Gemeinsam nach vorne schauen

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Gemeinsam
nach vorne schauen
Apotheker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutieren über ihre Zukunft
von Elmar Esser
Sie eint eigentlich nur ihre Sprache und ihr
Beruf. Die Arbeitsbedingungen sind allerdings
für Apotheker aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz vollkommen unterschiedlich. In
Davos diskutierten die Präsidenten von Bundes­apothekerkammer, Österreichischer Apothe­kerkammer und PharmaSuisse über die ak­tuelle
politische Situation und über die Ziele, die sich
die Organisationen für die Berufsange­hörigen
gesetzt haben.
M
agister Max Wellan, Präsident
der Österreichischen Apothekerkammer, kennt die Proble­me seiner Kollegen in Deutschland und
der Schweiz zum großen Teil nur vom Hö­rensagen. In Österreich gibt es ein Apothekenwesen, das immer noch staatlich
so stark reguliert ist wie das bundesdeutsche vor dem Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958.
Niederlassungsfreiheit ist in der Alpen­
republik ein Fremdwort. Dank Bedarfssteuerung können weitere Apotheken
nur dann entstehen, wenn sie für die
Versorgung der Bevölkerung zwingend
erforderlich sind. Neugründungen sind vor
diesem Hintergrund extrem selten. In­ner­halb der letzten zehn Jahre wurden
ganze 162 Apotheken neu eröffnet. Jun­ge Apotheker haben nahezu nur dann
eine Chance auf die eigene Selbstständigkeit, wenn sie eine eingeführte Offizin nach dem Ausscheiden des bisherigen Inhabers übernehmen.
Regulierung bestimmt Österreich
Dass der Wettbewerb in Österreich
deutlich geringer ist als bei den Kollegen
pharma
rundschau
in Deutschland zeigt sich schon an der
Zahl der zu versorgenden Patienten.
Kom­men bei uns 3.900 Einwohner auf
eine Apotheke, sind es im südlichen
Nachbarland stolze 6.500. Dementsprechend sind auch die Umsätze höher. Im
Durchschnitt liegen sie bei 2,6 Millionen
Euro pro Jahr. Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln kennen die Phar­mazeuten in Österreich ebenso wenig
wie Apothekenketten.
Max Wellan ist bewusst, dass er sich
damit in einer privilegierten Situation
befindet. Ausruhen will er sich darauf
aber nicht. Gemeinsam mit Dr. Andreas
Kiefer und dem PharmaSuisse Präsidenten Dominique Jordan lotete er beim
Pharmacon Davos Unterschiede und
Gemeinsamkeiten aus.
Deregulierung prägt Schweizer
Apothekenlandschaft
Besonders deutlich treten die Unterschiede beim Vergleich von Österreich
und der Schweiz zutage. Denn das Apothekensystem der Eidgenossen ist in ex­
trem hohem Maße dereguliert. Versandhandel gab es hier schon vor der Einführung in Deutschland. Fremdbesitz ist erlaubt, Apothekenketten existieren und
zu allem Überfluss haben in zahlreichen
Kantonen die Ärzte auch das Recht zur
so genannten Selbstdispensation.
Ökonomisch setzt das Land, das
gerade per Volksentscheid beschlossen
hat, die Zuwanderung zu begrenzen, und
in dessen Kanton Appenzell Innerrhoden
die Frauen erst seit 1990 wählen dürfen,
auf strikten Ordoliberalismus. Das setzt
die dortigen Apotheker einem vehementen Wettbewerb aus, dem sie sich beispielsweise durch die Einführung zahlreicher honorierter Dienstleistungen stellen.
Ein Drittel des Honorars durch
Dienstleistungen
Während die Kollegen in Deutschland gerade dabei sind, ein neues Leitbild
für den Beruf zu erstellen, zu dem auch das
Medikationsmanagement gehört, sind die
eidgenössischen Apotheker bereits einen
Schritt weiter. Sie haben mit den Kostenträgern vereinbart, dass sie bei Patienten
mit Polymedikation alle sechs Monate ent­sprechende Beratungsgespräche durchführen (falls der Patient das wünscht), die
dann mit jeweils 56 Franken (etwa 47 Euro)
honoriert werden. Für diese Patienten­
klientel dürfen die Apotheker nach dem
Medikationscheck dann auch Dosettes mit
ihrer Medikation zusammenstellen, was
sie ebenfalls honoriert bekommen.
