SON N EN EN ERG I E Solarfassaden Multifunktionale Energiefassaden Eine Symbiose aus Architektur und Energiegewinnung Aufgrund der anhaltend steigenden Energiepreise, Ressourcenbegrenzung und zunehmenden Umweltbelastung nimmt das energieoptimierte Bauen sowie die nachhaltige Energieversorgung einen wachsenden Stellenwert ein. Die Frage, welche Rolle die Gebäudehülle und speziell die Fassaden bei der Energieversorgung übernehmen kann, rückt bei Architekten, Bauherrn und Fachplanern bereits in der Vorentwurfsphase zunehmend in den Mittelpunkt. Das Marktsegment für fassadenintegrierte Solarthermie, Heiz-, Kühl-, Wärmerückgewinnungs- sowie Be- und Entlüftungskomponenten verzeichnet eine steigende Nachfrage. Neben den gebäudeintegrierten PV-Fassaden (GIPV-Fassaden) werden zunehmend auch multifunktionale Fassaden mit dezentral und modular integrierten HKL-Technologien eingesetzt. Im Bereich der architektonischen und gebäudetechnischen Konzeption von Verwaltungs- und anderen Objektbauten zeichnet sich zunehmend eine Trendwende über die architektonische Funktion hinaus zur ganzheitlichen Energie- und Klimakonzepten ab. Die Tendenzen gehen dazu über, die Investitions- und Betriebskosten zu senken und den Aufwand sowie die Raumkubatur der Energiezentralen, Durchbrüche und Schlitze für Energietrassen auf ein Minimum zu reduzieren. Fassadenintegrierte Solarsysteme (Solarthermie und Photovoltaik) sowie multi- es aber sein, die TGA-Komponenten nicht nur funktional effizient und konstruktiv richtig in die Gebäudehülle zu integrieren, sondern dass diese Bauteile auch ästhetisch wirksam in ein architektonisches Gesamtkonzept eingebunden werden. An der Gebäudehülle angeordnete solartechnische Systeme bilden ein wichtiges Element des solaren Bauens und avancieren zwischenzeitlich zum Bestandteil energieeffizienter Gebäude. Die am Markt erhältlichen Systeme stehen für Effizienz wie auch für Eleganz. Zudem sehen etliche Architekten, Bauherren und Investoren die Investition als innovative Produkte an, wobei die Integration als ein Symbol für den technischen Fortschritt (Imagepflege) angesehen wird. GESTALTUNGSELEMENTE MIT FASSADENINTEGRIERTER SOLARTHERMIE Bei der gebäudeintegrierten Solarthermie (Flächen-, Vakuumröhren- oder CP-Kollektoren sowie Luftkollektoren) müssen, wie bereits zahlreiche Designerpreise verdeutlichen, neben den rein quantitativen Zielsetzungen auch qualitative Ansprüche erfüllt werden. Zur Integration von fassadenintegrierten Solarkollektoren bieten sich großflächige Büro- und Verwaltungssowie Industriegebäude, aber auch Mehrfamilienhäuser an. Die Isolar-Energy Glas, Wolfhagen, stellt mit der „Sonnenfassade“ eine Neuentwicklung in Form eines fassadenintegrierten Vollglassolarkollektors vor. Aus einem 3Fassadenintegrierter Kollektor „Ritter XL Sofach-ISO wurde ein Isolierglas-Solarkolleklar“. tor konstruiert, der in konventionellen Bild: Ritter Energie- und Umwelttechnik Fassaden- und Fensterelemente montiert werden kann. Der Absorber wurde hierbei funktionale und dezentrale TGA- komplett in den ISO-Verbund integriert. Modulkomponenten können ein architekto- Der fassadenintegrierte Solarthermiekollenisch attraktives und zudem wirtschaftlich tor „XL-Solar“ von Ritter Energie- und Umprofitables Ergebnis bewirken. Die Multi- welttechnik, Dettenhausen, sammelt das funktionalität unterstreicht hierbei auch Sonnenlicht vor der Fassade und