ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN Werkzeitschrift der Eternit AG Dezember 2004 ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 2 Mediathek H EP-BEJ UN E, La Chaux-de-Fonds Atelier d’architecture Chieppa Manini Pietrini, Neuchâtel 5 Erweiterungsneubau Cycle d’orientation régional, Grône d&v architectes, Alain Dayer, Philippe Venetz, Sion 8 Regionalgefängnisse Thun und Altstätten Bollhalder & Eberle, St. Gallen 14 Schulhaus Laubegg, Winterthur-Dättnau Roland Meier sowie Marc Schneider und Daniel Gmür, Winterthur 17 Bettenprovisorium des Kantonsspitals Winterthur Heinrich Irion, Winterthur 20 Umbau und Erweiterung Pflegeheim Kirchfeld, Horw P. Bysäth, A. Linke, A. Weber, E. Gärtner, F. Schenkel, Luzern 24 Gemeindezentrum, Niederrohrdorf Zehnder Bauexperten, Niederrohrdorf 26 Werkhof, Fehraltorf Künzli & Scagnetti AG, Pfäffikon 28 Werkhalle, Bergün Thomas F. Meyer, Chur 30 «Findling» Eicher & Bruggmann, Basel 31 Eternit Architektur-Preis 03 32 Die Eternit AG an der Swissbau 2005 Editorial Thema Baumaterialien an öffentlichen Bauten ARCH befindet sich im Wandel. Auf das neue Layout, das mit der letzten Öffentliche Bauten definieren sich über die Bauträger- Ausgabe eingeführt wurde, erhielten wir ein positives Echo – danke! Nun fol- schaft. Sie entstehen im Auftrag des Staates, der Kantons- gen weitere, inhaltliche Modifikationen. Ein Thema soll jeweils den Inhalt regierung oder der Kommune. Sie übernehmen Funktio- bestimmen: dieses Mal das Bauen für die öffentliche Hand. Verschiedene Auto- nen des öffentlichen Dienstes. Finanziert werden sie durch rinnen und Autoren schreiben über öffentliche Gebäude, an denen Produkte öffentliche Gelder. Staatliche, kantonale und kommunale der Eternit AG zur Anwendung kamen, an den Fassaden, auf dem Dach oder im Bauten sollen der Gemeinschaft dienen und sie repräsen- Innenausbau. Vom Gemeindehaus und Werkhof, über Spital und Pflegeheim tieren, – sie gehen deshalb alle etwas an. Galten früher die zum Schulhaus oder Gefängnis – unterschiedlichste Bauaufgaben sind vertre- städtebauliche Dominanz sowie eine angemessene Monu- ten, denen die öffentliche Bauträgerschaft gemeinsam ist, und damit der An- mentalität als selbstverständlich, so stehen heute Funktio- spruch, der Allgemeinheit zu dienen. Wir behaupten, dass öffentliche Bauten nalität und Benutzerfreundlichkeit im Vordergrund. Bei ein Abbild der Gesellschaft darstellen. Damit thematisiert ARCH, zumindest jeder einzelnen Bauaufgabe wird individuell zwischen den indirekt, die Frage nach der gegenwärtigen kollektiven Auffassung von Archi- beiden Polen Zweck und Repräsentation abgewogen. Die tektur. Im Vordergrund stehen die Beziehungen zwischen den öffentlichen Bau- Vielfalt öffentlicher Bauaufgaben macht es gegenwärtig ten und dem Material Faserzement. unmöglich, gemeinsame Stilmerkmale zu erwarten oder Das jüngste Designstück aus Faserzement heisst «Findling». Es handelt sich anzustreben. um ein Sitzmöbel für den Aussen- aber auch für den Innenbereich, von Nach wie vor wird dem Auftritt und der Erscheinung dem dank seiner Gestalt eine stoische Kraft ausgeht. Die Neuheit stammt von von öffentlichen Bauwerken besondere Bedeutung beige- den Designern Eicher & Bruggmann und eignet sich insbesondere als Ele- messen. Städtebauliche Position, Grösse und Gestaltung ment der (Wohn-)Landschaftsgestaltung. der Gebäudehülle gelten als vorrangige Kriterien. Der Kurz vor Redaktionsschluss erreicht uns die Nachricht, dass Willy Guhl im Alter Fassade kommt die wichtige Aufgabe zu, zwischen dem von 89 Jahren gestorben ist. Dem Designer zahlreicher Möbelklassiker, darun- Gebäudeinneren und der Öffentlichkeit zu vermitteln; sie ter die berühmte «Eternit-Schlaufe», möchten wir in der nächsten Ausgabe aus- muss beredt die Gebäudefunktion verkünden und der All- führlich gedenken. gemeinheit verständlich machen. Das Dach unterstützt als Der Eternit-Architektur-Preis 03 stand unter dem Motto «Experiment Eternit». fünfte Fassade den öffentlichen Charakter. An der äusse- Zu ihrem 100-Jahre-Jubliäum forderte die Eternit AG junge Forscher und ren Erscheinung des Gebäudes sollen Öffentlichkeitsgrad Tüftler auf, ungewöhnliche Ideen zu den Themenbereichen Herstellung, Form- und Zugänglichkeit ablesbar sein. Von vielen, nicht nur gebung und Anwendung von Faserzement zu entwickeln. Die konkreten, architektonischen Einzelaspekten hängt schliesslich die eingereichten Experimente wurden ein Jahr lang in einem umgebauten Schiffs- Akzeptanz eines Bauwerks ab. All die Ansprüche, die an container an den Schweizer Architekturhochschulen präsentiert. die äussere Gestalt öffentlicher Bauten gestellt werden, Die Ausstellung «Eternit Schweiz – Architektur und Firmenkultur seit 1903» ziehen unsere Aufmerksamkeit auf die Oberfläche. Be- wandert weiter. Nach den bisherigen Stationen in Zürich, Lausanne, schaffenheit, Charakter, Ausdruck der verwendeten Ma- Mendrisio und Genf folgen das Architektur Forum Ostschweiz in St. Gallen terialien sind entscheidend. Welches Baumaterial reprä- (25. 10. bis 22. 11. 2004), die Hochschule für Technik + Architektur in Horw/ sentiert die Öffentlichkeit? Luzern (4. 12. 2004 bis 28. 1. 2005) und zum Abschluss das Kunsthaus Glarus Die Massivität der Aussenmauer war lange Zeit unab- (12. 2. bis 6. 3. 2005) – letzte Gelegenheit! dingbares Zeichen für Solidität und Beständigkeit, und da- An der Swissbau, die 2005 wiederum Ende Januar in Basel stattfindet, werden mit erste Wahl für Repräsentationsbauten. Dass mit Stein- swisspor und Eternit AG einen gemeinsamen Auftritt haben. Wir stellen das verblendungen die Mauerstärke auch vorgetäuscht wurde, Architekturkonzept des Ausstellungsstandes vor. zeigt das Beharren auf der gewünschten Imposanz. Mitt- Viel Vergnügen mit der erneuerten ARCH! lerweile rückte die Funktionalität der Gebäudehülle in den Vordergrund, doch auch die Auffassung von einem ange- Michael Hanak messenen Erscheinungsbild hat sich verändert. Als Mög- Kunst- und Architekturhistoriker, Redaktion ARCH lichkeit bietet sich das Bekleiden der Fassaden an, bei der Widerstandsfähigkeit und partielle Erneuerbarkeit gegeben sind, mit der sich aber auch der ästhetische Ausdruck flexibel steuern lässt. Fassadenplatten erlauben unterschiedliche Gebäudewirkungen, von feiner Gliederung bis zu hermetischer Geschlossenheit, von starrem Fugenbild bis zu leichter Textur. mh ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 1 Mediathek HEP-BEJUNE, La Chaux-de-Fonds Kulturvermittlung und Repräsentation Glatte, komponierte Aussenansicht mit zum Teil grossformatigen Fenstern und korrespondierenden Fassadenplatten. Die Mediathek als Bautypus vereinigt zwei gegensätzliche Anforderungen: Zum einen soll sie wie ein Tresor das im Inneren gelagerte Wissen schützen, zum anderen ist sie ein öffentlicher Bau, der kulturelle Werte vermittelt. Diese Spannung zwischen Zweck- und Repräsentationsarchitektur, zwischen Geschlossenheit und Offenheit lässt verschiedene Interpretationen zu. Im Fall der Mediathek HEP-BEJUNE in La Chaux-de-Fonds hat diese Dialek- tik zu einem gelungenen Bau geführt, der trotz seiner Bauherrschaft République et Canton de Neuchâtel, Département de l’instruction publique et des affaires culturelles Architekten Atelier d’architecture Chieppa Manini Pietrini, Neuchâtel Bauzeit 2001–2002 (Wettbewerb 2000) m3 -Preis CHF 574.