86 P L A N E N | N e u e s V e r w al t u n g s z en t r u m a m G u i s anpla t z i n B e r n - Wan k d o r f Beispielhaft in Sachen Städtebau und Nachhaltigkeit Autor | Rudolf Koradi, Worblaufen Fotos und Grafiken | Aebi & Vincent Architekten SIA AG, Bern Wankdorf im Norden Berns wird zum regionalen Wirtschafts-, Sport-, Wohn- und ­Erlebnisraum entwickelt. Das Areal des ehemaligen eidgenössischen Zeughauses ist Teil des Entwicklungsschwerpunkts (ESP) Wankdorf. Hier entsteht ein neues Verwaltungs­zentrum des Bundes mit 4700 Arbeitsplätzen, das punkto städtebaulichen, architektonischen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten höchste Ansprüche erfüllen wird. Neben architektonischen Qualitäten sowie den hohen Anforde- Das Siegerprojekt «JOIN-Y» überzeugte die Jury unter anderem rungen an Nutzung und Nachhaltigkeit zählten beim Projekt- durch eine sorgfältige Setzung der Volumen, die Offenheit des wettbewerb auch die Eingliederung ins Quartier und die städte- Areals zum angrenzenden Wohnquartier und zum Guisanplatz, baulichen Qualitäten. «Es wurden Lösungen erwartet, welche architektonische Qualitäten und ein umfassendes Nachhaltig- das Areal etappenweise zu einer neuen, starken Identität mit keitskonzept, das sowohl ökologische, ökonomische als auch hoher gesellschaftlicher Akzeptanz führen und so aufwerten, soziale Aspekte erfüllt. Ausgearbeitet wurde es durch das dass ein langfristiger Gebrauchswert und eine hohe Arbeits- ­Generalplanerteam Aebi & Vincent Architekten SIA AG, Bern platzqualität entstehen», heisst es im Bericht des Preisgerichts. (Generalplanung und Architektur), PGMM Schweiz AG, Worblaufen (Energiekonzept, Beratung und Planung Gebäudetechnik), CSP Meier AG, Bern (Elektroplanung) und weitere Planer. 1 Federführend ist das Bundesamt für Bauten und Logistik BBL. Im Jahre 2012 genehmigten die Eidgenössischen Räte einen Verpflichtungskredit von 420 Millionen Franken zur Realisierung der ­ersten Etappe. Insgesamt sind auf dem Areal fünf Gebäude mit einem Potenzial für rund 4700 Arbeitsplätze geplant. Sie werden in mehreren Etappen realisiert, damit Bauverkehr und Lärm für das Quartier erträglich bleiben. Die erste Etappe umfasst rund 3200 Arbeitsplätze für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD, die Bundesanwaltschaft BA sowie zivile Verwaltungs­ einheiten des Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS. Die zweite Etappe wird frühestens 2017 in Angriff genommen. Minergie-P-Eco und gesundes Innenraumklima als Ziele Der Bund setzt für das neue Verwaltungszentrum Guisanplatz 1 hohe Nachhaltigkeitsziele auf allen Ebenen. Zwischen der Bau- PLANEN 87 2 1 Das neue Verwaltungszentrum des Bundes im Minergie-P-Eco-Standard öffnet sich mit seinen Plätzen und Wegen dem Quartier. 2 Die Gebäudetechnik für das Free-Cooling auf dem Gebäude «Morgarten» ist elegant hinter der wärmegedämmten Fassade versteckt, die mit 50 % Fensteranteil für Minergie-P-Eco optimiert ist. herrschaft und dem Generalplaner wurde eine Zielvereinbarung Abwärme und erneuerbare Energien festgelegt: Für das neue Verwaltungsgebäude «Laupen» und wirtschaftlich genutzt das umgenutzte Lagerhaus «Morgarten» wird das Label Miner- Die Energieberater und Gebäudetechnikplaner von PGMM gie-P-Eco angestrebt, für das denkmalgeschützte Gebäude Schweiz haben in enger Zusammenarbeit mit den Architekten, «Sempach» der Minergie-Standard. Das Label «Gesundes In- den Elektroplanern und dem BBL verschiedene Varianten durch- nenraumklima GI» ist für alle Gebäude anzustreben. Zu berück- gerechnet, um auszuloten, wie die Ressourcen am nachhal- sichtigen sind zudem die Norm SIA 112 / 1 sowie KBOB-Empfeh- tigsten eingesetzt werden können und wie die Verfügbarkeit ge- lungen. Darauf