Es war Ausgangspunkt, Herz und Mitte nicht nur der Stadt, auch des ganzen »Gesamtkunstwerks« Potsdam von Stadt, Schlössern und Gärten und der umgebenden reizvollen Landschaft. In kaum einem anderen Bauwerk in Brandenburg ist so viel Geschichte geschrieben worden, kaum ein anderes Gebäude hatte derartig viele prominente Besucher. Hier wurde das Toleranzedikt von Potsdam 1685 verkündet, hier die Allgemeine Schulpflicht erstmalig in Europa eingeführt, hier wurde erstmalig in Deutschland die Folter und die Pressezensur abgeschafft.« Dr. Hans-Joachim Kuke · Verein Potsdamer Stadtschloss e. V. Vo n de r Visi o n zur Wi rklichk eit · der N eue Landtag in Potsd a ms Mitt e »Das Potsdamer Stadtschloss war für Potsdam der eigentliche Anfang. Vision Wirklichkeit Von der zur der Ne ue Landtag in Po ts d ams Mitte www.mdf.brandenburg.de 260601002-bildband_festeinband.indd 1 03.01.14 15:34 Von der Vision zur Wirklichkeit der Neue Lan d tag i n Potsdams M i tte 260601002-bildband_240x30.indd 1 06.01.14 15:36 260601002-bildband_240x30.indd 2 06.01.14 15:36 Von der Vision zur Wirklichkeit d e r N e u e L andtag i n Potsdams M itte Herausgegeben vom Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg 260601002-bildband_240x30.indd 3 06.01.14 15:36 INHALT 6Vorwort Dr. Helmuth Markov AUSSEN HISTORISCH – INNEN MODERN Der Siegerentwurf 10 Grußwort Jann Jakobs 54 12Einführung Christian Wendland DAS WUNDER VON POTSDAM Standortentscheidung und Vergabeverfahren 28Ein Blick zurück Christoph Siegler und Thomas Schubert gehen auf Zeitreise EINE MASSGESCHNEIDERTE LÖSUNG FÜR BRANDENBURG Öffentlich-private Partnerschaft und Vertrags­controlling 260601002-bildband_240x30.indd 4 40 er Stadtplaner D Andreas Goetzmann begleitete für die Stadt Potsdam das ÖPP-Verfahren 45 Die öffentlich-private Partnerschaft 48 Die Vertragsbeauftragte des Landes Brandenburg Marianne Kliem und ihr Team waren für das Vertragscontrolling in der Planungsund Bauphase zuständig illkommen im modernsten Parlament W der Republik Dr. Detlef Voigt, Direktor des Landtags 56Moderner Baumeister der alten Schule Prof. Peter Kulka verbindet im neuen Landtag Geschichte mit Baukultur und Philosophie 60 Moderner Landtag in barockem Kleid 68Räumliche und funktionale Herausforderungen 72Die Gesamtplanungskoordinatorin Architektin Daniela Dünnemann steuerte die komplette Planung ZWISCHEN BEGEISTERUNG UND ABLEHNUNG Die öffentliche Meinung als Herausforderung 78Spannungsfeld Öffentlichkeitsarbeit Dr. Sigrid Sommer DIE KONTUREN WERDEN SICHTBAR Vorarbeiten, Rohbau und Dach 98 Die Vorarbeiten 104 D er Mann für alle Fälle Rohbauprojektleiter Michael Spahr wurde zum Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter 06.01.14 15:36 109 Der Rohbau DIE LICHTE WELT DER MODERNE Das Innere des neuen Landtags DIE VISION IST WIRKLICHKEIT Der neue Landtag in Potsdams alter Mitte 120 Das Kupferdach 160Ein schönes und umfangreiches Projekt Die Bauingenieurin Birte Wöstenberg gehörte zum Team für Gesamtplanung und Koordination 214 In der IT-Welt des Landtags zu Hause Holger Nitzsche ist Referatsleiter des Landtags für Haustechnik und IT 121 Sechs Fragen an Hasso Plattner 164 Großzügig, hell und modern 122Unter Dach und Fach Sandro Hilmes ist zuständiger Bauleiter für Dächer bei der BAM 172 Der Plenarsaal – Herzstück des Landtags 117 E in Polier hat Aufgaben wie ein Computer Frank Schmidt war als Bauführer für den Rohbau zuständig in Original mit Ecken und Kanten 181 E Wolfgang Behrens war der Oberpolier auf der Landtagsbaustelle ALTER GLANZ IN NEUER UMGEBUNG Die historischen Teile 128 Die historische Fassade err über 9 000 Kubikmeter Sandstein 135 H Klaus Böhlitz war beim Landtagsneubau für die Fassade zuständig 138Eine tolle Aufgabe Volkmar Hillig leitete die Natursteinarbeiten an der Fassade 142Die Spolien 148Höchste Qualität Kathrin Lange kümmerte sich für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) um die Originalteile 152 Das Knobelsdorff-Treppenhaus 218Von der Schlüsselübergabe bis zur ersten Plenarsitzung 232Die Schlossbewohnerin Ingrid Semmrich wohnte als Kind mit ihren Eltern im linken Seitenflügel des Fortunaportals EIN OFFENES HAUS FÜR DIE BÜRGER Kunst am Bau und öffentliche Nutzung ine gute Zusammenarbeit 186 E Gerrit Große war Vorsitzende der Kunstund Ausstattungskommission des Landtags und betreute den Wettbewerb »Kunst am Bau« ANHANG 238 Danksagung, Gastbeiträge 239 Bildnachweis 240Impressum 190 Kunst am Bau 194 »Entschieden differenziert« Florian Dombois gewann den Wettbewerb »Kunst am Bau« 198Güldene Idee Annette Paul belegte den zweiten Platz beim Kunstwettbewerb für den Landtag 203 Raum für die Öffentlichkeit 260601002-bildband_240x30.indd 5 06.01.14 15:36 Vorwort Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, liebe Gäste des Landes Brandenburg und der Landeshauptstadt Potsdam, das Land Brandenburg hat mitten in der Landeshauptstadt Potsdam einen neuen Landtag errichtet. Das allein ist schon ungewöhnlich in einer Zeit, in der alle anderen 15 Bundesländer längst einen dauerhaften Ort für ihre Parlamente gefunden haben. Doch der neue Landtag Brandenburgs in Potsdam ist auch in weiterer Hinsicht ein besonderer Bau. Wie Ihnen dieser Bildband anschaulich zeigt, ist der Landtagsneubau ein außergewöhnliches Gebäude, weil er eine Brücke zwischen Geschichte und Moderne schlägt; ein – wie ich finde – gelungener Übergang zwischen dem Ort am historischen Alten Markt und der Bestimmung des Hauses. Der Bau lehnt sich mit seiner Hülle an die äußere Form des Knobelsdorff´schen Stadtschlosses der preußischen Kurfürsten und Könige und späteren deutschen Kaiser an, das hier einst stand. Dabei wurden auch erhaltene Bauteile des einstigen Schlosses verwendet, damit für künftige Generationen die Brüche der Geschichte greifbar bleiben. Zugleich ist es ein Gebäude, das mit seinem modernen Inneren den Funktionen und Anforderungen eines heutigen Parlaments gerecht wird. 260601002-bildband_240x30.indd 6 06.01.14 15:36 Christoph Weiser, Präsident des Landesrechnungshofs; Elona Müller-Preinesberger, Beigeordnete der Stadt Potsdam; Landtagspräsident Gunter Fritsch; Finanzminister Helmuth Markov; Architekt Peter Kulka und Alexander Naujoks, Vorstandsvorsitzender der BAM Deutschland AG (v. l. n. r.), bei der Übergabe des symbolischen Transponderschlüssels zum neuen Landtagsgebäude am 10. Oktober 2013. Hier treten mitten in der