– Fassadenbau Aiassa SA, Valangin und A. Gerber SA / Gottburg, Bevaix würdevollen Ruhe auch heiter und lebendig wirkt. Der Neubau befindet sich am Rand von La Chaux-deFonds, in einer heterogenen Umgebung, in der sich der orthogonale Raster der Stadt aufzulockern beginnt; er ergänzt das ehemalige Collège de Beauregard, in dem heute die Haute Ecole Pédagogique Bern-Jura-Neuchâtel untergebracht ist. Der dreigeschossige, vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammende Altbau dominiert den Ort, während sich die angebaute Turnhalle und die umgeben- Fassadenmaterial Pelicolor Xpressiv den Wohnbauten bescheidener ausnehmen. Die Media- m2 -Preis Fassade CHF 317.– thek schafft einen harmonischen Übergang; die Volumenkomposition wirkt – ein L-förmiges Erdgeschoss trägt ein rechteckiges Obergeschoss – als kompakte Einheit. Die Mediathek ist geprägt durch eine Abfolge von differenzierten Räumen und Sichtbezügen. Das Spiel um die 2 Am differenziert terrassierten öffentlichen Gebäude halten sich Geschlossenheit und Offenheit, Fassadenplatten und Wandöffnungen die Balance. Das orthogonale Muster der Pelicolor-Platten reflektiert die Tektonik der kompakten Volumen. Gegensätze innen–aussen, offen–geschlossen ist stets Collège-Altbaus. Folgerichtig wurden die Pelicolor-Plat- gegenwärtig. Im Erdgeschoss befinden sich der Empfang ten formal wie eine repräsentative Kunststeinverkleidung sowie Dienstleistungs- und Technikräume, ein gedeckter behandelt; sie sind so bemessen und angeordnet, dass sie Vorhof mit Brunnen ist dem Eingang vorgelagert. Das die Tektonik des Baus reflektieren. Die genaue Fügung der Obergeschoss beherbergt Büros und den grossen Saal, der Elemente und die Präzision der Details sind eine diskrete sich in drei unterschiedliche Zonen gliedert; durch den Hommage an die Uhrenstadt La Chaux-de-Fonds. Die exzentrischen Dachaufbau entsteht beim Treppenaufgang Regelmässigkeit und die klaren Verhältnisse lassen die ein eindrücklich hoher, heller Raum. Die Tragstruktur be- klassische Inspiration erkennen. Judit Solt steht aus wenigen tragenden Innenwänden, deren Sichtbeton sandgestrahlt wurde, und aus vorfabrizierten Sichtbetonstützen im Fassadenbereich. Zwischen diesen Stützen befinden sich entweder raumhohe Öffnungen oder Regale – was sich nicht nur in der eigentlichen Mediathek, sondern auch in den Büros und selbst in den Toiletten gut bewährt. Die geschlossenen Bereiche der Fassade sind hinterlüftet und mit zementgrauen Pelicolor-Platten verkleidet; die grossen, weissen Fensterrahmen sind aussenbündig angebracht. So einfach diese Konstruktion erscheinen mag, so raffiniert ist sie: Obwohl die dünne Aussenhaut als solche erkennbar ist, wirkt die raumhaltige Fassade massiv. Die Architekten interpretierten den Faserzement – bekanntlich ein künstlich hergestelltes, mineralisches Material – als zeitgenössische Antwort auf den gelben Kunststein des ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 3 Die aussenbündigen Metallfenster unterstützen die massive Wirkung der Fassadenbekleidung. 1. OG 1: 500 EG 1: 500 Detail 1: 20 4 Erweiterungsneubau Cycle d’orientation régional, Grône Rauhe Umgebung, behagliche Schule Der weitgehend geschlossene Quader steht mit seinem Blauton und der reflektierenden Fensterfront im Dialog mit den benachbarten Schulgebäuden sowie mit der umgebenden Bergwelt. Eine steile Bergflanke, die abrupt in die Rhôneebene Die schwierige topografische Situation erforderte eine stösst, und mehr als drei Monate im Jahr kein einziger ungewöhnliche architektonische Lösung. Die auf den Sonnenstrahl – der Standort des Schulkomplexes in Platz ausgerichtete Nordfassade des Erweiterungsbaus ist Grône ist kein einfacher Bauplatz. Dennoch sollte der Er- in den Obergeschossen, wo sich acht Klassenzimmer und weiterungsbau des Cycle d’orientation régional, als öf- weitere Unterrichtsräume befinden, vollständig verglast: fentliches Gebäude, der fünf Gemeinden dient, das histo- Auf diese Weise kamen eine optimale Belichtung und eine risch gewachsene Ensemble klären und eine hohe archi- schöne Aussicht ins Tal zustande. Die zum Berg hin orien- tektonische Qualität aufweisen. tierte Südfassade dagegen ist weitgehend geschlossen. Die Der im Jahr 2002 fertiggestellte Neubau, ein läng- Belichtung der spektakulären Kaskadentreppe, die sich licher dreigeschossiger Quader, schmiegt sich so weit wie entlang der Südwand nach oben entwickelt, erfolgt über möglich an den Hang und erzeugt damit einen grossen Oberlichter. Platz zur Strasse hin. Dieser öffentliche Raum, der seitlich Die Materialisierung greift den rauhen Charakter der von zwei älteren Schulbauten gefasst wird, und die Fas- alpinen Umgebung auf, ohne auf Behaglichkeit und Re- sade des Neubaus werden jedoch erst nach dem geplanten präsentation zu verzichten. Die Fassaden sind – bis auf Abbruch der bestehenden Turnhalle voll zur Geltung die von Aluminium und Glas geprägte Nordfassade – mit kommen. Pelicolor-Platten verkleidet, deren Farbton Oceanit das ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 5 Feine Aluminiumleisten schliessen die Fassadenbekleidung an den Kanten ab. Blau von Gebirge und Eis evoziert; ein Nottreppenhaus Bauherrschaft Architekten Bauzeit Commune de Grône d&v architectes, Alain Dayer, Philippe Venetz, Sion 2002 (Wettbewerb 1999) Ausführung m3-Preis Michel Couturier, Jean-Claude Neurohr, Grône CHF 502.– ragt als roter Block aus der Südfassade. Das Sockelgeschoss, das Administration und Bibliothek beherbergt, ist innen und aussen in Sichtbeton ausgeführt, ebenso die Treppe und die Wände im Innern. Einzig die längs verlaufende Wand, welche die Unterrichtsräume von der Gale- Ingenieur Fassade Hans-Dieter Winterhalter, Miège rie trennt und gleichsam das Rückgrat der Anlage bildet, Fassadenmaterial Pelicolor Natura Oceanit hat eine weichere Oberfläche: Sie ist beidseitig mit zum m2-Preis CHF 239.– (inkl. Unterkonstruktion und Isolation) Material Innenausbau Cemcolor Rubinrot Teil perforierten, rubinroten Cemcolor-Platten verkleidet, was nicht nur aus feuertechnischen und akustischen Gründen sinnvoll ist, sondern auch entscheidend zur Behaglichkeit beiträgt. Judit Solt 6 Der Gangbereich entlang der Treppenanlage am bergseitigen Gebäuderücken ist mit rubinroten, teilweise perforierten CemcolorPlatten bekleidet. Detail 1: 20 Situation 1: 2000 1. OG 1:500 ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 7 Regionalgefängnisse Thun und Altstätten Kompakte Gebäude mit hermetischem Kleid Regionalgefängnis mit Untersuchungsrichteramt, Thun Grundidee des Entwurfes war es, sämtliche Zellen im Im hoch aufragenden Schloss mitten in der Stadt Thun obersten Geschoss anzuordnen und sie mit Oberlichtern war bisher das Gefängnis untergebracht. Dieses sowie zu versehen. Zu ebener Erde befinden sich die Verwal- acht Bezirksgefängnisse im Berner Oberland wurden tungs- und Besucherbereiche und im ersten Obergeschoss durch das neue Regionalgefängnis ersetzt, dem zugleich die Aufenthalts- und Arbeitsräume. Gleich mehrere