Architektur und Bauwirtschaft 36 IMMOBILIEN BUSINESS_04/2017 Wohntürme der neuen Art Stadtentwicklung – In Risch-Rotkreuz nimmt eine visionäre Wohnform Gestalt an: Das ganzjährig begrünte Gartenhochhaus «Aglaya». Ein Beispiel für eine zukunftweisende Architektur und Stadtplanung. Von Birgitt Wüst – Bilder: Zug Estates AG, wikimedia; Stefano Boeri Das Gartenhochhaus Aglaya im Zentrum der Suurstoffi. IMMOBILIEN BUSINESS_04/2017 Architektur und Bauwirtschaft 37 Hochhaus Aglaya: Hoher Wohnkomfort mit CO2-freiem Energiekonzept Naturnahe Lage, am liebsten ein eigener Garten – und um die Ecke der Arbeitsplatz, Arzt und Apotheke, Einkaufsmöglichkeiten, Kindergarten und Schule sowie Theater, Kino, Sportanlagen: Für eine Wohnung, die diese Voraussetzungen bietet, würden viele Schweizer gerne die Umzugskisten packen. Doch klar ist: Bei immer knapper und damit auch teurer werdendem Baugrund und gleichzeitig weiter steigenden Bevölkerungszahlen wird sich dieser «Wohntraum» – sei es als Eigentum oder zur Miete – perspektivisch für viele immer seltener erfüllen. Es sei denn, Architekten, Investoren und Stadtplaner gehen neue Wege. Der Balkon als vertikaler Garten Wie beispielsweise im Kanton Zug. Dort haben Anfang Jahr im Zentrum des Suur stoffi-Areals in Risch-Rotkreuz die Arbeiten an der Wohnüberbauung «Aglaya» begonnen. Bei dem Projekt der Zug Estates AG handelt sich um ein «Gartenhochhaus», für dessen Architektur das Zürcher Büro Ramser Schmid verantwortlich zeichnet. Dessen zentrale Idee für den Gebäudekomplex, der sich in zwei Wohntürme gliedert: Aussenraum und Innenraum verschmelzen. Die Umsetzung der Idee, die Natur harmonisch in den Wohnraum hineinwachsen zu lassen, erfolgt mittels «vertikaler Gärten», genauer gesagt: ganzjährig begrünten Balkonen. Das Gebäude ist schon im Entwurf beeindruckend. Mit den zurückspringenden Gebäudesockeln und den darüber liegenden Wohngeschossen mit begrünten Balkonen erinnert Aglaya an einen Baumstamm mit Krone; die Verknüpfung von Architektur und Bepflanzung der «vertikalen Gärten», die durch die gezielte Pflanzenwahl zu jeder Jahreszeit unterschiedliche Farbakzente setzen, lässt Bau und Umgebung als einheitlichen Organismus erscheinen. Die 70 Meter respektive 52 Meter hohen Gebäude fügen sich auf ganz selbstverständliche Art und Weise in die bestehende Bebauung ein. Das Gartenhochhaus macht den «Wohnstandort noch attraktiver» Wie Zug Estates mitteilt, wird das Gartenhochhaus in das bestehende Anergienetz eingebunden – und kombiniere somit höchsten Wohnkomfort mit einem CO2-freien Energiekonzept. «Mit dem Gartenhochhaus Aglaya setzen wir einen neuen Massstab, nicht nur für das Areal Suurstoffi, sondern auch für die Gemeinde Risch-Rotkreuz», ist man auch bei Zug Estates überzeugt. Das Gartenhochhaus mache «das Areal als Wohnstandort noch attraktiver» – zumal das exemplarische Grünkonzept der Suurstoffi beim Gartenhochhaus auch in der Vertikalen umgesetzt werde. Tatsächlich ist die Gestaltung des naturnahen Aussenraums ein ganz wesentlicher Bestandteil der Planung des ANZEIGE Master of Business Administration (MBA) Real Estate Management Studienstart 29.9.2017 www.zhaw.ch/mba-rem Informationsveranstaltungen: 10. April 2017, Zürich, 18 Uhr 19. Juni 2017, Winterthur, 