Landeshauptstadt die frei gewählten Abgeordneten des Landes Brandenburg im deutschlandweit modernsten Parlamentsgebäude zusammen. Das Bauwerk ist aber auch deshalb ein besonderes Symbol, weil es nicht nur der künftige Ort für Debatten in Brandenburg ist, sondern selbst das Ergebnis eines jahrelangen, intensiven Meinungsaustausches verkörpert. Gut 15 Jahre diskutierten Bürgerinnen und Bürger sowie die Volksvertreterinnen und Volksvertreter in der Landes­hauptstadt Potsdam und im Land Brandenburg, ob die nach der politischen Wende vom Landtag bezogene einstige Kriegsschule auf dem Brauhausberg – der ehemalige Sitz der SED-Bezirksleitung – dauerhaft für die Zwecke eines Parlamentes hergerichtet wird. Oder ob es eines neuen Parlamentsbaus bedarf. Und wenn ja, wo dieser zu errichten sei. Zugleich gab es leidenschaftliche Diskussionen in Potsdam, ob das einstige Stadtschloss wiedererrichtet werden soll. Während viele Bürgerinnen und Bürger die historische Mitte der Stadt wieder aufbauen wollten, gab es auch Stimmen gegen die Neuerrichtung eines Schlosses in Potsdam. Während heute oft über Politikverdrossenheit oder mangelnde Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger diskutiert wird, zeigt dieser Diskurs genau das Gegenteil: eine lebendige Demokratie! Diese steht nicht nur Brandenburg gut zu Gesicht, sondern sie passt auch wunderbar zur Bestimmung des Landtagsneubaus am Alten Markt – sie ist gewissermaßen Motivation und Auftrag zugleich für die gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter. Denn mit dem Landtagsneubau ist ein Gebäude genau für diesen Zweck entstanden: ein Ort der Debatten, ein Ort der Meinungsäußerung, ein Ort der Meinungsbildung. Die Abgeordneten aus allen Regionen Brandenburgs ringen hier um die für das Land wichtigen Entscheidungen – und verabschieden an diesem Ort Gesetze und Beschlüsse für das Land. Nach den mitunter leidenschaftlich geführten Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern eines Parlamentsneubaus sowie zwischen jenen, die das einstige Stadtschloss in Potsdams Mitte wiedererrichten wollten und jenen, die das ablehnten, stand ein Kompromiss: Nach einer Grundsatzentscheidung für einen Neubau beschloss der Brandenburger Landtag im Mai 2005, sein neues Parlamentsgebäude am Alten Markt auf dem Grundriss des alten Schlosses errichten zu lassen. Ein Kompromiss nach gut 15 Jahren Diskussion, der ebenfalls gut zu diesem Ort passt. Gehört doch {7} 260601002-bildband_240x30.indd 7 06.01.14 15:36 nicht nur die Debatte, sondern auch das Aufeinanderzugehen zu einer lebendigen, funktionsfähigen Demokratie. Der Weg von der Vision zur Wirklichkeit eines neuen Landtags war geebnet, doch der Weg dieses Baus blieb auch weiterhin etwas Besonderes: Aufgrund der großzügigen Spende von Professor Hasso Plattner im Jahr 2007 über 20 Millionen Euro war es möglich, die historische Fassade des einstigen Stadtschlosses an dem Neubau nachzuempfinden. Vier Jahre später gab der Softwareunternehmer eine weitere Spende, um ein Kupferdach auf dem Landtag zu errichten, wie es einst das Stadtschloss besaß. Dieser Beitrag ist hoch wertzuschätzen. Die beeindruckende Kulisse der neuen, alten Mitte der Landeshauptstadt ist damit enorm bereichert, ja: beschenkt worden. Über Generationen hinweg wird dieses neue Wahrzeichen der Landeshauptstadt sichtbar und erlebbar sein. Dafür gilt Hasso Plattner unser Dank! Verglichen mit den jahrelangen Vorbereitungen auf den Bau, ist dieses Gebäude geradezu in einer Rekordbauzeit entstanden. Nachdem wir 2011 den Grundstein legten, konnten wir im Herbst 2013 bereits den Schlüssel für dieses besondere Gebäude an den Landtag überreichen. Dazwischen hat der Auftragnehmer – die BAM Deutschland AG – 25 000 Kubikmeter Beton verbaut, und wir als Auftraggeber haben einige schwere Steine aus dem Weg geräumt. Die Debatten in der Öffentlichkeit blieben dem Bau treu: Während die einen sich mehr Anlehnung an das einstige Stadtschloss wünschten, war es den anderen zu viel Preußen. Um viele Details wurde gerungen, die dieses Buch ausführlich beschreibt. Der neue Landtag ist aber nicht nur das Ergebnis gelebter Demokratie und eine Brücke zwischen der Geschichte und der Moderne – der Bau brachte auch Menschen verschiedenster Berufe und Herkunft zusammen. Dieser Bildband porträtiert Einige von ihnen. Von dem bekannten Architekten Peter Kulka über den Polier Frank Schmidt bis zur gelernten Steinbildhauerin und studierten Restauratorin Kathrin Lange, die die Leiterin der Skulpturenwerkstatt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist. Von dem Rohbauprojektleiter Michael Spahr über die Künstlerin Annette Paul bis zum verantwortlichen Bauingenieur für das Dach, Sandro Hilmes, oder auch zur langjährigen Projektleiterin des Finanzministeriums, Marianne Kliem. Damit erlaubt das Buch, sich dem Gebäude und seinen Geschichten auch über die Personen zu nähern, die an seinem Bau beteiligt waren. Und es hält die besondere Entstehung des Gebäudes in ausdrucksstarken Bildern fest. Besonders danke ich Ingrid Semmrich, die als Kind im Potsdamer Stadtschloss wohnte und für dieses Buch private Fotos zur Verfügung stellte. Ebenso gilt der Dank all jenen, die an diesem wunderbaren Buch mitgewirkt haben, hervorgehoben sei der Potsdamer Architekt Christian Wendland, der die Leserinnen und Leser in die Geschichte dieses Ortes am Alten Markt einführt. Speziell richtet sich der Dank an die Vielen, die beim Landtagsneubau auf die eine oder andere Weise mitgewirkt haben: an die engagierten Bürgerinnen und Bürger, die Abgeordneten des Landtags und der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam sowie deren Planer und Entscheidungsträger. Und natürlich an die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter, die Künstlerinnen und Künstler und nicht zuletzt an die beteiligten Architektinnen und Architekten. Ich kann sie hier nicht alle nennen, möchte aber allen herzlich für ihren Beitrag danken! Dieses Buch ist auch ein Dankeschön für alle, die dazu beigetragen haben, dass aus einer Vision Wirklichkeit wurde. {8} 260601002-bildband_240x30.indd 8 06.01.14 15:36 Blick aus dem Innenhof auf Fortunaportal und Nikolaikirche, November 2012 Ich selbst wurde während des Baus oft gefragt, wie es sich anfühlt, zuständiger Minister für den Parlamentsneubau mit historisch nachempfundener Fassade und gleichzeitig Vertreter der