ARCH 148 VERFORMT Zeitschrift Eternit(Schweiz) AG Mai 2008 ARCH 148 VERFORMT 1 Verformt 2 Essay Städtische Dichte als Quintessenz des Urbanen Vittorio Magnago Lampugnani 6 Centre Esplai, El Prat de Llobregat, Spanien Carlos Ferrater mit Nuria Ayala, Barcelona 14 Hypo-Alpe-Adria-Bank, Zagreb, Kroatien Thom Mayne, Santa Monica; Robert Somek, Zagreb; Tehnozone d.o.o., Zagreb; Moser Architekten,Wien 18 Velux/Kalcer Geschäfts- und Lagerhaus, Trzin, Slowenien Arhiveda d.o.o., Ljubljana 22 Søndersøparken, Viborg, Dänemark Arkitema, Århus 26 Wohnsiedlung Jagtvej, Nuuk, Grönland Schmidt Hammer Lassen, Kopenhagen 32 Büro- und Wohnhaus, Bruneck, Italien Armin Durnwalder, St. Georgen/Bruneck 33 Innenraumgestaltung Showroom Combimaison, Goldau Atelier A, Zürich 34 Ausgezeichnet . . . Chicago AIA Awards; Zumtobel Group Award 35 News SIGMA 8 – unsichtbare Befestigung Vorgehängte hinterlüftete Fassade Nachhaltig und energieeffizient Entdeckt . . . Strandbad Tiefenbrunnen, Zürich 36 Interview Nuria Ayala, Architektin, Barcelona Thema Verformt Editorial Im ersten Augenblick mag Sie der Titel Verwaltungsgebäude Eternit (Schweiz) AG in Niederurnen dieser Ausgabe überraschen. Mit «verformt» (1954–1955 von Haefeli, Moser, Steiger) meinen wir natürlich nicht «deformiert» In Anlehnung an Frank Lloyd Wright wie ein Auto nach einem Unfall. Vielmehr vollzogen die Architekten Haefeli, Mo- denken wir dabei an die «modellierten» ser, Steiger hier eine plastische Differen- Baukörper, die uns bei der Gebäudeauswahl zierung der Gebäudetrakte und erreich- aufgefallen sind. In der vorliegenden ten mit Abstufungen und Knicken eine Ausgabe hat die Redaktion ganz unter- organische Architektur. Die abgewin- schiedliche Projekte zusammengestellt, deren Gemeinsamkeit in kelte Gebäudeform bildet beim Eingang der Attraktivität ihrer besonders geformten Aussenhülle eine empfangende Geste, der polygonale besteht – und, dieser Hinweis sei erlaubt, in deren Bekleidung Grundriss ergibt spannungsvolle Innen- mit Swisspearl-Platten. räume. Überraschendes zu präsentieren, sehen wir als eines der Ziele unserer Architekturzeitschrift. Die hier versammelten Bauten Griechisch-orthodoxe Kirche an der Kornhausbrücke in Zürich stammen von Südspanien bis Grönland aus ganz Europa, denn (1995 von Marcel Ferrier) es ist ein international auftretender Aspekt, der die Entwürfe Um einen Ort der Ruhe und der Besin- verschiedener Architekten hier zusammenführt. Im Übrigen spie- nung zu schaffen, schirmte Marcel Fer- geln die publizierten Projekte unsere eigenen internationalen rier den elliptischen Sakralraum gegen Aktivitäten, exportieren wir doch unsere Schweizer Qualitätspro- aussen mit quaderförmigen Trakten ab. dukte in die ganze Welt. Der orthogonale Rahmen und der weiss Plastisch geformte Gebäude passen sich nach bestimmten Krite- beschuppte Kegelstumpf bilden geome- rien in ihren städtebaulichen Kontext ein. Sie treten mit ihrem trische Grundformen, die der Situation Umfeld in einen Dialog, sie «sprechen» mit den Nachbarn. Gerade entsprechend modifiziert sind. dieses Thema der städtebaulichen Prozesse schien uns von übergeordneter Bedeutung, die zu hinterfragen sich lohnt. Die Wohnhaus in Malans kontextuelle Einbettung eines Gebäudes steht ja nicht zuletzt (2001–2002 von Bearth & Deplazes) bei der Materialisierung der Aussenhülle im Vordergrund, und Wie ein asymmetrischer Kristall entzieht beides verlangt ein subtiles Vorgehen. Wir möchten über das ein- sich das am Berghang gebaute eigenwil- zelne Bauwerk hinaus zu einer Auseinandersetzung mit der lige Gebäude, das Bearth & Deplazes zukünftigen Entwicklung unserer Städte anregen. Dazu haben entwarfen, dem rechten Winkel. Dach wir Prof. Dr. Vittorio Magnago Lampugnani gebeten, einige und Fassaden sind zu unregelmässigen grundsätzliche Gedanken über das «urbane Bauen» zu verfassen. Flächen geschliffen, Laube und Erker Wir sind überzeugt, dass diese sehr zur Bereicherung der folgen- kantig zugeschnitten. Daher tritt der ein- den drei Ausgaben beitragen. heitlich umhüllte Monolith von jeder Wir wünschen Ihnen eine überraschende Lektüre! Seite anders in Erscheinung. Samuel Tramaux, Direktor Verkauf, Eternit (Schweiz) AG ARCH 148 VERFORMT 1 Créteil, Frankreich, 2003 STÄDTISCHE DICHTE ALS QUINTESSENZ DES URBANEN Text Vittorio Magnago Lampugnani Fotos Joël Tettamanti 2 Créteil, Frankreich, 2003 Dichte steht am Ursprung allen menschlichen Siedelns. Ansiedlungen Dichte entwickelt sich leichter ein entsprechendes Angebot an Haus- wurden gegründet, um sich zu schützen und geschützt besser wirt- haltshilfen, Lieferservice, Catering und Wäscherei. schaften zu können. In allererster Linie jedoch wurden sie gegründet, Doch bietet die städtische Dichte nicht nur den aktiven berufstäti- um dank der räumlichen Nähe miteinander interagieren und kommu- gen Menschen eine bessere Lebenschance: Auch diejenigen, welche nizieren zu können. Seit jeher ist Dichte die unmittelbare Folge des die moderne Gesellschaft tendenziell ausgrenzt, finden in ihr Schutz kulturellen Bedürfnisses nach dem menschlichen Miteinander. Sie ist und Komfort, nämlich die Alten. In einem dichten Stadtgewebe kön- die Essenz der Stadt und als solche aktueller denn je. nen sie, auch wenn sie nicht mehr sonderlich mobil sind, vom Lebens- Für die bauliche Dichte der modernen Stadt sprechen zunächst ein- mittelladen bis zum Arzt und von der Wohnung der Nachbarn bis fache funktionale Gründe. Je enger die Häuser zusammenrücken, de- zum Kino alles besser erreichen. Weiterbildung bleibt ebenso möglich sto besser ist ihre Verbindung untereinander: So können sich bequeme wie die Pflege sozialer Kontakte. Da die Gesellschaft, zumindest