Referat

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Kommunikation mit
Angehörigen bei Organspende
Intensivpflege Symposium
23. November 2016, St. Gallen
Viviana Abati, Notfallpsychologin
Einleitung
Ein Familienmitglied auf der Intensivstation zu wissen, löst meist hohen
Stress und heftige negative Gefühle aus (Angst, Verzweiflung, Hilfslosigkeit,
etc.)
Stress und heftige Emotionen haben nicht nur physische Reaktionen zur
Folge, sondern beeinträchtigen auch in erheblichem Masse die kognitiven
Fähigkeiten eines Menschen und damit auch die Kommunikationsfähigkeit.
Unter Stress

Cortex:
Steuert die kognitiven Prozesse

Limbisches System:
Steuert die emotionalen Prozesse
Bei starken Emotionen und bei
Stress „übernimmt“ das limbische
System die Führung.
Angst und ihre Wirkung
– Angst ist ein wichtiges und mächtiges Gefühl
– reagiert sofort und zuverlässig bei Bedrohung
und Gefahr; diese muss nicht zwingend von
aussen kommen
– gesteuert über die Amygdalae
(= limbisches System)
– zusammen mit Stress grosse
Wirkung auf die Wahrnehmung
und Beurteilung
– Kognition eingeschränkt
Wirkung auf Wahrnehmung und Kommunikation
– das ganze System Mensch ist auf Abwenden der Bedrohung und auf
Schutz ausgerichtet
– Mensch reagiert viel sensibler auf non-verbale Sprache
– „negative“ Signale werden viel stärker wahrgenommen ( ungünstiges
Verhalten wird stärker negativ empfunden und gewichtet als in einer
normalen Situation)
– Aufnahme und Verarbeitung von Gehörtem und Gesehenem verlangsamt
/ beeinträchtigt
– Entscheidungen sind schwieriger zu treffen / werden von den Emotionen
„gefärbt“
Umgang mit den eigenen Emotionen
– Ohne emotionale Beteiligung gelingt es Helfern nicht oder nur schwer,
eine Bindung herzustellen.
– Die eigene emotionale Beteiligung ist in helfenden Berufen deshalb ein
wesentliches Werkzeug.
– Wer dieses “Werkzeug“ nicht beherrscht, kann Schaden anrichten, bzw.
selbst erleiden.
Gefühlsansteckung
> Gefühlsansteckung (Affektansteckung) ist ein Phänomen, bei dem die
Stimmung einer Person (z.B. Angst, Trauer, Begeisterung …) vom
Beobachter selbst Besitz ergreift und dabei ganz zu dessem eigenstem
Gefühl wird sich also die beobachtende Person vom Gefühl des anderen
"anstecken" lässt.
> Gefühlsansteckung ist ein angeborener Prozess und kann bereits im
Säuglings- und Kleinkindalter beobachtet werden.
Empathie
– Empathie erfolgt entwicklungsmäßig später und ist ein
erkenntnisorientierter Prozess.
– Empathie beinhaltet die Erfahrung, unmittelbar die Gefühlslage des
Anderen nachzuempfinden und sie zu verstehen.
Empathie setzt sich somit aus unterschiedlichen Kompetenzen zusammen:
> der Gefühlsansteckung,
> der Perspektivenübernahme und
> der Fähigkeit, den Kontext sozialer Situationen zu verstehen.
Die beiden letzteren Kompetenzen müssen in sozialer Erfahrung gelernt
werden.
Unerwünscht und beängstigend?
Gefühlsansteckung wird oft als belastend empfunden und kann Ängste
erzeugen:
Sie bedeutet nicht nur das unbewusste Übernehmen belastender Gefühle,
sondern kann bei Helfern zu Angst führen vor:
 Kontrollverlust und
 Hilflosigkeit
Werden diese Ängste unreflektiert abgewehrt, können Fehler in den
Betreuung passieren.
Handlungsfähig statt hilflos
Hilflosigkeit kann bei Helfern entstehen, wenn diese (unbewusst) versuchen,
das Leid der Opfer zu lindern,
anstatt
Bedürfnisse zu erfragen/erkennen, so weit als möglich zu normalisieren und
Gefühle der Orientierungslosigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Schuld usw. zu
reduzieren.
Bedenke:
 Niemand kann den Verlust einer nahe stehenden Person ungeschehen