Partei zu sein, die gegen die Wiedererrichtung des Potsdamer Stadtschlosses war. Abgesehen davon, dass es bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht in erster Linie um die eigenen Empfindungen, sondern um die Umsetzung der vom Landtag getroffenen Entscheidungen geht, halte ich den neuen Landtag für ein wunderbares Symbol für die lebendige Demokratie in Brandenburg. Ja, die Vision ist Wirklichkeit geworden! Nicht als reiner Wiederaufbau des Stadtschlosses, nicht als purer moderner Neubau, sondern als Kompromiss aus den gesellschaftlichen und politischen Diskussionen. Und: Das Ergebnis, das Bauwerk kann sich wirklich sehen lassen! Ein solches Parlamentsgebäude kann sich jedes Bundesland nur wünschen. Ich lade alle Brandenburgerinnen und Brandenburger ein, diesen Landtag als den ihren anzunehmen. Denn in erster Linie ist es Ihr Gebäude! Dr. Helmuth Markov Minister der Finanzen des Landes Brandenburg in dieser Funktion zuständig für den Landtagsneubau Potsdam, 18. Januar 2014 260601002-bildband_240x30.indd 9 06.01.14 15:36 Einführung Christian Wendland Das Potsdamer Stadtschloss in der Weimarer Republik, wichtigste Stätte der Potsdamer Stadtverwaltung Das Rathaus am Alten Markt Vom Mittelalter bis in die Neuzeit befand sich an der Stelle des heutigen Potsdamer Alten Rathauses der Sitz der städtischen Verwaltung. Sie war in einem massiv gebauten kleinen Rathaus am Alten Markt untergebracht. Die Stadt Potsdam ist durch die königliche Städteordnung vom 26. Oktober 1722 direkt der Verwaltung von König Friedrich Wilhelm I. (1688, reg. 1713 – 1740) unterstellt – genauso wie die Residenzstadt Berlin als »Immediatstadt«. Damit sind die letzten Selbstverwaltungsrechte der Stadt aufgehoben. Der König bestellt den Bürgermeister, den Kämmerer und die drei Ratsherren. Mit dem Bau des friderizianischen Alten Rathauses 1753 bis 1755 auf königliche Kosten ist die Stadtverwaltung in einem repräsentativen Neubau untergebracht. Baumeister und Architekt ist Jan Bouman (1706 – 1776). Die Fassade hat Bouman im Auftrag des Königs nach einem nicht realisierten Palazzo-Entwurf des Renaissance-Architekten Andrea Palladio von 1564 zu gestalten. Den Turmaufbau mit dem vergoldeten Atlas fügte Bouman nach Motiven des »Stadthuis« seiner Geburtsstadt Amsterdam hinzu. Das Potsdamer Stadtschloss um 1910, Ansicht von Süden. Im Vordergrund der Neptunteich mit der großen Neptungruppe in der Schlossachse sowie die Kuppel der St. Nikolaikirche im Hintergrund. {12} E inführ un g 260601002-bildband_240x30.indd 12 06.01.14 15:36 Am Alten Markt: in der Bildmitte das Alte Rathaus, in dem die Stadtverordneten von 1809 bis 1919 tagten, rechts das hohe Palais Barberini, in dessen Saal im Obergeschoss über den Arkaden nach der Novemberrevolution 1919 die ersten demokratisch gewählten Abgeordneten abstimmten, bevor sie 1920 in das Potsdamer Stadtschloss links in die neuen Abgeord­ netenbüros und den neuen Sitzungssaal einziehen konnten. Bürgerlicher Neuanfang Die neue Städteordnung vom 19. November 1808 sorgt auch in Potsdam für einen bürgerlichen Anfang, eine Selbstverwaltung der Stadt. Die »Ordnung für sämtliche Städte der Preußischen Monarchie mit dazu gehöriger Instruktion, Behufs der Geschäftsführung der StadtVerordneten bei ihren ordentlichen Versammlungen« haben der Freiherr vom und zum Stein und Johann Gottfried Frey verfasst. Die erste Wahl zu einer Potsdamer Stadtverordnetenversammlung findet nach dieser Neuerung am 12. März 1809 statt. 60 Stadtverordnete werden gewählt. Am 20. März 1809 treten sie zu ihrer ersten Sitzung im Saal des »Holländischen Hauses« in der Lindenstraße 54 zusammen, denn im Rathaus am Alten Markt gibt es keinen so großen Raum; ein solcher wird allerdings noch 1809 fertiggestellt. Bis zum Sommer 1847 tagen die Stadtverordneten hier und beschließen am 28. August desselben Jahres, künftig – gemäß einer »Allerhöchsten Kabinettsorder« vom 24. Juli 1847 – diese Sitzungen teilweise auch öffentlich durchzuführen. Ein Novum für Preußen – heute allgemeine Praxis. Bis 1918 finden die Versammlungen der Stadtverordneten weiter im Alten Rathaus statt. Doch bereits 1898 hatten die Stadtverordneten aufgrund der zunehmenden öffentlichen Verantwortung für die wachsende Bevölkerung beschlossen, das Nachbarhaus Am Alten Markt 1, und 14 Jahre später, 1912, das große Doppel- {13} D a s P o t s d a m e r S ta d t schl os s i n der Weimarer republi k 260601002-bildband_240x30.indd 13 06.01.14 15:36 wohnhaus Humboldtstraße 5/6, den Palast Barberini, für die Aufgaben der Potsdamer Stadtverwaltung anzukaufen und für diese zu nutzen. Die Demokratie in Potsdam beginnt im Stadtschloss Nach der Novemberrevolution 1918 tagt die Stadtverordnetenversammlung Potsdams noch in der alten Besetzung am 17. November 1918 erstmalig im Saal des Palasts Barberini. Am 28. November dankt Kaiser Wilhelm II. ab. Er geht nach dem Kriegsende und der Novemberrevolution ins Exil in die Niederlande und wohnt dort im Haus Doorn. Die Wahl zur Nationalversammlung erfolgt am 19. Januar 1919. Gemäß der neuen Verordnung vom 24. Januar 1919 zur Regelung des Gemeindewahlrechts wird am 2. März Potsdams neue Stadtverordnetenversammlung in »allgemeinen, unmittelbaren und geheimen Wahlen« gewählt. Nach den Wahlergebnissen der Märzwahl kommen die neuen Stadtverordneten am 18. März 1919 im Palast Barberini zusammen. Etwa drei Monate später legt Stadtbaurat Hans Dreves der Stadtverordnetenversammlung eine Beschlussvorlage vor. Sie beinhaltet die zukünftige Unterbringung der Stadtverordneten einschließlich der notwendigen Abgeordnetenbüros der beteiligten Parteien im Stadtschloss. Der neue Sitzungssaal soll im nordöstlichen Kopfbau untergebracht werden, in dem die Architekten Georg Mohr, Reinhold; Dreves, Hans; Trembich (Zeichner): Potsdam, Stadtschloss, Teilgrundriss mit Eintragung des Sitzungssaals mit einer Empore für Gäste und die Presse {14} E inführ un g 260601002-bildband_240x30.indd 14 06.01.14 15:36 Eine maßgeschneiderte Lösung für Brandenburg Ö ff ent li ch - pr i vat e Pa rtners ch af t un d V e rt r a g sco ntr o ll i ng 260601002-bildband_240x30.indd 39 06.01.14 15:37 Der Stadtplaner Andreas Goetzmann begleitete für die Stadt Potsdam das ÖPP-Verfahren »Aus städtebaulicher Sicht ist der Landtagsneubau in der äußeren Hülle des früheren Stadtschlosses die einzige Chance für die Potsdamer Mitte und der entscheidende