basierend sind tiefe Lebenszykluskosten, ein währleistet werden kann. Für das Energiekonzept über das ge- flexibles Raumprogramm sowie eine anpassungsfähige Gebäu- samte Areal wurden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen angestellt, detechnik gefragt. raumklimatische Simulationen interpretiert und ein Szenarien- Erreichbar sind die Ziele nur, wenn Architektur und Technik op- Vergleich für den Minergie-P-Eco-Nachweis gemacht. timal aufeinander abgestimmt werden. Zu berücksichtigen sind Wärme und Kälte werden im Wesentlichen mittels Abwärmenut- Faktoren wie Wärmedämmung der Gebäudehülle, Lichteinfall, zung, Erdsonden, Energiepfählen sowie Free-Cooling mit Regen- Materialien, Versorgungsgrad mit erneuerbaren Energien, wassernutzung bereitgestellt. Photovoltaik zur Stromerzeugung Raumluft, Schallschutz und viele weitere Themen. spielt eine untergeordnete Rolle. Das Spezielle am Energiekonzept ist, dass die Energieaufbereitung für Wärme und Kälte se- Graue Energie vermeiden quenziell und mehrstufig erfolgt, damit der Verbrauch von Primär- Zwei der 15 bestehenden Gebäude auf dem Zeughausareal blei- und Fremdenergie möglichst tief bleibt. Dies beinhaltet tiefe Sys- ben erhalten: Das Denkmalschutzobjekt «Sempach» wird sa- temtemperaturen für die Heizung der Gebäude (30 °C / 27 °C) und niert, die Rohbaustruktur des ehemaligen Lagergebäudes hohe Systemtemperaturen für die Kühlung (18 °C / 22 °C). Die «Morgarten» neu genutzt. Dies entspricht der Nachhaltigkeits- COP-Werte der Kältemaschinen und Wärmepumpen sind sehr strategie des Bundes und erfüllt die Vorgabe von Minergie-Eco hoch, da nur eine geringe Temperaturspreizung für Heizung oder nach möglichst wenig grauer Energie: «Sanieren oder Umbauen Kühlung erzeugt werden muss. ist nachhaltiger als abbrechen», begründet Rudenz Flühmann, Projektleiter seitens BBL, das Vorgehen. Luft, Regenwasser und Erdreich kühlen Das riesige Lagergebäude im Zentrum des Areals zu integrieren, Eine Herausforderung ist die Kühlung der Gebäude im Som- war eine grosse Herausforderung für das Architekturteam. mer. Erste Priorität hat Free-Cooling über Rückkühlwerke auf «Eine Massnahme ist die Eliminierung des bisherigen Sockel­ dem Dach mit zusätzlicher adiabatischer Rückkühlung. Die niveaus: Cafeteria, Empfang und Büros sind ebenerdig geplant, Wärmetauscherflächen werden mit Regenwasser statt wie üb- um Innen- und Aussenräume zu verbinden», erläutert Architekt lich mit Trinkwasser besprüht. Das Regenwasser wird in einem Pascal Vincent. «Zudem wird der Gebäudekörper durch ein Atri- Becken mit 200 m3 Fassungsvermögen gesammelt und auch um geöffnet, das Licht in die Räumlichkeiten bringt und als Be- für sanitäre Einrichtungen verwendet. Mindestens 50 Prozent gegnungszone dient.» Eine meterhohe Brüstung setzt die Fas- der Kühlenergie sollten im Sommer durch Free-Cooling ge- sade fort und verdeckt elegant die Kühlgeräte auf dem Dach. deckt werden können. 88 P L A N E N | N e u e s V e r w al t u n g s z en t r u m a m G u i s anpla t z i n B e r n - Wan k d o r f 35 Prozent der Kühlenergie werden durch 83 Erdsonden mit einer wasseraufbereitung genutzt. Sie wird via Wärmetauscher direkt Bohrtiefe von 300 m und die Aktivierung von 500 für die Statik ins Heizungssystem eingespeist und kann konservativ berechnet notwendigen Pfählen gewonnen. Die Energiepfähle wurden vor mindestens 35 Prozent der benötigten Wärmeenergie beisteuern. dem Einbau mit Rohren belegt – sie werden als Wärmetauscher Die Wärmerückgewinnung der Klima­anlagen wird mit 80 Prozent genutzt. Aus Gründen der Betriebssicherheit, des begrenzten berechnet. 