Umnutzung Kokerei in Ausstellungsort

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© Feuertrutz GmbH, Verlag für Brandschutzpublikationen, 2014 Köln. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.
Baulicher Br andschutz
Umnutzung Kokerei
in Ausstellungsort
Alle Quellen: BSCON
Brandschutzkonzept: Die Mischanlage – Kokerei Zollverein (UNESCO-Welterbe) gilt als einer der spannendsten
Ausstellungsorte in Deutschland. Das denkmalgeschützte Gebäude stellte die Brandschutzplaner vor eine Reihe
baulicher Herausforderungen, die aus brandschutztechnischer Sicht und nach den heutigen bauordnungsrechtlichen
Regelwerken zu vielen Kompensationsmaßnahmen führten. Michael Sikorski, Martin Roszak
Abb. 1: Mischanlage – Kokerei Zollverein
D
as Besondere der Mischanlage –
­Kokerei Zollverein ist die Erschließung des Gebäudes. Die Kopfstation
der Anlage in der Ebene 6 auf 33 m
Höhe wird u. a. über die Standseilbahn
(s. Abbildung 3) erreicht. Diese befördert
bei den verschiedenen Ausstellungen
die Besucher durch die ca. 140 m lange
Bandbrücke (s. Abbildung 3), durch die
früher Kohle aus der Zeche zur Kokerei
transportiert wurde. Oben angekommen,
genießt man den Ausblick vom Dach des
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Hochhauses über das Areal der Zeche
­Z ollverein und deren Kokerei. Im Zuge
der Umgestaltung zahlreicher Zechengebäude zu kulturellen Schauplätzen und
Veranstaltungshallen wurde auch die
Mischanlage zu einer Versammlungsstätte umgenutzt.
Heutzutage befinden sich neben der Versammlungs- und Veranstaltungsfläche
ein gastronomischer Betrieb und mehrere
Ausstellungsebenen in dem Gebäude. Die
Mischanlage zeichnet sich insbesondere
dadurch aus, dass sie sich als ehemalige
technische Anlage des früheren Kokereibetriebes nicht in brandschutztechnisch
abgeschlossene Geschosse unterteilen lässt.
Allein durch die unten offenen trichterförmigen Kohlespeicher sind die Ebenen offen
miteinander verbunden. Daneben befinden
sich auch offene Treppenverbindungen
zwischen den Ebenen, die den Charakter
des Gebäudes ausmachen.
Die ungeschützten Öffnungen verbinden,
wie schon erwähnt, sämtliche Ebenen mitFeuerTRUTZ Magazin 4.2014
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Quelle: BSCON
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Abb. 2: Brandschutzplan der Ebene 6 – die Kopfstation der Anlage
einander, so dass im Brandschutzkonzept
Abweichungen und Kompensationsmaßnahmen herausgearbeitet werden mussten,
um diese historischen Öffnungen erhalten
zu können.
Durch zusätzliche Anbindungen an die fast
unendlich lang erscheinenden historischen
Bandbrücken wurden bei der Entstehung
des Brandschutzkonzeptes viele Abstimmungsgespräche mit den genehmigenden
Behörden erforderlich, um gemeinsame
Lösungen zu erarbeiten, die sowohl die
Schutzziele der Landesbauordnung NRW
erreichen wie auch die Auflagen der Denkmalbehörde erfüllen und auch die architektonischen Aspekte berücksichtigen
konnten.
Bauordnungsrechtliche Grundlagen
Die sich über insgesamt ca. 5400 m2 erstreckende Mischanlage (sechs Geschosse) mit
ihrer Gesamthöhe von 33 m (Kopfstation
in Ebene 6, s. Abbildung 2) ist gemäß LanFeuerTRUTZ Magazin 4.2014
Abb. 3: Bandbrücke mit Standseilbahn
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Abb. 4: Rauchdichte Verglasung zur Bandbrücke
desbauordnung NRW [1] als Hochhaus
einzustufen, wodurch die Sonderbau­
verordnung NRW Teil 4 – Hochhäuser [2]
anzuwenden war. Hinzu kam, dass wegen
der gewünschten Nutzung der Ebenen 1
und 3 als Versammlungsstätten die Anforderungen der Sonderbauverordnung Teil
1 – Versammlungsstätten [3] gelten.
