Alter Werkplatz neu belebt

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Bilder: zvg
PROJEKTE
Attraktive Arbeitsplätze mit viel Tageslicht im Dachgeschoss.
Bahnhof
Luzern
Alter Werkplatz neu belebt
Im Herzen der Stadt entsteht eine Grossüberbauung, die Wohnungen, Büros und Gewerberäume
nebeneinander vorsieht. Das Projekt von den Luzerner Rüssli Architekten verbindet die Nutzungsbereiche
elegant und schlägt mit den Sheddächern der Bauten einen Bogen zum ehemaligen Industrieareal.
Von Katrin Ambühl
S
trum zurückholen. Zum Beispiel in die Überbauung an der Industriestrasse, die eine gemischte
Nutzung vorsieht. Hier, im Steghof, hatte unter
anderem einst die Eisenhandlung Stocker & Co.
ihr Hauptlager. Die Parzelle ist im Besitz der Stadt
Luzern, die Grosses plant.
«Es fehlt an zusammenhängenden Büroflächen
von 4000 bis 5000 Quadratmetern», holt Kurt
Bieder, der Luzerner Baudirektor aus.
«Um die Defizite aufzuholen, hat die
Stadt im Raumentwicklungskonzept
2008 verschiedene Schlüsselareale
identifiziert, unter anderen das Gebiet
Auf baublatt.ch/urbanindustries
Steghof.» Eines davon war das Areal an
finden Sie den Jurybericht zum
der Industriestrasse, und mittels eines
Download.
Projektwettbewerbs sollte eine Lösung
gefunden werden, die ganz unterschied-
chlosser, Schuhmacher oder Schneider
­waren traditionellerweise in Stadtzentren
zu finden, auch in Luzern. Oft hatten sie
ihren Sitz in einem Gebäude in einem Innenhof.
Doch die meisten Werkstätten wurden umgenutzt
oder sind ganz verschwunden, viele Höfe wurden freigelegt und begrünt. Nun will die Stadt
Luzern Kleinbetriebe, aber auch Büros ins Zen-
linktipp
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liche Anforderungen erfüllt. Die Hauptziele der
Stadt sind eine vielfältige Quartiersstruktur sowie
eine gute Durchmischung von Wohnen und
­Arbeiten. Neben Räumen für kleine und mittlere
Gewerbe- und Dienstleistungsunternehmen sollten auch grossflächige Büroräume eingeplant
werden.
Für den Investorenwettbewerb wurden 25 Projekte eingereicht. Die Stadt als Grundstückbesitzerin suchte sieben Finalisten aus. Erst bei
diesen wurden schliesslich die Angebote für den
Landkauf miteinbezogen. Dabei war die Spannweite gross und reichte von 7,6 bis 21,7 Millionen Franken.
Das Rennen machte die Investorengemeinschaft
Rüssli Architekten, Allreal und Robert Gissinger
Landschaftsarchitektur mit ihrem Projekt und
Nr. 46, Freitag, 18. November 2011
e­ inem Kaufangebot von 18,7 Millionen Franken.
«Sowohl architektonisch, städtebaulich als auch
funktional überzeugt es uneingeschränkt», lobt
Stadtrat Bieder und ergänzt, auch das Preisangebot im Vergleich zu jenen der anderen Finalistenprojekten sei überdurchschnittlich gut. «Aus
all diesen Gründen hat sich die Jury einstimmig
für das Projekt ausgesprochen.»
«
Tribschen
Hirschmatt
Steghof
Bireggwald
Das Quartier ist vom Blockrand als Bebauungsmuster geprägt, was
auch vom neuen Projekt übernommen wird.
Architektonisch,
städtebaulich und
funktional überzeugt
das Projekt
uneingeschränkt.
Bild: Stocker Stahl AG, Luzern
Projektwettbewerb Industriestrasse Luzern
➣
Der grosse Hof ist die
Schnittstelle zwischen
Wohnen und Arbeiten.
Die Bäume und Bänke
auf Schienen lassen
sich verschieben.
Vierwaldstättersee
»
Kurt Bieder, Baudirektor Stadt Luzern
«Urban Industries» nennen die Architekten ihre
­Arbeit, die drei L-förmige Baukörper vorsieht. «Die
volumetrische Setzung sucht das Direkte und
­Einfache. Sie schliessen den inneren Stadtkörper
überzeugend ab und markieren auf diese Weise
den Übergang zum kleinkörnigen Siedlungsmuster unterhalb des Bireggwaldes», so die Einschätzung der Jury. Gelobt wurde zudem die gestalterische Umsetzung mit den Sheddächern als
Nr. 46, Freitag, 18. November 2011
Historische Aufnahme des Lagerplatzes der Firma Stocker & Co. im Industriegebiet (Juli 1929).
baublatt 33 PROJEKTE
Nachgefragt I­ndustriezitat. Die Form der Dächer hat aber nicht
nur eine gestalterische Funktion. Sie sind eine
räumliche Bereicherung für die Atelierräume im
Dachgeschoss und dienen zudem als Solarfarm,
in der Strom und Warmwasser erzeugt werden.
Parallel dazu sind Erdsonden vorgesehen, die die
Wärme aus dem Boden als Energiequelle nutzen.
Die Energieeffizienz war ein wichtiges Kriterium
des Wettbewerbsauftrags. Gefordert wurde mindestens Minergie-Eco-Standard.