Auch ansonsten wollen Jordans
Mitglieder vorpreschen. Neuester Coup
soll das Impfen in der Apotheke werden.
Gerade in den Kantonen, in denen Ärzte
auch Arzneimittel abgeben, ist das
Verhältnis zum Schwesterberuf ohnehin
nicht ausgeprägt freundlich. Insgesamt,
so Jordan, besteht das Einkommen eines
Apothekers in der Schweiz nur noch zu
zwei Dritteln aus der Marge auf abgegebene Arzneimittel. Bereits ein Drittel generieren sie mit Dienstleistungen, die im
Rahmen der so genannten leistungs­
orientierten Abgeltung von den Kranken­kassen bezahlt werden.
März 2014
Seite 8www.apotheke-aktuell.com
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auch angesichts der modernen Appli­
kationsformen in der Lage, falls die
Notfallversorgung gesichert sei; das
könne aber – wenn überhaupt – nur im
Konsens mit der Ärzteschaft umgesetzt
werden.
Bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen ist für Kiefer die Konzentration auf die pharmazeutischen Kernkompetenzen wichtig. Das Angebot
von Fußpflege oder Haaruntersuchungen gehöre dazu beispielsweise weit
weniger als der konsequente Ausbau
des OTC-Segments.
Ausbau der pharmazeutischen
Leistungen
Davon sind die Kollegen in Österreich und Deutschland noch weit entfernt. Pläne hierfür entwickeln aber
beide Länder. In der Alpenrepublik läuft
der bestehende Vertrag mit den Kostenträgern noch bis Ende 2015. Danach
wollen die Berufsorganisationen ebenfalls mit den Kassen über kostenpflichtige Dienstleistungen verhandeln. Auch
hier steht das Medikationsmanagement
an oberster Stelle.
Nach den Vorstellungen der Österreichischen Apothekerkammer muss
dafür vorab eine spezielle Fortbildung
durchlaufen werden, was laut Information von Präsident Max Wellan schon
jetzt ein Fünftel der Apotheker hinter
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sich gebracht hat. Sein Ziel ist es, dass
möglichst alle Apotheker ein solches
Zertifikat erwerben.
Konzentration auf Kernkompetenzen
Auch in Deutschland, das ist bereits in der gerade laufenden Diskussion
über das Leitbild abzusehen, wird das
Medikationsmanagement eine zentrale
Rolle für die künftige Ausrichtung des
Berufes spielen. Es ist schon heute inte­
grativer Bestandteil des ABDA-KBV-Modells. Nicht zuletzt wegen der mit diesem
Konzept entstandenen neuen Partnerschaft zwischen den Schwesterberufen
kann sich Dr. Andreas Kiefer auch kaum
vorstellen, dass die deutschen Apotheken in absehbarer Zeit Impfungen durchführen. Zwar seien seine Kollegen dazu
Spezialisierung oder flächendeckendes Angebot?
Unklar ist derzeit noch, wer in Zukunft die neuen Dienstleistungen an­
bieten soll. Während die Schweizer davon ausgehen, dass nicht jede Apothe­ke alles durchführen kann, setzt man in
Deutschland auf die flächendeckende
Umsetzung. Dies gilt zumindest für die
Erstellung einer Medikationshistorie und
das anschließende Medikationsmanagement.
Komplizierter sei es allerdings bei
Dienstleistungen für bestimmte Patientenklientele. Laut Kiefer könne hier die
Berechtigung beispielsweise zur Durchführung spezieller Programme für HIVPatienten davon abhängig gemacht
werden, wie oft diese angesichts der
Kundenstruktur einer Apotheke im Jahr
durchgeführt werden. Grundsätzlich
müssten aber auch diese bei entsprechender Qualifikation des Apothekenteams für alle Kollegen offen sein.
Die Diskussion hat gezeigt: Nicht nur
in den deutschsprachigen Ländern, sondern weltweit arbeiten die Apotheker­
organisationen daran, den Beruf weiterzuentwickeln und pharmazeutisch anspruchsvoller zu gestalten. Die Apotheke
als reine Abgabestelle für Arzneimittel
soll endgültig der Vergangenheit ange­hö­ren. Die innerberufliche Diskussion in
Deutschland hierzu ist in vollem Gange.
Schon beim Apothekertag in München
soll das neue Leitbild den Delegierten prä­sentiert und verabschiedet werden. W
März 2014
Seite 9
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