die und durchaus auch kreative Synergien bilden. Und je enger auch die europäische, immer älter wird, gerät Dichte aus gesellschaftspoliti- unterschiedlichen Nutzungsbereiche der Stadt zusammenrücken, die schen Gründen zu einem aktuellen Postulat. Wohnviertel, die Arbeitsstätten, die Kulturbauten und die Freizeitein- Aber auch aus ökonomischen Gründen. Das Leben in der Periphe- richtungen, desto wahrscheinlicher und öfter wird zwischen ihnen ein rie scheint preiswert zu sein, weil dort die Mieten respektive die Austausch stattfinden. Grundstückkosten in der Regel niedriger liegen als in der Stadt – Dies umso mehr als die klassische räumliche Trennung von Arbeit doch der Schein trügt. Die langen periodischen Wege ins Büro, zum und Privatleben in der modernen Gesellschaft zunehmend aufgehoben Einkaufszentrum, zum Multiplexkino oder ins Stadtzentrum schlagen wird. Dieser Lebensart kommt die Nähe von Haus und Arbeitsort im Familienbudget zu Buche; vor allem wenn sie nicht mit öffent- entgegen, wie sie die gotische Stadt bereits vorgeführt hat. Zudem lichen Verkehrsmitteln, sondern mit dem Privatwagen zurückgelegt wollen auch und gerade diejenigen Menschen, die ein berufszentrier- werden. Dieser ist in den weitläufigen Vorortsiedlungen, in denen man tes Leben führen, ihre Zeit nicht mit langen Wegen verschwenden – bis zur nächsten Bushaltestelle kilometerweit laufen muss, oft die ein- und schon gar nicht mit ausserberuflichen Pflichten. In der städtischen zige Option. Und die täglichen Fahrten kosten nicht nur Geld, ARCH 148 VERFORMT 3 Basel, Schweiz, 2002 sondern auch Zeit. Ein europäischer Pendler verbringt im Durchschnitt 12 bis 14 Stunden im Monat im Verkehr. städtischen Dichte das kulturell-politische. Gleichzeitig mit der Ent- Dichte ist indessen nicht nur für den Einzelnen ökonomisch vor- stehung der antiken Stadt begann man, das Wort urban für einen zivi- teilhaft, sondern auch für die Gemeinschaft. Jede Vorortsiedlung setzt lisierten menschlichen Umgang zu verwenden. Seitdem wurde die aufwändige Verkehrserschliessung, Kanalisation und Anschlussleitun- Stadt als der Ort betrachtet, in dem sich der Mensch als soziales We- gen voraus; Einrichtungen, die eine kompakte Ansiedlung in geringe- sen entwickeln und verfeinern konnte. Alfred Döblin, der mit seinem rem Masse benötigt und besser auslastet. In der gesamten Schweiz Roman Berlin Alexanderplatz von 1929 die zeitgenössische Grossstadt könnten jährlich bis zu zwei Milliarden Franken an Infrastrukturen vorbehaltlos zur eigenen Sache machte, schrieb fünf Jahre vor Veröf- eingespart werden, wenn man verdichtet bauen würde. Suburbia ist fentlichung seines Werks: «Die Städte sind ( . . . ) der Korallenstock für das Produkt eines Wohlstands, der in der Geschichte der Menschheit das Kollektivwesen Mensch.» einmalig ist und wohl kaum aufrechterhalten werden kann. 4 Doch ist und bleibt das entscheidende Argument zu Gunsten der Bereits damals war klar, dass ohne dichte Ansiedlung Urbanität, Freilich nicht nur aus ökonomischen, sondern auch und vor allem also Austausch, gegenseitige Anregung, produktive Auseinanderset- aus ökologischen Gründen. Der gegenwärtige Landschaftsverbrauch zung so gut wie unmöglich sind. So haben sich auch die Vorhersagen durch Baulandausweisung ist unverantwortlich: Selbst in der ver- nicht bewahrheitet, in der neuen Ära der ubiquitären Telekommuni- gleichsweise klug bewirtschafteten Schweiz beträgt er etwa einen Qua- kation würde die Aufgabe der Stadt als Begegnungsort obsolet wer- dratmeter pro Sekunde. Und auch abgesehen von der Naturzerstö- den. Im Gegenteil: Gerade jene Menschen, die viel mit dem Compu- rung, die sie rein flächenmässig mit sich bringt, stellt jede Ansiedlung ter arbeiten, wollen nicht isoliert bleiben und suchen verstärkt die per- eine Umweltbedrohung dar. Ihre Energie- und Verschmutzungsbilanz sönliche Begegnung. Dabei hat das Internet auch die integrative verschlechtert sich exponentiell, wenn die Stadt nicht mehr eine Stadt, Funktion der urbanen Ballungsräume nicht übernehmen können. sondern Suburbia ist. Hinzu kommt die Versiegelung von unverhält- Diese integrative Funktion ist umso bedeutsamer geworden, je mehr nismässig grossen Naturflächen, womit das ökologische Gleichge- die vor allem ökonomisch bedingten Migrationsströme die Kulturen wicht zusätzlich belastet wird. zusammenwürfeln. Dabei sind die zufälligen Begegnungen, die durch- Harajuku, Japan, 2005 aus auch Irritationen hervorrufen, die beste Gewähr gegen Fragmentierung und Extremismus. Denn sie zeigen die Unterschiede auf, aber auch die Möglichkeiten, trotz der Unterschiede dadurch zusammenzuleben, dass man über sie hinweg kommuniziert. Dies ist nicht nur Überlebensstrategie, sondern Bereicherung. Die Städte sind öffentliche Einrichtungen für die Produktion individueller Erlebnisse. Je dichter die Stadt, desto mehr Erlebnisse birgt sie: nicht nur zur Sittenverfeinerung und Erbauung, sondern auch zum kultu- Vittorio Magnago Lampugnani, geboren 1951 in Rom, studierte Architektur an den Universitäten von Rom und Stuttgart. Seit 1994 ist er ordentlicher Professor für Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich, daneben führt er zusammen mit zwei Partnern ein eigenes Architekturbüro in Mailand. Zahlreiche Publikationen zu Fragen des Städtebaus. rell und möglicherweise auch wirtschaftlich produktiven Vergnügen. Joël Tettamanti, geboren 1977 in Efok (Kamerun), 1997–2001 Ausbildung zum Fotografen an der École cantonale d’art de Lausanne (ECAL). Seither freischaffender Fotograf in Lausanne und Les Breuleux, zahlreiche Ausstellungen und Publikationen im In- und Ausland. www.tettamanti.ch ARCH 148 