BÉLA BAYER GRAUBLAU BÉLA BAYER GRAUBLAU BÉLA BAYER GRAUBLAU Gedichte Illustrationen: Zoltán Pogonyi Typografie: Ladislaus Waltzer © B é l a Bayer 1996 Verleger: Illyés Gyula Megyei Könyvtár Szekszárd Verantwortlicher Herausgeber: Mária Elekes Druckerei: Frau Hermann ISBN 963 046548 5 Printed in Hungary Vorwort Auf dem Wege Der Leser begegnet an dieser Stelle Béla Bayer und seinen Gedichten. In ihnen spricht er von sich, seiner Befindlichkeit und Betroffenheit, von Glück und Leid, Sehnsucht und Erfüllung, Gegenwärtigem und Vergangenem, Freude und Enttäuschung, von allem, was den Leser auch bewegt. Gedanken und Gefühle, das Ich rhythmisch frei offenzulegen, vermag nicht jeder. Diese Besonderheit ist jenen vorbehalten, die sich so und nicht anders äußern wollen. In diesem Anderssein unterscheiden sich Schreibende. Béla Bayer nimmt diese Aus drucksform für sich in Anspruch. Freie Rhythmen, für manchen ungewöhnlich, sind keine Formgebung unserer Zeit, sie sind literaturgeschichtlich längst belegt und ebenso gleichberechtigt wie gebundene Formen. Béla Bayer nimmt sich vor, der deutschen Sprache in all ihren Facetten mächtig zu werden und sich lyrisch in ihr auszudrücken. Der eine wie der andere Weg ist steinig, ja hürdenreich. Er ist sich dieser Mühen bewußt und stellt sich dieser Bürde. Sein Ringen um Sprache und Form brachte erste Erfolge, er gewann an lyrischer Sprachlichkeit. Sie überzeugt in den besten Gedichten. In der ihm eigenen Weise öffnet er sich in ihnen. Nicht das Ungefähre, das Genaue ist das Einfache, das schwer zu machen ist. Ihm ist bewußt, wie hart daran zu arbeiten ist. Dabei ist ihm weiteres Gelingen zu wünschen. Der Wiederhall wird seine Orientierung sein. Dr. Helmut Rudolf KRAFTBORN Zärtlichkeit Verständnis und Achtung vor dem Anderen vermag so viel. ( W. Herich ) Gabe Ein Abendhauch fuhrt deine Umarmung zu mir, summende Melodie von ewiger Hymne lenkte Auguststerne um uns herum und gab ihre Wärme fur unsre Träume. Umsonst Umsonst verstecke ich mich hinter den Augen der Sterne, in mein Gesicht zieht ihr Mangel. Kraftborn Vor mir sehe ich Deine Augen braun wie frischgepflügter Acker, duftend deine Lippen von süßen Hagebutten. Stürmisch wie der Herbstwind schlägt Dein Herz, und läßt mich das Entbehren der vergangenen Tage vergessen, meine Hand in Deiner Kraft und Ruhe liegen darin und die Größe rauschender Orgelklänge: für immer. Was bleibt ? Am Meer habe ich Dich gefunden. Wie eine riesige Woge von Zärtlichkeit kamst Du über mich plötzlich und ohne Halt. Deine braunen, sanften oder zornigen Augen leuchten mir in den Tag. Die Nacht ist lang und kalt, weil das Meer ruhen muß. Doch am Morgen überfällt mich die Woge des Glücks doppelt so groß! Die Tage reichen einander und wachsen zu Wochen. Die Wellen wachsen zu Sturmflut. Was bleibt danach? Kinder des Waldes Vater Wald hat uns ein Bett gegeben. Mutter Sonne hat uns zugedeckt Melodien und Düfte legten uns die Kinder des Waldes zu Füßen. Im wiegenden Liebesrhytmus schlagen unsre Herzen. In Deinen Armen liegt die ganze Welt. Die ganze Welt sie lebt nur kurze Zeit, dann hat die Wirklichkeit uns wieder eingeholt. Ein Blick Ich rieche den Sommer in meiner Nase. Das Gold der Ähren heizt mein Blut. Ich spüre jetzt schon, wovon ich noch träume. Ein