18 Uhr Building Competence. Crossing Borders. Neuer Kooperationspartner Zürcher Fachhochschule In Kooperation mit Architektur und Bauwirtschaft 38 IMMOBILIEN BUSINESS_04/2017 NACHRICHT Toulouse Neue Landmarke In Toulouse, mitten im quirligen Geschäftsviertel Matabiau, soll in den kommenden Jahren ein spektakulärer, 150 Meter hoher Wolkenkratzer entstehen. Für seine Gestaltung zeichnet der bekannte amerikanische Architekt Daniel Libeskind verantwortlich. Das Büro Studio Libeskind hat für den Projektentwickler Compagnie de Phalsbourg den Occita- Der Hochhauskomplex «Bosco verticale» in Mailand. nie Tower entworfen. Die Pläne wurden Mitte März auf der MIPIM 2017 in Cannes vorgestellt: Sie sehen einen «GartenTurm» vor, der weithin sichtbar aus der Stadtsilhouette herausragen wird, mit 120 Apartments, einem Hilton Hotel, Einzelhandelsflächen sowie einem Panorama-Restaurant. Ferner sind 11.000 Quadratmeter Büroflächen geplant, die im Sockelgeschoss u.a. die französische Bahngesellschaft SNCF belegt. Das Besondere an dem Bau ist seine Form und das Konzept: In einer spiralförmig in die Höhe verlaufenden Aussparung an der Fassade sollen üppig bepflanzte «hängende Gärten» entstehen. Der Turm wird auf dem Areal des früheren PostVerteilerzentrums am Bahnhof Matabiau errichtet. Im Osten der Stadt gelegen, wird der Occitanie Tower künftig einen guten Ausblick auf die weniger als 100 Kilometer entfernten Pyrenäen bieten. Suurstoffi-Areals: Ein durchgehender Rasenteppich soll künftig alle Räume des Quartiers miteinander verbinden, schlussendlich eine Parklandschaft auf fünf Hektaren öffentlich zugänglicher Fläche entstehen. «Es ist die Verflechtung von Gartenkultur und Natur, die für uns zukunftweisend ist», sagt Reto Locher, Geschäftsführer der Stiftung Natur & Wirtschaft, die die Zug Estates AG für das Aussenraumkonzept der Suurstoffi auszeichnete. «Dieses Zusammenspiel harmonisch zu gestalten, ist eine Kunst, und es existieren erst wenige gelungene Beispiele. Deshalb ist das Suurstoffi-Areal ein wichtiges Pionierprojekt.» Klimafreundliche Quartiere Phalsbourg-CEO Phlippe Journo zufolge wird das erste Hochhaus der Stadt nicht nur eine neue Landmarke für Toulouse werden, sondern auch ein strategisch wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Studio Libeskind wird beim Bau des neuen Garten-Turms mit dem Toulouser Architekten Francis Cardete zusammen- © LUXIGON arbeiten. Der Baubeginn soll 2018 sei, die Fertigstellung 2022 erfolgen. (bw) Neue Landmarke: Der Occitane Tower Ein Pionierprojekt in der Schweiz ist auch das Aglaya-Gartenhochhaus – denn Wohnen, bei dem Natur in ein Hochhaus integriert wird, ist bislang einmalig für die Schweiz. In anderen Ländern gibt es bereits Beispiele für Hochhäuser, deren Fassaden und Dächer mittels «Gärten» oder gar «Wäldern» Staub filtern, CO2 absorbieren und im Winter vor Kälte und im Sommer vor Hitze schützen. Solche Gebäude helfen nicht nur ihren Bewohnern beim Energiesparen, sie machen ganze Quartiere klimafreundlicher und lebenswerter. Wie beispielsweise der Hochhauskomplex «Bosco Verticale» in Mailand von Architekt Stefano Boeri. Auf den Terrassen und Balkonen der beiden 110 und 76 Meter hohen Zwillingstürme wachsen und gedeihen ca. 900 Bäume, jeder