Architekt und Ingenieur im Entwurfsprozess WGG Schnetzer Puskas

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WGG Schnetzer Puskas Ingenieure
Architekt und Ingenieur im Entwurfsprozess
Die vorgestellten Projekte loten das Machbare aus. Sie stossen an Grenzen. Diese Lösungen sind nur fachübergreifend im Team realisierbar. Unter diesen Voraussetzungen
ist die klassische Aufgabenteilung zwischen Architekt und Bauingenieur kein Thema.
Dem Architekten dienen oftmals Bilder als Entwurfsgrundlage. Diese Bilder visualisieren
die gestalterischen Vorstellungen. Basierend auf diesen teilweise sehr abstrakten Visionen und Analogien wird eine Umsetzung in einen Entwurf unter Berücksichtigung aller
Randbedingungen wie Baubestimmungen, Raumprogramm, Nutzungsvorgaben usw.
vorangetrieben. Die Tragkonstruktion ist Teil dieses Entwurfs. Wie am Beispiel Prada
Tokyo ersichtlich ist, führt die Verschmelzung von Fassade und Tragstruktur auch zu
einer Aufhebung der gewohnten Bearbeitungsteilung zwischen Architekt, Bauingenieur
und Fassadenplaner. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, gepaart mit dem Verständnis für die Anliegen der Partner, führt zum gewünschten Ziel.
Analogie geflochtener Leuchtkörper
Die Zusammenarbeit in der ersten konzeptionellen Phase ist äusserst anregend. Alle am
Konzertsaal eingebettet im Traggeflecht
Prada Flagship Store, Tokyo
Elbphilharmonie Hamburg
gen. Diese gestalterische Absicht ist nicht eine klar formulierbare Zielsetzung, vielmehr
Prada, ein Label für exklusive italienische Mode, hat sich an
Die Stadt Hamburg wird mit der Elbphilharmonie ein neues
wird sie im Entwurfsprozess ständig verfeinert und genauer umschrieben. Dazu ist eine
Tokios bester Adresse den ‚flagship store‘ durch die Architek-
Konzerthaus von Weltrang und zugleich ein neues Wahrzei-
ten Herzog & de Meuron gestalten lassen. Das Glashaus be-
chen erstellen. Die architektonische Idee, auf dem alten, 1964
gemeinsame Basis erforderlich. Die Zusammenarbeit erfordert intensive Gespräche und
sticht durch seine transparente, rautenartige Fassade, die mit
gebauten Kaispeicher ein Gebäude mit einer Philharmonie,
eine eingehende Auseinandersetzung mit den Randbedingungen.
ebenen sowie mit nach innen oder nach aussen gebogenen,
Luxuswohnungen und einem Hotel aufzusetzen, wurde im Rah-
rhombenförmigen Gläsern gefüllt ist. Von jeder Seite des Ge-
men eines Investorenprojektes entwickelt. Die Idee war über-
bäudes bietet sich durch Raumverschachtelungen ein anderes
zeugend und fand in der Bevölkerung eine sehr breite Basis.
Projekt Beteiligten sind gehalten, die gestalterische Absicht zu verstehen und mitzutra-
Bild. Vor dem Gebäude befindet sich ein Platz mit abgeschräg-
Der Beitrag des Bauingenieurs in der Entwurfsphase ist bivalent. Einerseits darf er un-
ten Flächen.
übliche, vielleicht abwegig erscheinende Gedanken nicht einfach ihrer Andersartigkeit
Der Neubau der Elbphilharmonie wird wie eine Krone auf den
bestehenden Kaispeicher aufgesetzt. Aus architektonischen
wegen verwerfen und so einen Lösungsansatz blockieren. Vielmehr erfordert die Aufga-
Um die drei vertikalen Schächte (cores) liegen horizontale Röh-
Überlegungen wird der Neubau vom Kaispeicher losgelöst, die
be eine Auseinandersetzung mit jeder neuen, teilweise noch so gewagten und als un-
ren mit Garderoben (tubes). Die ‚tubes‘ und die ‚cores‘ bilden
beiden Gebäudevolumen sind optisch voneinander getrennt.
mit dem Fassadengitter das statische Gerüst, auf dem die
Im Zwischenraum entsteht eine Aussichtsplattform, die Plaza
realistisch erscheinenden Idee. Erfahrungsgemäss steckt oftmals in solchen Ideen ein
Decken liegen. Die ‚tubes‘ sind frei zwischen den beiden Fas-
genannt. Ihr Erscheinungsbild wird durch den Verzicht auf die
Kern eines innovativen Lösungsansatzes. Diesen Kern gilt es herauszuschälen.
sadentragebenen gespannt und wirken statisch wie geschos-
Fassadenstützen auf dieser Ebene und die teilweise geschwun-
shohe Überzüge.
gene Gebäudeuntersicht verstärkt. Der Neubau ist somit ringsum auskragend.