verschatdie Modernität der Architektur. Ziel muss tet die angrenzenden Räume vor der direk- 12 ten Sonneneinstrahlung. Ein in die Fassadenprofile integriertes Rohrsystem führt die gewonnene Solarwärme auf kurzen Wegen dem Gebäude zur Brauchwarmwassererwärmung und zur Heizungsunterstützung zu. Der von Hydro Building Systems, Ulm, in Kooperation mit der Ritter Energie- und Umwelttechnik entwickelte Fassadenkollektor „CPC Office/System Wicona“ wurde als ästhetisch und konstruktiv integraler Bestandteil eines Bürofassadensystems („Wicona“) mit dem Designer Award der Intersolar 201 0 ausgezeichnet. Die wichtigen technischen Aspekte wie visuelle Transparenz, gleichmäßige Raumausleuchtung, Wärmeschutz und Sonnenschutz werden in diesem Produkt kombiniert. Der Fassadenkollektor „CPC Office/System Wicona“ stellt konstruktiv eine echte Systemintegration dar und ist modular auf große Fassaden adaptierbar. Er besitzt aufgrund der verwendeten CPC- Vakuumröhren eine sehr hohe Effizienz, wodurch die Kühllast der angrenzenden Räume reduziert wird. Der Kollektor sammelt das Sonnenlicht vor der Fassade und schirmt die angrenzenden Räume vor direkter Sonneneinstrahlung ab. Aufgrund der geringen Wärmeverluste kann Solarwärme mit hoher Temperatur (60 bis 90 °C) erzeugt werden, die dann über das in die Fassadenprofile integrierte Rohrsystem auf kurzen Wegen dem Gebäude zur Verfügung gestellt wird. Der solar erzeugte Wärmegewinn kann zur Brauchwarmwasser- und Heizungsunterstützung aber auch zur solaren Kühlung verwendet werden. Ein geringer Anteil des Sonnenlichts dringt durch die Perforation des CPC-Reflektors ins Gebäude und ermöglicht eine gleichmäßige blendarme Raumausleuchtung sowie visuelle Transparenz für den Nutzer. Durch die geeignete Wahl der Per- IKZ-ENERGY 4/2013 foration des Spiegels wird einerseits der für Bürogebäude wichtige Sonnenschutz, andererseits die hohe Effizienz des Kollektors sichergestellt. Die hoch wärmegedämmte Glasfassade sorgt für geringen Energieverbrauch während der Heizperiode. Die zu öffnenden Fensterflügel der Fassade ermöglichen eine freie Belüftung und eine einfache Reinigung der Glasflächen. SOLARLUFTKOLLEKTORFASSADE Bei den unterschiedlichen Systemvarianten von Solarthermieanlagen von Grammer Sola werden in der Regel Flachkollektoren und Hochleistungs-Vakuumröhrenkollektoren verwendet. Diese Kollektortypen verwenden ein Wasser-Glykol-Gemisch als Wärmeträgermedium. Weniger verbreitet sind dagegen die luftdurchströmten Kollektoren, die u. a. auch sehr effizient in der Raumluftvorwärmung verwendet werden. Der Raum wird bei luftgeführten Solaranlagen zusätzlich zur Wärme noch mit Außenluft versorgt, was Fassadensäulen-Gerät Typ „FVM“, Bild: LTG Aktiengesellschaft den wohnhygienischen Ansprüchen und den Behaglichkeitskriterien bauten Raumes und damit auf die gesamte entgegen kommt. Gebäudeinvestition. Eine besonders aussichtsreiche Anwen- Bei den dezentralen Lüftungsgeräten wird dung der Solarluftkollektortechnik zeigt die Außenluft durch einen Fassadenspalt sich in den Hallenbädern, weil gerade in angesaugt. Eine im Geräteunterteil direkt diesem Nutzungsbereich ein fast ganzjäh- am Außenlufteintritt positionierte Abriger Heizenergiebedarf bei gleichzeitig sperrklappe mit Federrücklaufventil vergroßen hygienisch erforderlichen Luft- schließt bei inaktivem Gerätezustand und wechselraten erforderlich wird. Spannungsausfall