162 8 Grundlagen der Teilprothesenplanung Die Prothese wird als starrer künstlicher Körper in ein lebendes Biotop eingebracht, das aus unterschiedlichen Geweben mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht. Die Kunst des Zahnarztes mit seinem Team besteht darin, den Zahnersatz zu inkorporieren, im wahrsten Sinne des Wortes also (nicht spürbaren) „Bestandteil des Körpers“ werden zu lassen. Dabei können sich Prothesen in scheinbar identischen Restgebisssituationen bei verschiedenen Patienten trotz gleicher Konstruktion sehr unterschiedlich verhalten, da die Kinematik einer Teilprothese nicht nur von der reinen Konstruktion abhängt, sondern auch insbesondere von den individuellen anatomisch-physiologischen Gegebenheiten in der Mundhöhle: So beeinflussen der parodontale Zustand des Restgebisses, die Resilienzverhältnisse der Schleimhäute, Form und Ausprägung der zahnlosen Anteile und die individuelle Kraftentwicklung der Kau-, Zungen- und Mundbodenmuskulatur das Verhalten der Prothese in erheblichem Maß. Krafteinwirkungen im Kauorgan und deren Kompensationsmöglichkeiten Druckkräfte Durch die Einwirkung der Kaumuskulatur entstehen bei allen Okklusionskontakten in Statik und Dynamik Druckkräfte auf Knochen, Zähne und Prothese. Diese können rein axial auf die Zähne wirken und damit einen physiologischen Reiz auf den Zahnhalteapparat ausüben. Je nachdem werden sie aber auch in Horizontalkräfte, Scher-, Zug- und Biegekräfte umgewandelt. Somit ist klar, dass z. B. gekippte Zähne ungünstig belastet werden, da ein großer Teil der Sharpey-Fasern nicht mehr auf Zug in Anspruch genommen wird. Bei einer Kippung von mehr als 30⬚ zur Kauebene ist ein Zahn in seiner Pfeilerwertigkeit als gering einzustufen. In diesen Fällen ist abzuwägen, ob er noch als Halte- und Stützelement in Frage kommt (Abb. 8.15). Die Einbeziehung solcher Zähne ist bei Doppelkronen noch eher möglich, da sie durch den Doppelkronenverband gut abgestützt und gehalten werden. Unter einer Klammer hingegen ist eine weitere Kippung wahrscheinlicher, insbesondere wenn kein flächiger Approximalkontakt zum Sattel geschaffen wird (vgl. Abb. 4.1 a). Aber auch regelrecht stehende Zähne können auf Kippung und Zug beansprucht werden: Schon bei einer dreigliedrigen Brücke können die Pfeilerzähne infolge einer Durchbiegung zum Brückenglied hin gekippt werden. Je mehr Zähne verloren gegangen sind und je umfangreicher der Zahnersatz ist, desto stärker sind diese unphysiologischen Belastungen. Der Extremfall ist der Freiendsattel, der eine hohe Belastung für die Pfeiler darstellt. Aus diesen Gründen ist durch eine sorgfältige Konstruktionsplanung mit der Abschätzung der jeweiligen individuellen Situation die Belastung der Pfeilerzähne so gering wie möglich zu halten und eine konstruktive Entlastung des Prothesenlagers anzustreben. Dazu gehört die starre parodontale Abstützung der Prothese Abb. 8.15 a Der Zahn befindet sich im Ruhezustand in der Alveole: Die SharpeyFasern sind entspannt. b Bei exakt vertikaler Belastung des Zahnes werden alle Sharpey-Fasern gleichermaßen funktionell belastet. c Bei einer Kippung von 10⬚ befindet sich das resultierende Kräfteparallelogramm noch innerhalb des Zahnes. d, e Kippungsgrade von 30⬚ oder 45⬚ führen zu einer Schädigung des Pfeilerzahnes. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 8.6 Grundsätzliche Überlegungen zur Statik und Dynamik Grundsätzliche Überlegungen zur Statik und Dynamik Die Prothesenbasis muss maximal extendiert werden. Das bedeutet bei Teilprothesensätteln die Fassung der Tubera im Oberkiefer und im Unterkiefer der retromolaren Polster. Die vertikale Ausdehnung muss nicht so lang sein, wie es bei Totalprothesen zur Erzielung eines Saughaltes notwendig ist. So können aus ästhetischen und Komfortgründen die Sattelränder durchaus etwas kürzer sein und müssen auch nicht so ausgeprägt ampullenförmig gearbeitet werden (Abb. 8.18). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. mit einer maximal möglichen Kaukraftübertragung auf das Restgebiss. Um Kippbeanspruchungen der Pfeiler bei Druckbelastungen von Prothesen weitgehend auszuschalten, muss eine möglichst große dentale Unterstützungsfläche geschaffen werden, d. h. die sog. Stützlinien sollten peripher am Prothesenkörper verlaufen, damit Angriffshebel erst gar nicht entstehen können. Stützlinien sind die Verbindungslinien der Abstützungspunkte, z. B. bei Klammern deren Stützelemente. Zur Veranschaulichung sei das Beispiel eines Tisches angeführt. Dieser ist immer dann am stabilsten, wenn die 4 Tischbeine möglichst an den 4 Ecken und am Rand der Platte angebracht sind. Die Verbindung der Beine sind die Unterstützungslinien. Verlaufen sie so peripher wie möglich (Abb. 8.16 a), kann man sich auch auf dem Rand der Tischplatte abstützen, ohne dass dieser kippt. Werden jedoch die Tischbeine nach innen verlegt, so befinden sich Plattenanteile außerhalb der unterstützten Fläche und der Tisch kippt bei Belastung am Rand um (Abb. 8.16 b, c). Die Restgebisssituation der Abb. 8.16 d zeigt ein Beispiel einer maximal unterstützten Fläche, bei der lediglich die Frontzähne mit einem geringen Angriffshebel außerhalb des Unterstützungsfeldes zu liegen kommen. Diese Prothese wird auch beim Abbeißen lagestabil sein, da ein ausreichend großes Widerlager vorhanden ist. Bei Verkleinerung des Unterstützungsfeldes wird der Angriffshebel größer und es besteht die Gefahr des Abkippens der Prothese (Abb. 8.16 e). Druck ist ein unphysiologischer Reiz auf den Knochen; wird eine gewisse Toleranzgrenze überschritten, erfolgt verstärkt dessen Atrophie. Diese Toleranzgrenze ist zwar individuell sehr unterschiedlich, dennoch ist klar, dass alles getan werden muss, um den auf ein jeweiliges Flächenstück einwirkenden Druck so gering wie möglich zu halten. Da Druck als Kraft pro Fläche definiert ist und bei einem Patienten die einwirkende maximale Kraft aufgrund der anatomisch-physiologischen Situation relativ konstant ist, bleibt nur die Möglichkeit, über die Verteilung dieser Kraft auf eine möglichst große (horizontale) Fläche den knochenabbauenden Druck eines Prothesensattels zu reduzieren (Schneeschuhprinzip) (Abb. 8.17). 163 Abb. 8.16 Prothesenstatik am Beispiel eines Tisches. a Stabile Verhältnisse: Alle 4 Tischbeine sind an der jeweils äußersten Ecke angebracht. b Tischbeine sind zum Zentrum der Platte hin verschoben. c Bei Belastung der Platte außerhalb des Unterstützungsfeldes, das von den Tischbeinen gebildet wird, fällt der Tisch um. d Stabile Verhältnisse in diesem Fall, da der Angriffshebelarm wesentlich kleiner ist als der Widerstandshebelarm W. e Ungünstige Verhältnisse: Der Angriffshebelarm wird größer, die Kippbelastung auf die Pfeilerzähne ebenfalls. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 164 8 Grundlagen der Teilprothesenplanung b a Abb. 8.18 a – d Gestaltung der vertikalen Sattelausdehnung bei Teilprothesen; Ansicht von vorn. a Der Sattel ist unnötigerweise zu lang und zu weit nach anterior geführt (mesial der schwarzen Linie). b Der Sattel sollte von anterior unauffällig sein und muss nicht bis tief ins Vestibulum reichen (jetzt korrigiert). c Grenzlinie für die Sattelausdehnung läuft durch den Approximalkontakt. Die Approximalfläche des ersten Sattelzahnes ist die Grenze für die