65 Prozent der Wärmeenergie werden nachrangig Energieangebots und der beschränkten Speicherbarkeit erneu- über die zentrale Erdwärme­sondenanlage bezogen, die auch für erbarer Energien wurden für die Deckung des Kühlbedarfs von die Kühlung genutzt wird. Prozessräumen und für Lastspitzen bei hohen Aussentempera- Für die Wassererwärmung kann zusätzlich die Abwasserwärme- turen ergänzend zentrale Kältemaschinen mit dem Kältemittel pumpe zugeschaltet werden. Um in Spitzenlastzeiten möglichst HFO-1234ze bewilligt. ohne mechanische Erzeugung von Wärme und Kälte auszukommen, stehen zwei Kalt- und Warmwasserspeicher mit je 17 000 Interne Abwärme und Erdwärme heizen Litern Fassungsvermögen bereit. Die Beheizung ist aufgrund der hohen Wärmedämmung der Gebäudehülle und der internen Abwärme relativ einfach zu lösen. Im Gestaltung und Technik verschmelzen Winter wird die Abwärme von Trafo- und Systemräumen, Kälte- Wärme, Kälte und Luft werden hauptsächlich über Hybrid-­ maschinen, Notstromanlage und Küchenabwasser auf einem Decken-Module verteilt, welche zusätzlich die Betonmassen der Temperaturniveau von bis zu 35 °C für Heizzwecke und die Warm- Decken aktivieren. Die Module sind rhythmisch angeordnet und auf die Fensterachsen ausgerichtet, sodass sie dem gestalterischen Konzept entsprechen und eine flexible Platzierung von Fakten und Daten OrtBern Höhe ü. M. 542 m Zwischenwänden erlauben. «Da die Innenraumgestaltung sehr schlicht, quasi auf Rohbaustandard, gehalten ist und keine heruntergehängten Decken oder Gipsverkleidungen vorgesehen Gebäude 1. Etappe Wettbewerb2009 Planungsbeginn2010 Baubeginn bis Bezug 2013 – 2019 Gebäudetyp Areal, bestehend aus 5 multifunktionalen Verwaltungsgebäuden (1. Etappe drei, 2. Etappe zwei Gebäude) Geschossfläche BGF 60 000 m2 Energiebezugsfläche EBF 71 500 m2 Gebäudevolumen BRI 420 100 m3 nach SIA 416 Gebäudehüllfläche Ath / EBF 0,74 Fensteranteil in Fassade ca. 50 Prozent Energieberechnung (Projekt, 1. Etappe) Wärmeenergiebedarf 1 170 500 kWh Kälteenergiebedarf (ohne Prozesskälte) 2 718 600 kWh Elektroenergiebedarf (ohne Prozessenergie) 5 205 100 kWh Gewichtete Energiekennzahl Minergie-P 24,0 kWh / m2 / a sind, stossen wir an die Grenzen des Machbaren», so Pascal Vin- Wärme- / Kälteerzeugung Wärmerückgewinnung aus Prozessen, Kältemaschinen und Notstromersatzanlage auf einem Temperatur-Niveau von bis zu 35 °C mit einem Speichervolumen von 34 000 l Anforderungen an eine ganzheitliche Nachhaltigkeit, welche auch 83 Erdsonden à 300 m Bohrtiefe falls sehr dezent gehalten – die Akzente werden die Menschen 500 Erdpfähle (Fundamentaktivierung) einbringen», erläutert Vincent das schlichte Farbkonzept. Der Free-Cooling über adiabatische Rückkühler, Besprühung aus 200 m3 Regenwassertank Sichtbeton ist in einem warmen Sandton eingefärbt. Er besteht Brauchwarmwassererwärmung über Wärmerückgewinnung aus gewerblicher Kälte sowie über Abwasser-Wärmepumpenanlage mit Speichernutzvolumen von 20 000 l verarbeiteten Recyclingbetons ist überraschend gut, weil die Wärme- / Kälteverteilung Verteilung Heizung, Kühlung und Lüftung in den Nutzzonen über Hybrid-Deckenmodule, mit Bauteilaktivierung Systemtemperaturen Heizung 30 °C / 27 °C Systemtemperaturen Kühlung 18 °C / 22 °C Solaranlagen Photovoltaik-Anlage Dach Lüftungsanlage Wärmerückgewinnung gefördertes Luftvolumen Gebäudeautomation Mehrkosten für Minergie-P-Eco cent. Die Leerrohre für die Elektroversorgung sind beispielsweise in die zonierenden vorfabrizierten Innenraumstützen aus Sichtbeton eingelegt: Anpassungen sind so jederzeit möglich. «Besonders im denkmalgeschützten Gebäude ist es eine grosse Herausforderung, die Gebäudetechnik gut zu verstecken und die Anforderungen der Denkmalpflege zu erfüllen», bestätigt Marc Schmutz, Projektleiter von PGMM Schweiz. Sanftes Spiel mit natürlichen Farben, Materialien und Licht Die muralen Fassaden