Pflegezentrum Gellerthof Basel Minergie-P Leben und pflegen Von Carmen Nagel Eschrich Sich zur Ruhe setzen und das Alter in natürlicher Umgebung geniessen – dies mitten im pulsierenden Leben Basels –, eine angenehme Vorstellung, welche die Stiftung Bethesda und Kägi Schnabel Architekten für die neuen Bewohner des Alterszentrums Realität werden liessen. Die Ausgangslage war nicht ganz einfach: Das Grundstück der Stiftung Bethesda liegt einerseits im hektischen Spitalareal, doch andererseits orientiert es sich zum herrlich grünen Schwarzpark-Bethesdapark. Im Rahmen eines Wettbewerbs für das Alterszentrum sollten Lösungen erarbeitet werden, welche auf die Präsenz des Spitals reagieren, ohne Optionen Nachhaltig Bauen | 1 | 2015 zum Rückzug auszulassen. Als Gewinner gingen Kägi Schnabel Architekten hervor, die mit ihrem Bau eine viel gelobte Integration und Einbindung in die Infrastruktur und die bauliche Umwelt bewirkten. Klar definiert: Gebäudefront und Rückseite Durch zwei aneinandergelehnte keilförmige Baukörper reagiert das sichelförmige Haupthaus auf seine zwei wesentlichen Fronten: Zur Strassenseite empfängt unübersehbar der Haupteingang am Scheitelpunkt der beide Keile. Einladend rückt die Cafeteria durch die grosszügige Verglasung im Erdgeschoss in den öffentlichen Raum, offeriert sich so dem Passanten. Introvertiert, geborgen und dadurch viel intimer wird die Gebäuderückseite erlebt; die beiden Gebäudewinkel definieren den Freiraum und rahmen ihn ein. Diese private Terrasse der Altersresidenz lädt zu ruhigen Sonnenstunden 73 Pflegezentrum Gellerthof Basel Fotos: Ruedi Walti, Basel ein, zahlreiche Wege ermöglichen den Bewohnern Spaziergänge an der frischen Luft. Der Garten wurde liebevoll angelegt, die gewundenen Pfade führen vorbei an verschiedene Büschen und Gewächsen und schaffen eine abwechslungsreiche Atmosphäre. Stein auf Stein? Traditionell sollte sich der Bau an die Umgebung anpassen, man entschied sich bewusst gegen eine unpersönliche Stahl-Glas-Architektur. So fiel die Wahl, in Anlehnung an die Sichtbacksteingebäude der Gründerzeit im Gellertquartier, auf die Klinker-Optik. Dazu wurden Klinkerriemchen auf Wärmedämmplatten aufgeklebt und schützen so den Bau – weitaus zuverlässiger als herkömmlicher Putz – vor Verschmutzung und Verwitterung. Ein genial robustes und pflegeleichtes Produkt, wohl aber durch glänzend-protzige Architektur in den Hintergrund gedrängt. So wurden die Klinker speziell für dieses Projekt in einem der letzten Ringöfen in Deutschland produziert. Durch die natürliche Marmorierung des gebrannten Tons entsteht eine lebendige Ansicht, die unebene Haptik der einzelnen graubraunen Platten lässt eine einzigartige, unverwechselbare Fassade entstehen. Unterbrochen wird die Klinkerfassade durch die regelmässigen, raumhohen Fensterelemente. 74 Nachhaltig Bauen | 1 | 2015 Minergie-P Solide und massiv Das statische System verbirgt sich hinter den 103 000 Klinkerriemchen und der starken Wärmedämmung; die betonierten Wände und Decken boten eine wirtschaftliche Lösung und erlauben die Gestaltung der offenen, häufig stützenfreien Räume. Auch in den Fassaden taucht der graue Beton wieder auf; wie Bänder umläuft die Sichtkante der Decke sowie des Dachabschlusses die vier Geschosse, betont so die Vertikalität des Baus und bindet gleichzeitig die beiden Gebäudekeile wieder aneinander. Moderner Grundriss, freundliches Interieur Der Grundriss ist modern und offen gestaltet; im Erdgeschoss bildet die Cafeteria den Blickfang, betont durch die ausgedehnte Verglasung. Im Anschluss an das weiträumige