Auf der anderen Seite wird vom Bauingenieur erwartet, dass er die tragwerksrelevan-
Die ‚cores‘ dienen zur Erschliessung der neun Geschosse mit-
ten Zusammenhänge frühzeitig erkennt und Lösungsansätze, die nicht realisierbar sind,
tels Treppen und Aufzugsanlagen sowie Medien. Sie leiten aus-
Zentral im Neubau liegt der Konzertsaal. Er erstreckt sich in
schliesslich die Vertikallasten der Geschossdecken in die Fun-
Querrichtung über die ganze Gebäudebreite und stösst an die
dation ab und haben im Gegensatz zu konventionellen Bauten
Nord- und die Südfassade. Unter dem Konzertsaal befindet
keine stabilisierende Wirkung.
sich ein Erschliessungs- und Foyerbereich. Dessen amorphe
ausscheiden hilft. Diese Gratwanderung zwischen Verhindern und Befürworten einer
Lösung ist anspruchsvoll. Einerseits erfordert es vertiefte Kenntnisse der Planung und
Tragkonstruktion für den Konzertsaal
Raumabfolge entwickelt sich kaskadenartig entlang dem Kon-
Realisierung, andererseits sind diese Kenntnisse unter Umständen auch eine Hemmnis,
Die Stabilisierung des Gebäudes für die Wind- und die in Japan
zertsaal nach oben. Neben dem Konzertsaal schliesst auf der
weil der Blick für neue, unkonventionelle Lösungen durch die Erfahrungen eingeschränkt
hohen Erdbebenkräfte erfolgt einzig durch das Fassadengit-
Ost- und Westseite die Mantelbebauung an. Im Osten befindet
ter. Die rhombenförmige Fassadenkonstruktion bildet mit den
sich ein Hotel mit 10 Stockwerken, im Westen ein Wohnbe-
schubsteif angeschlossen, als Zugbänder wirkenden Decken
reich mit 16 Geschossen. Überdeckt wird der Neubau durch
eine steife und tragfähige strukturelle Einheit.
eine wellige Dachlandschaft. Diese verläuft von der 110 Meter
wird.
hohen Spitze des Wohnbereichs leicht abwärts über das ganze
Dieser Widerspruch lässt sich nur mit einer stufengerechten Betrachtungsweise be-
Das Fassadengitter trägt die Vertikal- und Horizontallasten in
wältigen. Es gilt frühzeitig zu erkennen, welche Punkte zu welchem Zeitpunkt gelöst
den inneren Untergeschosskasten ab. Der Untergeschosska-
werden müssen. Dabei ist natürlich sicherzustellen, dass die noch ungelösten Punkte
sten ist in einer Wanne gefedert gelagert, damit sich die Erd-
Im umgebauten Bestand befindet sich ein Parkhaus. Durch die
bebenschwingung durch die entkoppelte Lagerung lediglich
Umnutzung der Lagerflächen des bestehenden Kaispeichers
in gedämpfter Form auf das Tragwerk übertragen kann (base
in Parkflächen wird die Nutzlast auf den Geschossdecken von
isolated system).
zwei Tonnen auf 200-300 Kilogramm pro Quadratmeter redu-
zu einem späteren Zeitpunkt auch lösbar sind. Dieses selektive Vorgehen bereitet erfahrungsgemäss den Ingenieuren beträchtliches Kopfzerbrechen. Aufgrund der Ausbildung
Gebäude.
ziert. Der dadurch freiwerdende Tragwiderstand der Gründung
Spanten eines Schiffsrumpfs
wird vollumfänglich für den Neubau genutzt, womit nur partiell
und seines strukturierten Denkens ist der Bauingenieur wenig geneigt, für das Projekt
Bauherr: Prada Japan Co., Ltd
Architekt: Herzog & de Meuron AG, Basel
Tragwerksplaner: WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel / Takenaka Corporation, Tokyo
Baujahr: 2003
relevante, konstruktive Punkte ungelöst liegen zu lassen. Das damit verbundene Risiko
nachgegründet werden muss.