machen, kann den Schmerz und die Trauer heilen.
 Niemand kann die Last abnehmen, die Opfer und Hinterbliebene zu tragen
haben.
 Hilfe auf dieser Ebene führt zum Gefühl, als Helfer hilflos und in weiterer
Folge auch schuldig zu sein.
Hinweise für den Umgang mit Angehörigen
Vorbereitung
Günstig
Ungünstig
-
- Die Vorbereitung unterschätzen
Sich innerlich vorbereiten (Zustand)
Infostand aktualisieren / einlesen
Sich absprechen mit Gesprächspartner
Raum vorbereiten
Zeit reservieren
Störungen (möglichst) ausschliessen
Unterlagen und Hilfsmittel bereitlegen
Hinweise für den Umgang mit Angehörigen
Das Setting
Hinweise für den Umgang mit Angehörigen
Das Gespräch: Absprache mit Kollegen
Günstig
-
Ungünstig
Sich als Team und Ressource verstehen (Mediziner und Pflegefachkräfte)
Gegenseitige Erwartungen und Rollen
klären
Sitzposition und Körperhaltung
anpassen
Sich nicht absprechen
Sich nicht gegenseitig unterstützen
Den Anderen bei Schwierigkeiten
«straucheln» lassen
Hinweise für den Umgang mit Angehörigen
Das Gespräch: Vorstellung
Günstig
Ungünstig
-
-
-
-
Sich mit Vor- und Nachnamen
vorstellen, Funktion nennen
 schafft Normalität
Auf ruhige Vorstellung aller
Teilnehmenden achten
Zuständigkeiten nennen: wer ist warum
dabei
Alle Anwesenden in die Begrüssung
integrieren, auch anwesende Kinder
-
Davon ausgehen, dass die Angehörigen
sich alle Namen bereits gesehener
Personen haben merken können
Vergessen, alle Anwesenden
vorzustellen (spitalseitig)
Hinweise für den Umgang mit Angehörigen
Das Gespräch: Wirkung von Worten
Wir haben versucht,
ihn/sie zu retten.
Der Hirntod ist eingetreten.
Sie ist gestorben.
Sein Gehirn ist nicht mehr
lebensfähig.
Es gibt keine Hoffnung
mehr.
Die Maschine versorgt den
(toten) Körper mit Sauerstoff.
Die Verletzungen haben zum
Tod geführt.
Die Verletzungen waren mit
dem Leben nicht mehr
vereinbar.
Die Wortwahl richtet sich nach den Bedürfnissen der
Angehörigen:
- Sicherheit durch Verstehen und Klarheit
- Vertrauen (um den heissen Brei reden schmälert das
Vertrauen)
Hinweise für den Umgang mit Angehörigen
Das Gespräch: Do’s und Dont’s
Günstig
Ungünstig
-
-
-
-
-
Informationsstand der Angehörigen
abholen (Brücke bauen)
Sicherstellen, dass die Information
verstanden wurde
Die Sprache des Empfängers brauchen
(keine Fachtermini)
Die eigene Körperhaltung erkennen und
anpassen
Mit der Sprache (non-verbal und paraverbal) Sicherheit vermitteln
Signale der Angehörigen wahrnehmen
und adäquat darauf reagieren
Eingeschränkte selektive Wahrnehmung
der Angehörigen berücksichtigen
Bei schlechten Nachrichten: Airbag-Satz
als Einleitung
Bedürfnisse erkennen / erfragen /
erfüllen
-
-
Hinter dem Berg halten / um den
heissen Brei reden
Salamitaktik
Floskeln
Gespräch beenden, ohne zu
vereinbaren, wie es weitergeht
(nächstes Gespräch, nächste Schritte,
etc.)
Aus vermeintlicher Rücksicht Hoffnung
machen / falsche Dinge sagen
Fachausdrücke verwenden
Füllworte: im Prinzip / eigentlich, etc.
Fazit und Einladung
Halten Sie sich stets vor Augen, was die Bedürfnisse der Angehörigen in diesen
Situationen sind:
Klarheit:
Sicherheit:
Vertrauen:
Kompetenz:
Situation erfassen und verstehen können
Verstehen und einordnen können; wissen, was das bedeutet
durch Offenheit, Klarheit, Aushalten, Menschlichkeit
durch sicheres Auftreten, klare Information, wissen was zu tun ist
Wenn Sie sich durch diese Bedürfnisse leiten lassen und diese zu beantworten
versuchen, werden Sie stets handlungsfähig sein und Ihr Verhalten und Ihre
Kommunikation entsprechend anpassen.
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