24 traumhaus 02 I 2011 BAUEN HEUTE einfamilienHaus Ulrich Durchblicke und Ausblicke Die sechsköpfige Familie Ulrich baute sich an bevorzugter Lage in Langenthal ein interessantes Architektenhaus, nachdem ihr das zuvor gemietete Doppel-Einfamilienhaus zu klein wurde. Heute hat jedes der vier Kinder sein eigenes Zimmer. Text: Marianne Kürsteiner, Fotos: Tanya Hasler traumhaus 02 I 2011 25 «Eigentlich wollte ich ursprünglich gar kein Eigenheim, und schon gar nicht selbst bauen», verrät Christine Ulrich lachend: «Doch die modernen Mietobjekte sind kaum für eine Familie mit vier Kindern ausgerichtet.» Mit der wachsenden Familie entstand der Wunsch, ein bedürfnisgerechtes Eigenheim zu beziehen, in dem auch jedes Kind sein eigenes Zimmer besitzt. Gefordert waren mindestens fünf Schlafzimmer, ein Gästezimmer, Wohnund Esszimmer, zwei Bäder, ein Weinkeller, Abstellflächen sowie ein gedeckter Autoabstellplatz für zwei Autos und Fahrräder. Das Haus sollte in Langenthal stehen, wo Urs Ulrich seine pneumologische Praxis aufgebaut hatte. Auf die Bedürfnisse zugeschnitten Auf der Suche nach einem geeigneten Objekt stiessen Ulrichs zufälligerweise auf Bauland. Der Eigentümer be- 26 traumhaus 02 I 2011 sass ein unbebautes, lang gezogenes Stück Land, das sich an attraktiver Hanglage am Ortsrand befand. Das 3000 m² grosse Grundstück wurde in drei Teile à je 1000 m² aufgeteilt. Für die junge Familie war dies eine willkommene Chance, ein Haus nach ihren Bedürfnissen zu bauen. Der Architekt war schnell gefunden. Matthias Frei hatte bereits die Arztpraxis von Urs Ulrich zu dessen vollster Zufriedenheit umgebaut. Der Architekt HTL war einige Jahre auf Wanderschaft und arbeitete bei Koryphäen wie Zaha Hadid in London und Erick van Egeraat in Rotterdam, ist aber seit einigen Jahren wieder zurück in Langenthal. Von hier aus gründete er zusammen mit zwei Kölner Kollegen das in jedem Sinne grenzüberschreitende Büro BFR LAB. Die bisherigen ­A rbeiten und Projekte sind das Ergebnis einer grossen Experimentierfreude. Strukturen, Körper, Flächen und ­R äume BAUEN HEUTE einfamilienHaus Ulrich Wohn- und Eingangsbereich. Hinter dem Sofa befindet sich der weisse Kubus mit integriertem Cheminée. Links im Bild sieht man die Treppe zum höher gelegenen Essbereich. traumhaus 02 I 2011 27 Arbeit und Vergnügen haben im neuen Zuhause gleichermassen ihren Platz. Am grossen Esstisch finden sich neben der grossen Familie auch öfters Gäste ein. 28 traumhaus 02 I 2011 BAUEN HEUTE einfamilienHaus Ulrich traumhaus 02 I 2011 29 Architekt Matthias Frei (links) mit Sohn und Familie Ulrich, die sich im neuen Zuhause sichtlich wohl fühlt. 30 traumhaus 02 I 2011 BAUEN HEUTE einfamilienHaus Ulrich verbinden sich zu konzeptionellen Gebilden unterschiedlicher Grössen und Formen. So wurde auch das Einfamilienhaus der Familie Ulrich zu einer willkommenen Herausforderung für Matthias Frei. Die privatrechtlichen Auflagen des Grundstücks gaben vor, dass die Gebäudeabmessungen nur eine maximale Grösse von 12 × 12 × 8 m aufweisen durften. Städtebaulich war somit ein kubisches Volumen vorgegeben. Christine und Urs Ulrich wünschten sich jedoch, dass der Kubus nicht die Erscheinungsform des Gebäudes bestimme und gleichzeitig die maximal zugelassene Gebäudegrösse genutzt werde. Kunst und Behaglichkeit Während