354 © Schattauer 2010 Original- und Übersichtsarbeiten Bedeutung des RANK/RANKL/OPGSignalwegs für den Knochenstoffwechsel L. C. Hofbauer Bereich Endokrinologie/Diabetes/metabolische Knochenerkrankungen, Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden Schlüsselwörter Knochenresorption, RANK Keywords Osteoklast, RANKL, Bone resorption, osteoclasts, RANKL, RANK Zusammenfassung Summary Die meisten Knochenstoffwechselkrankheiten sind nach heutigem Kenntnisstand Folge einer gesteigerten Knochenresorption durch Osteoklasten. In den letzten 15 Jahren wurden die entscheidenden molekularen und zellulären Regulatoren der Zellbiologie von Osteoklasten entschlüsselt. Receptor activator of NF-κB-Ligand (RANKL) und sein Rezeptor RANK sind essenziell für die Differenzierung und Aktivierung von Osteoklasten und für eine normale Knochenresorption absolut erforderlich. Die Wirkungen von RANKL werden durch den endogenen löslichen Rezeptorantagonisten Osteoprotegerin (OPG) neutralisiert. Die Balance zwischen RANKL und OPG ist im Östrogenmangel oder bei systemischer Glukokortikoidtherapie gestört und dadurch wird der RANKL/OPG-Quotient erhöht, was zum beschleunigten Knochenverlust führt. Angesichts der fundamentalen Rolle des RANKL/RANK/OPG-Signalwegs im Knochenstoffwechsel ist mittlerweile RANKL zum therapeutischen Target geworden. Strategien der RANKL-Blockade wurden in verschiedenen Tiermodellen klinisch relevanter Knochenerkrankungen erfolgreich eingesetzt. Dazu zählen verschiedene Osteoporoseformen sowie Knochenverlust infolge systemischer Entzündung und Tumoren. The majority of metabolic bone diseases is due to an enhanced bone resorption by osteoclasts. Over the last 15 years, the critical molecular and cellular pathways of osteoclast biology have been unravelled. Receptor activator of NF-κB ligand (RANKL) and its receptor RANK have been identified as the key mechanisms required for osteoclast differentiation and activation and to be undispensible for bone resorption. The effects of RANKL are counteracted by the endogenous decoy receptor osteoprotegerin (OPG). The critical balance between RANKL and OPG is disturbed in situations of estrogen deficiency or systemic glucocorticoid therapy, where the RANKL/OPG ratio is enhanced and associated with exaggerated bone loss. In light of the fundamental role of the RANKL/RANK/OPG pathway in bone remodelling, RANKL has become a therapeutic target. Strategies of RANKL blockade have been sucessfully employed in several animal models of bone loss conditions, including osteoporosis, bone loss associated with systemic inflammation, and cancer-related bone loss. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Lorenz C. Hofbauer Bereich Endokrinologie/Diabetes/metabolische Knochenerkrankungen Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden Fetscherstraße 74, 01307 Dresden Tel.: 03 51/458-31 73, Fax: 03 51/458-43 09 Role of the RANK/RANKL/OPG signaling pathway in the regulation of bone metabolism Osteologie 2010; 19: 354–357 eingereicht: 14. Dezember 2009 angenommen: 12. Januar 2010 Das Skelett ist ein metabolisch hoch aktives Organ, das während der gesamten Lebensdauer einem kontinuierlichen Umbauprozess unterliegt. In einem dynamischen Gleichgewicht sind die osteoklastäre Resorption und die osteoblastäre Produktion der Knochensubstanz aneinander gekoppelt. Der Knochenumbau erfolgt in einer komplexen, streng regulierten Abfolge von Resorptions- und Formationsschritten, wobei die zellulären Akteure durch verschiedene hormonelle und zentrale Regulationssysteme koordiniert werden. Das RANKL/RANK/OPGSystem – RANKL als Stammzellfaktor für Osteoklasten Das RANKL/RANK/OPG-Zytokinsystem besteht aus dem Mitglied der Tumor necrosis factor (TNF)-Ligandenfamilie Receptor activator of nuclear factor-κB ligand (RANKL) (1), seinem Rezeptor Receptor activator of nuclear factor-κB (RANK) und seinem löslichen Rezeptorantagonisten Osteoprotegerin (OPG) (2). Der RANKL/ RANK/OPG-Signalweg gilt als zentrales System der Knochenresorption. RANKL fördert die Knochenresorption durch Steigerung der Anzahl und Aktivität funktionsfähiger Osteoklasten über die Aktivierung seines osteoklastären Rezeptors RANK (3) und Induktion der Osteoklastogenese durch Interaktion mit RANK auf monozytären Osteoklastenvorläuferzellen. Dieser Prozess kann durch den löslichen Antagonisten OPG gehemmt werden, wodurch die Knochenresorption feinreguliert wird. Somit stellen RANKL und OPG essenzielle Faktoren der Regulation von Differenzierung, Fusion, Aktivierung und Osteologie 4/2010 Downloaded from www.osteologie-journal.de on 2017-08-19 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. L. C. Hofbauer: RANK/RANKL/OPG-Signalweg und Knochenstoffwechsel Apoptose von Osteoklasten dar, den Effektorzellen des Knochenumbaus (4). RANKL wird vor allem im Knochen und Knochenmark von verschiedenen skelettalen Zellen wie mesenchymalen Stammzellen, Stromazellen, Osteoblasten, Periostzellen und Chondrozyten exprimiert. Eine sehr hohe RANKL-Expression findet sich auch im lymphatischen Gewebe und bei verschiedenen Malignomen. Andere nichtskelettale Zellen mit nachgewiesener RANKL-Expression sind Endothelzellen, T-Lymphozyten, Zellen des Zahnhalteapparates, synoviale Fibroblasten, monozytäre Zellen und verschiedene Tumorzellen. Die Konzentration an zirkulierendem RANKL wird jedoch hauptsächlich durch die aus dem Knochen freigesetzte Fraktion bestimmt (5). Der zellständige Rezeptor RANK wird am stärksten im Knochengewebe und im lymphatischen System exprimiert und findet sich in funktionell aktiver Form vor allem auf Osteoklasten, dendritischen Zellen und B- und T-Lymphozyten sowie auf Endothelzellen, Muskelzellen und malignen Zellen. Ebenso wie der M-CSF-Rezeptor c-fms und der Kalzitoninrezeptor ist RANK mittlerweile gut als Oberflächenmarker zur Phänotypisierung von Osteoklasten etabliert. Die intrazelluläre Signaltransduktion nach der Bindung von RANKL an seinen Rezeptor RANK ist komplex. Die durch die RANKL-Bindung initiierte Rezeptortrimerisierung führt zur Rekrutierung von Adaptermolekülen wie c-src und TNF-receptor-associated factor 6 (TRAF6). Die Signaltransduktion besitzt vier definierte Signalwege. Die Aktivierung von NFAT2 über Calcineurin, die JNK/c-fos/c-junKaskade und die Aktivierung von NF-κB erwiesen sich als essenziell für die Osteoklastendifferenzierung und -aktivierung. Über eine gemeinsame Rekrutierung von TRAF6 und c-src wird die PI3K/Akt/PKBSignaltransduktionskaskade aktiviert, die vor allem antiapoptotische und zytoskelettale Effekte auf Osteoklasten vermittelt (6). OPG antagonisiert die RANKL-RANKvermittelten Wirkungen durch kompetitive Bindung sämtlicher RANKL-Formen als dessen löslicher Rezeptorantagonist. Die hochaffine Bindung eines OPG-Homodimers an einen RANKL-Homotrimer führt zur Bildung eines stabilen DimerTrimer-Komplexes. Das OPG-Dimer bindet dabei an zwei RANKL-Moleküle. Neben RANKL bindet und neutralisiert OPG einen weiteren TNF-Liganden, TNF-related apoptosis-inducing ligand (TRAIL), wobei jedoch die Affinität im Vergleich zu RANKL deutlich geringer ist. Die OPGmRNA-Expression und -Proteinsekretion konnte für viele verschiedene normale und maligne Zelltypen nachgewiesen werden, wobei einige dieser Zellen zusätzlich auch RANKL exprimieren. Innerhalb des Knochensystems wird OPG vor allem von osteoblastären Zellreihen, Stromazellen und Chondrozyten produziert. Im Immunsystem findet sich eine starke OPG-Expression im lymphatischen Gewebe, u. a. in Lymphknoten und in der Milz, mit einer OPG-Produktion durch dendritische Zellen und B-Lymphozyten. Eine ausgeprägte OPG-Expression wurde auch im Gewebe des Zahnhalteapparates, der Wand großer Arterien und im Schilddrüsengewebe gefunden. Da die extraskelettale OPG-Expression sehr vielfältig ist, eignet sich die OPG-Serumkonzentration nur bedingt für die Einschätzung des Status der Knochenresorption (7). Störungen des RANKL/ RANK/OPG-Systems bei Knochenerkrankungen des Menschen Die Dysregulation des RANKL/RANK/ OPG-Systems spielt eine Rolle in der Pathophysiologie von Knochenumbauvorgängen im Rahmen verschiedener Erkrankungen, wie z. B. bei der postmenopausalen und glukokortikoidinduzierten Osteoporose, der rheumatoiden Arthritis und auch bei malignen Erkrankungen, wie dem multiplen Myelom (8). Sowohl hormonelle Veränderungen wie z. B. der Abfall körpereigener Sexualhormone oder ein Glukokortikoidüberschuss, aber auch Milieuveränderungen chronischer Entzündungen wie bei der rheumatoiden Arthritis oder maligner Erkrankungen wie beim multiplen Myelom ziehen eine Veränderung des RANKL/OPG-Gleichgewichts und Umbauvorgänge im Knochen nach sich. Während die kontrollierte Knochenresorption für physiologische Prozesse wie Knochenwachstum, Zahneruption und für die Knochenheilung nach Frakturen notwendig ist, führt eine inadäquat hohe Knochenresorption durch eine übermäßige Osteoklastenaktivität zu einem Verlust von Knochenmasse. Dies ist bei verschiedenen Osteoporoseformen, beim Morbus Paget, bei der rheumatoiden Arthritis und der Peridontitis der Fall. Ein Mangel an funktionsfähigen Osteoklasten führt dagegen zu einer erhöhten Knochenmasse im Sinne einer Osteopetrose (6). Bei der postmenopausalen Osteoporose geht der Östrogenmangel mit einer Verminderung der Knochendichte einher. In vitro- und Tier-Modelle der postmenopausalen Osteoporose belegen sehr deutlich, dass Östrogene regulativ in die Expression sämtlicher Komponenten des RANKL/ RANK/OPG-Systems eingreifen und die OPG-Expression stimulieren (9). Die Bedeutung einer Verschiebung des RANKL/ OPG-Quotienten als Ursache und Mechanismus der postmenopausalen Osteoporose ist mittlerweile gut belegt. So weisen postmenopausale Frauen im Vergleich zu prämenopausalen und unter Östrogentherapie stehenden Frauen eine deutlich gesteigerte RANKL-Expression durch Knochenmark-Stromazellen und Lymphozyten auf. Die RANKL-Expression korreliert dabei positiv mit der Serumkonzentration von Knochenresorptionsmarkern und negativ mit der Östradiol-Serum-Konzentration (10). Auch wenn die klinische Signifikanz der Serumkonzentrationen von OPG und RANKL kontrovers diskutiert wird, lässt sich doch einheitlich beobachten, dass die OPG-Serumkonzentration mit dem Alter ansteigt und postmenopausal bei Osteoporosepatientinnen höher ist als bei postmenopausalen Frauen mit normaler Knochendichte. Die OPG-Serumkonzentration korreliert dabei negativ mit der Knochendichte. Es wird angenommen, dass die erhöhte OPG-Serumkonzentration möglicherweise einen Gegenregulationsprozess gegen den gesteigerten Knochenmetabolismus darstellt (11). Präklinische und klinische Studien zur Osteoporose bei Männern lassen ebenfalls eine hormonell gesteuerte Steigerung des skelettalen RANKL/OPG-Quotienten in © Schattauer 2010 Osteologie 4/2010 Downloaded from www.osteologie-journal.de on 2017-08-19 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 355 356 L. C. Hofbauer: RANK/RANKL/OPG-Signalweg und Knochenstoffwechsel der Entstehung der Osteoporose vermuten. Epidemiologisch ist eine Korrelation der altersbedingten Abnahme der Serum-Testosteron-Konzentration mit gesteigerter Inzidenz von Osteoporose und Knochenfrakturen belegt. Mit zunehmendem Alter wird eine Abnahme der OPG-Produktion im Knochen beobachtet (12). Der Androgenmangel kastrierter Mäuse geht mit einer Zunahme der Konzentration des von Knochenmarkzellen exprimierten löslichen RANKL einher (13). Neben der sexualhormonabhängigen Osteoporose spielt vor allem die durch Glukokortikoide induzierte Osteoporose eine wichtige Rolle im klinischen Alltag. Vor allem bei Glukokortikoideinnahme von mehr als 7,5 mg Prednisolon pro Tag wird eine Verminderung der Knochendichte beobachtet. In-vitro-Analysen lassen eine Begünstigung des katabolen Knochenmetabolismus über eine vermehrte Expression von RANKL und eine Reduktion der OPG-Produktion durch Glukokortikoide vermuten. Bei Patienten mit Morbus Crohn beobachtete man unter langfristiger Glukokortikoidtherapie einen Anstieg des RANKL/OPG-Quotienten im Serum (14). Auch Patienten mit Glomerulonephritis zeigten unter Glukokortikoiddauertherapie einen verminderten OPG-Serumspiegel, der positiv mit dem Knochenumsatz und negativ mit der Knochendichte korrelierte (15). Nicht nur bei dem generalisiert gesteigerten Knochenmetabolismus im Rahmen der Osteoporose, sondern auch bei lokalen destruktiven Prozessen wird die Verschiebung des RANKL/OPG-Quotienten zugunsten von RANKL als zentrales pathogenetisches Element vermutet. Bei der rheumatoiden Arthritis findet sich eine hohe RANKL-Expression in der Synovia. Invitro-Studien zeigen eine gesteigerte RANKL-Expression synovialer Zellen unter TNF-α-Stimulation (16). Auch bei malignen Prozessen mit osteolytischer Skelettmanifestation, wie dem Mammakarzinom und dem multiplen Myelom, wird dem RANKL/RANK/OPG-System eine zentrale Rolle zugesprochen. Maligne Zellen sind in der Lage, neben der Stimulation der RANKL-produzierenden Osteoblasten und Bindegewebszellen des Knochenmarks auch selbst RANKL in großen Mengen zu produzieren und so Osteolysen zu verursachen. Bei Patienten mit Mamma- oder Prostatakarzinom wurde zudem eine Korrelation von Knochenmetastasen mit erhöhten Serumkonzentrationen an OPG beobachtet, wobei die gesteigerte OPG-Expression als Gegenregulationsmechanismus zum gesteigerten Knochenumsatz interpretiert wird (7). Blockade von RANKL in präklinischen Tiermodellen Die Bedeutung des RANKL/RANK/OPGSystems für die Pathogenese von Knochenerkrankungen und die Knochenmanifestation chronisch entzündlicher und maligner Erkrankungen wurde an präklinischen Tiermodellen nachgewiesen. So entwickeln OPG-defiziente Mäuse eine Osteoporose mit ausgeprägter Minderung der gesamten Knochendichte und häufigen Spontanfrakturen (17). OPG-transgene Mäuse hingegen zeigen von Geburt an einen osteopetrotischen Phänotyp und eine mit dem Alter zunehmende Knochenmasse und Knochendichte, die Folge eines Mangels funktionsfähiger Osteoklasten ist (2). Analog zum Modell der OPG-Defizienz führt auch eine RANKL-Injektion zu einem rasant gesteigerten Knochenverlust mit massiver Abnahme der Masse und Festigkeit des Knochens (18). Interessanterweise lassen sich die Veränderungen des Knochenstoffwechsels durch die Injektion eines OPGProteins komplett verhindern. Dies veranschaulicht das Potenzial von OPG und RANKL in der Regulation des Knochenmetabolismus über die Aktivität und Funktionalität der Osteoklasten (19). Auch bei Tiermodellen immunologischer Knochenerkrankungen (rheumatoide Arthritis, Spondylarthropathien) ist eine Erhöhung des RANKL/OPG-Quotienten charakteristisch (20). Autoreaktive T-Zellen exprimieren dabei vermehrt RANKL und zerstören über die Aktivierung von Osteoklasten die Knochensubstanz (21). Ferner exprimieren verschiedene Tumorzellen RANKL und können über eine lokale Stimulation von Osteoklasten den Knochen zerstören. Dies gilt insbesondere für osteolytische Metastasen des Mamma- karzinoms und des multiplen Myeloms. Ein Mausmodell des ossär metastasierten Mammakarzinoms zeigt eine deutlich erhöhte RANKL-Konzentration in metastasierten Knochen im Vergleich zum tumorfreien Knochen. Der osteolytische Prozess ließ sich hingegen durch rekombinantes OPG-Fusionsprotein hemmen (22). Auch in einem Mausmodell des Kolonkarzinoms konnten osteolytische Knochenläsionen durch exogene OPG-Gabe deutlich reduziert werden (23). Diese umfangreichen präklinischen Befunde führten zu ersten klinischen Versuchen mit rekombinant hergestelltem OPG-Fusionsprotein, die das therapeutische Potenzial einer RANK-Ligand-Blockade bestätigten (24). Diese klinischen Phase 1-Studien stellten einen „Proof of principle“ für die effektive Hemmung der Knochenresorption und die Verbesserung der biomechanischen Eigenschaften des Knochens durch die Blockade von RANKLigand dar. Literatur 1. Lacey DL, Timms E, Tan H-L et al. Osteoprotegerin (OPG) ligand is a cytokine that regulates osteoclast differentiation and activation. 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