VERFORMT 5 Das Centre Esplai in der Nähe von Barcelona zeichnet sich durch eine in jeder Hinsicht auf Nachhaltigkeit bedachte Architektur aus. In diesem Zusammenhang kommt der Fassadengestaltung eine entscheidende Rolle zu. Centre Esplai, El Prat de Llobregat, Spanien SOZIAL UND ÖKOLOGISCH WERTVOLL 6 ARCH 148 VERFORMT 7 «EINE WESENTLICHE RICHTLINIE BEI DER ENTWICKLUNG DIESES PROJEKTS WAR DIE MINIMIERUNG DES STROMVERBRAUCHS. DANK SEINER AUSRICHTUNG, SEINER WÄRMEISOLIERENDEN HÜLLE UND SEINER SONSTIGEN MATERIALIEN UND EINRICHTUNGEN IST DER BAU EIN BEISPIEL FÜR EINE NACHHALTIGE ARCHITEKTUR AUF HOHEM NIVEAU.» CARLOS FERRATER UND NURIA AYALA 8 Im Barrio Sant Cosme in El Prat bei Barcelona wurde im Mai 2007 das Centre Esplai eingeweiht. Es handelt sich um einen riesigen Gebäudekomplex mit unterschiedlichsten Funktionen: Zum einen ist darin eine Jugendherberge untergebracht, die mit 344 Zimmern die grösste in ganz Katalonien ist. Zum anderen enthält das Gebäude zahlreiche Büros der Bauherrschaft, der Fundació Catalana de l’Esplai, sowie diverse Schulungs- und Gemeinschaftsräume. In unmittelbarer Nähe befindet sich das Delta des Llobregat, eine Naturlandschaft von hohem ökologischem Wert – aber auch eine Nachbarschaft, die als sozial problematisch eingestuft wird. Dieser Standort ist mit Bedacht gewählt worden: Das Centre soll nicht nur das Delta für Kinder und Jugendliche erschliessen, die mittels geführter Besuche und spezieller Kurse auf ökologische Fragestellungen aufmerksam gemacht werden, sondern mit seinen attraktiven Infrastrukturangeboten auch dazu beitragen, die Situation im Quartier zu stabilisieren. Das gemeinsam mit dem Ökologie-Spezialisten Ramon Folch entwickelte Gebäude ist auf eine nachhaltige, Energie sparende Nutzung ausgelegt. Dies umfasst einen entsprechenden Umgang mit Wasser, die Nutzung erneuerbarer Energien, Sonnenkollektoren auf dem Dach für die Bereitstellung von Warmwasser und – insbesondere an dieser geografischen Lage – einen wirksamen Sonnenschutz, der eine Überhitzung des Gebäudes vermeiden beziehungsweise aufwändige Lüftungs- und Kühlsysteme ersparen soll. Der Fassadengestaltung kam daher besondere Bedeutung zu. Es galt, dem Centro trotz unterschiedlicher Nutzungen einen einheitlichen Ausdruck zu verleihen und dabei erhöhte Anforderungen an Nachhaltigkeit und Raumkomfort zu erfüllen. Der Komplex besteht aus einem Kopfbau für die Büros der Fundació Catalana de l’Esplai sowie aus einem schmalen, winkelförmigen Zimmertrakt. Das Erdgeschoss ist gemeinschaftlichen Nutzungen vorbehalten. Unter anderem gibt es einen grossen Saal, Schulungs- und Aufenthaltsräume, eine Bibliothek und den Speisesaal der Jugendherberge. Diesem einfachen Grundriss steht ein komplexes System von Belichtungs- und VerschattungsStandort Barrio Sant Cosme, El Prat de Llobregat, Spanien Bauherrschaft Architekten Bauzeit Fundació Catalana de l’Esplai, Barcelona Carlos Ferrater mit Nuria Ayala, Barcelona 2006–2007 (Wettbewerb 2004) Fassadenbau Bauherrschaft Material SWISSPEARL® PLANEA, in drei Spezialfarben Grundrisse 1:1000 ARCH 148 VERFORMT 9 10 11 12 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 1 2 3 4 5 6 7 8 11 12 9 Vertikalschnitt 1: 20 10 13 Faserzementplatte Profil UPN 270 Wärmedämmung Gipsplatte Rohrprofil 40 ✕ 40 x 3 mm, Hilfstragstruktur L-Profil 40 ✕ 40 mm, Fassadenstütze Kastenrahmen mit rostfreiem Stahlblech, mattiert Stahlfenster, mattiert Fenstermechanik Winkel aus rostfreiem Stahl, mattiert Isolationsplatte, extrudiertes Polystyrol Betonplatte zum Schutz der wasserdichten Membran Beton BÜROTRAKT: HINTER DER SCHRÄGEN FASSADE ÖFFNET SICH EIN HOHER, DURCH EIN OBERLICHT ERHELLTER LUFTRAUM. Schnitt A-A 1: 200 ARCH 148 VERFORMT 11 elementen gegenüber. Die Fassade wurde unter Berück- Auf der anderen Seite des Traktes, wo sich die Zimmer sichtigung der Orientierung aus dem Schnitt heraus ent- befinden, weist das Gebäude ein ganz anderes Erschei- wickelt. Im Zimmertrakt ist sie auf der Seite des Erschlies- nungsbild auf. Die Fassade wird durch eine Schicht von sungsgangs komplett geschlossen; weil sie aber schräg ist Balkonen gebildet, die jeweils den einzelnen Zimmern zu- und in einem Oberlicht endet, sind die Gänge in den obe- geordnet sind. Um eine Aussicht zu ermöglichen und die ren Geschossen eigentlich Galerien, und der dreieckige Zimmer dennoch vor zu viel Sonneneinstrahlung zu Luftraum wird bis zuunterst durch gestreutes zenitales schützen, haben die Architekten auch hier ein System von Licht erhellt. Die Bürofassade ist bis auf wenige kleine offenen und geschlossenen Bereichen entwickelt. Vor die Öffnungen sowie auf eine grosse, mit Brise-Soleils verse- Balkone sind leuchtend rote, blaue und gelbe Faserze- hene Verglasung auf der anderen Seite ebenso gestaltet. In mentplatten montiert, die als Brüstung wie auch als fest beiden Fällen ist die Aussenhaut als isolierte und hinterlüf- montierter Sonnenschutz fungieren. Nicht nur die Far- tete Konstruktion konzipiert, die mit hochformatigen ben, sondern auch die unterschiedlichen Formate der grauen Faserzementplatten verkleidet ist. Damit konnten Platten sind unregelmässig verteilt, sodass sich ein ab- die ökologischen Anforderungen an die Fassade erfüllt wechslungsreiches Muster ergibt, das den strengen Char- und die Geometrie der schiefen Flächen berücksichtigt akter der Gangfassade kontrastiert und die Vielfalt der werden. Je nach Anordnung der Platten ergeben sich ge- jungen Gäste widerspiegelt. Judit Solt schlossene oder mit Lochfenstern durchsetzte Flächen. 