten unter den FZ ........................51
Tabelle 12: Ergebnisse des verbundenen t-Tests für Mittelwert 1 und 2................................52
Tabelle 13: Ergebnisse des Methodenvergleichs nach Bland-Altman ...................................53
Tabelle 14: Abhängigkeit eines Einflussparameters auf Knochen ja/nein ..............................57
Tabelle 15: Abhängigkeit zweier Einflussparameter auf Knochen ja/nein ..............................57
Glossar
103
9 Glossar
OPT
Orthopantomographie
PSA
Panoramaschichtaufnahme
CT
Computertomographie
DVT
Digitale Volumentomographie
WHO
World Health Organization, Weltgesundheitsorganisation
MHH
Medizinische Hochschule Hannover
MKG
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
DIMDI
Deutsches
Institut
für
Medizinische
Dokumentation
und
Information
ICD
International statistical classification of diseases and related
health problems
s.Anhang
siehe Anhang
DGZMK
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
μSv
Mikrosievert
mm
Millimeter
ml
Milliliter
KEM
Knochenersatzmaterial
BMP
Bone morphogenetic protein
HIV
Humanes Immundefizienz Virus
BSE
Bovine spongiforme Enzephalopathie
Mio
Millionen
AAA-Knochen
Autolysed antigene extracted allogenic bone
TCP
Trikalziumphosphate
UK
Unterkiefer
OK
Oberkiefer
zzgl.
zuzüglich
PSI
Parodontaler Screening Index
CAS
Computer-assistierte Chirurgie
3D
Dreidimensional
DICOM
Digital imaging and communication in medicine
Glossar
104
PACS
Picture archiving and communication system
FH
Frankfurter Horizontale
MS
Mittelsagittalebene
HE
Hounsfield-Einheiten
ROI
Region of interst
STL
Stereolithographie
SPSS
Statistical Package of the Social Sciences
SAS
Statistical Analysis System
ROC
Receiver Operating Characteristics
KZOT
Keratozystisch odontogener Tumor
FZ
Follikuläre Zyste
RZ
Radikuläre Zyste
DGZMK
Deutsche Gesellschaft für
Zahn-, Mund- und Kiefer-
heilkunde
abs.
absolut
re.
rechts
li.
links
%
Prozent
cm
Zentimeter
cm³
Kubikzentimeter
z.B.
zum Beispiel
Pat.ID.
Patientenidentifikationsnummer
bzw.
beziehungsweise
MT
Magnetresonanztomographie
NaCl
Natriumchlorid
Prof.
Professor
Dr. med.
Doktor der Medizin
Dr. med. dent
Doktor der Zahnmedizin
M.Sc. Math.
Master of Sciene Mathematik
Erklärung
106
11 Erklärung
Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nrn. 6 und 7 der Promotionsordnung
Ich erkläre, dass ich die der Medizinischen Hochschule Hannover zur Promotion eingereichte
Dissertation mit dem Titel:
Computer-assistierte dreidimensionale Volumenbestimmung
von Unterkieferzysten anhand Voxel-basierter Datensätze
in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Zentrums für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover unter Betreuung von Herrn Prof.
Dr. med. Dr. med. dent. Horst Kokemüller mit der Unterstützung durch Herrn Dr. med. dent.
Marcus Stoetzer ohne sonstige Hilfe durchgeführt und bei der Abfassung der Dissertation
keine anderen als die dort aufgeführten Hilfsmittel benutzt habe.
Die Gelegenheit zum vorliegenden Promotionsverfahren ist mir nicht kommerziell vermittelt
worden. Insbesondere habe ich keine Organisation eingeschaltet, die gegen Entgelt
Betreuerinnen und Betreuer für die Anfertigung von Dissertationen sucht oder die mir
obliegenden Pflichten hinsichtlich der Prüfungsleistungen für mich ganz oder teilweise
erledigt.
Ich habe diese Dissertation bisher an keiner in- oder ausländischen Hochschule zur
Promotion eingereicht. Weiterhin versichere ich, dass ich den beantragten Titel bisher noch
nicht erworben habe.
Erklärung
107
Ergebnisse der Dissertation wurden in folgenden Publikationsorganen veröffentlicht:
Unter dem Titel „Advances in assessing the volume of odontogenic cysts and tumors in the
mandible: A retrospective clinical trial“ (Autoren: M. Stoetzer, F. Nickel, M. Rana, J. Lemound,
D. Wenzel, C. von See, N.-C. Gellrich) wurden bereits Teilergebnisse dieser Dissertation am
20.04.2013 in der Fachzeitschrift „Head and face medicine“ veröffentlicht.
Weitere Teilergebnisse wurden unter dem Titel „Management of cystic defects of the lower
jaw depending on cyst volume – A retrospective study“ (Autoren: M. Stoetzer, M. Rana, F.
Nickel, D. Wenzel, C. von See, N.-C. Gellrich, H. Kokemüller) am 18.10.2013 in der
Fachzeitschrift „Minerva Stomatologica" angenommen.
Ein Kurzvortrag wurde auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am 08.11.2013
gehalten: M. Stoetzer; F. Nickel; H. Kokemüller: „Defektfüllung von Unterkieferzysten in
Abhängigkeit vom Volumen – eine retrospektive Untersuchung-“
Ein Poster mit dem Titel „Defektfüllung von Unterkieferzysten in Abhängigkeit vom Volumen
– eine retrospektive Untersuchung-, wurde im Januar 2014 auf der Jahrestagung der
Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Mayrhofen sowie
auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie im Mai 2014 in Bad
Homburg präsentiert.
Hannover, den ________________
_______________________
Danksagungen
108
12 Danksagungen
Ich danke Herrn Universitätsprofessor Dr. med. Dr. med. dent. Nils-Claudius Gellrich,
Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen
Hochschule Hannover, sowie Herrn Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Horst Kokemüller für die
Überlassung des interessanten Themas dieser Dissertationsschrift und die stets freundliche
und kollegiale Betreuung.
Großartig. Dieses ausdrucksstarke Wort beschreibt am treffendsten die Unterstützung, die
ich durch Herrn Dr. med. dent. Marcus Stoetzer erfahren habe und prägt ausnahmslos den
Verlauf jeder Promotionsphase. Ich bedanke mich von ganzem Herzen für seinen zeitlichen
Einsatz, die zielgerichteten Diskussionen, die stets offene Tür sowie die wertvollen
Ratschläge, die zum raschen Gelingen dieser wissenschaftlichen Arbeit geführt haben. Sein
Engagement weckte in kürzester Zeit mein Interesse und meine Freude für das Fachgebiet
der Oralchirurgie.
Vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit und die freundschaftliche Betreuung.
Ein herzliches Dankeschön möchte ich weiterhin an Herrn Dr. med. Dr. med. dent. Majeed
Rana aussprechen. Die fachkundige und geduldige Einweisung in das Computerprogramm
sowie die wochenlange Bereitstellung seines Arbeitszimmers trugen in hohem Maße zur
reibungslosen Fertigstellung der vorliegenden Arbeit bei.
Vielen Dank für die stetige Hilfsbereitschaft und die angenehme Arbeitsatmosphäre.
Ich bedanke mich bei meiner Schwester Jasmin Tacke, bei meinem Schwager Nicolas Tacke
sowie bei meinem guten Freund und Zahnarzt Jörg Bertelmann für die schnelle Durchsicht
der Dissertation und die Hilfe bei der Gestaltung des Layouts.
Vielen Dank für die liebevolle Unterstützung.
Danksagungen
109
Ich danke Frau Daniela Wenzel (M.Sc. Math.) für die kompetente Beratung in allen Fragen
zur statistischen Auswertung sowie die Unterstützung zur korrekten Durchführung.
Schlussendlich möchte ich auf diesem offiziellen Weg meinen Eltern danken, die mir die
akademische Ausbildung ermöglichten und mich mit Nachsicht und Verständnis durch das
Studium begleitet haben.
Vielen Dank Mama und Papa.
Anhang
110
13 Anhang
ICD-10-GM Version 2013
Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter
Gesundheitsprobleme
10. Revision
Version 2013
Mit Aktualisierung vom 9.11.2012
Kapitel XI
Krankheiten des Verdauungssystems
(K00-K93)
Krankheiten der Mundhöhle, der Speicheldrüsen und der Kiefer
(K00-K14)
K04Krankheiten der Pulpa und des periapikalen Gewebes
K04.8
Radikuläre Zyste
Inkl.:
Zyste:

apikal (parodontal)

periapikal

residual, radikulär
Exkl.:
Laterale parodontale Zyste (K09.0)
K09Zysten der Mundregion, anderenorts nicht klassifiziert
Inkl.:
Läsionen mit den histologischen Merkmalen sowohl einer aneurysmatischen Zyste als auch einer
anderen fibroossären Läsion
Exkl.:
Radikuläre Zyste (K04.8)
Anhang
111
K09.0Entwicklungsbedingte odontogene Zysten
Inkl.:
Zyste:

Dentitions-

Follikulär

Gingiva-

lateral parodontal

primordial

Zahndurchbruchs-
K09.1Entwicklungsbedingte (nichtodontogene) Zysten der Mundregion
Inkl.:
Zyste:

nasolabial [nasoalveolar]

nasopalatinaler Gang [Canalis incisivus]
K09.2Sonstige Kieferzysten
Inkl.:
Zyste des Kiefers:

aneurysmatisch

hämorrhagisch

traumatisch

o.n.A.
Exkl.:
Latente Knochenzyste des Kiefers (K10.0)
Stafne-Zyste (K10.0)
K09.8Sonstige Zysten der Mundregion, anderenorts nicht klassifiziert
Inkl.:

Dermoidzyste

Epidermoidzyste

Lymphoepithelialzyste

Mund
Epstein-Epithelperlen
K09.9Zyste der Mundregion, nicht näher bezeichnet
Anhang
112
K10Sonstige Krankheiten der Kiefer
K10.0Entwicklungsbedingte Krankheiten der Kiefer
Inkl.:
Latente Knochenzyste des Kiefers
Stafne-Zyste
Torus:

Mandibularis

palatinus
Kapitel II
Neubildungen
(C00-D48)
Gutartige Neubildungen
(D10-D36)
Inkl.: Morphologieschlüsselnummern mit Malignitätsgrad /0
D16Gutartige Neubildung des Knochens und des Gelenkknorpels
D16.4-Knochen des Hirn- und Gesichtsschädels
Exkl.:
Unterkieferknochen (D16.5)
D16.41
Kraniofazial
Inkl.:
Knochen der Augenhöhle
Os:

ethmoidale

frontale

occipitale

parietale

sphenoidale

temporale
Anhang
113
D16.42
Maxillofazial
Inkl.:
Gesichtsknochen o.n.A.
Maxilla
Nasenmuschel
Oberkiefer
Os:

nasale

zygomaticum

Vomer
D16.5Unterkieferknochen
Inkl.:
Mandibula
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