Nachhaltigkeit interpretierten die Projektverfasser
noch auf einer anderen Ebene. «Ein gut fundiertes städtebauliches Konzept ist nachhaltig, wenn
die Struktur anpassungsfähig, die Gebäude kompakt und das Grundstück gut erschlossen ist» sagt
Justin Rüssli vom Architektenteam (siehe auch
«Nachgefragt»). Deshalb haben sie die Gebäude
mit den gemischten Nutzungen flexibel konzipiert,
die Grundrisse sind veränderbar je nach wirtschaftlicher Entwicklung und Bedarf des Marktes.
Damit soll wird die Veränderung des Quartiers in
den nächsten 50 Jahren antizipiert werden.
Bäume und Liegen auf Rädern
Der gefasste Hof ist allseitig zugänglich. «Es entsteht eine Art Hofidentität, die passend zur
­Architektur das Arbeiten und die Betriebsamkeit
ins Zentrum rückt», argumentiert die Jury und
fährt fort, die Dimensionen des Hofes seien ausreichend grosszügig bemessen, was das Nebeneinander von Wohn- und Arbeitsumfeld gut vorstellbar mache. Spezielles Detail in der Landschaftsgestaltung sind Schienen im Hof, auf
Unterlachenstrasse
denen Liegeroste und Baumwaggons montiert
werden, die verschiebbar sind und immer wieder
ein neues Hofbild schaffen.
100 Wohnungen und zahlreiche Büro- und Gewerberäume werden so an zentraler Lage entstehen. Doch gibt es noch einige Hürden. Denn die
SP bedauert, dass die Stadt nicht die Gelegenheit ergriffen hat, diesen Standort als gemeinnützige Wohnzone zu nutzen. Der Stadtrat wird
­voraussichtlich im Frühling 2012 beim Parlament
den Verkauf des Areals beantragen. «Die politischen Diskussionen dürften kontrovers verlaufen», schätzt Kurt Bieder. «Ich bin jedoch zuversichtlich, dass eine Mehrheit dem Geschäft
­zustimmen wird.» Dann werden nicht nur urbane
Mieter und Dienstleister, sondern hoffentlich auch
Handwerker wieder ins Stadtzentrum ziehen. n
0
50
Justin Rüssli ist
Mitinhaber von Rüssli
Archtiekten, Luzern.
… bei Justin Rüssli
Was sind die Eigenheiten des Standorts?
Er ist geprägt durch seine Vergangenheit als
Industrie und Gewerbestandort jenseits der
Geleise des Bahnhofs.
Welche Konsequenzen hatte diese Analyse
auf den Entwurf?
Die industrielle Vergangenheit wurde ganz
bewusst in den Entwurf integriert.
Was war für Sie als Luzerner und
als Architekt das Spezielle an der
Aufgabenstellung?
Das Projekt befindet sich auf einem Schlüsselareal der Zentrumsentwicklung von Luzern. Es
ist schön für mich als Architekt, an der Stadtentwicklung aktiv mitarbeiten zu können.
Wie spielen die Baukörper und der
Aussenraum zusammen?
Die Baukörper bilden einen grosszügigen städtischen Hofraum. Der bildet das Zentrum der neuen
Bebauung und ist offen für das ganze Quartier.
Die durchmischte Nutzung erfordert ganz
unterschiedliche Grundrisse. Was sind die
Hauptzüge der Innenraumgestaltung in
Ihrem Projekt?
Die Grundrisse sind gezielt funktionsneutral
­gestaltet, damit verschiede Nutzungen möglich
sind. Kombinationen von verschiedenen Nutzungen werden immer häufiger. Es gibt nicht
nur eine reine Wohn- oder Arbeitsnutzung.
Das alter Käselager1) bleibt gemäss Ihrem
Vorschlag nicht bestehen. Warum?
Weil es in seinem Volumen, in der Nutzung und
der Struktur nicht sinnvoll integriert werden
konnte.
(ka)
1)
Auf dem Areal liegt das alte Käselager, das im
provisorischen Bauinventar der Stadt als erhaltenswert
aufgeführt ist. Im Rahmen des Wettbewerbs waren der
Erhalt und die Erneuerung des Gebäudes zu prüfen.
100 m
4,5
A
3,5
➣
3,5
Industriestrasse
Grundriss der Obergeschosse 1 bis 4, wo 2,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen
und im Südtrakt Büros geplant sind.
Längsschnitt A–A
Die verschiedenen
Bauten bilden im
Zentrum einen
städtischen Hofraum.
Atelier
20 m
Wohnen
Bürotrakt
10
Geissensteinring
Gewerbe
3,5
Keller / Garage
2,5
0
3,5
3,5
4,5
4,5
3,5
Die Sheddächer sind eine Reverenz an die ehemaligen Industriebauten auf dem Areal. Sie bieten aber auch Platz für einen Photovoltaikanlage.
Geissensteinring
4,5
Beispiele, wie die Grundrisse für die unterschiedlichen
Nutzungen gestaltet werden können.
0
10 m
3,5
4,5
3,5
2,5
4,5
5,5
4,5
3,5
Büroräume
A
34 baublatt
0
5
10
15
20
25 m
Wohnen, 1. – 4. OG
Büro/Kleingewerbe im Erdgeschoss
Nr. 46, Freitag, 18. November 2011
Nr. 46, Freitag, 18. November 2011
Atelier, Dachgeschoss
baublatt 35 
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