bei der Pflanzung bereits zwischen drei und neun Meter hoch, sowie mehr als 2.000 weitere Pflanzen. Mit ihren begrünten Fassaden, die für Insekten und Vögel neue Lebens- und Nahrungsräume bieten, fungieren die Wohntürme als Trittsteinbiotope zwischen den öffentlichen Parks, den Alleen und innerstädtischen Brachflächen und leisten somit einen Beitrag zu einem Biotopverbundsystem der Stadt. Wären die Bäume eines der Hochhäuser in einer Ebene gepflanzt worden, hätte dies eine bepflanzte Waldfläche von 7.000 Quadratmeter ergeben; zudem entspricht die umbaute Wohnfläche einer mit Einfamilienhäusern bebauten Fläche von fast 7,5 Hektaren. Die Pflanzen gehören nicht zum Privateigentum der einzelnen Bewohner, sondern bilden Gemeinschaftseigentum. Für ihre Pflege gibt es ein Managementsystem: Über einen auf dem Dach installierten Kran seilen sich drei angestellte Gärtner ab und beschneiden vier Mal im Jahr die Pflanzen. Die Bewässerung erfolgt über ein Bewässerungssystem, das durch ein Schlauchsystem Wasser von einem Becken im Keller auf die Terrassen befördert. In dem Wasserbecken wird das Brauchwasser der Häuser gesammelt. Mit dem Konzept gewann Stefano Boeri im Jahr 2014 den mit 50.000 Euro dotierten Internationalen Hochhauspreis. Grüne Städte in China Seine Architektur findet, wie jüngst bekannt wurde, auch in Fernost Anklang: Im Februar dieses Jahres hat Boeri ein dem Mailänder Original sehr ähnliches Projekt in der smoggeplagten chinesi- IMMOBILIEN BUSINESS_04/2017 Architektur und Bauwirtschaft 39 Der Bau des «Tour des Cèdres» bei Lausanne soll in diesem Jahr beginnen. schen Metropole Nanjing vorgestellt: Dort sollen bis 2018 zwei grüne Hochhäuser entstehen, die neben Büros auch einem Museum, einer Schule sowie einem Hotel inklusive Swimmingpool auf dem Dach Platz bieten. Auch diese Türme sollen bepflanzt – mit nicht weniger als 23 Baumarten und über 2.500 Sträuchern. Diese werden, wie der Architekt gegenüber dem «Guardian» erklärte, jährlich 25 Tonnen CO2 aus der ver- schmutzten Luft saugen, jeden Tag 60 Kilogramm Sauerstoff produzieren und nicht zuletzt grosse Mengen des vom Strassenverkehr verursachten Feinstaubes absorbieren. Darüber hinaus wurde Stefano Boeri in China beauftragt, einen Masterplan für eine erste «Waldstadt» mit 100 bis 200 Gebäuden zu entwerfen; sie soll bereits bis 2020 in Liuzhou in der südchinesischen Provinz Guangxi Gestalt annehmen. Baustart für «Tour des Cèdres» Einen weiteren «Bosco Verticale» wird es auch bald in der Schweiz geben: In Chavannes-près-Renens im Westen von Lausanne bekam Stefano Boeri den Zuschlag für den Bau des «Tour des Cèdres». Sein Bau soll in diesem Jahr beginnen – das Gartenhochhaus Aglaya bekommt also bald schon ein Pendant in der Westschweiz. ANZEIGE CUREMhorizonte 4. Mai 2017, 17.30 Uhr Aula Universität Zürich Jetzt anmelden! ȱ ȱ ȱĖȱǰȱȱȱȱȬȱȱȬȱȱ ȱĖĖȱ£ȱǯȱ Es sprechen: Dr. Stefan Beiner, Pensionskasse PUBLICA, Michael Christen, Zurich Insurance Group, Dr. Claudia Emele, ORTEC Finance, Prof. Dr. Thorsten Hens, Universität Zürich, Prof. Dr. Peter Leibfried, Universität St. Gallen, Andreas Loepfe, Universität Zürich, André Tapernoux, Mercer Programm und kostenlose Anmeldung auf www.curem.uzh.ch CUREM – Center for Urban & Real Estate Management