Sprache. Macht. - Pädagogische Hochschule Freiburg

Werbung
Sprache. Macht.
UN
SICHTBAR
Informationen zu einer gendersensiblen
Sprachverwendung
Eine Handreichung für alle Mitglieder der Pädagogischen Hochschule Freiburg
IMPRESSUM
INHALT
Hrsg.: Pädagogische Hochschule Freiburg
Gleichstellungsbeauftragte
Vorwort 5
Stabsstelle Gleichstellung, akademische
Personalentwicklung und Familienförderung
www.ph-freiburg.de/gleichstellung
Theoretischer Hintergrund
6
Rechtliche Grundlagen
7
Stabsstelle
Überlegungen im Vorfeld mündlicher und schriftlicher Mitteilungen
9
Pädagogische Hochschule Freiburg
Schriftliche Sprachpraxis
10
Mündliche Sprachpraxis
10
TIPPS zur Sprachpraxis
12
Weiterführende Informationen 14
Literaturempfehlungen
15
Gleichstellung
Redaktion: Yvonne Baum, Doris Schreck, Gabriele Sobiech
in Kooperation mit der Senatsgleichstellungskommission
der Pädagogischen Hochschule Freiburg
Kunzenweg 21 · 79117 Freiburg
Kontakt: [email protected]
Fotos: Fotolia, iStockphoto
Gestaltung: Ulrich Birtel
Februar 2017
4
5
VORWORT
Liebe Lesende, liebe Leserinnen und Leser,
liebe Leser_innen, liebe Leser*innen,
„Sprache ist wesentlich mehr als ein Kommunikationsmittel.
Sprache bestimmt, wie und was wir wahrnehmen, welches
Bewusstsein wir von uns und der Welt haben“
(Bidwell-Steiner 2010:37).
mit dieser Handreichung möchten wir Ihnen Anregungen für eine geschlechtergerechte Sprachverwendung geben sowie Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie diese im Hochschulalltag anwenden können. Bereits in der
Anrede dieses Vorworts werden verschiedene Formen geschlechtersensibler
Ansprachen aufgeführt, deren Hintergründe wir auf den folgenden Seiten
näher erläutern.
Wir möchten Sie darin bestärken, sich mit Ihrer eigenen Sprachpraxis auseinanderzusetzen. Mit der Verwendung gendergerechter Formulierungen
in wissenschaftlichen Diskursen, Publikationen, Abschlussarbeiten, Verwaltungsformularen und anderen Schriftstücken setzen Sie sichtbare Zeichen
der Anerkennung von Geschlechtervielfalt und leisten einen wirkungsvollen
Beitrag zu einer Kultur der Wertschätzung individueller Lebensformen an
unserer Hochschule.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Gabriele Sobiech Gleichstellungbeauftragte Doris Schreck, M.A.
Leitung Stabsstelle Gleichstellung
6
7
Theoretischer Hintergrund
Wissenschaftliche Diskurse, so wie sie in den verschiedenen Disziplinen entwickelt
und verhandelt werden, sind nicht einfach nur als ein „Sprechen über Dinge“ zu
verstehen. Vielmehr sind Diskurse als „Praktiken zu behandeln, die systematisch
die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 1981: 74). Diskurse
bringen also das, was sie bezeichnen, wie den „Lehrer“, die „Lehrerin“, erst hervor. Indem Diskurse benennen und definieren, was als wahr oder falsch, natürlich
oder unnatürlich, normal oder unnormal zu gelten hat, basieren sie zugleich auf
Machtrelationen. Wer darf als legitime Sprechende am Diskurs teilnehmen und wer
darf Benennungs- und Definitionsmacht ausüben? Das, was als Norm gilt, bedarf
in der Regel keiner besonderen Erwähnung, nur das Abweichende, Besondere wird
klassifiziert. Wenn zum Beispiel von Fußball die Rede ist, ist in der Regel für alle
am Diskurs Beteiligten klar, dass es sich um Männer handelt, die Fußball spielen
(vgl. Sobiech & Ochsner 2012). Frauenfußball ist abweichend von dieser Vorstellung und muss deshalb auch als solcher benannt werden. Das heißt, Benennungsund Definitionsmacht bietet zugleich die Möglichkeit der Sichtbarmachung, der
Normierung und Normalisierung, mit ihr lässt sich das Eine einschließen und das
Andere, Nicht-Normale, Nicht-Natürliche ausgrenzen. Zugleich gewinnt durch die
Ausgrenzung des Anderen das Eigene, das eingeschlossene Normale, seine zentrale
Position als das Gegebene. Das Gegebene, wie z. B. das „generische Maskulinum“
wird dann fixiert, z. B. im Duden, und dann immer wieder als Referenz für das Normale herangezogen. Wir gehen davon aus, dass Sprache zum einen dynamisch ist,
auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert und damit diese machtvollen, fixierten
Regeln unterminiert. Zum anderen wird, wie oben ausgeführt, durch ein die Geschlechtervielfalt berücksichtigendes Sprechen und Schreiben das „Unerwähnte“
erst sichtbar, das Ausgeschlossene zum Eingeschlossenen, zur Realität.