Wegen des erforderlichen anlagentechnischen Brandschutzes und der damit verbundenen sicherheitstechnischen Anlagen
wurden Technikräume geschaffen, die weiterhin den Anforderungen der Sonderbau-
Abb. 5: Rauchdichte Verglasung zwischen Gastronomie und
­Versammlungsraum auf Ebene 3
verordnung Teil 6 – Elektrische Betriebsräume [4] unterliegen.
Der bestehende Gastronomiebereich in
den Ebenen 2 und 3 wurde von 1999 bis
2000 als Gaststätte und Cateringbetrieb
im Sinne der ehemaligen Gaststättenbauverordnung GastBauVO NRW [5]
genehmigt. Im Zuge der Nutzungsänderung zu einer Versammlungsstätte wurde
dieser Bereich als Bestand betrachtet und
deshalb wurden die Anforderungen aus
der alten GastBauVO NRW in das aktuelle Brandschutzkonzept übernommen.
Abb. 6: Brandgasventilator
auf Ebene 3, Versammlungsraum
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Durch die Vielzahl der Nutzungen und
die verschiedenen Regelwerke mussten
die daraus resultierenden Anforderungen einander gegenübergestellt und bei
der Erstellung des Brandschutzkonzeptes
berücksichtigt werden.
Baulicher und anlagentechnischer
Brandschutz
Gebäudeabschluss
Die bestehende Mischanlage weist an
mehreren Stellen im Gebäude Verbindungen zu historischen Bandbrücken auf.
Über diese Brücken sind mehrere Gebäude des Gesamtgeländes Zollverein miteinander verbunden. Der erforderliche
Gebäudeabschluss nach § 31 BauO NRW
ist somit im Bestand nicht sichergestellt.
Um die aus denkmalschutzrechtlicher
Sicht zu erhaltenden Bandbrücken baulich nicht abtrennen zu müssen, wurden in
der Genehmigungsplanung rauchdichte
Glasabtrennungen an den Verbindungen
zwischen der Mischanlage und den Bandbrücken geplant und später auch eingebaut
(s. Abbildung 4).
Durch die Errichtung einer flächendeckenden Brandmeldeanlage im Gebäude und
hinter den Verglasungen im Bereich der
Bandbrücken kann Rauch aus den Bandbrücken frühzeitig detektiert werden und
somit können die hieraus resultierenden
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Abweichungen von § 31 BauO NRW ausreichend kompensiert werden.
wodurch ein Brand im Versammlungsraum
auch visuell frühzeitig erkannt werden kann.
Trennwände
Aufzüge
In der Ebene 3 der Mischanlage befinden
sich ein Versammlungsraum und der Gastronomiebereich. Diese beiden Bereiche
waren bereits im Bestand durch eine rauchdichte Verglasung abgetrennt (s. Abbildung
5), damit auch den Besuchern des KokereiCafés der Einblick in die Charakteristik
dieses einmaligen Gebäudes ermöglicht
wurde. Trotz der bauordnungsrechtlichen
Anforderungen an feuerbeständige Trennwände zwischen Versammlungsräumen und
anderen Nutzungseinheiten sollte diese Verglasung auch bei der Umnutzung erhalten
bleiben. Im Brandschutzkonzept wurde diese Abweichung durch die erneuerte flächendeckende Brandmelde- und Alarmierungsanlage kompensiert. Weiterhin konnte so
sichergestellt werden, dass die Besucher des
Gastronomiebetriebes durch die Verglasung
weiterhin eine Sichtverbindung erhalten,
Die Standseilbahn, die über die ca. 140 m
lange Bandbrücke die Ebene 6 der Mischanlage erschließt, wurde im Brandschutzkonzept als Schrägaufzug in Anlehnung an den
§ 39 BauO NRW beurteilt. Eine Ausbildung
des Fahrschachtes durch qualifizierte Bauteile war durch die typische Zechenbauweise nicht möglich, wobei hiervon im Brandschutzkonzept aufgrund des außerhalb des
Gebäudes liegenden Aufzuges abgewichen
werden konnte. So wurde die Bandbrücke,
die selbst ausschließlich aus nichtbrennbaren Baustoffen besteht, zusätzlich mit in
den Umfang der automatischen Brandfrüherkennung aufgenommen.
