Aktuelles BHKS Produkte Bauanalyse Fachbeiträge 690 Recht Lüftungstechnik Autor Prof. Dr. Gerhard Hausladen, Dr.-Ing. Christoph Meyer, Dipl.-Ing. (FH) Martin Kirschner, Dipl.-Ing. (FH) Stefan Löbe Ingenieurbüro Hausladen GmbH, 85551 Kirchheim Bild 1: Einfahrt in die neue öffentliche Tiefgarage in Ismaning Planung einer Großgarage Strömungssimulation als Nachweis zur natürlichen Be- und Entlüftung sowie Entrauchung Beim Neubau einer öffentlichen Großgarage legte die Gemeinde Ismaning als Bauherr Wert auf geringe Betriebs- und Wartungskosten. Zudem sollten die luftseitigen Investitionskosten so gering als möglich ausfallen. Eine Simulation im Vorfeld ermöglichte es, diese Kriterien zu berücksichtigen. Die Gemeinde Ismaning bei München beabsichtigte den Neubau ei­ ner öffentlichen unterirdischen eingeschossigen Großgarage. Die Auf­ gaben­stellung lautete: „Erstellung einer Tiefgarage als Großgarage mit nicht nur geringem Zu- und Abgangsverkehr mit der Vorgabe diese unter Einbindung von baulichen Lüftungsöffnungen ausschließlich natürlich zu be- und entlüften, sowie den Anforderungen der natürlichen Entrauchung genüge zutun. Den Anforderungen der bayerischen Bauordnung/Ga­ ragenverordnung ist hierbei Rechnung zu tragen.“ Hintergrund dieser Aufgabenstellung waren folgende Gesichts­ punkte: Die Reduzierung der Betriebs- und Wartungskosten, Die CO2-Reduktion und Die Reduzierung der Rohbau- und Lüftungsseitigen Investitions kosten. Durch die mögliche Einsparung der mechanischen Entlüftung/Ent­ rauchung ergeben sich weitere nachfolgend aufgeführte Vorteile: Geringere lichte Höhe der Garage möglich durch Entfall der Lüftungs­ kanäle, Durch den Entfall der Lüftungskanäle wird eine ansprechende und freundliche Gestaltung der Tiefgarage ermöglicht, Es gibt keine Lärmbelästigung durch die Ventilatoren und Einen Raumgewinn, da keine Lüftungszentrale erforderlich ist. Um diesen Anforderungen zu entsprechen waren nachfolgende auf­ geführte Aspekte zu erfüllen bzw. zu beachten. 58 www.tab.de 7-8 2007 Rechtliche Grundlagen Die Garage ist im Sinne der Bayerischen Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (GaV, vom 30. November 1993, zuletzt geän­ dert am 3. August 2001) eine geschlossene, unterirdische Großgarage mit nicht geringem Zu- und Abgangsverkehr. Dafür fordert die GaV entweder maschinelle Abluftanlagen, oder ei­ nen Nachweis, dass eine ausreichende natürliche Lüftung auch an­ ders erzielt werden kann (§ 14, Abs. 3) Der Nachweis, dass die Tiefgarage auch nur mit natürlicher Lüftung funktioniert ist im Zuge der Baugenehmigung der Behörde vorzulegen und von einem verantwortlichen Sachverständigem zu bestätigen. Diesen Nachweis kann man nur mit einer Strömungssimulation er­ bringen, deren Ergebnis Aufschluss auf die Größe, Anzahl und Lage der erforderlichen Lüftungsöffnungen gibt, diese wiederum dienen dem Architekten zur Erstellung einer genehmigungsfähigen Planung. Als Ergebnis der Simulation erhält man eine Aussage über die sich einstellende natürliche Durchlüftung, sowie zu den hieraus resultie­ renden CO-Konzentrationen in der