Impuls für die Stadt gewesen«, sagt Andreas Goetzmann, der für die Stadt Potsdam die öffentlichprivate Partnerschaft (ÖPP) zwischen dem Land Brandenburg (Ministerium der Finanzen) und der BAM Deutschland AG begleitet hat. Goetzmann war abseits der Zuordnungen der Kontaktmann für Potsdam und zuständig für das Baugenehmigungsverfahren. Der Fachbereichsleiter Stadtplanung und Stadterneuerung ist durch und durch Stadtplaner: Nach dem Grundstudium der Architektur in Braunschweig und Aachen mit dem Schwerpunkt Städtebau wechselte er nach Dortmund und machte sein Diplom in Raumplanung. »Architektur war ein Unfall«, erzählt er. Von Anfang an habe er Stadtplanung studieren wollen, doch die Studienplatzvergabe zwang ihn zu dem Umweg. »Baukonstruktion, Bauchemie und Baustoffkunde fand ich ganz furchtbar, nur die plastische Gestaltung war da quasi ein Lichtblick für mich«, erinnert sich Goetzmann, der schon nach dem ersten Semester nach Aachen wechselte, wo Peter Zlonicky von 1971 bis 1976 Professor war. »Ich wollte unbedingt zu ihm«, sagt Goetzmann. Schon früh hatte er sich fürs Bauen interessiert, viel gelesen, kannte den Stadtplaner und Architekten Zlonicky aus der Fachliteratur. 1976 wurde Zlonicky an die Technische Universität Dortmund berufen: Dort leitete er bis zu seiner » Es heißt allgemein, das habt ihr aber gut hingekriegt, das ist gelungen. Und dazu noch schneller als Berlin! « Emeritierung im Jahr 2000 das Fachgebiet Städtebau und Bauleitplanung. Goetzmann folgte dem Professor nach Dortmund, arbeitete an dessen Lehrstuhl als studentische Hilfskraft und nach seinem Diplom im Büro Zlonickys. Spätestens dort wurde ihm aber klar, dass Stadtplanung die demokratische Legitimation braucht und er absolvierte ein Städtebaureferendariat als Zusatzausbildung im höheren Verwaltungsdienst in Düsseldorf. Sein Fachwissen gepaart mit einer fundierten Verwaltungskenntnis hat ihm nicht nur den Einstieg in die öffentliche Verwaltung erheblich erleichtert, sondern ihn auch prädestiniert, Verwaltungsabteilungen aufzubauen und zu steuern. In Essen hat er ein neu eingerichtetes Referat aufgebaut, war danach zuständig für einen größeren Stadtteil. Anschließend wurde er stellvertretender Amtsleiter in Leverkusen. Von dort aus hat sich der zweifache Vater später nach Alternativen umgeschaut. Bedingung war, weiter in der öffentlichen Verwaltung zu arbeiten. Außerdem sollte eine neue Stelle nicht mehr als eine Stunde Fahrzeit von seinem Wohnort in Leverkusen entfernt sein. »Ich war als Kind und Jugendlicher durch die gesunde Unstetigkeit meines Vaters nie länger als sieben Jahre an einem Ort, aber eigentlich immer im Rhein-Ruhr-Gebiet«, erzählt er. Sein Vater war Pfarrer, zunächst in Wuppertal, dann in Oberhausen, dann wieder in Wuppertal, dazwischen ein Jahr in Amerika, wo Andreas Goetzmann ein Jahr lang zur Grundschule ging und anschließend »kein Wort Deutsch mehr konnte«. Anschließend zog es die Familie nach Mönchengladbach, später nach Essen. Andreas Goetzmann ist ein Stadtkind, das Gebiet an Rhein und Ruhr war sein Zuhause, dort wollte er bleiben. Doch es kam anders: Im Herbst 1995 blätterte er auf der Fahrt in den Urlaub in der »Bauwelt« und entdeckte eine öffentliche Ausschreibung für eine Stelle in Potsdam. Er dachte: Wenn schon weg, dann nach Potsdam. Und so bewarb er sich; während des Karnevals 1996 lag dann die Einladung zum Vorstellungsgespräch im Briefkasten. Am 17. Juni 1996 fing er in Potsdam an, allerdings erst zur Probe. Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung hatte ihm dazu geraten, weil man »in Potsdam mit der Überlebensfähigkeit von Wessis in der Verwaltung schlechte Erfahrungen gemacht hatte«. Es war {40} E in e m a SS g e s chnei d e rt e Lö s u ng fü r Brand e nb urg 260601002-bildband_240x30.indd 40 06.01.14 15:37 Sommer, ein sehr heißer, Goetzmann saß im achten Stock unterm Dach ohne wirksame Dämmung, der Schweiß lief in Strömen: »Ich war glücklich! Die Stadt war tierisch anstrengend, aber genau das wollte ich damals«, erinnert er sich. Er blieb und gestaltete Potsdam planerisch, städtebaulich und baugenehmigungstechnisch entscheidend mit. Ein wichtiges Thema war das Weltkulturerbe mit allen Problemen und Vorteilen. »Die Atmosphäre war anfangs vergiftet«, so Goetzmann, Potsdam stand schon beinahe auf der Roten Liste. »Es war klar, dass die planerischen Probleme nicht im Welterbekomitee, sondern in Potsdam gelöst werden müssen«, sagt Goetzmann, der froh ist, dass gestritten wurde und wird und intensive fachliche Auseinandersetzungen stattfanden. Die UNESCO-Welterbe-Geschichte Potsdams ist eine Erfolgsgeschichte, an der Goetzmann erheblich beteiligt war. Fast alle Baubeigeordneten hat er kommen und gehen sehen. Detlef Kaminski, Michael Stojan, Elke von Kuick-Frenz und Matthias Klipp, der 2009 ins Amt kam. Zweimal hat er das Amt des Baubeigeordneten kommissarisch geleitet, zweimal sich selber darum beworben. Doch heute ist er froh, dass daraus nichts wurde. √ Stadtplaner Andreas Goetzmann 260601002-bildband_240x30.indd 41 06.01.14 15:37 »Das Amt ist ein politisches, ich bleibe lieber auf der fachlichen Verwaltungsebene«, sagt er. Intrigen und Politik sind nicht sein Fall. Und wohl auch deshalb hat er beim Landtagsneubau die fachliche Aufgabe für Potsdam übernommen. Und er hat es gut gemacht. »Das Wettbewerbsverfahren unterlag höchster Geheimhaltung«, so Goetzmann. Das ging sogar so weit, dass bei der sogenannten »Vorprüfung« der AnbieterEntwürfe ein anonymes Büro in Berlin als Treffpunkt vereinbart war. Das für das Verfahren zuständige Büro »phase eins« hatte eine Büroetage gemietet, an der kein Name stand, den Beteiligten wurde nur die Adresse mitgeteilt. »Es gab ein immenses Interesse, es ging um hohe Investitionssummen, die Entwürfe unterlagen deshalb grenzenloser Geheimhaltung«, erklärt Goetzmann. Die ersten Entwürfe erzeugten allgemeine Ratlosigkeit Vor dem Baustart gab es archäologische Grabungen, um Spuren der etwa 500-jährigen Burg- und Schlossgeschichte auf dem Landtagsgrundstück zu sichern. und blieben in der Schublade. Nachdem dann Hasso Plattner das Geld für die historische Fassade in Aussicht gestellt hatte, ging das Verfahren in die zweite Runde. Es musste weitergehen und es musste sichergestellt werden, dass nicht Verfahrensfehler Klagemöglichkeiten eröffnen. Am Ende war klar: Die BAM mit Peter Kulka soll es machen. »Dann ging alles sehr schnell, wir haben eiligst auf die Baugenehmigung hingearbeitet«, erinnert sich Goetz­ mann und ergänzt: »Es gab zum Teil haarige Auseinandersetzungen, viele Widersprüche gegen Auflagen, es ging schließlich um Geld, um Zeit, um historische Substanz.