Sattelausdehnung. Die Basis sollte dann in einem leichten Schwung Richtung Sattel geführt werden. d Keinesfalls sollte die Sattelbasis in den Bereich der noch vorhandenen natürlichen Zähne geführt werden. Sagittal angreifende Horizontalkräfte Im gesunden Gebiss werden sagittal gerichtete Kräfte durch die Abstützung innerhalb der Zahnreihe durch die Approximalkontakte kompensiert (Wirklinie). Eine fehlende sagittale Abstützung führt zu Kippbeanspruchungen insbesondere sattelnaher Pfeiler. Isoliert stehende Prämolaren haben eine schlechte Prognose, weil sie von ihrer prothetischen Wertigkeit her als gering einzustufen sind. Bei Freiendprothesen haben die Neigung und der Verlauf des zahnlosen Kieferkammes Einfluss auf die sagittale Belastung der Restzähne. Bei einem nach mesial abfallenden Kieferkamm kommt es zu einem Proglide- Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 8.17 Darstellung der Schneeschuhprinzipes. a Mit Schneeschuh verteilt sich das Körpergewicht F auf eine größere Fläche, kein Einsinken. b Ohne Schneeschuh erfolgt bei gleicher Gewichtskraft ein wesentlich stärkeres Einsinken. Grundsätzliche Überlegungen zur Statik und Dynamik Transversal angreifende Horizontalkräfte Transversal angreifende Horizontalkräfte sind durch Konstruktionen kompensierbar, die senkrecht zum Prothesensattel verlaufen, d. h. die großen Transversalverbinder. Bei der Planung ist deshalb eine ausreichend dimensionierte Transversalverbindung unabdingbar. Je nach Form des Gaumendaches (Abb. 8.19) muss diese mehr oder weniger verstärkt werden. Je spitzer und höher der Gaumen, desto steifer muss die Konstruktion sein, da bei einem kleinen Winkel α die Gefahr der Aufbiegung bzw. extraoral auch des Zusammenbiegens größer ist als bei einem flachen, großen Winkel. Ebenso ungünstig sind flache, niedrige Kieferkämme bei transversalen Krafteinwirkungen. Hier muss durch maximale Extension der Basis versucht werden, die auftretenden Kräfte so weit wie möglich zu kompensieren. Hilfreich ist dabei auch eine flache Höckerneigung. Im Doppelkronenverband kann bei der totalen Pfeilerintegration auf eine gesonderte Transversalverbindung verzichtet werden, wenn eine günstige Form der Alveolarfortsätze vorhanden ist (Abb. 8.19 c). Bei hohen, steilen und breiten Kämmen mit relativ flachem Gaumendach kann die Prothese gut stabilisiert werden, da sie sich mit den Sätteln selbst wie eine Klammer um die Alveolarfortsätze legt und somit ausreichend gegen Transversalschübe gesichert ist. In diesen Fällen muss die Sekundärkonstruktion an sich ausreichend stabil gestaltet sein, so dass eine gute Verwindungssteifigkeit erzielt wird: Konnektorenbereiche sollten einen Querschnitt von 3⫻3 mm2 nicht unterschreiten bzw. Pontics dürfen nicht zu grazil sein. In diesen Fällen bietet sich immer auch die Konstruktion von Rückenschutzplatten aus einer NEM-Legierung auf Kobalt-Chrom-Basis an. Zugkräfte Während der Kaufunktion treten insbesondere bei Teilprothesen auch vertikale, abziehende oder kippende Kräfte (z. B. durch klebrige Speisen) auf, welche die Prothese von ihrem Lager lösen können. Diesen abziehenden Kräften müssen Haltekräfte entgegengesetzt werden. Bei Klammerverankerungen (s. Kap. 9) sind dies die Anteile, die unterhalb des prothetischen Äquators eingreifen. Im Bereich der Doppelkronen (s. Kap. 10) unterscheidet man die Friktionshaftung bei Zylinderteleskopen von der Konushaftung. Resilienzteleskope halten durch den Saughalt der Prothese bzw. auch durch eine gewisse Verkantung beim Abziehen der Prothesen. Freiendsattel Die Problematik des Freiendsattels Abb. 8.19 a – c Darstellung der verschiedenen Konfigurationen