Tiefgarage. Vorgehensweise Auf Basis der prinzipiellen Konzeption der geplanten Tiefgarage und ihrer umliegenden Bebauung wurde ein dreidimensionales Compu­ termodell zur Untersuchung der windinduzierten Durchlüftung der Garage erstellt. ��������� ���� ��������� ���� ��������� ���� ��������� ���� Bild 2: Position und Größe der Lüftungsöffnungen mit jeweils entsprechend Bild 3: Ausfahrtswege zur Ermittlung der CO-Emissionen nach VDI 2053; bei Teil- markiertem 20 m-Radius strecke D wurde berücksichtigt, dass die Ausfahrrampe nur überdacht ist Mittels Strömungssimulationen wurde für jeweils acht Windrich­ tungen und zwei Windgeschwindigkeiten der resultierende Luft­ wechsel ermittelt. Zusätzlich wurde anhand der Simulationsergebnisse die Durchspü­ lung der Garage mit Frischluft überprüft, und ob bei Schadstoffein­ trägen nach VDI-Richtlinie 2053‚ Raumlufttechnische Anlagen für Ga­ ragen‘ vom Januar 2004 lokal unzulässig hohe CO-Konzentrationen zu erwarten sind. Bauliche Situation Die geplante Tiefgarage liegt in Ismaning zwischen Bürgersaal, Hal­ lenbad und Realschule ( siehe Lageplan rechts). Die Nutzfläche beträgt 2867 m2. Der Boden liegt im Mittel ca. 3,2 m unter dem Geländeniveau, die mittlere Raumhöhe beträgt ca. 2,4 m. Die überdachte Zufahrtsrampe befindet sich im Norden, Personen­ zugänge vom Freien im Osten, Westen und Südwesten der Garage (Bild 2). Insgesamt verfügt die Garage über 111 Stellplätze, davon 65 im nördlichen Teil, 46 im südlichen. Öffnungen für natürliche Lüftung und Rauch- und Wärmeabzug Die Zufahrt und die Zugänge stehen als großzügig bemessene Lüf­ tungsöffnungen zur Verfügung. In einer ersten Abschätzung und Vor­ simulation wurden die baulich vorhandenen Öffnungen bewertet. Dabei wurde klar, dass zur ordentlichen Durchspülung zwei Lüftungs­ schächte in der Decke des nördlichen Garagenteils, sowie ein weiterer in der südlichen Garagenwand erforderlich werden. Durch geschick­ tes Anordnen konnte mit diesen Öffnungen drei Ziele gleichzeitig und kostengünstig erreicht werden, es handelt sich dabei um Die Sicherstellung der natürlichen Entrauchung GaV § 15 Abs. 2, Die Sicherstellung der natürlichen Entlüftung und Die Optimierung der natürlichen Belichtung. ���������� ��������������� Randbedingungen ����������� ��������� ����� ������ ���������� ���������� ���������� ����� Lageplan des Garagenneubaus zwischen Bürgersaal, Hallenbad und Realschule Tabelle 1: Ermittlung der mittleren Länge Parkbereich mittlerer Ausfahrweg Anzahl Stellplätze Südlicher Garagenteil A + B + D + 10 m = 116 m 46 Nördlicher Garagenteil östliche Parkreihen B/2 + D + 10 m = 45 m 26 Nördlicher Garagenteil westliche Parkreihen C + D + 10 m = 75 m 39 Gesamt 85 m 111 7-8 2007 www.tab.de 59 Aktuelles BHKS Produkte Bauanalyse Fachbeiträge 690 Recht Lüftungstechnik a) b) c) d) e) f) g) h) Bild 3 a bis h: Strömungsbilder und ermittelte CO-Konzentrationen in 1,5 m Höhe über dem Garagenboden mit Wind aus a) Nord, b) Nordost, c) Ost, d) Südost, e) Süd, f) Südwest, g) West und h) Nordwest bei einer Windgeschwindigkeit von 1,5 m/s Mit diesen neuen Festlegungen zum