ar- das Untersuchungsrichteramt eingegliedert ist. Der Neu- chitektonische und betriebliche Problemstellungen wer- bau mit insgesamt 77 Haftplätzen bietet gegenüber den den mit diesem Raumkonzept gelöst. Erstens gewinnen bisherigen veralteten und mangelhaften Gefängnissen ei- die einzelnen Zellen eine aussergewöhnliche Tageslicht- nige Vorteile: verbesserte Betreuung, erhöhte Sicherheit, qualität und eine räumliche Grosszügigkeit. Zweitens las- optimale Betriebsabläufe. Des Weiteren verbessert sich die sen sich die Fensteröffnungen auf horizontale Sichtschlitze Tätigkeit des Untersuchungsrichteramtes durch die Nähe reduzieren und erlauben damit eine Fassadengestaltung zur Untersuchungshaft. ohne Gefängnischarakter. Und Drittens vermindert sich Der Gefängnisneubau steht mitten in einem zentrums- die Gefahr der so genannten Kollusion, das heisst die un- nahen Gewerbe- und Industriegebiet, sodass für die öffent- erlaubte Kontaktaufnahme der Insassen untereinander liche Nutzung eine Umzonung notwendig wurde. Gleich und gegen aussen (beispielsweise durch offene Gitterfen- gegenüber befindet sich – gewissermassen als Pendant – ster). Der städtische Kontext veranlasste die Architekten, die Kaserne, hinter der sich der Waffenplatz Thun aus- einen Baukörper zu entwerfen, bei welchem die Nutzung dehnt. Beiden Gebäuden gemeinsam ist, dass sie trotz öf- mit Gefängniszellen den Ausdruck des Fassadenbildes fentlicher Bauträgerschaft nur beschränkt zugänglich sind. wenig beeinflusst und somit einem Büro- und Gewerbe- Der Bauhergang des Gefängnisses entspricht einer bau nahe steht. Sie verliehen dem Solitärbau ringsum eine neuen Variante im Prozedere für grössere öffentliche Bau- gleichartige Fassadengestaltung. Die Fensterbänder in den ten: Architekturwettbewerb, Projektplanung durch die vier Ansichten widerspiegeln die windradartige Anord- siegreichen Architekten, Realisierung durch eine Total- nung der Raumgruppen im Grundriss. Durch die Grösse unternehmung, das zur Ausführung ein weiteres Pla- und Ausgestaltung der Fensterbänder entsteht eine klare, nungsteam beizieht, Controlling durch die Entwurfsar- horizontale Gliederung der Fassaden, welche durch die chitekten, die in diesem Fall auch die Ausstattung planen Verkleidung mit grossformatigen, liegenden Eternitplat- konnten. Hervorzuheben sind die von Anfang an ange- ten zusätzlich unterstützt wird. Dank diesen architektoni- strebten ökologischen und energetischen Massnahmen: schen Mitteln wirkt das Gebäude ruhig und strahlt eine Unter anderem wurden grosse Teile des tragenden Roh- zurückhaltende Eleganz aus. baus aus Recyclingbeton erstellt, die Gebäudehülle opti- Die Faserzementplatten sind in einem lebendigen mal isoliert und Oberflächenmaterialien mit einer mög- Grauton gehalten. Das gitterartige Fugenbild mit hori- lichst hohen Lebensdauer und Erneuerbarkeit gewählt. zontal und vertikal durchlaufender, gleicher Fugenbreite Bauherrschaft Architekten Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Hochbauamt Bollhaler & Eberle, St. Gallen Generalunternehmung Ausführungsplanung Bauzeit Göhner Merkur Totalunternehmung AG, Bern Scheffel Hadorn Schönthal, Thun 2000–2001 (Wettbewerb 1998) m3-Preis CHF 619.– (BKP 2), CHF 798.– (BKP 2 + 3) Fassadenbau Steildachimpuls AG, Thun Fassadenmaterial Pelicolor Natura Zenith, Befestigungssystem Sigma m2-Preis Fassade CHF 395.– (inkl. Unterkonstruktion, Wärmedämmung, ohne Fenstereinfassungen) Innenausbau Wand- und Deckenverkleidungen Strasser AG, Thun; C+A Linder GmbH, Heimberg Material Innenausbau 8 Duripanel Farbton gold, geschliffen und farblos lackiert Das Raumkonzept mit allen Zellen im zweiten Obergeschoss ermöglicht ein Fassadenbild ohne herkömmlichen Gefängnischarakter, doch mit klarer und ruhiger Gliederung. unterstützt die streng kubische Form des Baukörpers. Die schoss sind Lochfenster eingelassen. Im darüber liegenden Plattenbefestigung auf die Aluminium-Unterkonstruktion Geschoss wurden die Fenster zu einem durchgehenden geschieht verdeckt. Aus dem hermetischen Fassadenkleid Band optisch zusammengefasst und die Vergitterung mit treten nur die Fensterrahmungen deutlich heraus, und die fixen Sonnenschutzlamellen überlagert. Die einzelnen hervorstehenden Wasserspeier thematisieren geradezu die Fensterschlitze der Zellen sind fest verglast, doch nicht Durchdringung. vergittert. Dementsprechend wurde mit dem gleichmässi- Der Solitärbau wird geprägt durch die geschossweise Funktionentrennung sowie die windmühlenartige, rundum gleichwertige Fassadeneinteilung. gen, feinen Plattenkleid und den differenzierten WandöffRegionalgefängnis mit Untersuchungsamt, Altstätten nungen eine ausgewogene und unaufdringliche Fassaden- Die beiden Nutzungen Gefängnis und Untersuchungsamt gestaltung erreicht, die den Gefängnischarakter fast ver- sind in einem kompakten, dreigeschossigen Baukörper gessen lässt. Michael Hanak vereint. Im Erdgeschoss liegen die beiden Eingänge mit der gemeinsamen Zentrale sowie alle Büros. Im mittleren Geschoss sind sämtliche Infrastrukturräume für das Gefängnis untergebracht. Darüber befinden sich die Gefängniszellen. Der klare Solitärbau mitten in der Rheinebene fügt sich der Geometrie der benachbarten Zivilschutzanlage am Rande der Ortschaft an. Das Raster der Wände im Zellengeschoss prägt die Bauherrschaft Baudepartement des Kantons St. Gallen, Hochbauamt Bollhalder & Eberle, St. Gallen Struktur des Gebäudes. Durch die windmühlenartige An- Architekten ordnung der Raumeinheiten führen die Korridore immer Projekt- und Bauleitung zum Licht. Im Innern des langrechteckigen Volumens Bauzeit sind die Spazier- und Lichthöfe angeordnet, welche durch m3-Preis partielle Verglasungen die Korridore belichten. Die Far- Fassadenbau bigkeit der Materialien bestimmt den angenehmen Cha- Fassadenmaterial Modularplatten Clinar, Natura Oceanit rakter der Gänge: Sichtbeton, gelber Kunstharzboden, m2-Preis Fassade CHF 181.– (exkl. Dachrand, Leibungen, Fensterbank, Sturz) grossflächige Verkleidungen mit beigen zementgebunde- Wand- und Deckenverkleidungen Innenausbau HRS Hauser Rutishauser Suter AG, St. Gallen 2000–2002 (Wettbewerb 1995) CHF 722.– (BKP 2+3), CHF 591.– (BKP 2) Unibau AG, Mörschwil Cemspan, geschliffen und farblos lackiert nen Holzspanplatten und schwarze Türen. Sämtliche Zellen wurden im obersten Stockwerk angeordnet, da sie so von oben natürlich belüftet und belichtet werden können. Durch ein schmales, aber raumbreites Wandfenster haben die Gefangenen zudem Ausblick in die Umgebung. Dieses Zellenkonzept erlaubt eine Orientierung sämtlicher Zellen nach aussen und verunmöglicht einen optischen oder akustischen Kontakt untereinander. Der windmühlenartige Aufbau im Innern widerspiegelt sich in den vier gleichwertigen, asymmetrischen Fassaden. Das äussere Erscheinungsbild des kubischen Baukörpers zeigt einen massiven Betonsockel für das Erdgeschoss und eine grau-grüne Verkleidung mit FassadenModularplatten Clinar darüber. Von den 30 ✕ 90 cm messenden Fassadenplatten ist wegen der Überlappung lediglich ein Drittel der Höhe sichtbar, womit der Eindruck einer waagrechten Brettertextur entsteht. Die Verankerung der Hinterlüftungslattung wurde mittels Distanzschrauben ausgeführt, damit die einschichtige Isolation durchgehend angebracht werden kann. Die Befensterung ist auf den drei Stockwerken unterschiedlich, doch jeweils repetitiv ausgebildet. In der Sichtbetonwand im ErdgeARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 9 Präzise, durchlaufende Fugen zwischen den liegenden Plattenformaten entsprechen der kubischen Gebäudeform. 