Kindertagesstätte IN BREMEN Standort St. Petri Kinderhaus, Bremen-Osterholz Architekten Westphal Architekten BDA, Bremen Birgit Westphal, Jost Westphal Fassaden- und Dachmaterial Eternit Fassadentafel Equitone Natura (Fassade) Eternit Fassadentafel Equitone Textura (Dach) Fotos: Klemens Ortmeyer Fassade, Traufe, Dach | Vertikalschnitt 12 1 : 10 Die neue Kindertagesstätte bildet den südlichen lüfteten Faserzementtafeln erhält das Volumen einen Abschluss eines bestehenden Gebäudeensembles ungewöhnlichen skulpturalen Charakter. Außerge- ist bei dieser Dacheindeckung mit den großformatigen Tafeln erforderlich. Rinne und Fallrohre liegen auf dem Gelände der St. Petri Waisenhausstiftung, wöhnlich ist auch die Anordnung und Gestaltung der hinter der Fassade und sind nicht sichtbar. Im Inneren auf dem sich bereits verschiedene Einrichtungen für Fensteröffnungen: übereckgehende Fensterbänder, ist die vierzügige Kindertagesstätte licht und hell. Kinder und Jugendliche befinden. Zur Straße zeigt Fenster, die am oberen Rand der Fassade sitzen und Selbst die mittig angeordneten Flure erhalten im sich das Gebäude als ein eingeschossiger Baukör- in die Dachfläche abknicken, und plastisch hervor- Erdgeschoss durch das große Treppenhausfenster per mit einem überhöhten Dachgeschoss. Auf der tretende Spielerker für die Gruppenräume. Letztere und im Obergeschoss durch die Fenster entlang den Gartenseite entwickelt es sich im Bereich der Grup- sind mit farbigen Faserzementtafeln eingefasst, um eingeschnittenen Dachterrassen auf der Gartenseite penräume zu zwei Vollgeschossen. Durch seine poly- ihre besondere Nutzung zu betonen. Das geneigte, viel Tageslicht. gonale Grundrissgeometrie und die einheitliche Ge- kurze Pultdach ist ebenfalls mit cremeweißen Faser- bäudehülle aus cremeweißen vorgehängten, hinter- zementtafeln gedeckt. Ein wasserdichtes Unterdach 13 Fragen an unseren gestalterischen Vorstellungen entsprachen. So stießen wir relativ bald Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – in Hinblick auf die Architektur? auf die Faserzementtafeln von Eternit, die die genannten Anforderungen sowohl Ich wünsche mir, dass Architektur einen anderen Stellenwert in unserer Gesell- für die Fassaden als auch für den Dachbelag erfüllten. Birgit Westphal schaft erhält, dass der Architekt mit seiner Tätigkeit nicht, wie bei der Auslobung vieler VOF-Verfahren – zum reinen Dienstleister degradiert wird. Ich wünsche mir, Westphal Architekten BDA, Bremen dass „Baukultur“ in unserer Gesellschaft an Bedeutung gewinnt und, wie in manch Die Kindertagesstätte weicht deutlich vom sonst üblichen Klischee der kusche- anderen Ländern, schon in den Schulen der Mehrwert von guter Gestaltung, von ligen, verspielten Kindergärten ab. Ist Ihnen bekannt, wie das Gebäude bei den Architektur und von räumlichen Qualitäten vermittelt wird. heutigen Nutzern ankommt? Haben sich die Kinder das Gebäude inzwischen angeeignet? Wir hatten das Projekt im Rahmen eines Wettbewerbs gewonnen. Mit der Prämie- Was und für wen würden Sie gerne einmal bauen? rung unserer Arbeit haben die Nutzer sich eindeutig zu den klaren Strukturen des Ich würde sehr gerne einmal einen sakralen Raum entwerfen und bauen. Denn Gebäudes bekannt, da die anderen Arbeiten gänzlich andere Lösungen vorschlu- gerade hier ist das reine Erlebnis des Raums durch reduzierte Formen, wenige gen. Während der Planungsphase haben wir die Tagesabläufe und die Anforde- ausgewählte Materialien und die Inszenierung