Bauwerk selbst, konnte mit der Simulation begonnen werden. Lage, Größe und Abstände zu den Stell­ plätzen der für die Simulation angenommenen Öffnungen sind aus Bild 2 ersichtlich. in Bild 2 gekennzeichneten Teilstrecken die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse ermittelt. Jeweils 10 m Fahrstrecke sind nach VDI 2053 zum Ausparken anzuset­ zen. Unter Annahme der streckenabhängigen CO-Emissionen nach Kaltstart und für Wegstrecken von über 80 m nach VDI 2053 ergeben CO-Emissionen und Außenluftbedarf nach VDI 2053 sich während des angenommenen Szenarios Werte gemäß Tabelle 2. Die Ermittlung der zu erwartenden CO-Emissionen der in der Garage Die Ermittlung des Außenluftbedarfs erfolgte unter der Annahme fahrenden KFZ erfolgt nach VDI-Richtlinie 2053 „Raumlufttechnische ­einer CO-Außenluftbelastung von 2,5 ppm und einer idealen Durch­ Anlagen für Garagen“ vom Januar 2004. mischung der Frischluft in der Garage. Der zulässige Grenzwert be­ Als Verkehrspitzenszenario wird angenommen, dass sich die voll be­ trägt 100 ppm CO. legte Garage, bspw. nach Ende einer Abendveranstaltung im benach­ barten Bürgersaal, innerhalb einer Stunde leert, dabei aber keine wei­ Beschreibung des Simulationsmodells teren KFZ mehr einfahren. Es ergibt sich eine Frequentierung von ν = Zur Bewertung der windinduzierten Durchlüftung der Garage wurde 1,0 Fahrzeugen pro Stellplatz und Stunde. ein Computermodell der Garage und der umliegenden Bebauung an­ Als mittlere Länge des Ausfahrtswegs werden nach VDI 2053, ent­ gefertigt. Es wurde zur Simulation der Strömungsverhältnisse bei acht sprechend der vorgesehenen Fahrtrichtungsmarkierungen und der verschiedenen Windrichtungen mit je zwei Windgeschwindigkeiten verwendet. Das Modell umfasst ein Gebiet von 200 x 200 m Größe um die Garage und reicht bis in 30 m Höhe über Geländeniveau. Die Tabelle 2: Ermittlung der CO-Emissionen innerhalb dieses Gebietes befindlichen Gebäude wurden ebenfalls CO-Emissionen 0,0068 m3/(h Stellplatz) bzw. 0,75 m3/h gesamt modelliert, um lokale Beeinflussungen der Windanströmung berück­ Außenluftbedarf bei 7700 m3/h sichtigen zu können. idealer Durchmischung Simulationsergebnisse Tabelle 3: Außenluftdurchsätze Windrichtung 1,5 m/s N 27 093 m3/h 3,0 m/s 49 422 m3/h NO 52 875 m /h 106 240 m3/h O 61 997 m /h 124 312 m3/h SO 23 611 m3/h 48 841 m3/h S 36 657 m3/h 74 581 m3/h SW 53 257 m /h 106 446 m3/h W 66 309 m3/h 133 280 m3/h NW 24 208 m3/h 47 488 m3/h 3 3 3 60 www.tab.de 7-8 2007 Außenluftdurchsatz der Garage Die zahlenmäßige Auswertung der Simulationsergebnisse ergibt in Abhängigkeit von Windrichtung und -geschwindigkeit die Außenluft­ durchsätze gemäß Tabelle 3. Der nach VDI 2053 ermittelte Mindestwert von 7700 m3/h (unter der Annahme idealer Durchspülung) wird in jedem der untersuchten ­Fälle deutlich überschritten. Strömungsbilder bei Windgeschwindigkeit 1,5 m/s In Bild 3 sind die Strömungsverhältnisse und die resultierenden CO-Kon­ zentrationen für Windgeschwindigkeiten von 1,5 m/s jeweils in einer Ebene 1,5 m über dem Garagenboden dargestellt. a) b) c) d) e) f) g) h) Bild 4 