10 Die schmale Fassadenstruktur wird durch die Überlappung der Modularplatten erzeugt, die Fenstergitter wurden in die Sonnenschutzlamellen integriert oder ganz weggelassen! ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 11 Die Rahmung der Fensterbänder tritt deutlich aus der planen Fassadenbekleidung hervor. Situation 1:2000 EG 1: 500 Detail 1: 20 12 Die Gänge werden über die Licht- und Spazierhöfe natürlich belichtet und wirken mit dem gelben Kunstharzboden und der beigen CemspanPlatten-Bekleidung behaglich. Detail 1: 20 2. OG 1: 500 EG 1: 500 ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 13 Schulhaus Laubegg, Winterthur-Dättnau Spielerischer Dialog zwischen Betonsockel und Faserzementkleid 14 Die Fenster stossen wie die Eternitplatten bis an die Gebäudeecken. Bauherrschaft Stadt Winterthur, vertreten durch Departement Bau und Departement Schule und Sport Architektengemeinschaft Roland Meier sowie Marc Schneider und Daniel Gmür, Winterthur Bauzeit 2001–2002 (Wettbewerb 1996/97) Baukosten der Gebäude Fassadenbau CHF 8 680 000.– ARGE Lerch AG, BWT AG, Winterthur Fassadenmaterial Pelicolor Natura Xpressiv m2-Preis Fassade CHF 311.– (inkl. Unterkonstruktion und sämtlicher Anschlüsse) Material Innenausbau Cemcolor, gelocht, anthrazit Eine grosszügige, elegante Geste geht von der öffentlichen Anlage aus: horizontal betonter Aufbau mit grauen Faserzementplatten Pelicolor Xpressiv und braun eloxierten Fensterbändern. EG 1:1000 Detail 1: 20 Das Quartier Dättnau liegt am südwestlichen Rand von Der Gebäudekomplex, der aus drei kubischen, mehr- Winterthur und ist durch die Autobahn vom restlichen heitlich grau gehaltenen und flach eingedeckten Körpern Siedlungskörper der Stadt getrennt. Die Schulkinder besteht, liegt leicht erhöht am Südrand der Besiedlung auf Dättnaus mussten bis vor zwei Jahren mit dem Bus oder einer Geländeterrasse. Der Zugang erfolgt über den zent- dem Velo nach Töss zur Schule fahren; nunmehr haben ralen, orthogonalen Pausenplatz, mit einem Mehrzweck- sie ihr eigenes Schulhaus im Quartier. Vor diesem Hinter- gebäude inklusive Turnhalle hangabwärts zur rechten grund ist schnell klar, dass der Neubau der Architekten- Hand, einem kleinen Hauswartsgebäude ebenerdig zur gemeinschaft von Roland Meier sowie Marc Schneider Linken sowie dem länglichen Haupttrakt, dem eigent- und Daniel Gmür aus Winterthur den Primarschülern lichen Schulhaus, geradeaus entlang der Hangkante. und -schülerinnen nicht «nur» als Schulhaus, sondern der Schul- und Mehrzwecktrakt sind durch einen annähernd ganzen Quartierbevölkerung als Treffpunkt dient, der quadratischen, gedeckten Aussenbereich miteinander ver- auch ausserschulisch gerne benutzt wird. Wie der Winter- bunden, woher beide Häuser erschlossen werden. Von thurer Vorsteher des Departements Bau, Reinhard Stahel, dieser offenen Vorzone bietet sich ein herrlicher Blick auf anlässlich der Eröffnung meinte, ist es mit dem Schulhaus die tieferliegende Spielwiese mit Freizeitanlage gegen Süd- Laubegg gelungen, einen öffentlichen Raum im Quartier westen sowie auf den Waldrand im Hintergrund. Dieser als Begegnungsort mit zentraler Bedeutung zu schaffen. Vor- oder Eingangsbereich ist zudem der Ort, den der ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 15 Das Fugenraster der Fassadenbekleidung führt die horizontale Gebäudeschichtung fort und hinterlässt einen schwerelosen Eindruck. Künstler Reto Boller für seine Kunst am Bau wählte: Tau- schliesslich prägt sie ein hellgraues Plattenkleid. Die gross- sende von blauen Glassplittern bedecken das Flachdach formatigen Faserzementplatten sind liegend verlegt und dieser eingeschossigen Scharnierzone, wobei sich die Wir- flächenbündig zum Sockel ausgebildet. Es handelt sich kung des kaleidoskopischen Lichtermeers indirekt erle- um Platten des Typs Pelicolor Xpressiv in Zementgrau ben lässt: Gelangt man im Schultrakt über die Treppe ins mit einer dunklen Speziallackierung, zugeschnitten auf Obergeschoss, empfangen einen – besonders bei Sonnen- 42 ✕ 262 cm beim Schulgebäude und 42 ✕ 242 cm beim schein – unzählige glitzernd kleine Lichtpunkte oder Mehrzweckgebäude. Von einer Gebäudeecke zur nächs- blaue Sternchen an der Decke. ten gespannte, dunkel eloxierte Fensterbänder akzentuie- Der Schultrakt zeichnet sich durch eine lineare Rei- ren die horizontale Wirkung des Fassadenaufbaus. Die hung der verschiedenen Räume aus, die allesamt nach feine Rasterzeichnung der nur fünf Millimeter breiten Fu- Südwesten orientiert sind. Die Schulzimmer und zwei se- gen zwischen den Platten verleiht den scharfkantigen, parate Gruppenräume finden sich im Erd- und Oberge- monolithischen Kuben etwas nahezu Schwebendes und schoss, während im Sockelgeschoss ein Werk- und ein nimmt dem Beton den Eindruck der Schwere. Durch die Handarbeitsraum untergebracht sind sowie ein Hort mit einheitlich hellgraue Farbe zerfallen die Baukörper jedoch Mittagstisch – hier mit direktem Ausgang in den Garten. nicht in zwei Teile, vielmehr entsteht ein spielerischer Di- Die Schulräume mit Eichenparkettböden sind zurück- alog zwischen dem massiven Betonunterbau und dem haltend gestaltet, während die Fensterbänke sowie die darüberliegenden Faserzementkleid. Dies ist eine schöne Schrankfronten in einem kräftigen Oxidrot gehalten sind. Geste an einen Bau, der mehrheitlich von noch jungen In den Erschliessungszonen ist der Beton der Treppenstu- Schulkindern besucht wird. Inge Beckel fen sowie teilweise jener der Bodenflächen unterschiedlich stark gelb eingefärbt, was diesen Bereichen atmosphärisch eine angenehme Wärme verleiht. Die drei Baukörper werden über Hartplätze und durch einen Sichtbetonsockel miteinander verbunden, oberhalb 16 Bettenprovisorium des Kantonsspitals Winterthur Schwebende Box im Park Schwebendes Objekt über dem Park: vorfabrizierte, demontable Raumeinheiten, vor Ort mit einer adäquaten hinterlüfteten Wetterhaut versehen. Das 1958 fertig gestellte Kantonsspital in Winterthur wurde wissermassen über dem kleinen Teich darunter und zwi- von den Architekten Wildermuth und Bosshard erbaut. schen den Baumkronen im Park. Nach rund vierzigjährigem Betrieb musste die Anlage den Der provisorische Bau soll grundsätzlich später an ei- heutigen Anforderungen an ein Spital angepasst werden; nem andern Ort wieder verwendet werden können. Es zwischen 1998 und 2002 wurde in der Folge die zehnge- wurde deshalb ein System mit leicht montierbaren Raum- schossige Bettenhochhausscheibe in zwei Etappen saniert zellen gewählt, das vor Ort als zweibündige Anlage auf und umgebaut. Als Ersatz für die während des Umbaus zwei Geschossen angeordnet werden konnte. Die Grund- fehlenden Betten erstellte der mit der Spitalsanierung beauf- einheit besteht aus einem Zweibettzimmer mit Nasszelle, tragte Architekt Heinrich Irion ein