Licht, Luft und Lehm Generationsübergrei

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Energie Spezial | Architektur
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Lageplan, M 1 : 3 000
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Licht, Luft und Lehm
Generationsübergreifendes Wohnprojekt
Leuchtturm, Berlin
Autark, also völlig unabhängig von Energieanbietern
zu sein, das war der Wunsch der Baugenossenschaft
Leuchtturm e.G., die sich extra für den Bau des Wohnhauses gegründet hatte. Ganz gelungen ist die Unabhängigkeit nicht, aber Passivhaus-Standard erreicht
das Gebäude allemal.
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Schnitt,
M 1 : 333 1/3
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116 1–3
Nachhaltiges, gemeinschaftliches und generationenübergreifendes
Wohnen heißt das Zeichen, unter dem das Haus in der Pappelallee
steht. Schon vor Planungsbeginn waren sich die späteren Bewohner
mit den Architektinnen Irene Mohr und Karin Winterer darüber einig,
ihr eigenes Zuhause entsprechend den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zu bauen:
– ökologische Qualität mit Wirkungen auf die globale und lokale
Umwelt sowie Ressourceninanspruchnahme und Abfallaufkommen
– ökonomische Qualität mit Projektökonomie, Lebenszykluskosten
und Wertentwicklung
– soziokulturelle und funktionale Qualität mit sozialen Qualitäten
– Gesundheit, Behaglichkeit und Nutzerfreundlichkeit, Funktionalität
und gestalterische Qualität.
Von außen ist dem Gebäude sein innovatives Konzept nicht anzusehen. Städtebaulich passt sich der Baukörper an seine gründerzeitliche Nachbarschaft an. Da die Orientierung des Hauses durch die
Grundstücksform der Baulücke vorgegeben war, konnten die solaren
Wärmegewinne nicht beeinflusst werden. Umso wichtiger war daher
die sorgfältige Planung der hochgedämmten Gebäudehülle.
Hybrid-Konstruktion
Aufgrund der nach Berliner Bauordnung erforderlichen Feuerbeständigkeitsklasse F90 für siebengeschossige Gebäude wurde die Tragkonstruktion als Stahlbetonskelett errichtet. Die Fassade wurde in
Holztafelbauweise ausgeführt, die Fassadenelemente besitzen eine
Holzweichfaserdämmung als Kern. Im Innenbereich kamen Lehm-KorkDämmplatten zum Einsatz, abschließend wurde ein mehrlagiger Lehm­
innenputz aufgebracht. Dieses System versprach mehrere Vorteile:
Die geringe Leibungstiefe ermöglicht einen sehr guten Tageslichteinfall, was bei einer Wandstärke von 43,5 cm (U-Wert: 0,126 W/m²K) nicht
selbstverständlich ist. Darüber hinaus verhieß es ökologische und
wohngesunde Qualitäten, da die Außenwand diffusionsoffen ist; auf
Dampfsperren konnte verzichtet werden. Zudem wurde die Forderung
nach dem Einsatz regionaler Baustoffe und kurzen Transportwegen
erfüllt: Fertighaushersteller Haacke produzierte, lieferte und montierte
das Fassadensystem. Die Zusammenarbeit der Architektinnen mit der
Firma war nicht neu, kannte man sich von Altbausanierungen, bei denen die Innen-Dämmplatten aus Recycling-Kork häufiger eingesetzt
werden. Doch der Einsatz bei einem Neubau und vor allem in diesem
Umfang war eine Novität für beide Seiten.
Zur Wärmegewinnung wurde eine bivalente Anlage eingebaut, die
in erster Linie Erdwärme nutzt und den verbleibenden Energiebedarf
durch eine thermische Solaranlage und eine gasbetriebene Brennwerttherme deckt. 14 Bohrungen á 70 m Tiefe waren für die notwendige Entzugsleistung auf dem Grundstück erforderlich. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach soll langfristig den Strom für den Betrieb
der Wärmepumpe liefern. Zugunsten der Energiebilanz verzichteten
die Bewohner auf einen Keller. Die Heizzentrale wurde daher im
Dachgeschoss untergebracht.
Ventilationsfenster
Wie bei Passivhäusern funktioniert das Energiekonzept nur mit einer
kontrollierten Lüftung. Die Architektinnen entschieden sich dafür, neu­
artige Ventilationsfenster einzusetzen und diese gleichzeitig im Rahmen eines Forschungsprojektes gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umweltschutz (DBU) auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen.