aus sandfarbenem Kalkstein sind zu 50 Prozent mit Fenstern durchbrochen. «Ein Glaspalast hätte die die Akzeptanz im Quartier umfasst, nicht zu erfüllen vermocht», ist Pascal Vincent überzeugt. «Farblich sind die Gebäude eben- zu 50 Prozent aus Recyclingmaterial. «Die optische Wirkung des Konsistenz viel feiner ist», freut sich der Architekt. Eiche für innere Trennwände und Türen, der Teppichbelag in Natur­tönen und Glas sind weitere Materialien, die einen natürlichen und behaglichen Stil in die voluminösen Gebäude bringen. Tiefer Stromverbrauch senkt Lebenszykluskosten 81 000 kWh / a ohne Degradation Die Anschaffung von Leuchten, Bewegungsmeldern, Brandschutz- und Sicherheitsanlagen sowie Kommunikations-, Audio 80 Prozent 310 000 m3/h und Videoanlagen wird ebenfalls unter dem Aspekt der Nach­ Vernetzung über Ethernet TCP / IP plan, im Projekt für die Elektroplanung verantwortlich, ist über- rund 10 Prozent haltigkeit getätigt. Hans Hepp von der ARGE CSP Meier AG / eprozeugt: «Anstelle des reinen Kaufpreises werden heute die Lebenszykluskosten unter Einbezug sämtlicher Betriebs­ kosten PLANEN 89 3 4 5 3 Vorzone im historischen Gebäude «Sempach»: Architektur und Gebäudetechnik sind gut aufeinander abgestimmt. beurteilt.» Auch der Energieverbrauch von Geräten im sogenannten «Stand-by-Betrieb» wird im Auswahlverfahren unter die Lupe genommen. «Ein einzelner Brandmelder braucht zwar nur wenig Strom – 100 zusammen schlucken aber doch einige Energie», gibt Hepp zu bedenken. «Ziel ist es, die Sockellast zu senken, indem 4 Die individuell gestalteten Atrien bringen natürliches Licht in die Gebäude und laden zum Verweilen ein. 5 Sichtbeton und zonierende innere Struktur: Die Elektrotechnik findet in den vorfabrizierten Stützen, die Gebäudetechnik in den Hybrid-­ Decken-Modulen Platz, die für eine flexible Raumgestaltung auf die Fensterachsen ausgerichtet sind. qualitativ gute Geräte mit geringem Energieverbrauch eingesetzt werden.» LED ist für die Lichtquellen somit als Standard gesetzt. Bauherrschaft Labels in Reichweite Das ausgefeilte Energiekonzept wird einen geringen Verbrauch an Fremdenergie bewirken, sodass der Minergie-P-Standard erreicht werden kann. Die geforderte Energiekennzahl für Heizung, Kühlung, Warmwasser und Lüftung beträgt 25 kWh / m2 / a, was einem Verbrauch von zweieinhalb Litern Heizöl pro Quadratmeter beheizte Wohnfläche und Jahr entspricht. Die beiden Gebäude «Laupen» und «Morgarten» werden gemäss Planung einen Wert von 24,0 kWh / m2 / a aufweisen. Auch der Strom wird aus erneu- Eidgenössisches Finanzdepartement EFD Bundesamt für Bauten und Logistik BBL Fellerstrasse 21, 3003 Bern Fon +41 (0)58 465 50 00, Fax +41 (0)58 465 50 09 [email protected], www.bbl.admin.ch Generalplaner & Architekt Aebi & Vincent Architekten SIA AG Monbijoustrasse 61, 3007 Bern Fon +41 (0)31 321 10 10, Fax +41 (0)31 321 10 11 [email protected], www.aebi-vincent.ch erbaren Energien, namentlich aus Wasserkraft und Photovoltaik, Planung Energie, Gebäudetechnik, MSRL stammen. PGMM Schweiz AG Hubelgutstrasse 4, 3048 Worblaufen Fon +41 (0)31 952 67 67, Fax +41 (0)31 952 69 05 [email protected], www.pgmm.ch Punkto Wirtschaftlichkeit sollten die Vorgaben ebenfalls erfüllt sein. Die Mehrkosten dürfen aufgrund von Minergie-P-Massnahmen höchstens 15 Prozent gegenüber konventionellem Bauen betragen. Gerechnet wird für das Verwaltungszentrum mit Mehrkosten von etwa 10 Prozent. Auch die Kriterien für den Zusatz «Eco» und das GI-Label wurden bei der Planung berücksichtigt, sodass der Zertifizierung nichts im Wege stehen sollte. Elektroplanung ARGE CSP Meier AG / eproplan AG Zikadenweg 7, Postfach 125, 3000 Bern 22 Fon +41 (0)31 330 66 30, Fax +41 (0)31 330 66 39 [email protected], www.cspmeier.ch