Magnetokalorische Legierungsfamilie ist serienreif

Werbung
TECHNIK + TRENDS
Neue Werkstoffe für die Klimatechnik:
Magnetokalorische Legierungsfamilie ist serienreif
(Bild: Sally – Fotolia)
In Bezug auf die Klimatechnik ist es höchste Zeit für einen
Wandel – weg von den synthetischen und den Treibhauseffekt
verstärkenden fluorierten Kältemitteln. Die Industrie macht
sich deshalb vermehrt auf die Suche nach Alternativen: etwa
das altbekannte Kältemittel CO2, dessen Einsatz allerdings mit
sehr hohem Druck verbunden ist, oder die auf dem magnetokalorischen Effekt beruhende magnetische Kühlung.
Der magnetokalorische Effekt wurde
1881 von Emil Warburg entdeckt. Dabei
handelt es sich um das Phänomen, dass
sich gewisse Materialien erwärmen,
wenn man sie einem starken Magnetfeld
aussetzt, und sich abkühlen, wenn das
Magnetfeld wieder entfernt wird. Der
Effekt rührt daher, dass die Energieänderung, verursacht durch das Ausrichten
der magnetischen Momente im Magnetfeld, als thermische Energie zur
Temperaturerhöhung führt. Beim Entfernen des Magnetfelds wird thermische
Energie entzogen, um die Ausrichtung
der magnetischen Momente aufzuheben. Je nach Materialklasse zeigt dieser
Prozess ein deutliches Hysterese-Verhalten, das sich negativ auf die Effizienz der
magnetokalorischen Maschine auswirkt.
Die Suche nach geeigneten Legierungen
mit geringer Hysterese und großem
magnetokalorischem Effekt dient dazu,
Materialien zu finden, die zu einer effizienten Kühlung genutzt werden können: Durch periodische Magnetisierung
und gleichzeitiges Abführen der entsteElektronik 9/2015
henden Wärme kann die beim Entmagnetisieren hervorgerufene Temperaturabsenkung zur Kühlung genutzt werden.
Legierungen für passgenaue
Lösungen
Die Vacuumschmelze in Hanau verfügt
über 40 Jahre Erfahrung beim Umgang
und der Produktion von Übergangsmetall-Legierungen mit Seltenen Erden und
forscht bereits seit einigen Jahren an
den idealen Legierungen für magnetokalorische Anwendungen. Seit 2013 gibt
es die Legierungsfamilie Calorivac, die
zu ebendieser Gruppe von Übergangsmetall-Legierungen mit Seltenen Erden
gehört und mit der sich umweltfreundliche und energiesparende Kühlgeräte
und Wärmepumpen bauen lassen – also
geräuscharme Aggregate, die ohne
Kompressoren und gasförmige Kältemittel auskommen. Damit sind zwei
ganz entscheidende Vorteile des magnetokalorischen Konzeptes auf den
Punkt gebracht, nämlich die umweltver-
trägliche und geräuscharme Anwendung.
Das Material des Hanauer Werkstoffspezialisten basiert in der Grundzusammensetzung auf der dreistoffigen intermetallischen Selten-Erd-Legierung
LaFe13–xSix und wird mittels pulvermetallurgischer Verfahren hergestellt.
Angefangen mit einer Vakuum-Induktionsschmelze und dem Guss der Master-Legierungen, wird schließlich durch
verschiedene Mahl-Verfahren ein feines
Pulver erzeugt. Dieses wird anschließend entweder durch Einzelpressen der
endkonturnahen Bauteile oder durch
isostatisches Pressen der halbfertigen
Blöcke verdichtet und anschließend
gesintert. In weiteren Produktionsschritten wird die endgültige Form erzeugt.
Die Calorivac-Werkstoffe sind prinzipiell
für Einsatztemperaturen von typischerweise –170 °C bis +100 °C geeignet. Da
eine bestimmte Legierung nur in einem
3 bis 5 K breiten Temperaturfenster optimale Eigenschaften hat, werden mehrere Legierungen unterschiedlicher Zusammensetzung als Kaskade verwendet,
um den für die Anwendung gewünschten Temperaturbereich abzudecken. Für
einen schnellen Wärmeaustausch von
der geeigneten Legierung auf die wasserbasierte Wärmetauscher-Flüssigkeit
sollte die Oberfläche des magnetokalorischen Materials im Vergleich zum Volumen sehr groß sein. Diese Anforderungen bedingen, dass es Calorivac in zwei
verschiedenen Legierungsvarianten gibt,
die sich insbesondere in ihrer Lieferform
unterscheiden:
➜ Bei Calorivac C wird Kobalt als Legierungselement eingesetzt, um die
magnetischen Eigenschaften einzustellen.
➜ In der zweiten Familie – Calorivac H
– werden Mangan und Wasserstoff
beigemischt, um die gewünschten
magnetischen Eigenschaften des
Materials zu erreichen.