Abwicklung der rautenförmigen, als primäres Tragelement verwendeten Fassadenkonstruktion
führt zu einem Unbehagen. Im Projektierungsablauf sind jedoch solche Entscheide un-
Der Konzertsaal stellt aufgrund seiner Geometrie und Kon-
umgänglich. Meistens ist ein Projekt im Fluss. Ideen, die heute bearbeitet werden, sind
werksplaner. Der mit einer zweischaligen Haut umfasste Kon-
struktion grosse Herausforderungen an Architekten und Tragzertsaal wird ähnlich einem im Trockendock liegenden Schiff in
morgen bereits aus bestimmten Gründen verworfen.
CaixaForum, Madrid
die Gebäudestruktur eingebettet. In der Aussenschale verlaufen, analog einem Schiffsrumpf mit Spanten, in regelmässigen
In der Entwurfsphase eines Projektes geht es noch nicht um detaillierte technische Lö-
Das neu erstellte Museum CaixaForum befindet sich im Herzen
Abständen Rippen, welche die konzentrierten Stützenlasten in
sungen. Der Überblick über die Zusammenhänge ist wichtig. Gestalterische Ideen oder
von Madrid, in unmittelbarer Nähe der Museen Prado, Reina
die Schale einleiten. Die Rippen laufen über Stützen und sam-
Konzepte müssen analysiert und das Potential oder Risiken von Ideen muss erkannt
Sofia und Thyssen. Das Gebäude entsteht aus einem ehema-
meln sich unten im Kiel der Konzertschale, welcher ebenfalls
ligen historischen Elektrizitätswerk, welches komplett ausge-
auf Stützen steht.
kernt worden ist und dessen Mauerwerksfassade in den Neu-
werden. Dazu sind einfache Überlegungen zum Kraftfluss und Gleichgewicht die ad-
bau integriert wird.
äquaten Hilfsmittel des Ingenieurs.
Bauherr: ReGe Hamburg
Architekten: Herzog & de Meuron AG, Basel / Höhler & Partner Architekten und Ingenieure, Hamburg
Tragwerksplaner: WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel / Rohwer Ingenieure VBI, Flensburg
Baujahr: voraussichtlich 2009
Das CaixaForum gliedert sich in vier Obergeschosse, eine ebenerdige gedeckte Plaza und zwei Untergeschosse. Das Gebäude umfasst Ausstellungsflächen, ein Auditorium, Seminarsäle,
einen Verkaufsladen und eine Cafeteria. Die gesamte oberirdische Gebäudestruktur steht auf dem von den Erschliessungs-
Schema der primären Tragelemente
kernen gebildeten Dreibein. Auf der restlichen Grundrissfläche
schwebt das Gebäude über der gedeckten Platzfläche, von
der aus eine skulpturale Haupteingangstreppe in das Museum
führt.
Messeturm Basel
Die Gebäudeuntersicht und die Platzoberfläche werden mit
Dreiecksflächen reliefförmig strukturiert. Die Dachform mit ih-
Der Messeturm Basel besteht aus zwei volumetrisch markan-
ren markanten Einschnitten nimmt Bezug zur umgebenden
ten Bauteilen: dem eigentlichen Turmbau, sowie einem mit dem
Dachlandschaft der Altstadt.
Turm symbiotisch verschmolzenen, auskragenden Baukörper.
Das vertikale Tragsystem des Turmbaus besteht aus einem Be-
Das primäre Gebäudetragwerk besteht aus den drei am
tonkern, der wesentliche Teile der Lasten abträgt, und Stahl-
Grundrissperimeter angeordneten Erschliessungskernen und
stützen unmittelbar hinter der Fassade. Neben der vertikalen
den innen an der Mauerwerksfassade errichteten Tragwänden,
Lastabtragung dient der Kern auch zur horizontalen Ausstei-
welche als eine Art Korsett die Tragstruktur des Gebäudein-
fung für Wind- und Erdbebenlasten. Um ein besseres Ge-
nern einfassen. Diese aussen liegenden Tragwände bilden zu-
brauchsverhalten gegenüber den Horizontalverformungen und
sammen mit zwei weiteren, parallel verlaufenden Innenwänden
Schwingungen zu erreichen, sind im obersten Geschoss Kern
einen in Spannbeton gefertigten Zellkasten, der als makros-
und Fassadenstützen mit Diagonalen kraftschlüssig verbun-
kopische Abfangkonstruktion sämtliche Gebäudelasten auf
den.
das erwähnte Dreibein überträgt.