des Tageslichts besonders spürbar. rungen an die Räume mit der Leitung und den Pädagogen in vielen gemeinsa- Ich plane für jeden gern – außer für uns selbst privat. men, intensiven Gesprächen erarbeitet, so dass diese auch nach der Umsetzung wirklich gut funktionieren. Die Rückzugsmöglichkeiten für Kinder gibt es auch in unserem Haus, zum eiFrau Westphal, bitte erläutern Sie uns die Entwurfsphilosophie des Büros West- sondere neue Aufgabenstellungen als besonders reizvoll. Jedoch waren wir in nen durch Differenzierungsräume, zum anderen durch die sogenannten „Spiel­ phal Architekten. den ersten Jahren unserer Selbstständigkeit verstärkt mit sozialen Projekten (Se- erker“, die sich in jedem Gruppenraum und in der Spielarena an der Fassade Unsere Entwürfe sind geprägt durch die intensive Auseinandersetzung mit dem nioren-, Alten- und Wohnheimen für Menschen mit besonderen Anforderungen) abzeichnen, und zuletzt natürlich durch die Möblierung, die dem Nutzer in den Kontext, mit dem Bauherren, dem Nutzer und vor allem mit dem Ort. Wir unter- beschäftigt, seit etwa vier Jahren bearbeiten wir auch vermehrt Wohnungsbau- flexibel gestaltbaren Räumen ermöglicht, unterschiedliche Zonen flexibel und suchen diese Entwurfsparameter, analysieren sie, werten sie aus und filtern da- projekte, Verwaltungsgebäude und Bildungseinrichtungen jeglicher Art. nach Bedarf der jeweiligen Kindergruppe auszubilden. bei spezifische Aspekte und Kriterien heraus, die dann anstehende strukturelle Wir bearbeiten vom ersten Beratungsgespräch bis zur Mängelbeseitigung alle Das Gebäude ist, sowohl in der Farbgestaltung wie auch in der Zonierung der und gestalterische Entscheidungen beeinflussen. Während dieser inhaltlichen Leistungsphasen. Unseres Erachtens ist nur durch die intensive und kontinuier- Räume, relativ neutral gehalten und somit sehr flexibel nutzbar. Es ist in hellen Na- analytischen Auseinandersetzung entstehen in der Regel visionäre Bilder, eine liche Begleitung und das Ineinandergreifen der einzelnen Leistungsphasen die turtönen gestaltet, die Farbgebung erfolgt einzig durch die unbehandelte Ober- übergeordnete Idee oder ein Leitbild. Dieses Zusammenspiel von rationalen und Umsetzung des Entwurfs bis ins Detail gesichert, so dass ein ganzheitlich gestal- fläche der Materialien. Ausnahme hierzu bilden nur besondere Orte im Haus, wie emotionalen Entscheidungen macht dann den architektonischer Entwurf nicht tetes und stimmiges Projekt entstehen kann. die Garderoben, die Rückwand der Gruppenräume und die Spielerker. Diese sind farbig gestaltet – in Farbtönen mit reduzierter Sättigung. Wir haben die Räume nur selbstverständlich, sinnfällig, plausibel, sondern auch in gewisser Weise sinn- bewusst neutral gehalten, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Räume lich. Da die Rahmenbedingungen jedoch bei jedem Entwurf sehr unterschiedlich sind, unterscheiden sich auch unsere Entwurfsansätze bei den Projekten. Was alle Welche Bedeutung hat die Werkstoffwahl im Rahmen Ihres architektonischen zu bespielen und sie individuell zu gestalten. Dies ist nach kürzester Zeit auch so unsere Projekte jedoch gemeinsam haben, ist das strukturelle Denken, die Suche Konzepts? geschehen. Wir haben durchweg positive Rückmeldungen seitens des Bauherrn, nach reduzierten Formen, wenigen, ausgewählten Materialien und das Model- Wir setzen uns als eines der Entwurfsparameter natürlich auch mit den Materi- der Erzieher und der Eltern. lieren aus der Masse. Ein