Blick von dir tät mir gut. Idyll Wiegende Ähren neigen sich über uns. Sanfte Lippen summen ein Lied von Ahornblättern die sich im Mondlicht bewegen. Erwachen Zweigen liegen in Morpheus Armen Tropfen perlen vom Federkleid. Während ich dich küsse schenkt deinem Haar der Morgen ein buntes Kronblattdiadem. Sonett Ich liebe dich wie der Herbst seine dornigen Wildkastanienpuppen liebt, und wie die Ideen die Ordnung unsrer Worte liebt. Ich liebe dich, wie der Wind seine eigene Flucht, über die Strenge der sinnenden Schneefelder liebt. Ich liebe dich wie das Geschwätz der Säfte in den Hymnen der knallender Knospen. Ich liebe dich so, wie die betäubenden Ähren die goldene Belastung des Sommers lieben. Wehrlos Die Romantik hat sich am Werktag verkrochen, es friert mein Blut. Ich lobe und verdamme das Sternbild deiner Hüfte: Ich habe Göttin gemalt ohne Kontrolle als Vorbild zu deinem Gesicht. Wehrlos an Dich gekettet. Trittst Du in stetig wandelnder Gestalt aus der Stille. Wenn Wenn ich in dein Gesicht schaue sehe ich deine Augen. Wenn ich in deine Augen schaue, sehe ich deine Tränen. Wenn ich deine Tränen sehe, erblicke ich meine Trauer. Hüter Brennend leuchtende Blütenpracht des Feldmohnes bewahrt mit süßem Glauben Hoffen und Wiederkehr Deiner Minuten. Treue Meine stummen Augenblicke treiben Wurzeln und verdingen sich an Dich. Doch Das Bewußtsein überwindet die Zügellosigkeit. Ich sollte dich für immer aus mir verbannen. Doch: ich verwandle dein Bösesein und obwohl du mich wegwerfen wolltest, bleibe ich bei dir. Vielleicht Vielleicht erinnerst du dich an den ersten Morgen, an die schneeweißen Minuten an der Haltestelle. Vielleicht erinnerst du dich an den ersten Abend, an dem wir über stille Treppen kamen. Umarme mich und laß uns anfangen an so einem Morgen! STATUS Die Erinnerung ist der Pinsel der am besten die Farbe echter Poesie aufträgt. ( Tagore ) Hochzeitsballade Damals hat sich ein Mädchen ins Gras gelegt... Heute nenne ich sie Mutter! Die Wiese ist schon gemäht.... Sie hat mich stolz zur Welt gebracht neben den wiesengesehenen Knaben. Erbe Was mein Vater für mich hinterließ, erbte er selbst schon Sein angestammtes Vermächtnis - der ewige Mißmut. Sein Erbe lebt weiter Bei mir kann die Aufgabe nicht mehr Instinkt sein. Mutter Wiegenlied in der Ecke des Mangels. Umsonst rege ich mich vor deinen Augen. Schmerzensschrei flüchtet sich aus meiner Kehle. An dein Gesicht verbannt mich unser Gott. Graublau Traurig starre ich ins zerschlagene Spiegelgesicht der Zeit. Unendliche Weite meine Vergangenheit, in der ich umsonst nach meinen erblaßten Gesichtszügen suche. So rühren sich nur noch Einzelheiten auf den sumpfigen April wässern. Wie Verben der Erinnerung kräuselt sie der Wind. Meine Spielräume von gestern stellen sich um. Es bleibt mir nur noch das Bett, das Tonbandgerät und das Telefon und die Gleichgültigkeit zur Permanenz. Graublaue Stille bedeckt mich, die Gesten verlieren ihren Sinn, es gibt keine konkreten Bilder mehr, nur Begriffe, nur Phantasie auf stummen Seiten eines geöffneten Buches. Heute noch Nichtiges Fieber der Felsenspitzen ist heute noch der Anschein der Wasserwüste: Sonnenschein hinter meinen Pupillen. Heiligtum ist die Gegenwart, Aufschub - die Minute: nach keinen Passionsblumen rufen die Kreuze