Provisorium, das mit 40 die 7,9 auf 3,7 Meter misst und 3,4 Meter hoch ist. In zwei Zweibettzimmern plus Nebenräumen ausgestattet ist. Der Etappen sind die auf dem Areal der Bauunternehmung längliche, zweigeschossige Baukörper greift rechtwinklig fixfertig produzierten Einheiten geliefert und in zweimal zum Bettenhochhaus gegen Süden in den bestehenden Park drei Tagen errichtet worden. Anschliessend wurde an Ort ein. Um diesen für Patienten, Besucher und Angestellte und Stelle auf eine schwarzgefärbte Holzunterkonstruk- während des Umbaus offen und zugänglich zu halten, wird tion eine hinterlüftete Fassadenverkleidung aus grossfor- das Provisorium von einer auf wenigen Einzelfundamenten matigen Faserzementplatten montiert. Diese dient einer- abgestellten Stahlkonstruktion getragen und schwebt ge- seits als Wetterschutz, anderseits soll sie das «Container»ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 17 Legende Legende Legende Legende Legende Legende Legende Legendee 18 Die starke Farbgebung mit roten und grünen Pelicolor-Platten hebt das Provisorium von der bestehenden Spitalanlage ab. Die grossformatigen Platten sind mit sichtbaren Chromnickelstahl-Schrauben an der Holzunterkonstruktion befestigt. Provisorium bewusst auch gestalterisch aufwerten – schliesslich erholen sich Kranke besser in einer atmosphärisch angenehmen Umgebung. Obwohl inzwischen das Bettenhochhaus wieder vollumfänglich bezogen ist, steht das im Verhältnis kleine Provisorium noch immer, es wird derzeit als Behandlungs- und Bürotrakt genutzt. Die roten Eternitplatten mit den sichtbaren CNS-Verschraubungen drücken einerseits den provisorischen Charakter des Baus aus, anderseits setzen sie auch einen farblichen Kontrast zu den weissgrauen Fassaden der eigentlichen Spitalanlage – und zum dominanten Grün des Parks. Als Fassadenmaterial dienen raumhohe Faserzementplatten in Rot und Grün. Sie sind im vorliegenden Fall nicht «nur» als äussere schützende Haut konzipiert, sondern generieren, zusammen mit dem Fensterelement, die Fassadengestaltung im eigentlichen Sinne. Als ein bleibendes, sichtbares Zeichen der Erneuerung schliesslich hat der Architekt das Rot der Provisoriumsfassade im Innern des Bettenhochhauses wieder aufgenommen: als fünfundneunzig Meter lange, rot gestrichene Korridorwand, die das Rückgrat des Gartengeschosses bildet. Inge Beckel Bauherrschaft Baudirektion Kanton Zürich, Situation 1:2800 1. OG 1:1000 Detail 1:20 Hochbauamt, Zürich Architekt Bauzeit Heinrich Irion, Winterthur 1997 m3-Preis CHF 395.– Fassadenbau Robert Spleiss AG, Zürich Fassadenmaterial Pelicolor Tectura Rougit, Tectura Florit, Natura Oceanit (Verbindungsgang) m2-Preis Fassade CHF 137.– (inkl. Unterkonstruktion, ohne Zuschläge für Anschlüsse, Leibungen etc.) ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 19 Umbau und Erweiterung Pflegeheim Kirchfeld, Horw Variation von Schiebeläden und roten Fassadenplatten Präsentes Wohnen im Alter: mittels Versetzen der Trakte und Horizontalbetonung der Stockwerke subtil an die Geländekante gesetzt. Situation 1: 2000 20 Zuoberst auf der Hügelkante thront das Pflegeheim chend. Doch vor allem mangelte es an der Infrastruktur, Kirchfeld über Horw, der prosperierenden Vorortsge- insbesondere die Zimmer waren infolge der gestiegenen meinde von Luzern. Das öffentliche Gebäude erstreckt Ansprüche zu klein geworden, sie sollten Nasszellen er- sich über zwei gegeneinander verschobene Trakte, doch halten und rollstuhlgängig werden. wirkt es dank der Horizontalbetonung relativ niedrig. In der heutigen Gesellschaft nimmt der Seniorenanteil Der rote Farbton der Fassaden wirkt frisch und keck, bekanntlich zahlenmässig und prozentual zu. Die Ge- doch passt er sich von der Intensität her in die grüne Um- meinde Horw legte sich im Zuge der Ausarbeitung eines gebung ein. Altersleitbildes Rechenschaft darüber ab, dass die betagte Diese selbstbewusste, wohlgestaltete Erscheinung ver- Bevölkerung von 1993 bis 2010 um rund 70 Prozent zu- dankt das Pflegeheim einem Umbau mit Erweiterung, die nehmen wird. Daher wurde mit dem Umbau des Pflege- aufgrund eines 1997 ausgetragenen Wettbewerbs mit Prä- heims auch eine Erweiterung angegangen. Damit die Be- qualifikation unter elf Büros erfolgte. Denn das seit 1965 wohner gleichwohl nicht auszuziehen brauchten, wurde bestehende Gebäude war, trotz markanter architektoni- in einer ersten Etappe der neue Trakt angefügt, anschlies- scher Qualitäten, sanierungsbedürftig und genügte be- send der Altbau erneuert und verlängert. Heute präsen- trieblich nicht mehr. Die Fenster waren undicht und die tiert sich das Gebäude innen und aussen in einheitlicher thermischen Isolationswerte erwiesen sich als unzurei- Gestaltung. ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 21 Wechselndes Muster aus geschosshohen roten Fassadenplatten und französischen Fenstern mit Holzschiebeläden. Detail 1: 20 22 Die Aussenansicht widerspiegelt die Benutzung im In- denkonstruktion. Sie entschieden sich für aussenisolierte nern. Über einem stellenweise grossflächig verglasten So- und mit Faserzementplatten verkleidete Holzelemente. ckelgeschoss in Sichtbeton lagern zwei Wohngeschosse, Wiederum bedingt durch die gegebene Geschosshöhe im die mit roten Pelicolor-Platten verkleidet sind. Die stehen- Altbau wurden alle Installationen in einem Dachaufbau den Plattenformate geben die Geschosshöhe an, sie sind über der Gangzone geführt. Dieser kubische Aufbau auf sichtbar an der Hinterlüftungslattung angeschraubt, in der dem Flachdach erhielt eine Beplankung aus graugrünen Horizontalen durch vorstehende Metallschwerter ge- Faserzementplatten. schützt und optisch voneinander getrennt. Die mit Faser- In den beiden Obergeschossen sind acht Wohngrup- zement beplankten Bereiche wechseln sich ab mit franzö- pen mit je 13 bis 15 Bewohnerinnen und Bewohnern orga- sischen Naturholzfenstern und den dazugehörigen Holz- nisiert. Auf ebenerdigem Niveau befinden sich Empfang, schiebeläden. Durch die unterschiedlichen Positionen der Küche, Ess- und Aufenthaltsräume sowie ein Mehr- Schiebeläden ergibt sich entlang den Geschossbändern ein zwecksaal und eine Kapelle. Besondere Beachtung wid- wechselndes Muster aus roten Eternitflächen, grau behan- meten die Architekten der Lichtführung in den Gängen – delten Holzläden und Fensterscheiben. ein wohlbekanntes Thema bei dieser Bauaufgabe. Tages- Ausgehend von der Tragfähigkeit der bestehenden licht wird mittels Oberlichtern nicht nur ins oberste Bausubstanz suchten die Architekten eine leichte Fassa- Stockwerk gebracht, sondern es dringt durch bündig in OG 1:1000 EG 1:1000 Zweibündige Raumorganisation mit von oben belichteter Gangzone. Die bestehende Bausubstanz des Osttraktes verlangte eine leichte Fassadenkonstruktion. die Gangböden eingelassene Glasscheiben bis ins ErdgeBürgergemeinde Horw schoss. Den Innenräumen wurde durch warme Farben Bauherrschaft und Naturholz eine wohnliche Atmosphäre verliehen. Architektengemeinschaft P. Bysäth, A. Linke, A. Weber, E. Gärtner, Fussböden und Zimmertüren sind allesamt in Eiche gehal- F. Schenkel, Luzern ten. Die wechselnde Farbgebung an den Gangwänden, im Bauzeit Marmorino-Verfahren als Pigmente dem Putz beige- m3-Preis mischt, gehören zum Konzept der Kunst am Bau. Die Fassadenbau Künstlerin Monika Kiss Horváth hat in jede Wohngruppe Fassadenmaterial Pelicolor Natura Koralit das Foto eines Zugvogels gehängt, und aus dessen Feder- m2-Preis CHF 156.