die Außenluftöffnung. Solarluftkollektorenfassaden finden zahl- Nachdem die Außenluft mittels Feinstaubreiche Anwendungen in Sporthallen, La- filters gereinigt wurde, durchströmt sie ger- und Produktionshallen, Verkaufs- einen mechanisch selbsttätigen Volumenhallen aber auch in Bürogebäuden und stromregler, der den Außenvolumenstrom Schulen. auf einen eingestellten Maximalwert limitiert. Danach durchströmt die Luft eine FASSADEN- UND FENSTERBRÜSTUNGSWärmerückgewinnungskomponente. In INTEGRIERTE RLT-GERÄTE Strömungsrichtung folgend ist ein ZuluftDie raumlufttechnischen Systeme zu de- radialventilator angeordnet, der die Zuluft zentralisieren und in oder an die Fassade durch den Wärmeübertrager mit Heiz- und zu verlegen, bringt in vielen Projekten Kühlfunktion durch die bauseitige BrüsVorteile für die Gestaltung, Flexibilität und tungsverkleidung quellluftartig in den Wirtschaftlichkeit. Der Platzbedarf für Raum fördert. Die Abluft wird oberhalb Technikzentralen und Luftleitungen ent- des Gerätes durch die Brüstungsverkleifällt oder wird je nach Systemvariante dung abgesaugt, über einen Grobstaubfildrastisch reduziert. Dies hat einen wesent- ter geführt und gereinigt. Danach lichen Einfluss auf die Nutzung des um- durchströmt die Luft den Wärmeübertra- 4/2013 IKZ-ENERGY SON N EN EN ERG I E Solarfassaden ger zur Rückgewinnung der Abwärme. In energetisch sinnvollen Fällen, z. B. während der Übergangszeit sowie zum Vereisungsschutz, wird eine motorische Klappe geöffnet und die Wärmerückgewinnungeinheit umgangen. Der Fortluftventilator erzeugt die zur Luftförderung notwendige Druckdifferenz. Eine motorische Absperrklappe mit Federrücklaufantrieb verschließt bei inaktivem Gerätezustand und Spannungsausfall die Fortluftöffnung des Gerätes. Das dezentrale Fassadenlüftungsgerät Typ „FLH“ von Emco, Lingen, wurde aus energieeffizienten Gründen mit Wärmerückgewinnung entwickelt. Das „Emcovent“ arbeitet in vier Luftleistungsstufen, womit sich der erforderliche Außenluftanteil selbst bei stark genutzten Räumen, wie z. B. Klassenzimmern oder Schulungssälen, mit nur wenigen Geräten sicherstellen lässt. Die Außenluft wird direkt über die Fassade angesaugt und durch einen Kreuzstrom-Plattenwärmeübertrager (Wärmeübertragungs-Wirkungsgrad bis zu 60 %) geführt. Die zwei in den „Emcovent“ integrierten und regelungstechnisch gekoppelten EC-Radialventilatoren passen bei Druckschwankungen an der Fassade ihre Drehzahl an. YIT Germany – Krantz, Aachen, Aachen hat ein Lüftungsgerät für die Außenluftzufuhr von der Fassaden- bzw. Fensterbrüstung entwickelt, das alle Einbauten für die selbstständige Luftförderung-, Lufterwärmung und -kühlung, Wärmerückgewinnung sowie die Außenund Fortluftanschlüsse und zugeordneten Luftklappen enthält. Das Gerät ist zudem mit einem Luftdurchlasssystem für vertikale Fassadenabschirmung und individuell einstellbarer Luftströmung zum fassadennahen Arbeitsplatz ausgestattet sowie insbesondere für den Einsatz für Räume mit unterschiedlichen Nutzungsanforderungen geeignet. Das RLT-Gerät vom Typ „FVM“ der LTGAktiengesellschaft, Stuttgart, bietet aufgrund der dezentralen Integration in die Fassadensäulen etliche Vorteile. Für den Bauherrn ergeben sich Vorteile, wie • maximales Mietflächenangebot, • niedrige Investitionskosten der Grundinstallation, • je nach Mieterwunsch (Nutzerwunsch) modulare Nachrüstbarkeit von statischer Heizung