weiteres wesentliches gestalterisches Element ist dabei alien des Orts und mit der Werkstoffwahl im Rahmen unseres architektonischen die Modulation von Tageslicht und die Inszenierung von Raumbegrenzungen im Konzepts auseinander. Aber die Wahl des Werkstoffs hat nicht bei jedem Projekt Zusammenspiel mit dem Licht und dem Material. die gleiche Bedeutung. Mag sie für ein Projekt entwurfsbedingt sehr wichtig sein, Was motiviert Sie und was inspiriert Sie in Ihrer Arbeit als Architektin? kann sie bei einer anderen Aufgabenstellung deutlich geringere Bedeutung ha- Zum einen motivieren mich die eben beschriebenen positiven Rückmeldungen ben, weil andere Entwurfsparameter in der Hierarchie der Entscheidungen das der Nutzer. Es ist schön zu erleben, wie ein Gebäude nach der Fertigstellung zum Projekt deutlicher prägen. Leben erweckt und von den Nutzern angeeignet wird, wie geplante Funktionsab- Seit wann gibt es das Büro und wie hat es sich über die Jahre entwickelt? läufe dann in der Realität tatsächlich funktionieren. Zum anderen finde ich es im- Nach meinem Studium an der TU München und der HfK Berlin habe ich meine mer wieder sehr bewegend, Räume, die wir im Büro erdacht und geplant haben, ersten Berufsjahre in Berlin absolviert und dort meinen Mann und heutigen Büropartner Jost Westphal kennengelernt. Im Jahr 2000 haben wir uns gemeinsam in Für die Kindertagesstätte in Bremen haben Sie für Fassade und Dach helle, groß- im Rohbau eins zu eins zu erleben und die räumlichen Eindrücke wahrzunehmen, Bremen selbstständig gemacht, zuerst als Partner in dem ehemaligen Bremerha- formatige Tafeln von Eternit verwendet. Welche Überlegungen führten zu dieser die kein Plan, kein Modell und keine Visualisierung so kommunizieren kann wie vener Büro meines Schwiegervaters, dann, seit 2006, in neuer Konstellation unter Materialwahl und zur einheitlichen Gebäudehülle? der gebaute Raum. Westphal Architekten BDA. 2012 haben wir das Büro um einen weiteren, dritten Bei der Kindertagesstätte hatten wir versucht, die Geometrien der Nachbarbe- Was mich inspiriert? Da fällt es mir schwer, eine Antwort zu geben – manch- Partner, Klaas Dambeck, erweitert und arbeiten derzeit mit einem Team von etwa bauung mit ihren geneigten Dächern in eine moderne, zeitgemäße Architek- mal ist es die Auseinandersetzung mit dem Kontext, mit den manchmal anfangs zehn bis zwölf Mitarbeitern. tursprache zu übersetzen. Dabei entstand ein monolithisches, skulptural anmu- scheinbar unlösbaren Hürden einer Aufgabe, manchmal sind es Bilder, Metaphern tendes Volumen mit seiner abgeschrägten Grundrissgeometrie, den gekanteten oder Analogien – Bilder, die nicht zwingend aus dem Bereich der Architektur ent- Wandflächen und in Teilbereichen geneigten Dächern. Diese monolithische Ku- stammen, sondern vielmehr von verwandten Professionen wie der bildenden Haben sich die Schwerpunkte bei den Bauaufgaben oder beim Leistungsbild in batur wollten wir durch die Wahl des Fassadenmaterials noch weiter stärken, so Kunst, Theater, Fotografie oder der Natur. den vergangenen Jahren verändert? dass wir ein Material suchten, welches gleichermaßen für die Wand- wie auch für Unser Büro hat keinen spezifischen inhaltlichen Aufgabenschwerpunkt, wir be- die Dachflächen geeignet ist. Unter Berücksichtigung der technischen und wirt- mühen uns, uns in jeglicher Hinsicht „breit“ aufzustellen und empfinden insbe- schaftlichen Anforderungen kamen nicht viele Materialien dafür in Betracht, die 14 15