M AMMATUMOREN Bei Hund und Katze bestehen Unterschiede Martin Kessler Zwischen den Mammatumoren des Hundes und der Katze bestehen erhebliche Unterschiede in Bezug auf ihre Malignitätsrate, ihr biologisches Verhalten, ihre Therapie und Prognose. Für den Kleintierpraktiker ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen, um die Besitzer betroffener Patienten sachkundig über die bestmögliche Vorgehensweise informieren zu können. Der Anteil maligner Mammatumoren bei der Katze liegt bei etwa 90 % und somit deutlich höher als bei der Hündin. In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich pathohistologisch um Adenokarzinome. Prädispositionen Tumoren der Milchdrüsen finden sich bei Katzen jeden Alters, vorwiegend jedoch bei älteren Tieren (Durchschnittsalter 10–12 Jahre). Eine Rasseprädisposition für die Entwicklung von Mammatumoren besteht bei Siamkatzen. Sexuell intakte Tiere haben ein etwa siebenfach erhöhtes Tumorrisiko und eine Kastration kann, unabhän- gig vom Zeitpunkt der Durchführung, das Risiko herabsetzen. Künstliche Sexualhormone zur Rolligkeitsunterdrückung oder zur Behandlung von Dermatosen haben bei regelmäßigem Einsatz eine tumorbegünstigende Wirkung. Es besteht keine Prädisposition für bestimmte Mammakomplexe und das Auftreten multipler Tumoren ist häufig. Metastasierungsneigung Mammatumoren der Katze zeigen ein sehr aggressives Infiltrationsverhalten und haben eine hohe Tendenz zur Metastasierung. Häufig kommt es zu invasivem Wachstum in die Haut, und bei etwa einem Die Wahrscheinlichkeit einer Metastasierung steigt proportional zum Volumen des Tumors, weshalb eine frühestmögliche Therapie von besonderer Bedeutung ist. Eine Metastasierung in die regionären Lymphknoten ist häufig (bei ca. 50 % der betroffenen Tiere) und auch eine Ausbreitung in die Lunge ist vielfach nachzuweisen. Bei der Katze stellen sich Lungenmetastasen von Mammatumoren röntgenologisch häufig als diffuse Verschattungen oder schlecht umschriebene noduläre Veränderungen dar (Abb. 2) und nur selten als gut konturierte makronoduläre Herde. Nicht selten gehen sie mit einem Thoraxerguss einher (Abb. 3). Eine umgehende Therapie im frühesten Stadium der Erkrankung ist entscheidend. Diagnostik Bei der Untersuchung muss der Primärtumor hinsichtlich 쐌 Größe, 쐌 Verschieblichkeit und 쐌 Ulzeration beurteilt werden. Weiterhin sind unbedingt erforderlich: Abb. 1: Lymphangiosis carcinomatosa bei einer Katze mit Mammatumor. 12 쐌 Untersuchung der inguinalen und axillären Lymphknoten beider Seiten 쐌 Röntgenuntersuchung der Lunge Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG · 4/2007 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Viertel der Patienten kommt es zur Invasion der Hautlymphgefäße (Lymphangiosis carcinomatosa, Abb. 1) und zu einem ulzerativen Aufbrechen des Tumors, was eine sehr schlechte Prognose mit sich bringt. Der Anteil der Tumoren mit histologisch nachweisbaren Lymphgefäßeinbrüchen liegt bei 25 %, bei Siamkatzen sogar bei über 35 %. — M A M M AT U M O R E N — Die radikale Mastektomie aller Mammakomplexe der betroffenen Seite (Abb. 4) auch bei kleinen Tumoren ist die bevorzugte Operationstechnik, da sie im Vergleich zu regionalen Resektionstechniken das Risiko eines Rezidivs beträchtlich mindert. Da zusammen mit der Mammaleiste stets die inguinalen Lymphknoten entfernt werden (bei palpatorischer Vergrößerung auch die axillären Lymphknoten), sollten diese wie der Primärtumor der pathohistologischen Untersuchung zugeführt werden. Eine Kastration zum Zeitpunkt der Mastektomie hat keinen Einfluss auf die Rezidivrate. konkret Aufgrund ihrer hohen Malignität ist eine abwartende Haltung bei Mammatumoren der Katze kontraindiziert. Chemotherapie Das Chemotherapeutikum der Wahl ist: 쐌 Doxorubicin 1,1 mg/kg streng intravenös über 10–15 min als Dauertropfinfusion, 4–6 Behandlungen in 3-wöchigem Abstand Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Operative Therapie Es führt bei der Katze nur sehr selten zu Nebenwirkungen. Als adjuvante Therapie kann es nach radikaler Mastektomie eingesetzt werden, vor allem in Fällen, bei denen Lymphgefäßeinbrüche oder Lymphknotenmetastasen nachzuweisen sind. Abb. 2: Gut umschriebene, multiple, makronoduläre Lungenmetastasen bei einer Katze mit Mammatumor. Als alleiniges Therapeutikum wird es bei inoperablen oder bereits makroskopisch metastasierten Tumoren angewandt. Selbst bei diesen weit fortgeschrittenen Fällen kommt es häufig zu sichtbarem Erfolg mit partieller Tumorremission. Prognose Die entscheidenden prognostischen Kriterien beim Mammatumor der Katze sind: 쐌 der Zeitpunkt der Intervention 쐌 die Größe des Tumors 쐌 der histologische Differenzierungsgrad des Tumors 쐌 die verwendete Operationstechnik Abb. 3: Thoraxerguss infolge mikronodulärer Lungenmetastasen bei einer Katze mit Mammatumor. Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG · 4/2007 Bei Katzen mit Tumoren mit einem Durchmesser von weniger als 2 cm ist die Prognose noch relativ gut. Bei Tumoren zwischen 2 und 3 cm Durchmesser sinkt die Überlebens- 13 — M A M M AT U M O R E N — Zusammenfassung der wichtigsten Charakteristika des felinen Mammatumors 쐌 Über 90 % der Mammatumoren der Katze sind bösartig. 쐌 Mammatumoren der Katze haben eine starke Metastasierungstendenz (v. a. Lymphknoten/Lunge). 쐌 Die radikale Mastektomie ist die Therapie der Wahl. Abb. 4: Radikale Mastektomie bei einer Katze mit Mammatumor. wahrscheinlichkeit bereits erheblich ab, während die Hälfte der Katzen mit größerer Tumormasse bereits nach weniger als 6 Monaten eingeschläfert werden muss. Katzen mit gut differenzierten Tumoren überlebten in einer Studie länger als 1 Jahr, 42 % der Tiere mit mittelgradig und alle Tiere mit niedrig differenzierten Tumoren verstar- 쐌 Die Prognose korreliert mit der Größe des Tumors, seinem Differenzierungsgrad und dem Nachweis von Lymphgefäßeinbrüchen. ben innerhalb des ersten postoperativen Jahres. Literatur beim Autor. Anschrift des Autors: Dr. Martin Kessler Tierklinik Hofheim Im Langgewann 9 65719 Hofheim e-mail: [email protected] 14 Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG · 4/2007 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 쐌 Eine primäre oder adjuvante Chemotherapie kann die Überlebenszeit positiv beeinflussen.