der Möwen. Tote Muschel - Fugenmusik: plagen sich meine morgigen Träume. Nostalgie Schmerzlich lächelnd mit nassen Füßen, suche ich auf Spielplätzen von gestern, etwas, das keinen Namen mehr hat. Bunte Blätter treiben im Bach. Mir ist, als müßte jetzt Schnee fallen. Status Blutflecken zwischen Zackerippen, es erhebt sich ein Wind. Kreuz achtet auf die Ballade. Behüte Gott meine schlafenden Töchter, schwer und roh ist die Nacht, die heutige. Im Mondhof meines Gesichtes werfe ich mich schlaflos herum, und wie eine Pflanze wächst langsam der Wahnsinn, warum? Wie rote Tabletten leuchten die Sterne am Himmel, über uns. Was bleibt noch übrig? Vielleicht Hoffnung, schwerer Wunsch? Trockendock Was ich mitbekam: die Wärme im Hafen des Mutterschosses, die Einsamkeit des Wanderers, Die Freude des mit sich selbst Kämpfenden. Mich jagte Piratensehnsucht hinein in kichernde Nebel. Auf dem sich wiegenden Boot glaubte ich nach Hause geschaukelt zu werden. Mein Lächeln ist Verschwendung. Für den täglichen Bissen Brot, immerwährende Pein. Bloß mochte ich nie sein, war aber nie anders, immer pudelnackt. Verkümmerte Sterne wie meßt ihr die Zeit? An meinem Mund Brombeerlila. Mit trauter Umarmung bedeckt mich die Nacht. Gebet Behüte, Gott die befruchtenden Träume und die Landnahme meiner Fantasie! Behüte, Gott die Nähe meiner Mutter und mein früheres Gesicht im Spiegel! Behüte, Gott meine Absolution und die Stille meines Mundes! Nur die dreißig Silberlinge... Nur sie nicht mein Gott! Nur sie nicht! Perspektive Unser Morgen wirbelt für Trost am dritten Tag. - Zukunft ist die angebotene Möglichkeit. BÉLA BAYER Wurde am 17. Mai 1951 in einer ungarndeutschen Familie in Waroli / Váralja ( Komitat Tolnau / Tolna ) geboren. Studium an der Hochschule für Lehrerbildung Kaposvár, anschließend Studium der ungarischen Sprache und Literatur an der Janus Pannonius Universität in Fünfkirchen / Pécs * Verbundenheit mit der Geschichte des Ungarndeutschtums. Er lebt als freiberuflicher Journalist in Bonnhard / Bonyhád. Seine (sechs) selbständige Bände erschienen in Ungarischen. Deutschsprachige Veröffentlichungen in der Neue Zeitung, den Signalen, in Unsere Post, im Deutscher Kalender und in den Anthologien "Das Zweiglein", sowie "Bekenntnisse eines Birkenbaumes". Er bekennt sich zur verbessernden Kraft des inspirierten sprachlichen Zwanges. INHALT Kraftborn Gabe Umsonst Kraftborn Was bleibt? Kinder des Waldes Ein Blick Id ?11 u Erwachen Sonett Wehrlos Wenn 1 lüter Doch Vielleicht 9 10 11 12 15 16 17 18 21 22 23 24 27 28 29 Status Hohzeitsballade 33 Erbe Mutter 34 35 Graublau Heute noch Nostalgie 39 40 41 Status 42 Trockendock 45 Gebet 46 Perspektive Béla Bayer 47 An den ersten deutschen Reimen bastelte ich vor mehr als zehn Jahren. Ich wuchs ohne meine deutsche Muttersprache auf. Was deutsche Gedichte sind, begriff ich, als ich Goethe, Heine und Eichendorff im Original lesen konnte. Das einfach Gesagte mitteilbar zu machen, ahnte ich, als ich H.Kahlau, E. Kucharek, L. Fischer, und J. Michaelis las. Im Vergleich mit Ihnen schreibe ich wenige deutsche Gedichte. Nur selten entstehen sie spontan. In einer Beschreibung Friedmann Bergers las ich von "oberer Einfachheit". Der Begriff geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Béla Bayer