Rechtliche Grundlagen
Die Grundlage für die sprachliche Darstellung von Personen in Schriftstücken und in
der mündlichen Kommunikation bilden die im Gleichstellungsplan der Hochschule
genannten Maßnahmen zur Realisierung einer geschlechtergerechten Sprache in
Anlehnung an das Landeshochschulgesetz und die jeweiligen Einzelregelungen an
den Instituten bzw. Lehrstühlen.
Eine gleichberechtigte Behandlung von Frauen und Männern ist ebenso im Grundgesetz verankert.
„Frauen und Männer führen alle Status-, Funktions- und Berufsbezeichnungen in der jeweils ihrem Geschlecht entsprechenden Sprachform.“
LHG, §11 (7)
„Frauen und Männer führen alle Hochschulgrade, akademischen Bezeichnungen und Titel in der jeweils ihrem Geschlecht entsprechenden Sprachform.“
LHG, §36 (5)
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche
Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf
die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Art. 3 II GG
8
9
Überlegungen im Vorfeld mündlicher und
schriftlicher Mitteilungen
• Wen möchte ich ansprechen?
• Wird durch meine Formulierung deutlich, wen ich ansprechen
möchte? Studenten, Studentinnen, Student_innen, Studierende,
Studenten und Studentinnen, Mitarbeitende, Kolleginnen und
Kollegen, Kolleg*innen u.a.m
• Wie differenziert berücksichtige ich die Geschlechtervielfalt im
Gespräch oder in meinem Vortrag?
• Wie differenziert berücksichtige ich Geschlecht in Anredeformen
und Titeln?
„Vorstellungen werden überwiegend und am
nachhaltigsten erzeugt durch Wörter“
(Pusch 1999: 18).
10
11
Schriftliche Sprachpraxis
Formulargebundene Vorgaben können den Gestaltungsspielraum dahingehend eingrenzen, dass
über die männliche und weibliche Form hinaus kein weiteres Geschlecht genannt werden kann.
Während die Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Arbeit grundsätzlich den Freiraum bietet, gendergerechte Sprache jenseits der binären Codierung von „männlich“ und „weiblich“ zu realisieren.
Für Studierende empfiehlt sich eine Absprache mit dem_der Dozierenden.
Mündliche Sprachpraxis
In Vorträgen, bei Referaten, in formellen und informellen Gesprächen (Beratung, Information, Mitarbeiter_innengespräch u.ä.) bleiben Frauen, wenn sie nicht explizit erwähnt werden und lediglich
„mitgemeint“ sind, in der Vorstellung der Hörer und Hörerinnen unsichtbar. Eine gleichberechtigte
Ansprache beinhaltet die kontinuierliche Nennung beider Geschlechter (Liebe Kolleginnen und
Kollegen, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter …).1
Darüber hinaus ermöglicht eine diversitätsbewusste Sprache das Ansprechen von Personen, die
sich keinem bestimmten Geschlecht zuordnen können oder wollen. Mitarbeitende oder Mitarbeiter_innen (der Unterstrich ist durch eine kurze Sprechpause zwischen der männlichen und weiblichen Endung hörbar).
Eine bewusste Wortwahl hilft, die Verstärkung von stereotypen Geschlechtervorstellungen zu vermeiden. Hierzu gehört der Verzicht auf Klischees, Redewendungen oder Metaphern (Sie steht ihren
Mann … / Er benimmt sich wie ein Mädchen …).
1) Eine allgemeine Verwendung maskuliner Personenbezeichnung wird als „generisches Maskulinum“ bezeichnet.
Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass eine Verallgemeinerung durch die ausschließliche Verwendung der männlichen
Personenbezeichnung Frauen durch diese Art von Unsichtbarmachung benachteiligt.
12
13
TIPPS zur Sprachpraxis
Beidnennung
Beispiel
Wen spreche ich an?
vollständige Beidnennung
Die Schüler und Schülerinnen (SuS) Männer und Frauen
(ggf. kann nach erstmaliger Nennung im
Folgenden eine Abkürzung verwendet
werden)
Geschlechtsneutrale Formulierungen
Beispiel
Wen spreche ich an?
Substantivierte Adjektive/ Verben /
Partizipien im Plural
die Beschäftigten, die Studierenden, die Lehrenden
Personen unabhängig
von ihrem Geschlecht
Sachbezeichnung statt
Personenbezeichnung
Leitung, Vertretung, Beratung,
Betreuung, Professur
Passivformen
Die Teilnahme wird bescheinigt.
Statt: Die Teilnehmerinnen erhalten eine Bescheinigung.