12 ZIMMERTRAKT DER JUGENDHERBERGE: BUNTE FASERZEMENTPLATTEN DIENEN ALS BRÜSTUNGEN UND SONNENSCHUTZ UND WIDERSPIEGELN DIE VIELFALT DER GÄSTE. ARCH 148 VERFORMT 13 Ausgangspunkt für die Gestaltung dieses Bankenprojekts waren der Ausbau und Wandel der in der Stadtplanung verwendeten Sprache. Man wollte der Stadt ein neues Image geben und für den Auftraggeber ein Wahrzeichen schaffen. Der Bau sollte zum Zentrum eines neuen, florierenden Geschäftsviertels werden. Hypo-Alpe-Adria-Bank, Zagreb, Kroatien STÄDTEBAULICHES SCHWERGEWICHT 14 ARCH 148 VERFORMT 15 Grundriss 1 2 7 3 4 DIE VERKNÜPFUNG VON ALTEM UND NEUEM, VON MISSVERSTANDENEN UND UNVOLLENDETEN KONZEPTEN TRÄGT WESENTLICH ZUM VERSTÄNDNIS DER FUNKTIONELLEN UND FORMALEN WERTE DES GESAMTEN BAUKOMPLEXES BEI. 5 6 2 6 1 2 3 4 Vertikalschnitt 1:20 4. Obergeschoss 16 1 2 3 4 5 6 7 Faserzementplatte Luftschicht Wärmedämmung Beton U-Profil, Aluminium Deckenverkleidung Stahlhilfskonstruktion 80 ✕ 80 ✕ 4 mm Über die letzten Jahrzehnte sind mehrere Stadtentwicklungs- und Aussenräume sowie der zurückhaltende Gebrauch pläne für das Zagreber Quartier Trnje ausgearbeitet worden, von Farbe unterscheiden die Anlage von der euklidischen bei denen eine neue und hochaktuelle Sensibilität hinsichtlich Architektur der Umgebung. der Stadtgestaltung im Vordergrund stand. Letztlich wurde Thom Mayne hat für dieselbe Bauherrschaft ein Ge- aber keiner dieser Pläne in die Tat umgesetzt. Dies aufgrund bäude in Udine und eines in Klagenfurt entworfen; beim der unterentwickelten und ineffizienten Wirtschaft, die ihrer- Bau in Zagreb war ihm jedoch nicht dieselbe Gestaltungs- seits die Folge eines ineffizienten politischen Systems war, freiheit vergönnt, da sich die Vertreter der Bank als äusserst denn die Bestrebungen der Architekten deckten sich nicht pragmatisch und sparsam erwiesen. Die zwischen den ein- mit der Wirklichkeit. In den Neunzigerjahren weckten poli- zelnen Gebäuden vorgesehenen zahlreichen Stege, Durch- tische und wirtschaftliche Veränderungen sowie Reprivatisie- gänge, Brücken und Verbindungswege, die den Verlauf der rungsbestrebungen neues Interesse an der Realisierung klei- früheren Strassen und Grundstücksgrenzen nachgezeich- neren Wohneigentums auf den zersplitterten Parzellen des net hätten, wurden nie gebaut. Zudem musste die diago- verbliebenen Baugrundes. Diese Verknüpfung von Altem nale Ausrichtung der einzelnen Flügel verändert werden, und Neuem, von missverstandenen und unvollendeten Kon- damit die Baukosten geringer blieben, aber auch um zepten bildet den Kontext, in dem die Überbauung der die Gebäudestruktur zu verstärken, denn Zagreb liegt in Hypo-Alpe-Adria-Bank Form angenommen hat, und trägt einem erdbebengefährdeten Gebiet. Toni Beslic Die verwendeten Materialien berühren, überschneiden und durchdringen einander. Faserzementplatten und Glasflächen bestimmen den Gesamteindruck der Überbauung. wesentlich zum Verständnis ihrer funktionellen und formalen Werte bei. Der überzeugend und logisch entwickelte Entwurfsge- Standort Slavonska Avenija 6, Zagreb, Kroatien Bauherrschaft Alpe Adria Investments d.o.o., Zagreb Thom Mayne, Santa Monica, danke Thom Maynes, Architekt des in Los Angeles behei- Entwerfende Architekten mateten Teams Morphosis, beruht auf drei wesentlichen und Robert Somek, Zagreb Aspekten: dem Kontext, dem Dialog mit der Umgebung Ausführende Architekten und der starken gestalterischen Geste. Der voluminöse Moser Architekten, Wien Haupttrakt bildet den Schwerpunkt der Bank parallel zur Bauzeit breiten Hauptverkehrsachse und stellt damit im Vergleich Generalunternehmer zur früheren unregelmässigen Parzellierung ein ordnen- Fassadenkonstruktion des Element dar. In anderen Teilen des Komplexes befin- Fassadenmaterial SWISSPEARL® CARAT, den sich rentable kommerzielle Nutzungen. Die eine Anthrazit 7020 Tehnozone d.o.o., Zagreb; 2003–2007 Grupa Investinženjering, Zagreb KFK Tehnika d.o.o., Zagreb Gruppendynamik erzeugende Gestaltung der Volumen ARCH 148 VERFORMT 17 Bei diesem für den Dachfenster-Hersteller Velux errichteten Geschäfts- und Lagerhaus wurde das Dach in eine gefaltete Fassade umgewandelt. Dadurch konnte man sich die einzigartigen Möglichkeiten der Hinterlüftung zunutze machen. Velux/Kalcer Geschäfts- und Lagerhaus, Trzin, Slowenien DAS DACH UMWANDELN 18 ARCH 148 VERFORMT 19 Der rasche wirtschaftliche Aufschwung in Ländern des früheren Jugoslawien führte zur Entwicklung von Industriezonen und Geschäftszentren, für die es keinerlei planerische Auflagen gab. Für das entwerferische Gestalten 1 stellt das für solche Gebiete typische Fehlen jeglicher ar- 2 chitektonischer Kohärenz eine grosse Herausforderung 3 dar und bietet zugleich zahllose Möglichkeiten. Das von 4 der slowenischen Architektengemeinschaft Arhiveda er- 5 baute Geschäfts- und Lagerhaus Velux/ Kalcer in Trzin ist 6 ein Bilderbuchbeispiel für eine solche auf sich selbst ver- 7 weisende Architektur. 8 Das Gebäude besteht aus zwei sehr unterschiedlichen 9 Teilen. Das Lagerhaus aus vorfabrizierten Betonelementen 10 ist formal einfach und reduziert ausgebildet. Der BüroBaukörper hingegen, eine im freien Vorbau erstellte Stahlkonstruktion, ist an der Betonstruktur des Lagerhauses befestigt und ragt in der Länge beidseitig um drei Meter über diesen Baukörper hinaus. Das Entwurfskonzept ergab sich aus der Bauaufgabe selbst. Aufgrund der Tatsache, dass Velux Dachfenster herstellt, wurde das Dach über dem Bürovorbau in eine fliessende Fassade aus verschieden stark abgeschrägten Flächen umgewandelt. Die gefaltete Fassade ist mit graublauen Swisspearl-Platten verkleidet, sodass die einmaligen Vorteile eines hinterlüfteten Fassadensystems zum Tragen kommen. Sechzehn Dachfensterbänder erstrecken sich von oben 11 nach unten über die beiden Geschosse des Bürovorbaus 12 13 hinweg und unterstreichen