« Doch schließlich versuchten die Beteiligten, das schwierige Projekt in ruhigere Bahnen zu lenken. »Verzögerungen gab es anfangs durch die Archäologie, die der Veränderung des Projektes nachgeführt werden musste, und durch die Grundwasserabsenkungen.« Doch der Zeitplan insgesamt könne sich durchaus sehen lassen. Die öffentlichen Auseinandersetzungen über Details wie das Kupferdach hatten laut Goetzmann keinen großen Einfluss auf den Zeitplan oder die Planung im Einzelnen. »Aber ganz am Anfang war die Initiative von ›Mitteschön‹ wichtig, als die Stadtverordneten in Potsdam zweimal gegen den Bebauungsplan abgestimmt haben und so die Entwicklung der Potsdamer Mitte auf der Kippe stand«, sagt er. Hier seien die Bürger entscheidend gewesen. Für Andreas Goetzmann ist der Bau auch nach dessen Fertigstellung noch nicht abgeschlossen. »Mich beschäftigt jetzt intensiv die Frage nach der Nutzung der öffentlichen Flächen im Umfeld«, sagt er. Gemeint sind damit künftige Veranstaltungen, die im Innenhof und in der Umgebung möglich sein sollen, aber zugleich auf die Parlamentsarbeit Rücksicht nehmen müssen. Während der Bauphase hatte dafür niemand Zeit. Eine weitere Aufgabe ist die Gestaltung bzw. Fertigstellung des Umfelds, die Wiederherstellung der Stadt entlang der Alten Fahrt. {42} E in e m a SS g e s chnei d e rt e Lö s u ng fü r Brand e nb urg 260601002-bildband_240x30.indd 42 06.01.14 15:37 Doch auch das läuft gut. Die Diskussionen in Potsdam wurden außerhalb der Stadt kaum wahrgenommen, glaubt Goetzmann. »Es heißt allgemein, das habt ihr aber gut hingekriegt, das ist gelungen. Und dazu noch schneller als Berlin!« In Potsdam ist baulich noch viel zu tun, Andreas Goetzmann wird die Entwicklung auch in den nächsten Jahren städtebaulich und planerisch begleiten. 17 Jahre ist er nun in Potsdam, weitere sieben werden folgen. Vielleicht wird es am Ende sogar ein Vierteljahrhundert als Fachbereichsleiter im Stadtplanungsamt, seit 2012 auch als Leiter der Stadterneuerung. Doch er braucht auch Ruhepausen, die er gerne zum Skifahren und Radfahren nutzt: »Jedenfalls in einem Urlaub im Jahr mache ich eine mehrtägige Radtour«, lächelt er und schaut dabei über die Dächer von Potsdam – aus seinem Büro in der achten Etage. √ Fortuna wacht über den Neubau. Die vergoldete Statue krönt das 2002 wiederhergestellte Fortunaportal, den alten und neuen Zugang zum Innenhof. 260601002-bildband_240x30.indd 43 06.01.14 15:37 260601002-bildband_240x30.indd 44 06.01.14 15:37 DIE ÖFFENTLICH-PRIVATE PARTNERSCHAFT Das neue Landtagsgebäude für Brandenburg wurde in öffentlich-privater Partnerschaft umgesetzt. Planung, Bau, Finanzierung und der Betrieb des Gebäudes für 30 Jahre lagen bzw. liegen in der Verantwortung eines privaten Investors, der BAM PPP Landtag Potsdam Projektgesellschaft mit ihrem Nachunternehmer BAM ImmobilienDienstleistungs GmbH (BAM ID). Die geplanten Baukosten betrugen rund 120 Millionen Euro, die der Auftragnehmer teilweise vorfinanziert hat. In dieser Summe ist die Spende der Hasso-Plattner-Förderstiftung zur Rekonstruktion der historischen Fassade bereits enthalten. Später kam noch eine weitere Spende Hasso Plattners hinzu, die es ermöglichte, das Dach in Kupfer anstatt wie vorgesehen in Zink einzudecken. baut werden. Die BAM ID ist für 30 Jahre Betreiber des neuen Landtags. Das Land Brandenburg ist zwar Eigentümer von Grundstück und Gebäude, zahlt während der vereinbarten Nutzungsphase aber ein Nutzungsentgelt sowie die Raten für die geleistete Zwischenfinanzierung des Baus an den privaten Partner. Der Betreiber ist auch für das Gebäudemanagement verantwortlich. Er muss also für Betrieb, Instandhaltung, Bauunterhalt, Schönheits- und Kleinreparaturen, Gewährleistung, Energiemanagement, Reinigung, Winter- und Gärtnerdienste, Entsorgung und die Bewirtschaftung der Tiefgarage sorgen. Der Vertrag enthält außerdem die Garantie, dass der Landtag nach Ablauf dieser Zeit in gutem Zustand an das Land Brandenburg übergeben wird. Der Landtag ist »Mieter« für 30 Jahre Die vertraglich vereinbarten Bauleistungen umfassten rund 15 000 Quadratmeter Nutzfläche inklusive eines Plenarsaals, eines Präsidialbereichs, Sitzungsräumen, Arbeitsräumen für Fraktionen, Abgeordnete und die Landtagsverwaltung, einer Bibliothek, eines Medienzentrums und einer Cafeteria. Zusätzlich sollte eine Tiefgarage ge- Vertragscontrolling und Baubegleitung durch den Auftraggeber Mit der Vertragsunterzeichnung im September 2009 ging die planerische und bauliche Verantwortung auf den Auftragnehmer, die BAM-Gruppe über. Der Neubau des Landtags war das zweite Hochbauprojekt, welches das Land Brandenburg im Wege einer öffentlich-privaten Partnerschaft realisierte. Im Unterschied zum ersten ÖPP-Projekt, dem Neubau des Ministeriums der Finanzen, gestaltete sich die Umsetzung des Landtagsneubaus nicht nur aufgrund seiner Komplexität und besonderen √ Der Siegerentwurf von Peter Kulka im Modell Die beiden Vertragspartner des ÖPP-Projekts: Finanzminister Helmuth Markov und der Vorstandsvorsitzende der BAM Deutschland AG Alexander Naujoks {45} öff en t li ch - p ri vat e Pa rtne r s ch aft u nd Vertragscon tro lli n g 260601002-bildband_240x30.indd 45 06.01.14 15:37 260601002-bildband_240x30.indd 46 06.01.14 15:37 Anforderungen, sondern auch durch die zahlreichen Diskussionen über das Vertragssoll deutlich schwieriger. Vor allem im Sinne der im Projektvertrag vereinbarten partnerschaftlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit begleitete die Projektgruppe Landtagsneubau das Projekt. Ab 2012 war sie als Stabsstelle Landtagsneubau direkt dem für den Neubau zuständigen Finanzminister unterstellt. Dabei unterstützte sie die BAM in regelmäßigen Gesprächen mit Vertretern der Landeshauptstadt Potsdam und deren Sanierungsträger zu den Fragen der Baugenehmigung, Planung und Bauausführung. Auch hatte die Stabsstelle sicherzustellen, dass der Neubau fristgemäß und ordnungsgemäß errichtet wird, so wie es im Projektvertrag vereinbart war. Weiterhin war sie für die Abstimmung der Aufbau- und Ablauforganisation mit allen Zuständigkeiten und Schnittstellen