– (Bekleidung, Hinterlüftungslattung, kleid die jeweiligen Farben für den Gang abgeleitet. Anschlüsse, ohne Tragkonstruktion und Wärmedämmung) Das freundliche, in klaren Formen gestaltete Innere bil- 2000–2002 CHF 616.– (SIA 116) Schmid AG, Ebikon, Heinzer GmbH, Ibach Fassade Material Dachaufbauten Pelicolor Natura Oceanit det das Äquivalent zur wohlproportionierten Fassadenkomposition. Beides dient dem Wohlergehen der Pflegebedürftigen, wie auch der herrliche Ausblick auf den Vierwaldstättersee und Pilatus. Michael Hanak ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 23 Gemeindezentrum, Niederrohrdorf Rote Fassade in der Ortsmitte Selbstbewusst steht das Gemeindezentrum im Ortskern von Niederrohrdorf. Es ist zweiseitig von einem verkehrsfreien Platz umgeben, der an Wochenenden von einem Markt belebt wird. Es besteht aus einem Altbau und einem an dessen Stirnseite auf tieferem Niveau errichteten Neubau. Die Gliederung erfolgt in eine Tageszone für die Verwaltung und eine Nachtzone, die der Polizei sowie momentan fremdvermieteten Büros dient, wodurch der Gemeinde langfristig Platzreserven geboten werden. Eine verglaste Zwischenzone mit Eingangsbereich, Treppenhaus und Lift vermittelt zwischen den Baukörpern. Das aus einem Wettbewerb von 1998 hervorgegangene Projekt – das Verwaltungsgebäude aus den Sechzigerjahren bot nicht mehr genügend Platz, war zudem baufällig – konnte nach zwei Jahren Bauzeit im Herbst 2002 seiner Bestimmung übergeben werden. Durch die zwei Gebäu- Der Dorfplatz wird gefasst durch den dunkelgrauen Neubau und den roten Umbau, insbesondere durch deren einheitliche Materialisierung. deteile war es möglich, die Bauphase ohne Provisorium zu Situation 1:1500 Grundstruktur wurde beibehalten, Fassade und Raumge- überwinden. Ein ehemaliges Nebengebäude wurde entfernt und durch einen Neubau ersetzt. Nach dessen Fertigstellung konnte die Verwaltung hier einziehen, während der Umbau des Gemeindehauses begann. Dessen staltung aber auf eine Art verändert, welche die Tristesse des alten Baus vergessen lässt. Seine ausdrucksstarke Optik verdankt das Gemeindezentrum der Zweifarbigkeit der Fassade. Während der Neubau anthrazitgraue Eternitplatten trägt, sind Ost- und Westfassade des Altbaus mit kräftig roten Platten verkleidet. Durch die Faserzementbekleidung wurde eine wärmetechnische Sanierung des Altbaus erleichtert. Aussenwände mit hinterlüfteten Fassaden weisen zudem ein gutes Trocknungsverhalten auf, das wiederum für gesundes 24 Graue Platten in betont liegendem Format am Neubautrakt, mit präzis gesetzter Aufhängung und sauberen Abschlüssen. EG 1: 500 Detail 1: 20 Raumklima sowie eine günstige Energiebilanz sorgt. Auch wurde, eine aufstrebende Wirkung. Die Pflasterung des im lichten Innern dominieren klare Farben, die der Orien- Platzes widerspiegelt die Geometrie der Fassade und führt tierung durch die Abteilungen dienen. Allerdings brauchte diese weiter. Die oberste Etage des Neubaus ist auf die es nicht wenig Überzeugungsarbeit durch den Architek- Höhe der Fassade des Altbaus zurückversetzt und bietet ten, bis die Bauherrschaft ihre Zustimmung zu der zu die- so einer Dachterrasse Platz. Die einzigen farbigen Ak- sem Zeitpunkt einzigen roten Fassade im Ortszentrum zente am Äusseren des Neubaus sind die riesigen roten gab. Das Ergebnis aber spricht für sich: Der farbliche Buchstaben, welche die Funktion des Bauwerks benen- Kontrast der differenziert gestalteten Baukörper zueinan- nen, sowie eine der zwei Informationssäulen am Besu- der schafft Spannung, die Materialisierung wiederum chereingang. Der harmonische, jedoch alles andere als ein- vereint sie. Die Gliederung der Altbaufassade in drei Ab- tönige Gesamteindruck der Anlage, die durch eine rote schnitte, die durch raumhohe Eternitplatten und Fenster- Litfasssäule sowie eine Kombination aus Buswartehäus- flächen rhythmisiert wird, beruhigt das Rot. Die Über- chen und Velounterstand komplettiert wird, überzeugt. gänge der vier Geschosse sind einzig an den Fenstern ab- Britta Limper lesbar, die Deckenstirne werden im Fugenmuster nicht abgebildet. Somit erfährt der Bau, der aufgrund der geringen Höhe der umstehenden Gebäude niedrig gehalten Bauherrschaft Architekten Bauzeit Gemeinde Niederrohrdorf Zehnder Bauexperten, Niederrohrdorf 2000–2002 (Wettbewerb 1998) Fassadenbau Wagner Bedachungen und Fassadenbau AG, Wettingen, und Vögeli Holzbau AG, Kleindöttingen Fassadenmaterial Pelicolor Natura grau und rot ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 25 Werkhof, Fehraltorf Übersichtlich, schlicht und robust Ein Problem, vor das sich viele wachsende Gemeinden gestellt sehen, sind zu enge infrastrukturelle Räumlichkeiten – so auch Fehraltorf. Da Aussendienstbetriebe und Organisationen in der Wohn- und Kernzone des Dorfes untergebracht waren, stiessen sie bei ihrer Ausweitung an Grenzen. Es wurde Raum benötigt für die gewerblichen Gemeindebetriebe, Elektrizitätswerk wie Wasserversorgung, Strassenwesen, Abfallentsorgung und Zivilschutz. Für einen neuen, zentralisierten Werkhof bot sich ein gemeindeeigenes Grundstück mit einer Fläche von 7321 m2 im Industriegebiet Undermüli an. Nähert man sich dem Gelände des Werkhofs, stellt man erleichtert fest: Die Orientierung fällt nicht schwer. Die klare Gliederung des Grundstücks durch begrünte und asphaltierte Flächen, Gebäudeanordnung, äussere Umfassung mit Drahtzäunen sowie der direkte Zugang von der Strasse zur Sammelstelle helfen, das Areal zu ver- Gemeinde Fehraltorf Bauherrschaft Architektur Bauzeit Künzli & Scagnetti AG, Pfäffikon 2002–2003 (Wettbewerb 1995) m3-Preis CHF 324.– Fassadenbau stehen. Die formal einfache Architektursprache der Bauten trägt ausserdem dazu bei. Das Hauptgebäude ist ein langgestreckter Bau, der nach Südwesten zweigeschossig in Erscheinung tritt. Erd- Aschwanden AG, Nänikon und Obergeschoss sind als Ständerbau ausgeführt. Das Fassadenmaterial Pelicolor Natura Oceanit Untergeschoss ist nur an wenigen Stellen durch Fenster m2-Preis Fassade CHF 351.– (Hauptgebäude), auszumachen und bleibt ansonsten verdeckt durch einen CHF 180.– (Nebengebäude) Dacharbeiten Steildächer Dachmaterial Ueli Rutz, Auslikon Ondapress-Dachwellplatten Anthrazit m2-Preis Dach CHF 74.