Foyer und den Empfang wurden die administrativen Bereiche angeordnet. Über eine Liftanlage werden die jeweiligen Gebäudeeinheiten erschlossen. Die Zimmer der Bewohner bieten hingegen Rückzug, deshalb schlugen die Planer hier auch eine Lochfassade vor. Das Fensterelement wird aussen bündig angeschlagen, sodass mit der nur 40 cm hohen Fensterbank eine gemütliche Sitznische entstand. Wer an das Bett gebunden ist, kann dank niedriger Brüstung die Aussicht ebenfalls geniessen und das Leben vor dem Fenster mitverfolgen. Der Grundriss bleibt flexibel möblierbar, sodass die Bewohner auch persönliche Möbelstücke in ihr neues Zuhause mitnehmen können – hier ist für jeden Lieblingssessel Platz! Die barrierefreien Bäder sind modern und freundlich eingerichtet, erinnern fast an ein Wellnessbad und wirken keineswegs klinisch kühl. Gut strukturiert Auf jedem der drei Geschosse wurden 34 Bewohnerzimmer eingerichtet, zusätzlich zu Betreuungs- und Pflegeräumen – im Attikageschoss sind es sogar 20 Zimmer. Freiräume und Austritte an die frische Luft gibt es zahlreiche, doch unübertroffen bleibt die Dachterrasse im ersten Obergeschoss. Das Dach der zweigeschossigen Einstellhalle wurde begrünt und bedeutet besonders für Demenzkranke eine Oase für Freiheit, Luft und Lebensqualität. Minergie-P – warum nicht? Die überdurchschnittlich gute Wärmedämmung war Teil des Konzepts, die klare Kompaktheit des Baukörpers ebenso. Der Entwurf zeigte ein optimales Verhältnis von grosszügiger Nachhaltig Bauen | 1 | 2015 Verglasung zu geschlossener Fassadenfläche, weshalb sich Kägi Schnabel Architekten und die Bauherrschaft spontan für die Minergie-P Zertifizierung entschieden. Gekoppelt ist das Konzept der Solararchitektur natürlich an die nachhaltige Haustechnik. So werden die Räume zuverlässig mit Frischluft über die Lüftungsanlage versorgt, und die Wärme für die Heizung wird aus nachhaltigen Energiequellen bezogen. Wird es im Sommer zu heiss, kann die Fussbodenheizung zu Kühlzwecken genutzt werden. Dabei wird über einen Wärmetauscher Kaltwasser zugeführt, so kann zu jeder Jahreszeit ein behaglicher Wohnkomfort garantiert werden. Tatsächlich wurde mit diesem Alterszentrum die komplett neue Energiezentrale Bethesda eingerichtet – sie versorgt Spital, Alterszentrum, Parking und zwei weitere 75 Pflegezentrum Gellerthof Basel Minergie-P Gebäude mit Energie. Verheizt werden Holzschnitzel, doch auch das mit Basels Fernwärme betriebene Blockheizkraftwerk bleibt aktiv. Schon jetzt braucht das Minergie-P Gebäude im Vergleich zum heutigen Gebäudestandard bis zu 90 Prozent weniger Heizenergie und benötigt kein konventionelles Heizsystem, es nutzt erneuerbare Energien wie Holz und Sonne. Ein Vorzeigeobjekt wurde dank erfahrenen Planern und mutiger Bauherrschaft ins Leben gerufen. Gerade mit Grossprojekten wie diesem können die Weichen zur 2000-Watt-Gesellschaft gestellt werden. ❰ Bauherrschaft Stiftung Diakonat Bethesda Gellertstrasse 144 4020 Basel Tel. 061 315 21 32 www.bethesda.ch Architekt Kägi Schnabel Architekten ETH BSA SIA Güterstrasse 86a 4053 Basel Tel. 061 201 16 00 www.kaegischnabel.com Bauleitung Itten+Brechbühl AG Güterstrasse 133 4052 Basel Tel. 061 556 07 00 www.ittenbrechbuehl.ch Bauingenieur WMM Ingenieure AG Florenz-Strasse 1d 4142 Münchenstein Tel. 061 339 90 90 www.wmm.ch HLKK-Ingenieur herrmann & partner Energietechnik GmbH Kanonengasse 23 4051 Basel Tel. 061 270 10 20 www.herrmannpartner.ch Sanitäringenieur Schmutz & Partner AG Unterer Batterieweg 35 4002 Basel Tel. 061 361 55 50 www.schmutz-partner-ag.ch 76 Nachhaltig Bauen | 1 | 2015