der Gaumengewölbe. a Flacher Winkel günstig gegen Aufbiegen. Ungünstig: flache Kämme gegen Transversalschübe. b Spitzer Winkel ungünstig gegen Aufbiegen. Wenig Horizontalflächen zur Lastaufnahme bei Druck. Relativ gute Transversalstabilisierung. c Günstig für die Prothesenstabilisierung ist ein flacher Gaumen mit steilen Alveolarfortsätzen. Druck- und Zugbelastungen sind bei Schaltlückengebissen eher unproblematisch, da sich hier in der Regel alle Prothesenanteile innerhalb der Stützlinien befinden. Eine Ausnahme stellen lediglich große, bogenförmige Schaltlücken im Frontzahnbereich dar, die deshalb auch als „funktionelle Freiendlücken“ bezeichnet werden (Abb. 8.20). Bei Freiendsituationen liegen also immer Prothesenanteile außerhalb der dental unterstützten Fläche. Dabei kommt es bei Zug- und Druckbeanspruchungen zu Kippungen, die durch eine entsprechende Konstruktion der Prothese weitgehend kompensiert werden sollten. Insbesondere zur Problematik der Verankerung von Prothesen mit Freiendsätteln werden in der Literatur zahlreiche Vorschläge unterbreitet, die von einer rein senkbaren Lagerung über eine federnde und gelenkige bis zur starren Verankerung reichen. Die Theorie einer rein senkbaren und nicht abgestützten Prothesenlagerung geht davon aus, dass bei einer nur mittigen Belastung des Prothesensattels eine gleichmäßige und parallel zur Kauebene verlaufende Einsenkung des Sattels in das Tegument erfolgt (Abb. 8.21 a). Leider treten solche rein mittigen Belastungen selten bis gar nicht auf. Eine Verlagerung der Belastung nach distal führt bei einer rein gin- Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ment der Prothese, d. h. die Prothese führt einen Mesialschub aus, wodurch das Parodontium des sattelnahen Pfeilers traumatisiert wird. Bei einem nach distal abfallenden Kamm sind vermehrt Zug- und Kippbeanspruchungen der sattelnahen Pfeiler zu beobachten. 165 8 Grundlagen der Teilprothesenplanung noch eigene parodontale Rezeptoren vorhanden sind und somit das taktile Empfinden und der Kaukomfort wesentlich höher sind als im zahnlosen Anteil. Die Folge der Verlagerung des Kauzentrums aus dem Bereich des Sechsjahresmolaren hin zu den sattelnahen Pfeilern ist eine vermehrte Belastung in diesem Bereich. Wenn die Prothese dort nicht abgestützt wird, erfolgt eine vermehrte Einlagerung des Prothesensattels, der förmlich am sattelnahen Parodontium „entlangrutscht“, einen erhöhten Abbau des parodontalen Faserapparats bewirkt und einen Mesialschub auf den Pfeilerzahn ausübt (Abb. 8.21 d). Die Folgen einer solchen insuffizienten Versorgung sind fatal und es fragt sich, ob es nicht dann besser wäre, gar keine Prothese einzugliedern. Zu beobachten sind Schädigungen des Alveolarfortsatzes und des Pfeilerzahnes durch den nicht abgestützten Sattel sowie Okklusionsstörungen und Elongationen der Antagonisten. Die starre Abstützung Abb. 8.20 a, b Bogenförmige Schaltlücken im Frontzahnbereich. a Ungünstige Konfiguration: Kleiner Radius und starke Atrophie des Kammes zwingen aus ästhetischen Gründen zur Aufstellung außerhalb der Kieferkammmitte. Hier muss ggf. ein zusätzlicher Pfeilerzahn geplant werden. b Günstige Konfiguration: großer Radius und geringe Atrophie. givalen Lagerung deshalb nicht zu einer gleichmäßigen rechteckigen, sondern eher zu einer dreieckförmigen Kompressionsfigur und zu erhöhten Druckspitzen im distalen Alveolarfortsatzbereich mit schnellerem Knochenabbau infolge der Überbelastung des Knochens (Abb. 8.21 b). Häufiger wird aber eine verstärkte Sattelbelastung mesial stattfinden, und zwar dort, wo noch eigene Zähne vorhanden sind (Abb. 8.21 c). Hier kann der