Im Unterschied zu den normalen senkrecht verlaufenden Aufzügen können die
Personen in den Standseilbahnwagen die
Bandbrücke im Alarmfall auch selbstständig verlassen. Hierzu steht sowohl am
Fußpunkt wie auch an der Kopfstation der
Mischanlage (Ebene 6) ständig Personal
zur Verfügung, um die Besucher bei der
Räumung der Standseilbahn zu unterstützen. Aus diesem Grund hat die Standseilbahn eine Sicherheitsbeleuchtung und hinterleuchtete Fluchtwegpiktogramme erhalten, so dass die Besucher auch bei einem
Ausfall der allgemeinen Stromversorgung
und einem Stillstand der Wagen die Bandbrücke fußläufig sicher verlassen können.
Für einen eventuellen Brandfall innerhalb
dieser Bandbrücke wurden permanente
Öffnungen mit Wetterschutzgittern in die
Fassade der Brücke eingebaut, so dass eine
natürliche Luftdurchspülung der Bandbrücke sichergestellt und entstandener Rauch
direkt ins Freie abgeführt werden kann.
Geschossübergreifende Permanentöffnungen in Verbindung mit
spezifischer Rauchabführung
Wesentlicher Bestandteil des Gebäudes
sind die Trichter, die in Zeiten des KohleAnzeige
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Abb. 7: Trichtertreppenlauf
Dabei konnten die Ventilatoren so hinter den
vorhandenen Trichterbauten angeordnet
werden, dass sie kaum sichtbar sind. Auch
die Brandgasventilatoren wurden während
der Ausführungsplanung in die Brandfallsteuermatrix aufgenommen, so dass diese
bei Detektion der Brandmeldeanlage automatisch angesteuert werden.
Weitere Besonderheiten des
­Brandschutzkonzeptes
Trichtertreppenlauf
abbaus zur Sortierung der Kohle genutzt
wurden. Diese sind bis heute aus denkmalschutzrechtlichen Gründen offen gestaltet,
so dass auch hierüber die Ebenen in offener
Verbindung stehen und so auch verbleiben
mussten. Um diesem Umstand gerecht zu
werden, wurde kompensatorisch ein spezifisches Entrauchungskonzept erarbeitet,
mit dem einer möglichen vertikalen Rauchausbreitung entgegengewirkt werden kann.
Die Entrauchung wird nunmehr durch
eine Kombination natürlicher und mechanischer Rauchabzüge bewerkstelligt. Die
Rauchableitung aus den Ebenen 4 und 5
konnte über bestehende Kippfenster in der
Ebene 5 sichergestellt werden, da zwischen
diesen Ebenen ebenfalls eine offene Verbin-
dung besteht. In der Ausführungsplanung
wurde eine Nachrüstung der Kippfenster
mit motorischen Antrieben geplant, die
bei einer Detektion der Brandmeldeanlage
direkt angesteuert werden und auffahren.
Für den Versammlungsraum in Ebene 3
konnten keine neuen Öffnungen geschaffen
werden, da die Außenhülle des Gebäudes
wegen des Denkmalschutzes weitestgehend
erhalten bleiben musste. Hier waren im
Bestand vier Kippfenster vorhanden, die nun
als Zuluftöffnungen für die neuen Brandgasventilatoren (Volumenstrom mindestens
27.500 m3/h, Beanspruchung 300 °C über
mindestens 30 Minuten) (s. Abbildung 6)
dienen. Diese wurden an der den Kippfenstern gegenüberliegenden Fassade errichtet.
Abb. 8: Optische
Alarmierung durch
Blitzleuchte
Innerhalb eines der genannten Trichter
wurde ein Treppenlauf an den Trichterwandungen entlang eingesetzt. Dieser
wurde innerhalb des Trichters an den
Wandungen befestigt, der untere Teil der
Treppe wurde schwebend an Stahlseilen
abgehängt. Diese Ausführung war möglich, da die Treppe im Alarmfall nicht als
notwendige Treppe dient und nicht Teil
eines Rettungsweges ist (s. Abbildung 7).