das expressive Erscheinungsbild. Diese «Hauptfassade» zieht die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf der vierspurigen Strasse von und 1 nach Ljubljana auf sich. Auch das funktionale Konzept 2 des Baus ist auf den motorisierten Verkehr ausgerichtet: 5 Die Parkplätze befinden sich unter dem auskragenden Bü- 3 roteil; Besucher betreten das Gebäude durch einen 4 schmalen Durchgang, der zu zwei getrennten Büroeinheiten führt, von denen jede über ihren eigenen multifunktionellen Eingangsbereich verfügt. Die ausdrucksstarke Fassade beherrscht auch das Gebäudeinnere und verleiht den verschiedenen Büros, Sitzungs- und Vorführungsräumlichkeiten einen unverwechselbaren Charakter. Vertikalschnitt 1:20 Patrick Zamariàn Standort Ljubljanska cesta, Trzin, Slowenien Bauherrschaft Kalcer d.o.o., Trzin; Velux Slovenija, Trzin Architekten Arhiveda d.o.o., Ljubljana; Marko Mandelj, Rafko Napast, Mladen Muck Baujahr 2006 Fassadenkonstruktion Miran Lamovšek, Moste Fassadenmaterial SWISSPEARL® NOBILIS, R-Color blau N 411R 20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Faserzementplatte Perforierte Z-Profile 40 mm Sperrholzplatte 15 mm Sperrholz 15 mm Unterkonstruktion Fassade, Holzrahmen, 160 mm Wärmedämmung 250 mm Dampfsperre Stahlhilfskonstruktion 50 mm Gipskartonplatte 25 mm Unterkonstruktion Fassade 100 ✕ 100 mm Stahlbeton Stahlkonstruktion, Wärmedämmung 150 mm Luftschicht Querschnitt 1:1500 Grundriss «DIE FASSADENFLÄCHEN WERDEN ZU EINEM ABSTRAKT WIRKENDEN DACH MIT UNTERSCHIEDLICH STARK GENEIGTEN SCHRÄGEN, DIE JE NACH STANDORT DES BEOBACHTERS DEN RHYTHMUS UND DIE WAHRNEHMUNG DES GEBÄUDES BESTIMMEN.» MARKO MANDELJ, ARHIVEDA ARCH 148 VERFORMT 21 22 Søndersøparken, Viborg, Dänemark AUF DER SUCHE NACH PLASTIZITÄT Søndersøparken stellt in zwei miteinander verbundenen Hochhäusern Patientenzimmer und gemeinnützige Wohnungen zur Verfügung. Im Entwurf wurde der Wunsch nach Plastizität mit funktionellen und wirtschaftlichen Überlegungen vereint. ARCH 148 VERFORMT 23 Mst 1:500 GRAUE FASSADENPLATTEN DIENEN ALS VERKLEIDUNG DES ATTIKAGESCHOSSES UND DES TREPPENHAUS-RISALITEN, SICHTBACKSTEIN DOMINIERT DIE RESTLICHEN GEBÄUDETEILE. DIE FASSADENFÜLLUNGEN ZWISCHEN DEN FENSTERN SIND DURCH HOLZLATTEN STRUKTURIERT. 3og Die 1970 gegründete Architektengemeinschaft Arkitema hat sich als eines von Dänemarks führenden Büros eta- Mst 1:500 bliert. Im Auftrag der Viborg Hospital und der Viborg Housing Society begannen Arkitema 2005 mit dem Bau eines achtgeschossigen Patientenhotels und Wohnungsbaukomplexes in Søndersøparken. Die 2006 fertiggestellte Anlage umfasst 56 Patientenunterkünfte in einem symme- 4ogwährend ein zweites mehr trisch ausgelegten Hochhaus, oder weniger identisches Hochhaus 30 gemeinnützigen Wohnungen Platz bietet. Ein gemeinsamer Zugangsbe- Grundriss 4. Obergeschoss 1:500 reich und eine unterirdische Parkgarage verbinden die beiden Türme. Alle Ebenen vom 2. bis einschliesslich 7. Obergeschoss verfügen sowohl im Patienten- wie auch im Wohnungsteil über einen von aussen sichtbaren Mehrwert an Wohnraum. Denn dieser zusätzliche Raum ist in erkerartig vorspringenden Baukörpern untergebracht, die dem Gebäude als Ganzem Plastizität verleihen. Das oberste Geschoss des Patiententrakts umfasst ein Restaurant, ein Café und ein Konferenzzimmer, 3og die um eine zentrale Küche angeordnet sind. Der Wohntrakt wird von zwei Penthouse-Wohnungen mit grossen Terrassen gekrönt. Attikageschoss und Treppenhaus-Risalit sind mit horizontal strukturierten grauen Fassadenplatten verkleidet, 24 Grundriss 3. Obergeschoss während der Rest des Gebäudes durch Sichtbackstein beherrscht wird. Zentrales Element der Fassadengestaltung sind die von Backstein gerahmten Fensterfelder, die sich über alle sechs Geschosse der Erkervorbauten erstrecken. Die freie Kombination von Fenstern, gefüllten Feldern und Fassadenplatten bildet einen Gegensatz zur strengen 7 Symmetrie der beiden Hochhäuser. 8 Die stark kontrastierende Materialisierung der einzel1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 7 Horizontalschnitt 1:20 nen Gebäudeschichten sowie die Gestaltung der Erkerpartien mit ihrer Überspielung der Geschosshöhe und der Betonung ihrer Körperhaftigkeit sind wesentlicher Bestandteil des architektonischen Konzepts. Funktionelle und wirtschaftliche Überlegungen werden in den Dienst höchst möglicher plastischer Wirkung gestellt. Als Folge dieses «skulpturalen» Gestaltungsprinzips mussten die Architekten allerdings eine relativ komplexe Gebäudestruktur und unflexible, eingekapselte Grundrisse in Kauf nehmen. Patrick Zamariàn 8 Standort 9 Bauherrschaft 10 Society Vertikalschnitt 1:20 Architekten Ingenieur 1 2 3 4 5 Faserzementplatte Lattung 28 mm Windschutz Mineralwolle 125 mm Unterkonstruktion, abgedeckt mit Aluminiumwinkel, 40 ✕ 40 mm 6 Aluminiumfenster 7 Betonwand 8 Wasserdichtes Sperrholz 10 mm 1 2 3 4 5 6 7 8 Faserzementplatte Lattung 28 mm Windschutz Mineralwolle 150 mm Montagewinkel Abschlusswinkel aus rostfreiem Stahl Wasserdichtes Sperrholz 10 mm Imprägnierte Latte 45 ✕ 120 mm, an Ort eingebaut 9 Aluminiumabschlusswinkel 10 Fugenband Søndersøparken, Viborg, Dänemark Bauzeit Viborg Hospital und Viborg Housing Arkitema, Århus; Steen Rask Carl Bro, Viborg 2005–2006 Generalunternehmung und Fassadenkonstruktion: NCC, Århus; Per Vestergaard Fassadenmaterial SWISSPEARL® CARAT, Elfenbein 7090, SWISSPEARL® PLANEA, grau ARCH 148 VERFORMT 25 Dieses Hochhaus in der Hauptstadt von Grönland ist der erste Schritt zur Besiedlung eines leicht abfallenden Geländes zwischen dem Stadtzentrum und den dahinter aufragenden Bergen. Die beiden Hälften der Frontfassade sind abgeschrägt, die eine nach vorn, die