Patient den Kauakt wesentlich effizienter steuern, da Die starre Kopplung des Prothesensattels mit dem Pfeilerzahn wird als Verankerungsform bevorzugt, da die Eigendynamik des Sattels eingeschränkt wird und dieser somit nur noch eine eingeschränkte und geführte Bewegung ausführen kann: Damit wird der Alveolarfortsatz zum größten Teil senkrecht zur Kauebene belastet, was den geringsten Knochenabbau verursacht. Zusätzliche Freiheitsgrade des Sattels durch unterdimensionierte Verbindungselemente, Federn, Gelenke oder Kugelattachments erlauben transversale und kippende Bewegungen, die eine übermäßige Traumatisierung des Alveolarfortsatzes und dessen beschleunigte Resorption bedingen. Das optimale Verankerungselement für die starre Abstützung ist die Konuskrone oder das Friktionsteleskop. Beide Doppelkronensysteme vereinigen die einfache, stabile, hygienefähige Konstruktion mit der kompletten Abb. 8.21 a – d Problematik des nicht abgestützten Freiendsattels. a Idealisierte und nicht reale Vorstellung einer parallelen Einsenkung des Sattels durch exakt mittige Belastung. b Kompressionsmuster bei distaler Sattelbelastung. c Aufgrund der noch vorhandenen Taktilität bei den eigenen Zähnen neigt der Patient zur Kaubelastung im pfeilerzahnnahen Bereich mit den entsprechenden Konsequenzen bei nicht abgestütztem Sattel. d Atrophieerscheinung des Knochens durch sog. „Reitbewegungen“ des Prothesensattels, was zum „Absinken“ der Prothese führt. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 166 Grundsätzliche Überlegungen zur Statik und Dynamik 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 Anforderungen an Halte- und Stützelemente Okklusale Abstützung, die eine axiale Belastung der Pfeilerzähne gewährleistet Starre Abstützung: Prothesensattel und Pfeilerzahn sollten starr miteinander verbunden sein Retention: Widerstand gegen abziehende Kräfte Zirkuläre, körperliche Fassung des Pfeilerzahnes Reziproke Wirkung: Gegen jede horizontal einwirkende Kraft sollte eine Gegenkraft so gerichtet sein, dass der Zahn nur in seiner Längsachse belastet wird, da dann alle Sharpey-Fasern gleichermaßen herangezogen werden. Schubverteilung: Verteilung und Kompensation auftretender Horizontalkräfte Parodontienfreiheit: Das Parodontium sollte möglichst nicht bedeckt bzw. traumatisiert werden. Perfekte Reinigungsmöglichkeit Wirtschaftlichkeit: Die Anfertigung sollte einfach und die Wartung eine dauerhafte Funktion gewährleisten. doppelt bis dreimal so hohe Misserfolgsrate in den Lückengebissen der Körber-Klassen D und E gegenüber den Klassen A – C, wenn mit Konuskronen versorgt wurde (Abb. 8.22 a). Es sollte aber immer berücksichtigt werden, dass nicht nur die Pfeilerverteilung zur Indikationsstellung in Betracht gezogen werden kann, sondern dass auch die Wertigkeit des Lückengebisses insgesamt beurteilt werden muss. Bei guten Voraussetzungen kann selbst bei kurzen Achsen bzw. nahezu punktförmiger Abstützung noch starr verankert werden (Abb. 8.22 b). Schlechte Voraussetzungen bezüglich Pfeilerwertigkeit, Schleimhautqualität und Kieferkammkonfiguration lassen dann eher zur teleskopierenden Totalprothese greifen. Resiliente Verankerung Die starre Abstützung ist in nahezu allen Restgebisssituationen indiziert. Während Heners et al. keine Einschränkungen bei der Versorgung des Lückengebisses mit Konuskronen sehen, beschreiben Gernet et al. eine Die resiliente Verankerung von Teilprothesen wird häufig dann gewählt, wenn eine Überbelastung der verbliebenen Restzähne (maximal 3) durch eine starre Kopplung befürchtet wird. Die Hauptlast trägt somit der zahnlose Alveolarfortsatz; man spricht auch von