verantwortlich. Gleiches gilt für Freigaben und Entscheidungsprozesse mit dem privaten Partner unter Einbeziehung des Nutzers. Bei all diesen Dingen musste jeweils die Funktionalität, Ausstattung und architektonische Qualität des Landtagsgebäudes einschließlich dessen Bewirtschaftung sichergestellt werden. √ Auch eine Tiefgarage mit 166 Kfz-Stellplätzen gehörte zu den vereinbarten Bauleistungen. Die BAM ID ist für 30 Jahre Betreiber des Gebäudes und damit auch für die Instandhaltung, den Bauunterhalt, Reparaturen, Gewährleistung und Reinigung verantwortlich. Die Stabsstelle prüfte die vom privaten Partner erarbeiteten Planunterlagen auf Vertragskonformität, stimmte ergänzende Nachforderungen des Nutzers im laufenden Planungs- und Bauprozess mit dem privaten Partner ab und bewertete jeweils die Auswirkungen auf die Betriebskosten. Auch wenn die klassische Terminsteuerung des Bauablaufs durch den privaten Partner abzudecken war, gab es bei Änderungen während der Bauausführung oft Abstimmungsbedarf. Die weiterhin große öffentliche und politische Resonanz des Projekts erforderte eine umfangreiche Betreuung durch die Stabsstelle. So mussten unter anderem diverse parlamentarische Anfragen und Anfragen vonseiten der Presse beantwortet werden. {47} öff en t li ch - p ri vat e Pa rtne r s ch aft u nd Vertragscon tro lli n g 260601002-bildband_240x30.indd 47 06.01.14 15:37 Die Vertragsbeauftragte des Landes Brandenburg Marianne Kliem und ihr Team waren für das Vertragscontrolling in der Planungs- und Bauphase zuständig » Es hat sich gelohnt, für die entstandene, innen konsequent moderne Lösung zu streiten... Zur Arbeit der Stabsstelle gehörte auch die Bearbeitung von Presseanfragen. « »Vertragsbeauftragte des Auftraggebers«, so lautet die offizielle Bezeichnung für die Funktion, die Marianne Kliem beim Landtagsneubau innehat. Sie ist damit in allen Fragen Ansprechpartnerin für das Land Brandenburg, insbesondere für dessen zuständiges Ministerium der Finanzen. Ein umfangreiches Aufgabenfeld, für das Marianne Kliem seit August 2010 verantwortlich ist; zuvor lag dieses Amt in den Händen Wolfgang Bösches, der es wiederum von Christoph Siegler übernommen hatte. Marianne Kliem legt Wert darauf, dass sie diese komplexen Aufgaben nicht alleine bewerkstelligen kann, sondern nur im Team, das alle Kompetenzen abdecken muss. Die kleine Projektgruppe, die im Laufe der Bauphase zu einer dem Finanzminister direkt unterstellten Stabsstelle wurde, sowie externe Berater waren auf allen Gebieten im Auftrag des Landes zuständig für Architektur und Hochbau, Gebäudetechnik, Vertragscontrolling, Qualitätskontrolle, Verhandlung von Zusatzleistungen und auch für die Abstimmungen mit den späteren Nutzern, dem Landtag Brandenburg sowie der Landeshauptstadt Potsdam zum Landtagsumfeld. »Nach Unterzeichnung des Vertrages hatten wir die Einhaltung der Vereinbarungen zu gewährleisten, aber es gab auch Dinge, die nicht ausreichend vertraglich gesichert waren«, erklärt Marianne Kliem. Mit der BAM Deutschland AG und der Landtagsverwaltung mussten intensive Gespräche zur Ergänzung der Planung geführt und Einigungen oft in engem Zeitrahmen gefunden werden, um den Baufortschritt gewährleisten zu können. In vielen Bereichen der Ausführungsplanung und ihrer Realisierung galt es, Konkretisierungen abzustimmen und zu verhandeln. »Fassaden, Dach, Behindertengerechtigkeit, Bauzeit und Mehrkosten waren Themen, die uns ständig begleiteten«, erinnert sich Marianne Kliem. »Bei den historischen Fassaden lief alles wie geplant, hier gab es trotz einer großen Zahl von Anforderungen, auch bezüglich der Wiederverwendung von Originalelementen, keine Mehrkosten.« {48} E in e m a SS g e s chnei d e rt e Lö s u ng fü r Brand e nb urg 260601002-bildband_240x30.indd 48 06.01.14 15:37 Die Beschäftigten der Stabsstelle Landtagsneubau vor dem fertigen Gebäude Exemplarisch für die Schwierigkeit mancher Abstimmungen steht das Kupferdach. Ursprünglich war für das Landtagsgebäude ein Dach aus Titanzink vorgesehen. Da sich die Potsdamer Bürger in Anlehnung an den originalen Schlossbau für ein Kupferdach aussprachen, vereinbarte das Finanzministerium mit der BAM und dem Verein Potsdamer Stadtschloss, dass die Planungen für ein Kupferdach zunächst parallel zur Vertragsausführung in Titanzink erfolgen sollten. Ein Kupferdach sollte dann ausgeführt werden, wenn die Mehrkosten durch Spenden finanziert werden könnten. Denn landesseitig war hierfür kein Geld eingestellt, der Projektvertrag über die Ausführung als Zinkdach längst geschlossen. Erst als die BAM begann, das Dach in Zink auszuführen, wurde die Entscheidung für das Kupferdach durch die Spende von Hasso Plattner herbeigeführt. »Das Kupferdach ist die richtige Lösung und der Parlamentsneubau in der historischen Hülle heute kaum mehr vorstellbar«, findet Marianne Kliem. Seit 1993 ist Marianne Kliem in der öffentlichen Bauverwaltung des Landes tätig, die nach der Wende neu gegliedert und strukturiert wurde. »Es gab anfangs mehrere Bauämter, die für einzelne Bereiche zuständig waren«, erklärt sie. Viele Landesliegenschaften hat sie betreut, wie die Umbauten und Sanierungen der Ministerien {49} öff en t li ch - p ri vat e Pa rtne r s ch aft u nd Vertragscon tro lli n g 260601002-bildband_240x30.indd 49 06.01.14 15:37 Ralf-Dieter Lankamp, der Leiter der Stabsstelle, verschließt die Zeitkapsel für die Grundsteinlegung. in der Heinrich-Mann-Allee 107, den Neubau der Landesvertretung für Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in Berlin und die bauliche Neuordnung und Sanierung von Ministerien in der Henning-von-TresckowStraße. Doch auch als erfahrene Architektin in Sachen Landesliegenschaften sagt sie, dass beim Landtagsgebäude die Anforderungen erheblich höher waren. »Dies ergibt sich aus den hohen Standards eines Landtags, der Synthese von moderner Innengestaltung und historischer Fassade, der erstmals in diesem Umfang gewählten Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft, der Größe des Gebäudes und nicht zuletzt dem besonderen öffentlichen Interesse.