Matthias Frei den architektonischen und künstlerischen Aspekt im Visier hatte, wollten Ulrichs vor allem ein funktionales, robustes Haus, in dem man sich wohlfühlt. Beide Aspekte wurden in der Planung berücksichtigt und schliesslich kam man auf eine architektonische Lösung, von der alle begeistert sind. Ein Bijou von einem Haus, in dem es sich auch gut leben lässt. Matthias Frei musste das Haus in Berücksichtigung seiner topografischen Lage, den Sichtbeziehungen, den Vorgaben des Richtvolumens sowie aufgrund des detaillierten Raumprogramms gestalten. Von aussen präsentiert sich das Haus in zweiteiliger, kompakter Gestalt mit einem dunkelgrauen Sockel und einer weissen, den Charakter des Hauses betonenden Umrandung. Diese umklammert die privaten Räume der oberen Geschosse, während sich der Sockel mit dem Terrain verschränkt. «Wir mussten in die Höhe bauen, auf einer Ebene wäre das Raumprogramm nicht realisierbar gewesen. So haben die Kinder auch genügend Platz und unterschiedliche Orte zum Spielen, sowohl drinnen wie draussen.» Die verschiedenen Höhen der Aussenfläche verbinden sich galant mit dem Inneren des Hauses. Dabei wirkt der Baukörper nicht zu dominant auf die Nachbargebäude. Zugänge Über einen rampenähnlichen Fussweg gelangt man zum Haupteingang, der direkt in den Wohnbereich führt. Ein weisser Kubus zwischen Eingang und Salon umschliesst das Gäste-WC, dessen Türe diskret auf der Rückseite angebracht ist, während die zum Salon gerichtete Seite das Cheminée umfasst. Ein Niveau höher als der Wohnbereich, nämlich + 0,90 m, liegen der Essbereich und die Küche, wobei der Holzboden aus Eiche über beide Bereiche führt und eine Einheit bildet. Der Wohnraum verbindet sich über eine Terrasse mit dem östlichen Teil des Grundstücks, während der Ess- und Küchenbereich bei der zweiten, teilweise gedeckten Terrasse mit grosszügiger Aussenfläche im Westen angesiedelt ist. Die Familienmitglieder gelangen allerdings meist über den Velo- und Autoabstellplatz im Untergeschoss ins Haus. Vom Strassenniveau senkt sich eine breite Rampe auf das Niveau des Untergeschosses hinab. Der Vorplatz dient gleichzeitig auch als Velo-Übungsplatz für die Kleinste in der Familie sowie als Street-Hockey-Platz. Über die Eingangstür im Untergeschoss kommt man in einen Korridor, der zum Gästezimmer, zu den Kellerräumlichkeiten und zur Garderobe weist. Der Garderobenschrank ist eine Spezialanfertigung, das heisst, jedes der Kinder verfügt über eine grosszügige Schublade, wo Schülertheck, Kleider, Schuhe usw. verstaut werden können. So sieht es bei der Familie Ulrich immer schön aufgeräumt auf. Eine Treppe führt von der Garderobe wiederum zum Wohnraum und zum erhöhten Essbereich. Visuell verbunden Ein grosser hölzerner Esstisch dominiert diesen Ort. Von hier aus sieht man durch eine Glasfront in die obere Etage der Knabenzimmer. Im Haus begegnet man vielen Durchblicken und Ausblicken, und zwar sowohl horizontalen wie vertikalen, aber auch diagonalen. So werden die verschiedenen Ebenen visuell und räumlich miteinander verbunden: die Räume fliessen über die verschiedenen Ebenen ineinander und verbinden sich mit dem Aussenraum. «Die Durchblicke waren eine Idee des Architekten. Wir wollten keine zu grossen Ebenen, sondern eher kleinere Einheiten, so hat er diese verschiedenen