Brownsche Bewegung M. Gruber 19. März 2014 Zusammenfassung Stochastische Prozesse, Pfade; Brownsche Bewegung; Eigenschaften der Brownschen Bewegung: Kovarianz, Stationarität, Selbstähnlichkeit, quadratische Variation. M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Stochastische Prozesse • Stochastische Prozesse sind Familien von Zufallsvariablen men Wahrscheinlichkeitsraum X(t) auf einem gemeinsa- (Ω, F, P), die von einem kontinuierlichen Parameter t abhängen. • Typischerweise durchläuft der Parameter z.B. das Intervall bzw. [0, T ] oder [0, ