Zum Umgang mit Fachsprache im Geographieunterricht

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Didakt ische Impulse
Lars S chmoll
Zum Umgang mit Fachsprache
im Geographieunterricht
Die Fachsprache und deren Ausbildung spielt im Geographieunterricht eine große Rolle und
wird von Klasse 5 bis hin zum Abitur in allen Bundesländern deutlich curricular eingefordert.
Gleichwohl ist der fachdidaktische Diskurs zu diesem Thema seit längerem auffallend zurückhaltend. Im Folgenden werden aus diesem Grund einige didaktische Aspekte zum Umgang mit
Fachbegriffen im Geographieunterricht diskutiert.
Zum Begriff
Didaktische Aspekte
Die Linguistik unterscheidet grundsätz­
lich zwischen Fachsprache und Gemein­
sprache, die zusammen die Gesamt­
sprache bilden. Dabei sind Fach- und
Gemeinsprache nicht voneinander ge­
trennt, sondern überlappen sich. Fach­
sprache kann vereinfacht definiert
werden, als eine Sprache, die für ein be­
stimmtes Fachgebiet oder eine Branche
gilt. Innerhalb der Fachsprache bezeich­
net die Terminologie die Gesamtheit
­aller Begriffe und Benennungen (= Ter­
mini) (vgl. genauer z. B. Fluck 1996).
Häufig werden darüber hinaus
Fremdwörter abgegrenzt. Diese kön­
nen definiert werden als Wörter aus
anderen Sprachen, die bestimmte Lau­
tungen oder Schreibweisen besitzen.
Allerdings ist eine solche Trennung in­
sofern unscharf, da Fachwörter häufig
ebenfalls Fremdwörter sind.
Fachbegriffe lassen sich generell in
zwei Ebenen untergliedern:
• horizontal: in verschiedenen Fach­
gebieten (z. B. Medizin, EDV, etc.).
• vertikal: in verschiedenen Abstrak­
tionsstufen (z. B. Wissenschaft, Fach­
arbeiter, etc.).
In der Geographiedidaktik bezie­
hen sich neuere Diskussionsbeiträge
häufig auf eine eher allgemeine Ebe­
ne bzw. den generellen Umgang mit
der Sprache im Unterricht. So geht es
nach Czapek (2004, S. 118) erst an spä­
terer Stelle um den Erwerb von Fach­
sprachlichkeit. Diese Forderung re­
sultiert aus der curricularen Vorgabe,
dass ­neben dem Deutschunterricht, alle
­Fächer verpflichtet sind die Verbesse­
rung der deutschen Sprache als Kompe­
tenz auszuweisen. Gleichwohl existiert
ein sehr umfangreiches System geogra­
phisch relevanter Fachbegriffe. Die Ein­
führung solcher Fachbegriffe lässt sich
aus ­didaktischer Sicht auf eine zentrale
­Frage fokussieren:
Für die Geographie existiert kein ei­
genes horizontales disziplinbezogenes
System der Fachsprache, obwohl zahl­
reiche Lexika geographischer Fach­
begriffe vorliegen (vgl. z. B. Leser et al.
2006; Wallert 2001). Dies erscheint auf­
grund der Interdisziplinarität nicht
überraschend. Zahlreiche wichtige
geographische Fachtermini werden
ebenfalls in anderen Disziplinen bzw.
Fächern angewandt (z. B. Export, Segre­
gation, etc.).
56
Wie führt man wann,
welche Fachbegriffe ein?
Die Frage nach dem „Wie“ beantwortet
Birkenhauer (2005) mit fünf verschie­
denen Wegen. Danach sollten die Ge­
ographielehrkräfte versuchen, eine
„Nähe“ zum Begriff herzustellen. Dies
ist durch eine umfassende Einführung
und Einübung, der hinter einem Fach­
begriff liegenden Merkmale, möglich.
Darüber hinaus soll, wenn möglich, eine
Konkretisierung erfolgen. Des Weiteren
kann durch emotionale Bezüge (z. B.
­eigene Erfahrungen mit dem Massen­
tourismus) und metaphorische Ansät­
ze (Hungergürtel, Verkehrsknoten, etc.)
der Lernerfolg und das Verständnis für
Fachbegriffe gesteigert werden. Grund­
sätzlich gibt es zwei verschiedene Ver­
fahrensweisen bei der Einführung von
Fachbegriffen:
• Der Fachbegriff steht als eigenes
Konzept und leitet eine oder meh­
rere Unterrichtseinheiten (sinnvoll
möglich z. B. bei Sanfter Tourismus,
Grüne Revolution, Global City, etc.).
• Der Fachbegriff wird ähnlich wie
eine Vokabel verwendet und dient
der begrifflichen Präzisierung auf­
gebauter Kompetenzen bzw. Sach­
aspekte (z. B. Push- und Pull-Fakto­
ren, Devisen, etc.).
In jedem Fall sollte der Fachbegriff im
Unterrichtsgeschehen eine ­ besondere
Stellung einnehmen (z. B. durch Tafel­
bilder, Anlegung eines eigenen Glos­
sars im Erdkundeheft). Im Unterrichts­
gespräch hat die Lehrkraft die Aufgabe,
konsequent die Nutzung bereits einge­
führter Fachbegriffe einzufordern.
Die Frage nach dem „Wann“ lässt
sich z. T. mit dem Abstraktionsgrad be­
antworten (siehe vertikale Ebene von
Fachbegriffen). In unteren Klassen soll­
ten daher Fachbegriffe zur Anwendung
kommen, die man mit möglichst vie­
len der fünf angesprochenen Wege ein­
führen kann. Die Frage welche Fach­
begriffe eingeführt werden sollten, ist
zu verknüpfen mit der Frage nach der
Menge. Aus der didaktischen Diskussi­
on (vgl. z. B. Stroppe 1981; Ziegler 1981)
lassen sich die in der Tabelle 1 darge­
stellten Maximalwerte extrahieren.
Klassenstufe max. Anzahl neuer Fachbegriffe pro Schuljahr
5 und 6
25
7 und 8
35
40
ab Klasse 9
Tab. 1: Richtwerte für die Menge
einzuführender Fachbegriffe im Fach
Erdkunde
Praxis Geographie 9|2011
Fazit
Obwohl es kein abgeschlossenes geo­
graphiespezifisches System von Fach­
begriffen gibt, erscheint mir die Be­
schäftigung mit dem Thema für den
einzelnen Geographielehrer bzw. insbe­
sondere für die Arbeit in der Fachschaft
von großer Bedeutung. Ausgehend von
einem verbindlichen Fundamentum
und der Beachtung bestimmter didak­
tischer Prinzipien bei der Einführung
und dem Umgang mit Fachbegrif­
fen lassen sich dadurch Lernprozesse
und Unter­richtskommunikation sach­
adäquat differenzieren.
L i terat u r
Birkenhauer, J.: Sprache und Begrifflichkeit im
Geographieunterricht. Praxis Geographie
25 (2005) H. 1, S 43–44
Czapek, F. M.: Sprachliche Bildung im
­Geographieunterricht. In: Schallhorn, E.
(Hrsg.): Erdkunde Didaktik. Praxishandbuch
für die SI und SII. Berlin 2004, S. 111–118
Fluck, J.: Fachsprache. Tübingen 1996
Latz, W.: Diercke Geographie. NRW – Gymnasium: Bd. 1 und 2/3. Braunschweig 2007
Leser, H. u. a. (Hrsg.): Wörterbuch der
­Allgemeinen Geographie. Stuttgart 2006
MSW (= Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen):
Kernlehrplan für das Gymnasium – Sekundarstufe I (G8) in Nordrhein-Westfalen.