In diesen Fenstern öffnen und schließen sich Ventilationsöffnungen
mit Hilfe hydraulischer Federn je nach herrschender Temperatur,
ohne dass hierfür elektrische Energie benötigt wird. Die Zuluft wird
im äußeren Scheibenzwischenraum des Kastenfensters vorgewärmt.
Dabei wird sowohl die Solarstrahlung von außen als auch die Transmissionswärmeverluste durch die inneren Scheiben genutzt.
DBZ 5 | 2010 DBZ.de
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Fotos (2): Haacke-Haus
Energie Spezial | Wohnprojekt Leuchtturm, Berlin
Das kapillare Innenwandsystem besteht aus Lehm-Kork-Platten, die mit
Tellerdübeln verschraubt werden
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Holzschraube, unter 45° eingedreht
Sto- Gleitlagerprofil mit Kompriband
Wandaufbau: Mineralischer Putz,
Sto- Therm-Wood Platte,
Holzständerwerk mit Holzfaserdämmung,
Sperrholzplatte, Cellco-Platte, Lehmputz
Fensterabdichtung und
Multifunktions-Fugendichtungsband
Fensterbank
Dämmung und Putz
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Fassadendetail, M 1 : 15
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Schaltschema
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Monitoring
Nicht nur die Fenster stehen unter Beobachtung, auch im restlichen Gebäude messen
Sensoren den Energieverbrauch im Verhältnis zu den Wetterbedingungen. Eine Wohnung
ist angeschlossen an das Monitoring und liefert beispielhaft Daten über die Heizgewohnheiten der Bewohner.
Wohngemeinschaft
Wichtig für das „Funktionieren“ des Hauses
sind jedoch nicht nur die Hybrid-Konstruktion
und das komplexe Energiekonzept, sondern
auch die Bewohner. Da die Genossenschaftsmitglieder schon vor Baubeginn an der Planung beteiligt waren, konnte eine individuelle
Gestaltung der Wohneinheiten ermöglicht
werden. Berücksichtigt wurden hierbei die
barrierefreie Benutzbarkeit der Wohnung und
auf Wunsch sogar Behindertengerechtigkeit.
Ein Aufzug gewährleistet die rollstuhlgerechte
Erschließung aller Bereiche. Im Dachgeschoss
ist ein Gemeinschaftsraum untergebracht, der
den Genossen für Versammlungen zur Verfügung steht, den die Kinder zum Spielen nutzen und in dem der sonntägliche Tatort zusammen angeschaut wird. Um keinen Raum
zu verschwenden und zugleich Kosten zu
sparen, nutzen die Bewohner die Waschmaschinen gemeinsam. Derzeit leben 28 Erwach­
sene und 17 Kinder in dem Haus, das Altersspektrum reicht vom Rentner bis zum Baby.
Es tut gut zu sehen, dass die Vorstellungen
vom innerstädtischen, nachhaltigen Wohnen
generationenübergreifend gleich sein können. SG
Beteiligte
Architekten:
Mohr + Winterer Gesellschaft von Architekten GmbH, Berlin,
[email protected]
Bauherr:
Leuchtturm e.G., Berlin,
www.gemeinschaftliches-wohnen-im-leuchtturm.de
Energieplaner/Fachingenieure
Konzept und Haustechnik:
Olaf Heinecke Beratende Ingenieurges. mbH, Berlin
Energieplaner:
Localwarming, Kreative Bauingenieure, Niels Lomer,
Ehrenkirchen,
www.localwarming.de
Bauphysik:
GWT-TUD GmbH, Dresden
(Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer der TU Dresden)
www.gwtonline.de
Messungen/Auswertungen:
M.U.T.Z. GmbH, Mobiles-Umwelttechnik-Zentrum, Berlin,
www.mutz.de
Fassadensystem:
Haacke-Haus GmbH Co.KG, Celle,
www.haacke-haus.de
Energiekonzept
Gebäudehülle:
U-Wert Außenwand = 0,14 W/(m²K),
U-Wert Fassadenpaneel = 0,126 W/(m²K),
U-Wert Bodenplatte = 0,18 W/(m²K),
U-Wert Dach = 0,139 W/(m²K),
Uw-Wert Kastenfenster = 1,18 W/(m²K),
Ug-Wert Festverglasung = 0,9 W/(m²K),
Ug-total (mit Sonnenschutz) = 1,18/0,9 W/(m²K),
Luftwechselrate n50 = 0,4 /h
Haustechnik:
Solaranlage zur Warmwasserbereitung,
Bivalente Anlage mit Wärmepumpe und Gastherme,
Wärmerückgewinnung aus der Abluft,
Zuluft durch Ventilationsfenster,
Fußbodenheizung
Energiebedarf
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