– grosszügigen Zugangsbereich aus Beton, der sich fast an der gesamten Länge der Fassade ausdehnt. In der vorderen Längshälfte des Gebäudes sind unter anderem Büros, Reparatur- und Werkstätten sowie ein Sitzungsraum aufgenommen. Entsprechend dieser Funktion erscheint diese Fassade wie die eines Bürokomplexes mit gleichmässig angeordneten Fenstern und einem sich über beide Etagen erstreckenden, gläsernen Eingangsbereich. Der Übergang 26 der Geschosse wird durch ein Vordach aus Glas mit Mattfolie über die komplette Fassadenbreite akzentuiert. Eine Situation 1:1000 Erdgeschoss 1: 300 Detail 1: 20 hinterlüftete Verkleidung mit Eternitplatten, die je nach Sonnenstand in einem hellen Graugrün erstrahlt, verleiht dem Hauptgebäude auf dieser Seite einen lichten Ausdruck. Dadurch, dass die Platten quer verlegt sind, verstärken sie die horizontale Wirkung des Baus. Glas und Faserzement harmonieren durch dieselbe Farbe. Die Nordostseite zeigt das zweite Gesicht des Werkhofs. Zwölf grosse Tore verschliessen dahinter liegende Garagen. Südost- und Nordwestfassade sind aus Sichtbeton, wobei Letzere über die Dachkante vorsteht. Das Tonnendach ist mit anthrazitfarbigen Wellplatten der Eternit AG gedeckt. Ins Dach integriert sind Module einer Solarstromanlage mit Fotovoltaik. Das gedeckte Lager steht an der Stirnseite des Hauptbaus. Es ist als Stahlkonstruktion ausgeführt, an drei Seiten gegen die Witterung geschlossen und mit dunkelgraugrünen Eternitplatten versehen; ebenso die Sammelstelle, die allerdings nur zweiseitig geschlossen ist. Die Stossfestigkeit des Materials bietet einen grossen Vorteil bei der Nutzung der Bauten: Mögliche Schäden durch Stösse von Containern oder Fahrzeugen können gering gehalten werden. Beide Nebengebäude tragen ein extrudiertes, begrüntes Flachdach. Das Gelände bietet dem Wunsch der Bauherrschaft entsprechend ausreichend Platzreserven und bleibt – zukunftsorientiert – flexibel nutzbar. Britta Limper Gleichmässige und selbstverständlich wirkende Gestaltung mit liegenden Plattenformaten an den Fassaden und Wellplatten auf dem Tonnendach. Pelicolor-Platten und Fensterscheiben nähern sich farblich an. ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 27 Werkhalle, Bergün Ein Dach in den Bergen Ein ökologischer und kostengünstiger Holzbau mit einem Dach, das durch die flächige, grossformatige Eterniteindeckung überzeugt. Gemeinde Bergün Bauherrschaft Thomas F. Meyer, Chur Architekt Bauzeit 2002–2003 Bauplanung, Bauleitung m3-Preis Dachdecker Hasler & Broggi AG, Bergün Dachmaterial m2-Preis René Leuzinger, Bergün CHF 510.– Eternit Integral Plan Oceanit Dach CHF 152.– (inkl. Unterdachbahn und aller Anschlüsse) Verschalung aus Lärchenholz unterstrichen. Um den Holzverschnitt zu verringern wurde die Schalung fortlaufend mit verschiedenen Brettlängen ausgeführt. Die vorhandene Geländestufe gab die Strukturierung des Gebäudes vor. Hinter dem Vorplatz zur Kantonsstrasse befindet sich die Halle für die Forstfahrzeuge, abgeschlossen durch drei grosse, verglaste Tore. Im Untergeschoss wurden hinter drei ebenso grossen Toren an der 28 Bergün, die Berggemeinde am Fusse des Albulapasses, be- Rückseite die Räume der Feuerwehr platziert. Die Ein- nötigte ein neues Werkgebäude für die Feuerwehr und das gänge und das Treppenhaus bilden auf allen Stockwer- Forstwesen. Als Bauplatz wurde ein Standort neben der ken eine bereits von aussen wahrnehmbare Raumzone, Hauptstrasse am Eingang des Dorfes bestimmt. Aus- welche die Werkhallen von den dorfseitigen Verwal- schlaggebend für die Projektierung waren unter anderem tungsräumen trennt. Im Erdgeschoss stellt diese Raum- die Forderung nach einer ökologischen Bauweise und Ma- zone mit den beiden erkerartigen Erweiterungen für Ein- terialisierung sowie nicht zuletzt ein enger Kostenrahmen. gang und Teeküche attraktive Aufenthaltsbereiche zur Um möglichst Holz aus Bergüner Wäldern zu verwenden Verfügung. und in der Region verarbeiten zu lassen, wurde eine Trag- Die Identität mit dem Ort und der Nutzung wurde konstruktion aus Schnittholz gewählt. Gemäss Auflage durch die Entwicklung eines einfachen, klaren Kubus’ mit der Feuerpolizei entstand das Untergeschoss als unbrenn- Walmdach gesucht. Die Wahl eines Walmdaches ruft Er- bare Betonkonstruktion, die beiden darüberliegenden Ge- innerungen an traditionelle Gemeindebauwerke wie schosse wurden in Holzelementbauweise ausgeführt. Die Schulhäuser, Zeughäuser oder Sägereien und Mühlen Architektursprache wird aussen wie innen vom Material wach. Die Hauseindeckung wurde mit einem Integral- Holz bestimmt. Der angestrebte Charakter eines Ökono- dach der Eternit AG konstruiert, bei dem die Dachhaut miegebäudes wurde durch die horizontal angebrachte aus ebenen Platten besteht und das Unterdach aus einer Schicht Wellplatten (unterdessen abgelöst durch eine Holzunterkonstruktion). Dank diesem Aufbau kann die UG 1: 400 Detail 1:20 Dachfläche mit einer grossformatigen Struktur gestaltet werden. In diesem Fall wurde ein liegendes Plattenformat in einem Grauton mit leichtem Blaustich gewählt. Da die Plattenstärke kaum sichtbar bleibt, wirkt die Dachhaut gleichmässig und leicht. Das Walmdach sieht grossflächig und fein zeichnend aus. Der Traufbereich ist als rechteckige Rinne ausgebildet, die eine deutliche Abschlusslinie formuliert. Die Akkuratesse, mit der das Dach dieser Werkhalle entworfen und eingedeckt wurde, lässt daran erinnern, dass gerade in der bergigen Gegend das Dach oft von oben gesehen und als «fünfte Fassade» wahrgenommen wird. Michael Hanak ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 29 «Findling» Ein künstlicher Stein zum Sitzen Dieses Jahr vollendeten Eicher & Bruggmann ihr neustes Designstück aus Faserzement: einen Brocken zum Draufsitzen. Er sieht aus wie ein Stein, hat aber Vertiefungen eingelassen, die sich als Sitzform anbieten. Die Designer tauften das Ding «Findling», denn seine Formgebung erscheint genauso von natürlichen Kräften geschaffen, wie einer jener zahlreichen Felsbrocken, die durch Gletscher von den Bergen ins Unterland gebracht worden sind. Und wie Wasser und Eis durch andauerndes Einwirken den Stein abrundet und aushöhlt, so bekam auch unser «Findling» seine Beulen und Mulden. Zufälligerweise haben sich die Mulden jedoch so ergeben, dass verschiedene Sitzpositionen möglich sind. Spätestens beim Anschieben oder Aufheben des Brockens gibt er sich gleichwohl als Menschenwerk zu erkennen. Denn der vermeintlich massive Fels lässt sich leicht verschieben und herumtragen. Ein Blick unter die Standfläche der rundlichen Sitzgelegenheit ergibt, dass der Sitzstein hohl ist und nur aus einer dünnen Materialschicht besteht. Wir erkennen, dass der «Findling» eine geformte Skulptur aus Faserzement ist. Für das Basler Designerteam Stephan Eicher und Michel Bruggmann ist Faserzement zu einem präferierten Werkstoff geworden. In den letzten Jahren haben sie einige Produkte entwickelt, die einen innovativen Umgang Design Eicher & Bruggmann, Basel mit dem Material zeigen. 1999 stellten sie in der Präsenta- Grösse ca. 55 ✕ 130 ✕ 100 cm tion von «Living with Eternity» ein ganzes Möbelpro- ca. 35 kg gramm vor, dessen Gemeinsamkeit der Grundstoff Faser- CHF 1240.