a bis h: Strömungsbilder und ermittelte CO-Konzentrationen in 1,5 m Höhe über dem Garagenboden mit Wind aus a) Nord, b) Nordost, c) Ost, d) Südost, e) Süd, f) Südwest, g) West und h) Nordwest bei einer Windgeschwindigkeit von 3,0 m/s Lediglich bei Nordost- und Südwind zeigen sich in lokal sehr begrenz­ ten Gebieten geringfügige Überschreitungen des nach GaV zulässi­ gen Halbstunden-Mittelwertes von 100 ppm. In der Realität werden solche lokalen Schadstoffkonzentrationen nur sehr kurzfristig vor­ kommen, da die Luftströmung durch Fahrzeugbewegungen, Schwan­ kungen der Windanströmung etc. zusätzlich verwirbelt wird. Eine CO-Konzentration von 250 ppm, bei der nach GaV entsprechende Warnanlagen ansprechen würden, wird in keinem Fall erreicht. Teilweise ist zu erkennen, dass sich in der Garage Luftbewegungen entgegen der augenblicklichen Windrichtung ausbilden. Das ist eine Folge lokaler Luftgeschwindigkeits- und Druckvariationen, die durch die umliegende Bebauung verursacht werden. Strömungsbilder bei Windgeschwindigkeit 3,0 m/s In Bild 4 sind die Strömungsverhältnisse und die resultierenden COKonzentrationen für Windgeschwindigkeiten von 3,0 m/s jeweils in einer Ebene 1,5 m über dem Garagenboden dargestellt. Überschreitungen des nach GaV zulässigen Halbstunden-Mittelwer­ tes von 100 ppm wurden nicht festgestellt. Teilweise ist zu erkennen, dass sich in der Garage Luftbewegungen entgegen der augenblicklichen Windrichtung ausbilden. Das ist eine Folge lokaler Luftgeschwindigkeits- und Druckvariationen, die durch die umliegende Bebauung verursacht werden. Bild 5: Mit Hilfe der Simulation wurde es möglich, eine natürliche Lüftung der Garage zu ermöglichen Mit dem gewonnen Wissen über die Lage und Größe der erforder­ lichen Öffnungen konnte die Werkplanung erfolgreich fertig gestellt werden. Der Ergeiz, Mut und der Wille der Gemeinde auszubrechen aus dem Fazit stellenweise strammen Gerüst der Normen und Richtlinien und inno­ Wie das Ergebnis zeigt konnte die Aufgabenstellung des Bauherrn er­ vativen Planungsansätzen das Vertrauen zu schenken, diese mitzutra­ füllt werden. Durch das technische Hilfsmittel Simulation wurde es gen bzw. vorzugeben wird zusätzlich auch noch von den nachfolgend ermöglicht eine Planung zu erstellen, die eine natürliche Lüftung der aufgeführten Einsparungen belohnt. Einsparung Investitionskosten allein Lüftungsseitig in Höhe von Tiefgarage ermöglicht hat. Unter „normalen Umständen“ und ohne den Ergebnissen der Simu­ 100 000 € lation, wäre die Planung von einer mechanisch belüfteten Tiefga- Einsparung von jährlichen Wartungskosten in Höhe von 900 €/a rage ausgegangen, da der von der Bauordnung für solche Fälle gefor­ Einsparung von jährlichen Betriebskosten in Höhe von 5 000 €/a derte Nachweis statisch nicht zu führen gewesen wäre. Mit der Si- Weiterhin wird die Umwelt und somit die Zukunft unsere Kinder mulation konnte sowohl Planungs- als auch Rechtsicherheit geschaf­ durch die nicht benötigte Antriebsenergie geschont. Es ergibt sich fen werden. eine jährliche CO2-Einsparung in Höhe von 26 t. 7-8 2007 www.tab.de 61