über Umluft-Fancools bis zur Klimaanlage, • niedrige Energiekosten durch hocheffiziente Antriebstechnologie und Wärmerückgewinnung, • individuelle Flexibilität der Nutzer, • hoher technischer Komfort und Nutzerakzeptanz, z. B. durch den Einsatz spezieller Luftfilter für Allergiker. Für den Fachplaner ergeben sich die Vorteile, wie • sämtliche RLT-Funktionen sind in einem Gerät integriert (Außenluftversorgung; Abluft- und Außenluftfilter F7; Außenschalldämpfer; Heizen-Kühlen-Umluftbetrieb; Wärmeund Feuchterückgewinnung), • LON-fähige Regelung für optimalen Betrieb mit programmierbaren Nutzungsprofilen. Als Alternative bieten sich die Fassadenbrüstungsgeräte vom Typ „Univent Typ FVS“ an. Beide Fassadensystemeinheiten, Fassadensäulengerät „Typ FVM“ und das Fensterbrüstungsgerät vom Typ „Univent FVS“ können von jedem Raum individuell geregelt werden. Das Fassadenbrüstungsgerät vom Typ „FSL“ von TROX, Neukirchen-Vlyn, wurde als Zu- und Abluftgerät mit Sekundärluftfunktion mit folgenden Komponenten konzipiert: • Wärmerückgewinnung und quellluftartige Luftführung, • Wärmeübertragereinheit zum Kühlen und Heizen, • energieeffiziente Radialventilatoren mit Leistungsanpassung in drei Ventilatorstufen, • geregelter/begrenzter Außenluftstrom, unabhängig vom Winddruck, • Zu- und Abluftbetrieb, Sekundärluftbeimischung möglich, • Kühlleistung: bis 460 W; Heizleistung: bis 800 W. gration entwickelt. Die „E2-Integralfassaden“ werden mit integrierten Konzepten für Kühlung, Belüftung, Wärmenutzung und Klimatisierung ausgeführt. WIRTSCHAFTLICHKEIT Für Neubauten sowie Sanierungs- bzw. Modernisierungskonzepte sollte bereits während der Vorplanung mithilfe von Simulationsprogrammen eine Evaluation (Bewertung) der unterschiedlichsten multifunktionalen TGA-Systemvarianten zur Fassadenintegration hinsichtlich der Investitionskosten und der Energieanalyse durchgeführt werden. Nur mit Unterstützung dieser Simulationsergebnisse lässt sich eine Aussage über die effektiven Energieeinspareffekte und letztlich auch die Amortisation der innovativen Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) erstellen. Die Bereitstellung von Raumkubaturen für Energiezentralen, Energieversorgungsschächte und -trassenführungen sowie den damit verbundenen statischen, brandschutztechnischen und akustischen Problemen wirken einem energieoptimierten Bauen sicherlich negativ entgegen. Demgegenüber bieten multifunktionale und dezentrale TGA-Systemfindungen, insbesondere für Büro- und Verwaltungsgebäude, etliche Vorteile: • Gestaltungsfreiheit mit dezentraler Technikkonzeption, • Vermietbarkeit durch flexible Flächenaufteilung der Mietbereiche, • spezifizierte Energieabrechnung mit bedarfsgeführter, energieeffizienter Gebäudeautomation (Raumregelungen), etc. Letztlich rechnet sich der Einsatz dezentraler TGA-Systeme allein aufgrund der minimierten Energie- und Betriebskosten sowie durch die kurze Amortisationszeit und optimierten Nutzungskomfort. Autor: Dipl.-Ing. Eric Theiß Für die Architektur ergeben sich Vorteile, wie • minimaler Platzbedarf zur Integration in einschaliger Fassade (Breite 400 mm, Tiefe 1 60 mm, Höhe 2680 mm), • freie Raumgestaltung und architektoni- Als Beitrag zur aktiven Energieerzeugung sche Gestaltung der Verkleidung. für Bürogebäude hat Schüco International, Bielefeld, parallel zur GIPV auch Systeme der multifunktionalen TGA-Fassadeninte- 14 IKZ-ENERGY 4/2013