– zement darstellt. Rollkorpus, Regal, Sitzbank und Steh- Gewicht Preis Vertrieb Einzigart, Zürich; Raum49, Basel; leuchte, deren Hauptbestandteile bei der Eternit AG Punkt1, Zürich; Dimensione, Luzern; hergestellt werden, bieten Eicher & Bruggmann mittler- Form 30–50–60er Jahre, Zürich weile über den Fachhandel an. Für den «Findling» gingen die Produktegestalter neue Wege. Eine frei geformte Gestalt schwebte ihnen vor; die Formgebung entstand mittels Fotomontagen am Computer. Dann wurde mit dem frisch ab Produktion kommenden Faserzement ein Prototyp kreiert. Davon wurde aus Polyester die Negativform fabriziert, die der Herstellung dient. Der «Findling» ist als Sitzstein für den Innen- wie Die Sitzmulde im «Stein» aus Faserzement für die Lounge, outdoors or indoors! Aussenbereich gedacht. Dank seiner Erscheinung wie ein erratischer Block kann er als Ruhepol einer Wohnlandschaft eingesetzt werden. Und neben seiner Funktion als geschwungene Sitzmulde dient der Eternit-Fels als ein leicht handhabbares Element der Gartengestaltung. mh 30 Eternit Architektur-Preis 03 Experiment Eternit Ausgestellt in einem Container reisten die Eternit-Exponate durch die Schweiz. Ausgezeichnet wurden die Arbeiten von drei Architekturstudentinnen an der ETH Zürich: Das Team Chiara Castellan und Irène Leuthold erzielte durch Perforationen eine ornamentale Wirkung, beispielsweise für Raumteiler (Bild oben); Eunho Kim schlug eine wellenförmige eingefräste Strukturierung vor, um die Plattenoberflächen zu beleben (Bild unten). Für einmal spielte der Ort, die Nutzung und das Raum- würdigen Abschluss. Als letzte Destination fand der Con- programm keine Rolle. Die Suche der Auslober galt jenen tainer Aufstellung auf dem Werkareal der Eternit AG und Studierenden, die ungewöhnliche Ideen für das Material bot damit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Eternit in konkreten Experimenten überprüfen wollten, Möglichkeit, den ungewohnten Umgang mit Faserzement unabhängig von architektonischen Vorgaben oder Stand- in den Studentenarbeiten zu begutachten. Darüber hinaus orteigenschaften. stellten junge Architekturbüros ihre Ideen zu einer unüb- Dafür standen während zweier Semester das Labor der lichen Anwendung der Eternit-Produkte vor. Lorenz Bett- Eternit AG und ein Patensystem der Hochschulen zur ler von der Bürogemeinschaft BBESW zeigte ihre spieleri- Verfügung. Experimentiert und geforscht werden konnte schen Versuche mit dem Rohmaterial und erläuterte sein zu den Themenbereichen Herstellung, Formgebung und Interesse an modellierten und gemusterten Fassaden. Marc Anwendung von Faserzement. Aurel Wyss stellte das Umbauprojekt für das Dada-Haus Die eingegangenen Arbeiten decken alle Themenberei- vor, das Rossetti & Wyss in der Zürcher Altstadt realisie- che ab, schwergewichtig das Thema Anwendung. So zum ren, und wo Eternittafeln mit speziellem Schliff eingesetzt Beispiel interessierte die Oberflächenbearbeitung des Ma- werden. mh terials im erhärteten Zustand. Zur Verarbeitung des noch weichen Materials liegen Beiträge zu Formteilen im Innenausbau oder der individuellen Serienproduktion vor. Das Material tritt in den Arbeiten einmal anders in Erscheinung und öffnet damit einen neuen Blick auf Vertrautes. Die Ausstellung, welche wiederum das Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) an der ETH Zürich in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl von Professor Andrea Deplazes auf die Beine stellte, dokumentierte die Arbeiten der Wettbewerbsteilnehmer aus allen Landesteilen. Der experimentellen Aufgabenstellung entsprach die ungewöhnliche Präsentation: Ein Schiffscontainer beherbergte die eingereichten Arbeiten und gab anhand von Planmaterial, Modellen und ergänzenden Texten einen Überblick über die verschiedenen Ansätze im Umgang mit dem Faserzement. Der Eternit Architektur-Preis 03 und seine Ausstellungstournee fanden am 19. August in Niederurnen einen ARCH 138 ÖFFENTLICHE BAUTEN 31 Die Eternit AG an der Swissbau 2005 Erstmals im Zusammenspiel mit der swisspor AG Dynamischer Auftritt auf mehreren Ebenen: Der gemeinsame Messestand vervielfacht die Präsentation und fördert die Kommunikation. Im November 2003 ging die Eternit AG in den Besitz der die im Erdgeschoss eine räumliche Erweiterung erfährt. BA Holding AG von Bernhard Alpstäg über. Seither Über einen schmalen Steg im ersten Obergeschoss sind Bauherrschaft wurde die Zusammenarbeit mit der swisspor AG, die die Stände miteinander verbunden, ein symbolisches Ele- Eternit AG ebenfalls zur BA Holding gehört, intensiviert. Zum Aus- ment, das die Anknüpfungspunkte der beiden Unterneh- Architekten druck kommt dies auch an der Swissbau 2005, die vom men untermalt und einen zusätzlichen Weg durch die Ex- Zimmermann, Zürich 25. bis 29. Januar in Basel stattfindet: Die zwei Stände fin- ponatebenen eröffnet. den sich in direkter Nachbarschaft. Im Erdgeschoss präsentiert die Eternit AG neue Dach- Statik swisspor AG, Cadosch & Ivo Diethelm, Gommiswald Erne Holzbau AG, anwendungen. Auf dem Weg zu den oberen Ausstellungs- Standbau töse eine Oase der Information und des Gesprächs ge- ebenen trifft man auf Fassadenmodelle im Massstab 1 : 1. Laufenburg schaffen werden. Das Konzept erinnert an die Schalen ei- Zusätzliche Informationen bieten Grafiktafeln entlang der Material ner geöffneten Muschel: Über einen zentralen Platz betritt Geländer. Betritt man das turmartige Gebäude, finden Anthrazit, Rubin und Azurit man die Raumstrukturen, die sich ergänzend gegenüber- sich die verschiedenen Anwendungen von Innenbaupro- stehen und ein ausgewogenes Spiel zwischen «innen» und dukten. Auf einer weiteren, halbgeschossig versetzten «aussen» schaffen. Spektakuläre Auskragungen greifen Ebene wird der Bereich «Garten» thematisiert. Die ge- tief in den Raum, wodurch variantenreiche Aussichts- samten Aufbauten sind mit aktuellen, in der Masse durch- plattformen entstehen. Der mehrgeschossige Aufbau, der gefärbten Platten belegt. Am swisspor-Stand wird das die Hallenhöhe erlebbar macht, erlaubt eine Gliederung ganze Spektrum von Dämmen und Abdichten beleuchtet. Mit dem dezenten Auftritt soll im hektischen Messege- der Exponate in Themenbereiche und Zonen unterschiedlicher Nutzungsintensität. Beide Stände zeichnen sich durch eine klare architektonische Formensprache aus, den atmosphärischen Einsatz Die Grundstruktur und die Bodenelemente der beiden von direkter und indirekter Beleuchtung und durch ein Stände ist ein vorfabrizierter Holzbau. Der Eternit-Stand Wechselspiel von Materialfarbigkeit und applizierter gliedert sich in ein Turmgebäude und auskragende, spitz- Farbe. Die Wegführung entlang der Exponate und um winklige Bodenplatten. Demgegenüber entwickelt sich diese herum bestimmt das räumliche Erleben der Stand- der swisspor-Stand um eine schräg gestellte Wandscheibe, strukturen. Die Eternit AG freut sich auf Ihren Besuch! sc 32 Pelicolor Carat Impressum Herausgeber Eternit AG, 8867 Niederurnen Telefon 055 617 11 11, Fax 055 617 13 49 [email protected], www.eternit.ch Redaktion Michael Hanak, Zürich Gestaltung Bernet & Schönenberger, Zürich Korrektorat Barbara Raschig, Zürich Druck Fridolin Druck und Medien, Schwanden Fotos Croci & du Fresne, Ittigen (S. 5–7) Heinrich Helfenstein, Zürich (S. 14) Victor Roedelsberger, Zürich (S. 15, 16) Jürg Zimmermann, Zürich (S. 2–4, 8–13, 17–29, 31) Redaktionsadresse Redaktion ARCH, Postfach 2125, 8026 Zürich [email protected], Telefon und Fax 044 241 35 28 Abonnemente und Adressänderungen Eternit AG, 8867 Niederurnen [email protected], Fax 055 617 12 71 Den Inhalt der Zeitschriftenbeiträge verantworten die jeweiligen Autorinnen und Autoren. Gemäss dem allgemeinen Sprachgebrauch wird Eternit auch als Gattungsbezeichnung für Faserzement verwendet. Die Eternit AG stellt hiermit jedoch klar, dass es sich beim Begriff ETERN IT um einen Firmennamen und eine geschützte Marke handelt.