Weil die Windkräfte die grösste Horizontaleinwirkung für das
Die Geschossdecken werden in unterschiedlichen Konstrukti-
Gebäude darstellen, wurden zu Beginn der Planung Windkanal-
onsformen ausgeführt. Es werden Verbunddecken verwendet,
versuche an einem Modell im Massstab 1:400 unternommen,
bestehend aus weit gespannten Blechträgern mit darüber lie-
deren Auswertung in die Berechnung des Tragwerks einfloss.
genden Profildecken. Die Ausbildung der Deckenkonstruktion
Visualisierung mit Blick Richtung Paseo del Prado
über dem gedeckten Platz ist der Reliefform ihrer Untersicht
Die Aussenstützen wie auch die Wände des Kerns werden der
angepasst. Sie ist als Hohldecke in Stahl gefertigt und wird
Lastabtragung folgend von oben nach unten dicker. Die Voll-
über Stahlstangen an den über dem ersten Obergeschoss ge-
stahlstützen sind aus Gründen des Feuerschutzes mit einem
spannten Blechträgern aufgehängt.
Schutzmörtel umhüllt.
Die Tragkonstruktion des Dachstuhls ist ein dreidimensiona-
Schnitt
Das an der Fassade ablesbare filigrane Erscheinungsbild der
ler Stahlrahmen. Das unterhalb der Plaza befindliche Auditori-
10 Meter weit gespannten Decken liess sich durch die Anord-
um wird von einer Spannbetonplatte überdeckt. Ihre faltwerk-
nung von in den Hohlboden reichenden Überzügen erzielen.
förmige Ausgestaltung bezweckt die Minimierung der Überdeckungslast und die Maximierung der lichten Höhen des
Die Kräfte der Stahlstützen werden über Flachstähle und Kopf-
Auditoriums.
bolzendübel in die Wände des Untergeschosses eingeleitet.
Äussere Spannbetonwände hinter der Mauerwerksfassade
Der 10 Meter hohe, im Boden versenkte Untergeschosskasten
Bauherr: Fundación ‚la Caixa‘
Architekt: Herzog & de Meuron Architekten AG, Basel
Tragwerksplaner: WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Basel / NB35 Ingeniería, Madrid
Baujahr: 2006
mit seiner bis zu zwei Meter starken Bodenplatte bildet zusammen mit den 102 Bohrpfählen die Einspannung des Turms.
Visualisierung der Elbphilharmonie bei Nacht
Der exzentrische, auskragende Gebäudeteil wird von einem
über drei Geschosse geführten, zehn Meter hohen Raumfachwerk getragen, dessen Auskragung zum Platz hin 20 Meter
und zur Längsseite gegen Osten hin 10 Meter beträgt. Der
Achsraster des Turms wurde im auskragenden Gebäudeteil
übernommen, so dass die Tragstruktur ein einheitliches Erscheinungsbild hinter der Fassade abzeichnet. Die Anordnung
der aus gebündelten Stahllamellen bestehenden Fachwerkdiagonalen wurde zugunsten der Nutzung optimiert.
Das Raumfachwerk wurde auf einem Hilfsgerüst montiert,
das erst entfernt werden konnte, nachdem der Rohbau das
Untersicht der Decke über Plaza im Rohbau (Eingangstreppe)
21. Geschoss erreicht hatte, denn es ist die Turmauflast, welche
die Einspannung des auskragenden Körpers gewährleistet.
Der Turmkern aus Ortbeton wurde mittels einer Kletterschalung
errichtet. Zusammen mit dem hydraulisch kletternden Fassadengerüst diente dieser als Hebezeug für sämtliche Schalungselemente. Ab dem fünften Obergeschoss erfolgte die Herstellung der Geschosse im Wochentakt.
Totalunternehmer: Batigroup Generalunternehmung AG, Basel
Architekt: Architektengemeinschaft Morger & Degelo und Daniele Marques
Tragwerksplaner: WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG
Baujahr: 2003
Eigenschwingungen in Querrichtung
Architektonische Visualisierungen © Herzog & de Meuron Architekten AG
Statische Visualisierungen © WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG
Bauzustand
Auskernung des ehemaligen Elektrizitätswerks
Tragwerkskonzept: Dreibein und Abfang-Zellkasten
Ansicht Kaispeicher
WGG Schnetzer Puskas Ingenieure AG SIA USIC,
Güterstrasse 144, 4002 Basel
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