« Städtebaulich sei der Landtag in der originalgetreuen Nachbildung der Knobelsdorff’schen Barockfassade für die Stadt von zentraler Bedeutung, und rückblickend sei trotz und auch wegen aller Auseinandersetzungen ein beeindruckendes Ergebnis erzielt worden. Das Innere des Gebäudes bestimmt nun ein jedoch hochmoderner Landtag. »Ich erinnere mich an viele interessante, aber auch kontroverse Diskussionen mit dem Architekten Professor Peter Kulka, die häufig über technische Fragen hinausgingen. Wir waren über die prägende ästhetische und kulturelle Bedeutung des Baus stets einig, jedoch verlangt die Umsetzung der architektonischen {50} E in e m a SS g e s chnei d e rt e Lö s u ng fü r Brand e nb urg 260601002-bildband_240x30.indd 50 06.01.14 15:37 Ziele unter Beachtung aller Randbedingungen gelegentlich ein hartes Ringen aller Beteiligten«, so Marianne Kliem. Viele Abstimmungsgespräche mussten geführt und auch Änderungswünsche der Nutzer und des Architekten berücksichtigt werden. »Es hat sich gelohnt, für die entstandene, innen konsequent moderne Lösung auch manchmal zu streiten«, resümiert sie. Generell ließen sich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten der öffentlich-privaten Partnerschaft angesichts der Komplexität eines solchen Baus nicht vermeiden. Viele Diskussionen seien deshalb notwendig, einige jedoch vermeidbar gewesen. Die konstruktive Herangehensweise des Nutzers half in vielen Fällen, die notwendigen Kompromisse zu schließen. Mit dem Landtag habe es eine sehr transparente Zusammenarbeit gegeben, regelmäßig wurde bei den Präsidiumssitzungen über den Sachstand berichtet. Zu seiner Entlastung hatte das Präsidium eine Kunstund Ausstattungskommission eingesetzt, die neben Fragen zu Kunst am Bau insbesondere die nutzerrelevanten Fragen der Bemusterung zu bearbeiten und entscheiden hatte. Auch hier war die Stabsstelle beratend tätig: so zum Beispiel bei den zahlreichen Bemusterungen, bei der Ausstattung des Plenarsaals und der Sitzungsräume sowie bei der Ausgestaltung des historischen Treppenhauses. Marianne Kliem im Gespräch mit dem Künstler Florian Dombois Auch der Wettbewerb »Kunst am Bau« lief über den Tisch des Projektteams. Das Verfahren musste neben den laufenden Abstimmungen zur Baumaßnahme vorbereitet werden, was zeitlich nicht immer einfach war. Das Ergebnis des Kunstwettbewerbs stand Mitte 2012 fest. Aus über 100 Arbeiten wurden drei Siegerentwürfe ausgewählt, von denen nunmehr zwei Entwürfe realisiert werden. »Ich bin gespannt auf die öffentliche Auseinandersetzung mit den beiden Kunstwerken, die nun Teil des Brandenburger Landtags werden.« Im September 2013 erfolgte die Abnahme des Gebäudes. Seit diesem Zeitpunkt laufen Restarbeiten, die für die Stabsstelle neben der Überwachung der Beseitigung der Abnahmemängel, der abschließenden Verhandlung von Zusatzleistungen und der Abrechnung von Leistungen auch die Begleitung der Bestandsdokumentation umfassen. Und auch die Baudokumentation wird hier erarbeitet. Sie ist der zweite Teil der zweibändigen Publikation, die Zeugnis ablegt über den komplexen Landtagsneubau in historischer Hülle in der Mitte Potsdams und sein Entstehen. {51} öff en t li ch - p ri vat e Pa rtne r s ch aft u nd Vertragscon tro lli n g 260601002-bildband_240x30.indd 51 06.01.14 15:37 Außen historisch modern innen D er Si e g e r ent wu r f 260601002-bildband_240x30.indd 53 06.01.14 15:37 Willkommen im modernsten Parlament der Republik Dr. Detlef Voigt, Direktor des Landtags Um den Standort und die Gestaltung des Landtagsneubaus für den Landtag Brandenburg als Versammlungsund Arbeitsort der Abgeordneten ist lange gerungen, am Bauwerk selbst viereinhalb Jahre intensiv gearbeitet worden. Es präsentiert sich nunmehr als moderner Parlamentsbau in der nach historischem Vorbild rekonstruierten Kubatur und Fassade des einstigen königlichen Schlosses. Diese bauliche Verquickung von Neuem und Altem, dieser von monarchisch-barocker Opulenz und demokratisch-zeitgemäßer Schlichtheit geprägte Entwurf birgt ein erhebliches Spannungsverhältnis und wurde viel diskutiert. Freilich kann am Zweck des Gebäudes und auch an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens im Ergebnis kein Zweifel bestehen. Mit einer zu Brandenburg passenden Direktheit ist die Westfassade gewissermaßen der Deutlichkeit halber mit dem Schriftzug der Potsdamer Künstlerin Annette Paul »Ceci n’est pas un château« geschmückt. Wohl wahr: Dies ist kein Königsschloss, sondern ein Parlamentsgebäude und damit der Versammlungsort der gewählten Abgeordneten des Brandenburger Landtags. Die Abgeordneten verfügen nunmehr über einen Versammlungsort im historischen Zentrum der Landeshauptstadt, der gerade durch sein historisches Äußeres städtebaulich präsent ist. Vor allem aber wird er durch seine funktionale Gestaltung im Innern den verfassungsrechtlichen Aufgaben und Funktionen unseres Landesparlaments gerecht. Die hier umgesetzten Bauprinzipien der Offenheit, Klarheit und Transparenz symbolisieren die Maximen, auf denen unser Bundesland als demokratisch organisiertes Staatswesen gründet. Davon profitiert auch die Landtagsverwaltung mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die ihr zukommende Rolle, die Arbeit der Abgeordneten zu unterstützen und ihnen in allen ihren Aufgaben zur Seite zu stehen, findet nun seine angemessene Fortsetzung und Ergänzung in den modernen baulichen und räumlichen Gegebenheiten. Der Landtag als Landesparlament [von franz. parler – reden] ist ein Ort der öffentlichen Debatte, der Rede und Gegenrede, der Auseinandersetzung und der Entscheidungsfindung. Darum ist das bauliche Herzstück des Landtags der Plenarsaal. Im neuen Plenarsaal werden die Abgeordneten sich erstmals in einem Raum versammeln können, der eigens für diese Aufgabe entworfen und gebaut wurde. Die halbrunde Anordnung der Sitze, die von der Besuchertribüne vollständig überblickt werden kann, versinnbildlicht die Bedeutung der demokratischen Entscheidung, die aus der Mitte der versammelten Abgeordneten getroffen wird – so, wie die Verfassung es vorsieht. {54} A u SS e n h is to r i s ch – inn e n m o d ern 260601002-bildband_240x30.indd 54 06.01.14 15:37 Aber auch außerhalb des Plenarsaals werden die Abgeordneten, die Fraktionen und die sie unterstützende Landtagsverwaltung zukünftig in Räumen arbeiten können, die einem modernen Parlamentsbetrieb angemessen sind. Beispielhaft für die politische Arbeit des Landtags seien hier die Sitzungen seiner Ausschüsse genannt. Die Ausschusssitzungen können, um ein technisches Bild heranzuziehen, gewissermaßen als Maschinenräume des parlamentarischen Prozesses angesehen werden. Der Landtag Brandenburg hat sich zu