Binnen-I
Beispiel
Wen spreche ich an?
der erste Buchstabe der weiblichen
Form wird groß geschrieben
MathematikerInnen
Frauen und Männer
Verwendung des Gendergaps2
Beispiel
Wen spreche ich an?
Direkte Ansprache
Ihre Unterschrift
statt: Name der Antragstellerin.
hiermit werden alle
sozialen Geschlechter
und
Geschlechts­
identitäten adressiert,
der Geschlechter­dualismus wird
aufgehoben
Partizip Perfekt
Herausgegeben von, veranstaltet
von, betreut von, vertreten durch
statt: Herausgeber, Veranstalter
Unpersönliche Pronomen
Wer sich bewirbt, wird baldmöglichst über die Studienplatzvergabe informiert.
Statt: Bewerberinnen werden
informiert.
Wen spreche ich an?
Komposita mit der Endung
-kraft, -hilfe, -person
Ansprechperson statt:
Ansprechpartnerin
Fachkraft statt: Fachmann
Putzhilfe statt: Putzfrau
Neutrale Personenbezeichnungen
Person, Mitglied, Gast,
Hochschulangehörige
schriftlich
Zwischen der femininen und maskulinen Leser_in,
Form wird ein Unterstrich eingefügt
jede_r Leser_in
Zwischen der femininen und maskulinen Zuhörer*in,
Form wird ein Sternchen eingefügt
jede*r Zuhörer*in
mündlich
eine kurze Sprechpause vor dem
_innen bzw. *innen
Die stochastische Genuswahl
Beispiel
Die weibliche und männliche Form wird
wechselweise (nach dem Zufallsprinzip
ausgewählt) genannt, um beide Geschlechter anzusprechen
Die Bewerber können ihre Unterla- Frauen und / oder
gen bis zum … einreichen. Sobald Männer
… erhalten die Bewerberinnen
den Nachweis …
2) · Soziologie, Wirtschaft: signifikanter Unterschied zwischen den sozialen Geschlechtern im Hinblick auf Lebensbedingungen,
Verhalten, Fähigkeiten, Interessen u. Ä.
· Sprachwissenschaft: durch einen Unterstrich kenntlich gemachte Lücke zwischen der maskulinen Form und der femininen Endung
eines Wortes, die der sprachlichen Gleichbehandlung aller sozialen Geschlechter dienen soll (z. B. Bürger_innen, Lehrer_in)
Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gendergap abgerufen am 6.2.2017
14
15
Weiterführende Informationen
Literaturempfehlungen
ACHTUNG: Manche Formen bedürfen einer Erklärung im Vorfeld! Entscheiden
Sie sich beispielsweise für die stochastische Genuswahl (Sie wechseln spontan
zwischen männlicher und weiblicher Bezeichnung) ohne im Vorfeld darauf hinzuweisen, kann dies zu Missverständnissen führen. Erklären Sie ggf. im Vorfeld,
weshalb Sie sich für eine bestimmte Formulierung entschieden haben.
Weitere Informationen sowie eine Linksammlung zu verschiedenen Leitfäden
finden sie unter:
www.ph-freiburg.de/gleichstellung
Kontakt: [email protected]
Bidwell-Steiner, Marlen (2010): Macht Wort: Geschlecht? In: (Un)doing gender
als gelebtes Unterrichtsprinzip. Sprache – Politik – Performanz. Wien: Facultas
Verlags- und Buchhandels AG, 37-42.
Foucault, Michel (1981): Archäologie des Wissens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Hornscheidt, Lann (2012): Feministische W_orte: ein Lern-, Denk- und Handlungsbuch zu Sprache und Diskriminierung, Gender Studies und feministischer
Linguistik. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel.
Kusterle, Karin (2011): Die Macht von Sprachformen. Der Zusammenhang von
Sprache, Denken und Genderwahrnehmung. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel.
Nothbaum, Norbert; Steins, Gisela (2010) : Nicht sexistischer Sprachgebrauch:
die stochastische Genuswahl. In: Steins, Gisela: Handbuch Psychologie und
Geschlechterforschung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 409-415.
Pusch, Luise (1999): Die Frau ist nicht der Rede wert. Aufsätze, Reden und Glossen.
Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Pusch, Luise (2014): Gerecht und Geschlecht. Neue sprachkritische Glossen.
Göttingen: Wallstein.
Sobiech, Gabriele & Ochsner, Andrea (2012): Spielen Frauen ein anderes Spiel?
Geschichte, Organisation, Repräsentationen und kulturelle Praxen im Frauenfußball. Wiesbaden: Springer VS.
Stahlberg, Dagmar; Sczesny, Sabine (2001): Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. In: Psychologische Rundschau, 52 (3), 131-140.
Stabsstelle
Gleichstellung
Pädagogische Hochschule Freiburg
Herunterladen