andere nach hinten, sodass sie mit der Landschaft in einen dynamischen Dialog treten. Die Fassadenzeichnungen sind eine künstlerische Intervention zum Thema des in Grönland heimischen Berghasen. Wohnsiedlung Jagtvej, Nuuk, Grönland WOLKENWÄRTS IN DER LANDSCHAFT 26 ARCH 148 VERFORMT 27 Grundriss 1:400 «DER WOHNTURM IST DIE ERSTE ETAPPE EINES BAUVORHABENS, DAS ZWEI FREI STEHENDE HOCHHÄUSER, EINEN KINDERGARTEN UND EINEN GESCHÄFTSKOMPLEX VORSIEHT.» SCHMIDT HAMMER LASSEN Mit Grönland assoziiert man eher weite Schnee- und Eis- Der Hochhausblock besteht aus zwei voneinander ge- landschaften als Hochhäuser. Doch die Städte des Insel- trennten und abgesetzten Teilen, die an einen lichtdurch- staates liegen durchwegs an den eisfreien Küstenstrichen, fluteten gemeinsamen Eingangsbereich mit Treppe und und zwar mehrheitlich an der Westküste, wo das Meer Lift grenzen; dieser schiebt sich wie ein Keil zwischen die dank dem Golfstrom im Winter nicht zufriert. Nuuk ist beiden massiven Baublöcke. Während man sich durch das die Hauptstadt und zugleich die älteste und grösste Stadt Gebäude auf- oder abwärtsbewegt, geniesst man durch Grönlands. Sie liegt und an der Spitze einer Halbinsel, in die Glasfassaden den Ausblick auf die Landschaft. Durch der Mündung eines vielverzweigten Fjords. Hier steht seit die Zurückversetzung der Fassaden des Eingangsvolu- kurzem das höchste Haus des Landes. mens gegenüber jenen der massiven Baukörper wird eine Der zwölfgeschossige Wohnungsbau wurde von der skulpturale Wirkung erzielt und der Eindruck eines aus erfolgreichen dänischen Architektengemeinschaft Schmidt zwei schlanken Elementen bestehenden Turms hervorge- Hammer Lassen entworfen, welche in der arktischen rufen. Der Bau ist in einer einfachen Architektursprache Metropole vor zehn Jahren das mehrfach ausgezeichnete gestaltet: mit geschlossenen Fassadenflächen nach Nord- Kulturzentrum Katuaq errichtet hatte. Das Hochhaus ist westen und Südosten, die durch vertikale Fensterbänder der erste Schritt zur Besiedlung eines leicht abfallenden unterteilt sind, sowie Balkonen nach Nordosten und Süd- Geländes zwischen dem Stadtzentrum und den dahinter westen, die durch Glaswände voneinander getrennt sind. aufragenden Bergen. Das Gesamtprojekt besteht aus zwei Die geschlossenen Flächen sind in einem horizontalen identischen 12-geschossigen Wohnungsbauten – von de- Streifenmuster aus Faserzementplatten in einem warmen nen der eine bereits fertiggestellt ist, während sich der Dunkelgrau verkleidet. Als Kontrast zu den Glasflächen zweite noch in Ausführung befindet –, einem Kindergar- und Faserzementplatten wurden für die Balkonbrüstun- ten und einem Geschäftshaus für Büros und Detailhandel. gen und -geländer Lärchenholzlatten verwendet. Der Ge- Die Anlage wird einen städtebaulichen Akzent setzen, in- bäudesockel mit Natursteinverkleidung und offenen Fu- dem sie die historische Hauptachse der Stadt unter- gen ist als architektonische Entsprechung zur rauen Natur streicht. Im Kontext der gesamten Stadtentwicklungspla- der Umgebung aufzufassen. Michael Hanak nung spiegelt der Entwurf die Absicht zur städtebaulichen Verdichtung und Realisierung eines weithin sichtbaren Orientierungspunktes. 28 ARCH 148 VERFORMT 29 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Faserzementplatte Fensterbank, Aluminium Unterkonstruktion, gezackt Lüftung 25 mm Mineralwolle 50 mm Mineralwolle 125 mm Vorfabriziertes Betonwandelement 180 mm Deckenstirne in Ortbeton Ausgleichsschicht in Ortbeton Mineralwolle 150 mm Holzboden Deckenelement aus vorfabriziertem Beton Standort 2 Jagtvej, Nuuk, Grönland Bauherrschaft und Generalunternehmer: MT Højgaard 1 A/S, Grönland 3 Architekten 4 Bauzeit 5 2005–2007 (Hochhaus I und Kindergarten) Ingenieur 6 11 7 12 Schmidt Hammer Lassen, Kopenhagen Rambøll A/S, Dänemark Fassadenkonstruktion MT Højgaard A/S Fassadenmaterial SWISSPEARL® CARAT, 7020 und Elfenbein 7090 8 9 10 Vertikalschnitt 1:20 30 Anthrazit «DER HOCHHAUSBLOCK IST ZWEITEILIG UM EINEN LICHTDURCHFLUTETEN GEMEINSAMEN EINGANGSBEREICH MIT TREPPE UND LIFT AUSGEBILDET. AUSSERDEM IST DER GLÄSERNE LIFTSCHACHT IM VERGLEICH ZU DEN BEIDEN WOHNBAUKÖRPERN ZURÜCKVERSETZT, WAS DEM TURMPAAR ETWAS SKULPTURALES VERLEIHT UND DEN EINDRUCK EINES AUS ZWEI SCHLANKEN ELEMENTEN BESTEHENDEN HOCHHAUSES HERVORRUFT.» SCHMIDT HAMMER LASSEN ARCH 148 VERFORMT 31 Büro- und Wohnhaus Durnwalder, Bruneck, Italien Abstrakte Umgrenzung Das Büro im Erdgeschoss ist so angelegt, dass es sich zur Die eigenwillige Form des Hauses ergibt sich durch die angrenzenden Hauptstrasse wie ein Schaufenster öffnet. Begrenzung des Grundstücks und durch die urbanisti- Die separat erschlossene Wohnung in den zwei darüber schen Bestimmungen. Daraus leiten sich der eigenwillige liegenden Geschossen ist hauptsächlich nach Süden und spitze Winkel und die Zurückstufung des Dachge- Westen ausgerichtet und zur viel befahrenen Strasse be- schosses ab, die Fluchten der Fensterfront und der vorge- wusst geschlossen. Dieser Einteilung des Hauses wurde lagerten Balkonschicht weichen voneinander ab. Zusam- auch bei der Materialwahl Rechnung getragen. Unten mengehalten wird der abstrakt geformte Baukörper durch kommen Sichtbeton und Aluminium zum Einsatz, wäh- die einheitliche graue Materialisierung seiner äussersten rend oben Faserzement und Holz verwendet wurden. Umgrenzung. mh Standort Ahrntalerstrasse 26, St.Georgen/ Bruneck, Südtirol, Italien Bauherrschaft und Architekt Armin Durnwalder, St. Georgen/ Bruneck Bauzeit 2005–2006 Fassadenbau Leo Reinisch, Trimont Fassadenmaterial SWISSPEARL® CARAT, Anthrazit 7020 32 Grundrisse 1:500 Innenraumgestaltung Showroom: mobiles Spiel mit Eternit-Elementen