Beginn der fünften Wahlperiode dazu entschlossen, neben den bereits von Verfassungs wegen öffentlichen Plenarsitzungen auch die Sitzungen der Fachausschüsse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hier wird um die Details einer Gesetzesnovelle gerungen, hier kommen Fachleute und Betroffene zu Wort, hier kommt es zu wichtigen Weichenstellungen für die Schlussabstimmung. Den Abgeordneten stehen für diese Beratungen drei geräumige Sitzungssäle zur Verfügung, die es den interessierten Besuchern und Medienvertretern weit besser als bisher ermöglichen, an den Ausschusssitzungen teilzunehmen und den Beratungen zu folgen. Indes sollen die Bürgerinnen und Bürger nicht ausschließlich die Zuschauer der Politik bleiben, die im neuen Gebäude auf schönerer Bühne und vor gefälligerer Kulisse dargeboten wird. Sie sind im architektonischen Konzept des neuen Landtags nicht nur gelegentliche Besucher, sondern selbst Nutzer des Gebäudes, denen mit den Ausstellungsflächen und dem Infoterminal im Foyer, dem Besuchergruppenraum und der öffentlich zugänglichen Landtagskantine Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Zwar zeichneten das Ministerium der Finanzen und die BAM Deutschland AG für den Landtagsneubau als Projekt in öffentlich-privater Partnerschaft als Bauherren verantwortlich. Der Planungs- und intensiver noch der Bauprozess wurden jedoch von der Landtagsverwaltung begleitet und mitgestaltet. weil der Landtag seine politische Arbeit bis in den Dezember 2013 hinein im alten Gebäude fortsetzte. Aber dennoch Herausforderungen, denen sich die Landtagsverwaltung gerne und, wie ich denke, erfolgreich gestellt hat. Wir wünschen uns, dass die Bürgerinnen und Bürger den neuen Landtag als »ihr Haus« annehmen und werden uns nach Kräften bemühen, die Offenheit des politischen Prozesses im Parlament für sie erlebbar zu machen. Die ästhetische Attraktivität des neuen Landtagsgebäudes, die bewusst die eines »offenen Hauses« ist, wird viel dazu beitragen. In einem engen Kooperationsverfahren konnten so die planerische und baufachliche Erfahrung des Ministeriums der Finanzen und das Wissen der Landtagsverwaltung um die parlamentarischen Abläufe und ihre Voraussetzungen in die konkrete Gestaltung des Parlamentsgebäudes einfließen. Möblierung, Einrichtung der Technik, Probeläufe und der Umzug selbst waren allesamt Herausforderungen – nicht zuletzt deshalb, {55} D e r S ie g e r e n t w u r f 260601002-bildband_240x30.indd 55 06.01.14 15:37 Moderner Baumeister der alten Schule Professor Peter Kulka verbindet im neuen Landtag Geschichte mit Baukultur und Philosophie Die Moderne ist Geschichte. In ihr und mit ihr ist der Architekt Peter Kulka groß geworden. »Es kann nicht darum gehen, Geschichte wegzuwerfen«, sagt Peter Kulka und meint damit die ganze Geschichte. Die Vorgabe des Bauherrn für den brandenburgischen Landtag war, das Gebäude weitestgehend in der äußeren Gestalt des Potsdamer Stadtschlosses zu errichten, verbunden mit der modernen Nutzung im Inneren als Parlamentsgebäude. Eine Herausforderung, der sich Kulka stellte und auf seine Art löste: »Ich wusste, dass ich ein Konzept brauche, sonst bin ich verloren«, sagt Kulka. Seine Idee: Außen historisch und innen modern mit einfachen, klaren Grundrissen. Bescheidenheit und Schlichtheit waren seine Maxime für innen mit viel Licht und viel Weiß, so wie am Beginn der Moderne. »Das ist übrigens nicht neu gewesen«, betont Peter Kulka, der gebürtige Dresdner. August der Starke habe immer dann am besten bauen lassen, wenn er kein Geld hatte und die Räume weiß gelassen hat. Kulka verweist also mit seiner Formen- und Sprachfarbe im Inneren gleich auf mehrere Traditionslinien, auch auf sakrale, denn in Herrnhut, der Brüdergemeine mit Stammsitz in der Oberlausitz, sind die Kirche und die Säle schlicht weiß ohne Schmuck, die Gemeindemitglieder gleichberechtigt in fröhlichem Glauben. » Wir haben uns beim Entwurf die Frage gestellt: Was hätte Knobelsdorff an unserer Stelle gemacht, wenn er sich dieser Aufgabe hätte stellen müssen? « Peter Kulka ist Ästhet. Er versteht Schönheit nicht als oberflächliche Glätte und Unverletztheit, sondern schlicht als Wahrheit, die auch Verletzungen einschließt. Die Potsdamer Sucht, die Stadt schöner machen zu wollen, als sie je war, steht für Kulka im Widerspruch zu einer lebendigen Stadt, die Spuren der Geschichte hat und haben muss. »Ich bin gegen Geschichtsfälschung«, sagt der Architekt, der sich selbst als Baumeister der alten Schule versteht. Er baut mit kulturellem Anspruch – und mit philosophischem. Er fand es furchtbar, dass bei Bau­ herr und Bauträger immer die Kosten im Vordergrund standen und diese Diskussionen wenig Raum für Baukultur ließen. Die Gründung der Kunst- und Ausstattungs­ kommission, die das »Parteiengezänk aufbrach«, das Baukultur-Manko der Bauherrn ausfüllte und den Architekten unterstützte, empfand er als sehr wohltuend. Mit der Kunst- und Ausstattungskommission wurde auch die weiße Welt ein wenig farbiger, die Stühle und der Teppichboden erstrahlen nun in einem hellen Rot. Der Landtag ist gebaute Philosophie, auch eine Art moralische Anweisung für die Nutzer. Nicht nur der Plenarsaal selber, sondern auch die Blicke von innen nach außen sollen bei den Abgeordneten bei aller Reinheit des Raumes dafür sorgen, dass diese den Blick ins Leben behalten. Gleich gegenüber liegt der Lustgarten mit dem Hotel Mercure quasi als die Gegenüberstellung zweier Welten in Potsdam: Stadtschloss und DDRNutzbau. Der Blick vom Flur geht in die Breite Straße und damit durch die Stadt mit Studentenwohnungen, den Büros der Industrie- und Handelskammer, Wohnhäusern aus der Barockzeit und Hochhäusern an dem Garnisonkirchenstandort und dem Marktcenter vorbei bis in die Achse nach Sanssouci: Gebäude und Zeitschichten. Im Plenarsaal führt die bronzene Doppeltür hinaus und mahnt die Abgeordneten, dass alle durch eine Tür hinein- und durch eine andere Tür wieder hinausgehen müssen. »Vor diesem Hintergrund sollen hier Beschlüsse gefasst werden«, wünscht sich der Architekt, der sich oft gefragt hat, wie Knobelsdorff mit der Aufgabe umgegangen wäre. »Wir haben uns beim Entwurf die Frage gestellt: Was hätte Knobelsdorff an unserer Stelle gemacht, wenn er sich dieser Aufgabe hätte stellen müssen?« {56} A u SS e n h is to r i s ch – inn e n m o d ern 260601002-bildband_240x30.indd 56 06.01.14 15:37