einer gingivalen oder tegumentalen Lagerung der Prothese. Die vorhandenen Halteelemente sollen keinen Kaudruck übernehmen, sondern die Prothese lediglich gegen abziehende Kräfte sichern und die Kippmeiderfunktion ausüben. Dabei kommt auch hier den Doppelkronen eine überragende Bedeutung zu. Bei geringer bis gar keiner Friktion und ohne okklusalen Stopp haben sie lediglich eine Führungsfunktion. Transversale Schubkräfte werden kompensiert, die Prothesen sitzen selbst bei schlechten Kammverhältnissen noch lagestabil und die noch vorhandenen Zähne bieten einen gewissen Kaukomfort über die parodontalen Rezeptoren. Durch die Gestaltung als teleskopierende Totalprothese (Resilienzteleskope nach Hofmann) kann diese auch nach Pfeilerverlust in derselben äußeren Form erhalten bleiben, was den Übergang zur Totalprothese nach der Extraktion des letzten Zahnes deutlich erleichtert. Aufgrund der zirku- Abb. 8.22 a Starr gelagerte Teleskopprothese der Körber-Klasse D (s. a. Abb. 2.7 d). b Restgebiss der Körber-Klasse D: starr verankerte Prothese seit 8 Jahren in situ. Erfüllung aller Anforderungen, die an Halte- und Stützelemente gestellt werden (Tab. 8.3). Abstriche sind in dieser Hinsicht bei Modellgussprothesen zu machen, die nur als „bedingt starre“ Konstruktionen angesehen werden (Spiekermann). Sie müssen daher umso umsichtiger geplant und ausgeführt werden, damit sie nicht destruierend auf das Restgebiss wirken. Aufgrund ihrer geringen Herstellungskosten sind Modellgussprothesen aber unter Kassengesichtspunkten betrachtet die Standardlösung, welche die Anforderungen an zweckmäßigen Zahnersatz noch akzeptabel erfüllt. Indikation Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tab. 8.3 167 168 8 Grundlagen der Teilprothesenplanung lären Fassung sind die Pfeiler keinen Kippbeanspruchungen ausgesetzt. Dies ist bei senkbaren Klammern ohne Auflage nicht der Fall. Diese müssen über einen prothetischen Äquator geführt werden, wobei jedes Mal bei der Ein- und Ausgliederung horizontale Schübe auf den Zahn ausgeübt werden. Nach Kh. Körber ist die resiliente Lagerung in jedem Fall bei diagonal und diametral angeordneter Restbezahnung indiziert, wenn auf beiden Seiten der Stützachse gleich große schwingende Prothesenanteile vorhanden sind (Abb. 8.23). senkung eines passgenauen Sattels als „integrierte Resilienz“. Vergleicht man damit die Mittelwerte der horizontalen Zahnbeweglichkeit von ca. 64 ⫾ 15 µm, so wird klar, dass eine übermäßige Kippung durch den starr verankerten Freiendsattel nicht gegeben ist. Dabei muss al- Starre Abstützung, Extension und Schleimhautresilienz Das meistdiskutierte Probleme bei der Verankerung eines Freiendsattels ist die unterschiedliche Resilienz von Zahn und Schleimhaut, die einige Autoren dazu führte, senk- oder kippbare Sättel zu konstruieren. Kh. Körber wie auch andere Autoren konnten hingegen zeigen, dass bei starrer Verankerung die Atrophie des zahnlosen Alveolarfortsatzes in bedeutendem Ausmaß geringer ist als bei beweglichen, senkbaren Konstruktionen mit größerer Eigendynamik. Körber konnte bei seinen Untersuchungen ein quasistatisches Gewebsverhalten des Prothesenlagers beobachten. Dies bedeutet, dass die Intrudierbarkeit eines Sattels auf seinem Lager wesentlich geringer ist, als es die punktförmige Schleimhautresilienzmessung vermuten lässt. Solche Untersuchungen gaben Resilienzwerte von 500 – 1300 µm an. Körber konnte hingegen zeigen, dass die Intrudierbarkeit eines starr verankerten Sattels nur 85 µm betrug, bei einem rein schleimhautgelagerten Sattel hingegen 180 µm bei gleicher Belastung und mittiger Lasteinleitung. Er bezeichnete diese tatsächliche Ein- Abb. 8.24 Kippwinkel am Pfeilerzahn in Abhängigkeit von der Sattellänge bei starrer Verankerung. Bei kürzerem Sattel entsteht ein größerer Kippwinkel als bei einem längerem Sattel. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 8.23 a Diagonalfall: Im Regelfall scheint hier eher eine nichtstarre Lagerung mit Resilienzteleskopen indiziert, da eine zu starke Schaukelbewegung mit beidseitigen Extrusionsbelastungen auf die Pfeiler befürchtet wird. b Diametralfall: Hier gelten gleiche Überlegungen wie für den Diagonalfall. Letztlich muss aber die Gesamtwertigkeit des jeweiligen Kiefers über die Indikation entscheiden. Kieferrelation und Kieferrelationsbestimmung 169 lerdings die Länge des Sattels berücksichtigt werden: Bei kurzem Sattel ist die Kippbewegung bei gleicher Schleimhautresilienz größer. Deshalb muss eine maximale Extension des Sattels stattfinden und das distale Drittel möglichst entlastet werden (Abb. 8.24). Starre Abstützung und Zugbelastung Die scheinbar relativ stabile Abstützungssituation auf 3 Pfeilern führt immer zu einer Zugbelastung bei einem der 3 Pfeilerzähne. Bei Kaudruck auf den Freiendsattel entsteht ein Rotationszentrum um die sattelnächsten Pfeiler. Der sattelferne Pfeiler des Dreiecks wird auf Extrusion belastet (Abb. 8.25 a). Im normalen, günstigsten Fall bleibt diese Zugbeanspruchung innerhalb der physiologischen Grenzen und damit so klein, dass sie kaum wahrnehmbar ist. Ist dieses Anheben des Pfeilers aus der Alveole deutlich sichtbar, muss eine erneute Basisabformung bzw. Unterfütterung des Sattels mit maximaler Extension durchgeführt werden, um die quasistatische Absenkung des Freiendsattels so gering wie möglich zu halten. Im ungünstigsten Fall muss auch eine weitere Doppelkrone in diesem Bereich mit eingebaut werden, um die Belastung für den Einzelzahn zu reduzieren. Diese Situation kann auch bei einer großen bogenförmigen Schaltlücke im Frontzahnbereich auftreten, die auch als „funktionelles Freiende“ bezeichnet wird (Abb. 8.25 b). 8.7 Kieferrelation und Kieferrelationsbestimmung Beibehaltung der Kieferrelation Neueinstellung der Kieferrelation? Unter dem Begriff Kieferrelation versteht man allgemein die Lage des Unterkiefers zum Oberkiefer. Bei der Durchführung einer Kieferrelationsbestimmung mit Beibehaltung der HIP wird diese Position mit einem geeigneten Registriermaterial festgehalten bzw. die Lage ist so stabil und über das Kiefermodell eindeutig fixierbar, dass es eines Registrierbehelfs bzw. zusätzlicher, zwischen die Kaureihen platzierter Materialien nicht bedarf. Nach Böttger gilt zunächst grundsätzlich, dass der vorhandene Funktionsablauf übernommen und nur bei auftretenden Störungen eine Verbesserung und Optimierung vonseiten des Zahnarztes durchgeführt werden sollte. Denn jede Änderung der habituellen Okklusionsposition bzw. Änderung eines Funktionsablaufs „stellt eine kieferorthopädische Spätbehandlung des Erwachsenen“ dar. Jede Änderung der Bisslage bzw. einer Zahnstellung darf deshalb nur unter therapeutischen Gesichtspunkten erfolgen. Nicht irgend ein „gnathologisches“ Dogma, sondern der individuelle Patient mit seiner individuellen Anatomie und Physiologie steht als oberste Prämisse im Mittelpunkt des Bemühens. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 8.25 a Dreipfeilersituation und starre Abstützung (nach Kh. Körber): Am Pfeiler, der dem Freiende diagonal gegenüberliegt, treten Zugkräfte auf, was bei der Planung und auch Gestaltung der Innenkrone berücksichtigt werden muss. b Auch bei einem „funktionellen Freiende“ bei anteriorer Schaltlücke treten Zugebelastungen am diagonal gelegenen Pfeiler auf.