Gegeben: Ein 200 Quadratmeter grosser Gewerberaum, der im Projekt Combimaison in Arth-Goldau integriert ist. Die Aufgabe: Den Gewerberaum temporär in einen Showroom verwandeln, den die Bauherrschaft flexibel nutzen kann; klassische Konzerte sollen ebenso darin stattfinden können, wie Verkaufsgespräche, Empfänge und Events mit Clubcharakter. Die Lösung: Die Innenarchitektin Lea Rohner vom Atelier A übertrug das modulare Konzept von Combimaison auf den Showroom, und zwar so, dass der Baustoff Eternit, das Fassadenmaterial des Projekts, immer wieder zitiert wird. Die Idee für das Mobiliar ist so einfach wie bestechend: Für die Gestaltung des Raums wählte Lea Rohner verschiedene Pflanzengefässe aus Eternit, die sie – frei nach Baukastensystem – zu Hocker, Garderobe und Bar umfunktionierte; mit der Wahl von Guhl-Sesseln und einer atmosphärischen Lichtgestaltung verlieh sie dem Raum die passende Lounge-Note. Olivgrüner Filz auf Hocker und Sessel und eine schwarze MDF-Platte als Finish für die Bar runden das flexible Interieur ab – das übrigens innerhalb von Minuten auf-, ab- oder umgebaut werden kann. Helene Aecherli Standort Sonneggstrasse 30, Goldau Architektur Atelier A, Rémy Ammann, Zürich Innenraumgestaltung Realisierung Atelier A, Lea Rohner, Zürich 2007 Designobjekte Pflanzengefässe Delta 35 und Delta 45, Alto und Gartenstuhl Loop mit Beistelltisch Pflanzengefässe aus Eternit wurden im Combimaison-Showroom zu Hockern und Bartheke umfunktioniert, was dem Raum jene modulare Note gibt, die charakteristisch ist für das ganze Projekt. ARCH 148 VERFORMT 33 Ausgezeichnet . . . Chicago AIA Awards Das American Institute of Architects (AIA ) in Chicago hat die Gewinner der «Design Excellence Awards» bekannt gegeben. Dabei erhielt das Gary Comer Youth Center von Architekt John Ronan (siehe ARCH 145), ein heiterer und farbenfroher Neubau im Süden der Stadt Chicago, mehrere Auszeichnungen, darunter die Ehrenpreise in den Kategorien «hervorragende Bauten» sowie «perfekte Details». In Hinsicht auf das begrünte Dach erhielt das Gebäude zudem eine spezielle Anerkennung für «nachhaltiges Bauen». Die Juroren schätzten besonders die Art, wie das Bauwerk «der Strassenseite eine geschlossene Fassadenhaut zuwendet, sich jedoch in den Innenräumen öffnet». Das «perfekte Detail» des Gebäudes betrifft das Verkleidungssystem für den Regenschutz sowie die Ausbildung der Fenster. An den Fassaden sind die Faserzementplatten in vielen verschiedenen Farben nach Zumtobel Group Award einem anscheinend zufälligen Muster angeordnet. Dies ermöglicht es, beschädigte Platten auszuwechseln, ohne Der erste Zumtobel Group Award geht in der Kategorie «Gebaute dass farbliche Unterschiede auffallen können. Architecture Umwelt» (Built Environment) an Morphosis Architects aus Los An- Week, 7. November 2007 geles mit ihrem San Francisco Federal Building (siehe Swisspearl Architecture 5). Besonders nachhaltige und humanitäre Konzepte im Bereich zeitgenössische Architektur und Bauwesen will der österreichische Lichtkonzern Zumtobel mit dem insgesamt 140 000 Euro dotierten Preis auszeichnen. Morphosis verbinden in dem kürzlich fertiggestellten Projekt modernste nachhaltige Technologien mit intelligenten Designstrategien und erschufen so ein architektonisches Wahrzeichen. Das Hochhaus überzeugte die internationale Jury insbesondere durch sein natürliches Belüftungssystem: «Dieses Gebäude ist ein Vorbild für nachhaltiges Bauen und vermittelt so eine starke Botschaft im urbanen Kontext, nicht nur in den USA, sondern weltweit.» mh 34 News SIGMA 8 – die Unsichtbare Vorgehänge hinterlüftete Fassade Nachhaltig und energieeffizient Entdeckt . . . Strandbad Tiefenbrunnen Luzius U. Graf, Architekt in Chur: «Wichtig waren der Bauherrschaft vor allem ein kostengünstiger Unterhalt sowie ein nachhaltiges beziehungsweise ökologisches und langlebiges Material. Das bedeutete: keine Anstriche und keine verputzten Bauteile. Gefragt war zudem ein bewährter, in Schichten erstellter Fassadenaufbau, der die Trennbarkeit von Materialien ermöglicht. Dies führte zum Entscheid für eine hinterlüftete Fassade mit dem Aussenbekleidungsmaterial Faserzement.» Faserzementplatten können von vorne unsichtbar an einer Fassade befestigt werden. Dadurch kommt der Charakter des Werkstoffs gut zur Geltung, und es ergibt sich ein repräsentatives Erscheinungsbild. Mit dem neuen System SIGMA 8 können jetzt auch die nur 8 Millimeter starken SwissDie herrliche Parkanlage und der fantastische Pano- pearl-Fassadenplatten so verlegt werden. Die innovative Befestigungsart schafft Minergie-Eco-zertifiziertes Mehrfamilien- ramablick über den See bildet ganzjährig eine Erho- neue, spannende Gestaltungsmöglichkei- haus Ringstrasse in Chur mit einer vorge- lungszone in der Stadt Zürich – im Sommer als Seebad ten für das gesamte Swisspearl-Plattensor- hängten hinterlüfteten Fassade. Fassaden- und im Winter als südlicher Abschluss der rechten timent mit seiner Vielfalt an Farben und material: CARAT, diverse Uferpromenade. Die Parkgestaltung im Wohngarten- Oberflächenaspekten. Die unsichtbare Be- Farben. SWISSPEARL® stil verschränkt sich mit der Pavillon-Architektur der festigung erfolgt mit einem eigens ent- 1950er Jahre. Eine Attraktion unter den differenziert wickelten, patentierten System der Eternit gestalteten Gebäuden bildet der Teepavillon: Seine auf- (Schweiz) AG. Mit optimal abgestimmten ragende, die Vertikale betonende Kegelform ist mit Komponenten ermöglicht es eine ratio- Welleternit eingedeckt. Die langen Garderobentrakte nelle Montage. mh sind mit hellroten kleinwelligen Platten versehen. Eine sehenswerte, in die Landschaft eingebettete Architektur. mh