Neben den Lieferformen unterscheiden
sich die beiden Materialfamilien auch
hinsichtlich der magnetokalorischen
Eigenschaften:
➜ Mögliche Formen der C-Variante
umfassen Granulate oder individuelle Plättchen, die vom Kunden arrangiert werden können. Mit den Plättchen ist es einfach, die Dicke der
Flüssigkeitskanäle zu variieren, durch
welche die Wärmetauscher-Flüssigkeit gepumpt wird. Andere Formen
sind beispielsweise Blöcke, in die die
Flüssigkeitskanäle eingeschnitten
werden.
➜ Das H-Pendant ist durch das Einbringen von Wasserstoff in das Material
noch mit Begrenzungen hinsichtlich
der möglichen Formen behaftet.
Gegenwärtig kann das H-Material
ausschließlich in Form von Granulaten, die nach den Anforderungen der
Kunden gesiebt werden, geliefert
werden. Diese Granulate haben eine
ausgezeichnete mechanische Beständigkeit und eine Langzeitstabilität
hinsichtlich der magnetokalorischen
Eigenschaften, zusätzlich zu einer bis
zu zweimal größeren Wirksamkeit als
die C-Variante bei Raumtemperatur.
Legierungen aus Calorivac sind mit
Curie-Temperaturen über eine weite
Temperaturspanne erhältlich. Die Legierung kann in verschiedene Geometrien geformt werden – dadurch eignet
sich das Material ideal für komplexe
Regeneratoren-Designs für magnetokalorische Kühlschränke und Wärmepumpen.
Die Herstellung der Legierungen mit
äquidistanten Curie-Temperaturen, die
unabdingbar ist, um das vom Kunden
gewünschte Kühlungsergebnis präzise
zu erzielen, ist absolutes Alleinstellungsmerkmal des Herstellers.
Von der Kühltheke bis zum
Flüssiggastank
Eines der zukünftigen Anwendungsgebiete für Magnetokalorik und eben
auch Calorivac werden sicherlich die
Kühltheken in den Supermärkten sein.
Die Calorivac-Werkstoffe sind prinzipiell für Einsatztemperaturen von typischerweise –170 °C bis
(Bild: Vacuumschmelze)
+100 °C geeignet.
Kühltheken und offene Kühlregale sind
verantwortlich für bis zu 30 % der laufenden Kosten in den Supermärkten.
Vor allem die offenen Regale kühlen
häufig den ganzen Supermarkt und sind
entsprechend energieintensiv. Es liegt
also auf der Hand, schon in naher Zukunft die konventionelle Kühlung großflächig zu ersetzen. Bei der Nutzung des
magnetokalorischen Effekts kann Wasser mit Frostschutzmittel als Wärmetauscher-Flüssigkeit eingesetzt werden.
Somit kann auf die den Treibhauseffekt
befördernden synthetischen Kältemittel
oder brennbare, toxische oder explosive Substanzen wie Ammoniak, Butan
oder Propan verzichtet werden.
Auch in der Automobilbranche eröffnen
sich der Magnetokalorik interessante
Anwendungsfelder. Bei Elektro- oder
Hybridfahrzeugen muss – um die Reichweite der Fahrzeuge zu vergrößern und
so mehr Akzeptanz bei den Autokunden
zu erreichen – ein möglichst effizientes
thermisches Energiemanagement eta-
bliert werden. Da niemand im Auto
gerne auf Komfort wie beispielsweise
eine Klimaanlage verzichten möchte,
liegt hier ein großes Potenzial. Denn der
magnetokalorische Effekt eignet sich
gleichermaßen zur Kühlung und als
Heizung.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist
die Gasverflüssigung – ein Verfahren,
bei dem Gas oder Gasgemische auf
eine extrem tiefe Temperatur abgekühlt und verflüssigt werden. In diesem Aggregatzustand hat Gas ein
wesentlich geringeres Volumen und
kann so leichter gelagert oder transportiert werden. Erdgas beispielsweise muss auf eine Temperatur von
–161 °C abgekühlt werden. In Transportfahrzeugen ist bislang der Einsatz
von dieselgetriebenen Generatoren
verbreitet. Je nach Kraftstoffpreis ist
das eine teure Angelegenheit. Durch
Nutzung des magnetokalorischen Effekts sind große Kosteneinsparungen
möglich.
go
vacuumschmelze gmbh & co. kg
grüner weg 37
d 63450 hanau / germany
Phone +49 6181 38 0
fax +49 6181 38 2645
[email protected]
www.vacuumschmelze.com
Mit freundlicher Genehmigung der WEKA Fachmedien GmbH
Der Fortschritt beginnt beim Werkstoff
Advanced Materials – The Key to Progress
Elektronik 9/2015
Herunterladen