Personenalarmierung
Die notwendige Personenalarmierung
gemäß § 20 SBauVO NRW, wonach in
dieser Versammlungsstätte eine Sprachalarmierung nach DIN VDE 0833-4 erforderlich ist, konnte wegen der Gebäude­
ausdehnung und der vielen Stahleinbau­ten
nicht als funktionierende Sprachalarmierung mit entsprechender Sprachverständlichkeit sichergestellt werden. Abweichend
hiervon wurde im Brandschutzkonzept
für die Versammlungsstätte eine akustische Alarmierung über Sirenen in Verbindung mit einer optischen Alarmierung über Blitzleuchten (s. Abbildung 8)
festgelegt. Hierdurch kann gewährleistet
werden, dass bei Veranstaltungen neben
der akustischen Alarmierung auch die
optische Wahrnehmung über die roten
Blitzleuchten erfolgt und eine frühzeitige
Räumung des Gebäudes eingeleitet werden
kann.
Löschanlagen
Obwohl das Gebäude, wie erwähnt, grundsätzlich als Hochhaus eingestuft werden
musste, konnte in Abstimmung mit den
zuständigen Genehmigungsbehörden
erreicht werden, dass keine automatische
Löschanlage gemäß § 102 Abs. 1 SBauVO
erforderlich wurde. Dies wurde damit
begründet, dass die Bandbrücke als Schrägaufzug nur temporär bei Ausstellungen
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betrieben wird. Nur dann befindet sich Personal in der Ebene 6. Nur durch die Anwesenheit dieser Personen musste die Ebene 6
überhaupt als Aufenthaltsraum eingestuft
werden.
Die erforderlichen Brandfallsteuerungen
und das Zusammenspiel der Anlagen im
Gebäude wurden im Zuge der Ausführungsplanung durch ein BrandfallmatrixKonzept festgelegt und mit den Behörden
abgestimmt.
Fazit
Die Mischanlage – als Teil des UnescoWeltkulturerbes Zollverein – stellte die
Fachplaner vor eine Reihe von Herausforderungen und erforderte in brandschutztechnischer Hinsicht viele Sonderlösungen
hinsichtlich des baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutzes, um den Anforderungen der bauordnungsrechtlichen Regelwerke zu entsprechen bzw. diese fachgerecht und schutzzielorientiert zu kompensieren.
Neben der Erstellung des Brandschutzkonzeptes und der Brandfallmatrix erfolgte
eine brandschutztechnische Ausführungsplanung sowie die Einrichtung einer Fachbauleitung Brandschutz, so dass mit dem
Ende der Baumaßnahmen die Konformität
der brandschutztechnischen Anforderungen
gegenüber dem Bauherrn und den Genehmigungsbehörden bestätigt werden konnte. ■
Literatur
[1]Landesbauordnung NRW,
Stand März 2000
[2]Sonderbauverordnung NRW Teil 4 –
Hochhäuser, Stand November 2009
[3]Sonderbauverordnung NRW Teil 1 –
Versammlungsstätten,
Stand November 2009
[4]Sonderbauverordnung NRW Teil 6 –
Elektrische Betriebsräume,
Stand November 2009
[5]Gaststättenbauverordnung NRW,
Stand Dezember 1983
Schlagworte für das Online-Archiv
unter www.feuertrutz.de
Brandschutzkonzept, Versammlungsstätte
Autoren
Dipl.-Ing. Michael Sikorski
Dipl.-Ing. Sicherheitstechnik;
Geschäftsführender
­Gesellschafter bei der BSCON
Brandschutzconsult GmbH,
Essen; eigenverantwortlicher
saSV für die P­ rüfung des
Brandschutzes
B. Sc. Martin Roszak
Seit 2009 tätig im Brandschutzsachverständigenbüro
BSCON Brandschutzconsult
GmbH, Essen; berät als
­Projektingenieur Bauherren,
Architekten und Fachplaner
in allen Fragen des vorbeugenden Brandschutzes
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