Strandbad Tiefenbrunnen, Zürich, 1952–1954 Architekt: Josef Schütz, Zürich ARCH 148 VERFORMT 35 Interview Was bewog Sie dazu, Architektin zu werden? Im Alter von 6 oder 7 Jahren begann ich, Gebäude zu zeichnen, vielleicht weil ich die räumlichen Eindrücke von Häusern, in denen ich gewesen war, nachbilden wollte. Interview mit Nuria Ayala, Architektin aus Barcelona Wo arbeiten Sie, und wie ist ihre Arbeit organisiert? Es ist eine flexible Berufsstruktur, die sich mit der komplexen Organisation von Gemeinschaftsprojekten befasst und in Zusammenarbeit mit anderen Büros und Spezialisten an den verschiedenen Realisierungsphasen teilhat. Welche Themen interessieren Sie bei Ihrer Arbeit am meisten? Ich interessiere mich vor allem für Projekte, die wirklich Form annehmen und als spezifische Bauten umgesetzt werden, die sich, wenn sie fertig sind, als nützlich erweisen, indem sie die Zwecke, für die sie konzipiert worden sind, erfüllen und der Gesellschaft dienen, in der wir sie entwickelt haben. Wer sind Ihre Vorbilder und warum? Von den Architekten der Vergangenheit bewundere ich Louis I. Kahn für seine reinen und kraftvollen geometrischen Grundformen, die seinen Bauten Monumentalität verleihen, und für seine poetischen Räume, die abstrakte Geometrien mit handfester Materialität verbinden. Und Tag für Tag teile ich meine Arbeit mit Carlos Ferrater, einem Meister seines Faches. 1975 geboren in Barcelona, Spanien 2001 Architekturdiplom an der Escola Tècnica Superior d’Arquitectura de Barcelona (ETSAB ) 1995–2000 Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros seit 2000 Mitarbeit im Büro von Carlos Ferrater in Barcelona Leitende Architektin und Mitarbeiterin in zahlreichen Projekten Welches ist Ihr Lieblingsgebäude? Eines davon ist die Moschee von Córdoba. Die Wiederholung von Elementen innerhalb eines Netzwerkes, das verschiedenste Nutzungen abdeckt (Gebet, Kommerz, Schule, Treffpunkt) und unendlich viel Raum umfasst. Ein weiteres ist Mies van der Rohes Farnsworth House, mit seiner Thematisierung von öffentlich-privat, von und Wettbewerben Natur und Innenraum, mit seinem kleinen und trotzdem grosszügigen Massstab. siehe auch Seite 6 und www.ferrater.com Was würden Sie als Ihren grössten Erfolg auf dem Gebiet der Architektur bezeichnen? Die Realisierung des Centre Esplai, einer gesellschaftlich relevanten Bauaufgabe, und zwar bezüglich des Projekts an sich und dessen, was es darstellt als Ausdruck einer Neuorientierung der Fundació Catalana de l’Esplai, sowie der Organisationen und Leute wegen, die dort arbeiten. Wichtig ist mir auch die positive Entwicklung, die das Zentrum seinem Standort San Cosme, einem Stadtviertel von El Prat de Llobregat, gebracht hat, die Entwicklung zu einem lebendigen und komplexen Ort. Der Neubau, sein Programm und seine Materialisierung machten die Stadt schöner und reicher. Wie finden Sie für die Gestaltung eines Projekts das richtige Material? Die Wahl beruht auf der endgültigen Materialisierung der Entwurfsidee oder ursprünglichen Skizze. Wir analysieren und optimieren die Details und den Bauprozess. Warum verwenden Sie Faserzementplatten? Bei unserem letzten Bau, dem Centre Esplai, haben wir sämtliche Aussenfassaden mit Faserzementplatten (Swisspearl Reflex Platinum) verkleidet. Wir spielten dabei mit den Standardgrössen der Platten, denn so konnten wir die «Gebäudehaut» entsprechend den zu Beginn der Projektierung festgelegten Parametern – wie Einfachheit, Funktionalität und Durchführbarkeit – realisieren. Für die innere Haut, die nach innen gerichtete Fassade der Jugendherberge, verwendeten wir Platten in besonderen Farben gemäss unseren Vorgaben: Mirós Primärfarben (Rot, Gelb und Blau), die soziokulturellen Kriterien entsprechen. 36 Impressum Herausgeber Eternit (Schweiz) AG, 8867 Niederurnen Telefon 055 617 11 11, Fax 055 617 15 02 [email protected], www.eternit.ch Redaktion Michael Hanak, Zürich Beirat Stefan Cadosch, Eternit (Schweiz) AG, Niederurnen Gestaltung Bernet & Schönenberger, Zürich Planbearbeitung Rheindesign, Sandra Eichmann, Winterthur Übersetzung Christa Zeller, Zürich (S. 14–32, 36) Korrektorat Barbara Raschig, Zürich Druck Südostschweiz Print AG, Chur Fotos Eternit (Schweiz) AG, Niederurnen (S. 1) Joël Tettamanti, Les Breuleux (S. 2–5) Roland Halbe, Stuttgart (S. 6–13, 34 unten) Moser Architekten, Wien (S. 14) Erika Petric, Wien (S. 15, 17) Miran Kambic, Radovljica (S. 18–21) Timme Hovind, Kopenhagen (S. 22–25) Adam Mørk, Kopenhagen (S. 26–31) Jürgen Eheim, Brixen (S. 32) Jürg Zimmermann, Zürich (S. 33) Steve Hall, Hedrich Blessing, Chicago (S. 34 oben) Luzius U. Graf, Chur (S. 35 links) Michael Hanak, Zürich (S. 35 rechts) Carlos Ferrater und Nuria Ayala, Barcelona (S. 36) Redaktionsadresse Redaktion ARCH, Postfach 203, 8024 Zürich [email protected], Telefon und Fax 044 241 35 28 Abonnemente und Adressänderungen Eternit (Schweiz) AG, 8867 Niederurnen [email protected], Fax 055 617 15 02 Preis Einzelheft CHF 10.– Den Inhalt der Zeitschriftenbeiträge verantworten die jeweiligen Autorinnen und Autoren. Gemäss dem allgemeinen Sprachgebrauch wird Eternit auch als Gattungsbezeichnung für Faserzement verwendet. Die Eternit (Schweiz) AG stellt hiermit jedoch klar, dass es sich beim Begriff ETERN IT um einen Firmennamen und eine geschützte Marke handelt. Die Pläne wurden freundlicherweise von den Architekten zur Verfügung gestellt. Die Detailpläne wurden zur besseren Lesbarkeit überarbeitet; für deren Richtigkeit kann die Redaktion keinerlei Garantie übernehmen. Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Gesamtauflage 16 500 Exemplare Deutsche Ausgabe ISSN 1661-3279 Französische Ausgabe ISSN 1661-3287