Frechen 2007
Stroppe, W.: Zur Systematik der Begriffe in
der Schulgeographie. Geographie und
Schule 11 (1981), S. 10–18
Wallert, W.: Geovokabeln. Stuttgart 2001
Ziegler, R.: Bemerkungen zum didaktischmethodischen Wert des Fachwortes im
Geographieunterricht. Geographische
Rundschau 33 (1981) H. 8, S. 332–333
Klasse
5
– Physische, thematische, topographische Karte, Maßstab, Meridian, Äquator
– Dorf, Stadt, City, Pendler
– Klima, Wetter, Import, Export, Börde, Spezialisierung, Intensivierung,
ökologische Landwirtschaft
– Dienstleistung, Energieträger, Standortfaktor
– Naherholungsgebiet
– Fremdenverkehrseinrichtungen
7
– Atmosphäre, Ozonschicht, Erdrotation, Zenit, Wendekreis, Klimazone, Tageszeiten- und Jahreszeitenklima, Wachstumszeit, kontinentales und maritimes
Klima, Vegetation, tropischer Regenwald, Savanne, Wüste, gemäßigte Zone,
Steppe, Taiga, Tundra, Anbaugrenze, Erosion, Wanderfeldbau (shifting
cultivation), Regen- und Trockenzeit, Klimadiagramm,
– Erdkern, Erdkruste, Erdmantel, Lithosphäre, Magma, Lava, Erdbeben, Epi­
zentrum, Kontinentalverschiebung, Tsunami, Plattentektonik, Treibhauseffekt
8 (Epoche)
(ein Halbjahr)
– Geburten-, Sterbe-, Wachstumsrate, Bevölkerungs­pyramide, Ressourcen, Grüne Revolution, Migration, push u. pull-Faktoren, Landflucht, Verstädterung,
Mega­stadt, BSP, BIP, HDI, Daseinsgrundfunktion, Bevölke­rungsdruck, Landreform,
Auslandsverschuldung, nachhaltige Entwicklung
9 (Epoche)
(ein Halbjahr)
– Devisen, Sanfter Tourismus, Massentourismus, Wirtschaftssektoren, Tertiärisierung, Schlüsselindustrie, Subventionen, harte u. weiche Standortfaktoren,
Agglomerationsvorteil, Strukturwandel, Globalisierung, Global City, Global
Player, Transformationsländer, Triade, Agribusiness, Produktivität, Intensivlandwirtschaft
* der Katalog versteht sich als Vorschlag und kann jederzeit verändert, gekürzt oder erweitert
werden. Die Auswahl der Fachwörter erfolgte insbesondere in Abstimmung mit dem Curriculum
für das Fach Erdkunde am Gymnasium in Nordrhein-Westfalen und dabei insbesondere mit denen
im Kernlehrplan (MSW, 2007) ausgewiesenen Kompetenzen. Anschließend wurde ein Abgleich
mit einem Schulbuch (vgl. Latz 2007) vorgenommen.
Tab. 2: Vorschlag einer Liste möglichen Fachbegriffe für die Sekundarstufe I
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den. Gleichwohl erscheint eine deut­
liche Überschreitung der Werte nicht
ratsam, da eine konsequente Einfüh­
rung Zeit kostet und die Ausbildung
eines Fachvokabulars nur einen klei­
nen Teil des Geographieunterrichts aus­
macht. In vielen Bundesländern hat dar­
über hinaus das Fach Erdkunde durch
die Verkürzung der Schulzeit eine Stun­
denreduzierung hinnehmen müssen.
Zentral erscheinen m. E. schul­
interne Absprachen. Dadurch wird eine
­höhere Verbindlichkeit erreicht und
die Arbeit der Lehrkräfte erleichtert, da
klar ist, was von der Lerngruppe bezüg­
lich der Fachbegriffe erwartet werden
kann bzw. auf welche Begriffe man auf­
bauen kann. Ein Beispiel einer solchen
schulinternen Absprache findet sich in
Tabelle 2.
23.06.2009 13:55:58 Uhr
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