Ebenen geschaffen und mit den Durchblicken erreicht, dass die verschiedenen Bereiche nicht verschlossen wirken», ergänzt Christine Ulrich. Von der Knaben-Etage (auf 2,80 m) hat man wiederum einen Blick auf die höher gelegene Etage (auf 3,85 m) mit Balustrade, wo sich das Elternschlafzimmer und das Mädchenzimmer befinden. Das Eltern-Schlafzimmer hat ein geschosshohes Fenster mit Blick über Langenthal bis zum Jura-Gebirge. Auf die Frage, welches für sie die grösste Herausforderung als Bauherrin war, antwortet Christine Ulrich, dies wäre die Materialauswahl gewesen. «Wir wollten Materialien, die zusammenpassen und harmonieren. Dabei sollten sie Behaglichkeit ausdrücken und doch modern wirken. Die Auswahl an Materialien ist ja riesig und nimmt viel Zeit in Anspruch.» Zwei Hauptmaterialien bestimmen nun die Innenräume: das Weiss des Putzes von Wänden und Decken und das kräftige, warme Eichenholz von Böden, Podesten und Treppenstufen. «Uns war wichtig, dass es ein robuster, dicker Holzboden sein soll». Als Kontrast dazu fügte der Architekt immer wieder punktuell Farbtupfer ein. Angefangen von der Garderobe im Untergeschoss bis hin zur Dusche im Obergeschoss, wurde ein kräftiges Grün verwendet. Zuoberst beim Elternbad wurde ein Blau für die Dusche gewählt. «Die Planungsphase verlief wie am Schnürchen. Auf den Termin genau wurde das Haus fertiggestellt», schwärmt die Bauherrin. traumhaus 02 I 2011 31 Matthias Frei BFR LAB Farbgasse 49 4900 Langenthal Tel. 062 544 65 30 [email protected] www.bfrlab.com Welches waren für Sie die grössten Herausforderungen bei der Planung dieses Hauses ? Die privatrechtlichen Auflagen auf dem Grundstück haben ein maximales Gebäudevolumen von 12 × 12 × 8 Metern vorgeschrieben. Zusammen mit dem Raumprogramm, dass eine grösstmögliche Ausnützung zur Folge hatte, war es eine grosse Herausforderung, nicht nur einen quadratischen Kubus zu entwickeln. Längsschnitt Was waren die architektonischen Highlights ? Das Einfamilienhaus mit seiner Split-Level-Typologie ist als ein Gebäude entwickelt worden, welches sich mit verschiedenen Arten von Durchblicken und Ausblicken beschäftigt: die zum einen horizontale und vertikale, aber auch diagonale Durchblicke durch das Gebäude zulässt. So werden die verschiedenen Ebenen visuell und räumlich miteinander verbunden: die Räume fliessen über die verschiedenen Ebenen ineinander und verbinden sich mit dem Aussenraum. Querschnitt Wie würden Sie ihren Architekturstil beschreiben ? Bei jedem Projekt wird immer wieder aufs Neue eine innovative Lösung gesucht, ohne von einer a priori vorgegebenen Architektursprache / einem Stil auszugehen. Technische Angaben Obergeschoss 32 traumhaus 02 I 2011 Erdgeschoss Konstruktion: Wände UG: Beton | Wände EG: Beton/Backstein | Wände OG: Beton/Backstein | Isolation: EPS | Fassade: organisch gebundener Putz Raumangebot: 7,5 Zimmer | Umbauter Raum nach SIA-Norm: 1200 m³ | Nettogeschossfläche SIA-Norm 416: 335 m² | Erdgeschoss Brutto 100 m² | Obergeschoss Brutto 136 m² | Untergeschoss Brutto 166 m² Ausbau: Wandbeläge: Putz | Bodenbeläge: ge­räucherte Eiche/Lino | Decken: Weissputz | Türen: Blockfuttertüren | Fenster: Holz/Metall, Dreifach-Isolierglas Technik: Heizssystem: Luft/Wasser-Wärmepumpe; Bodenheizung, Minergie-Standard mit kontrollierter Lüftung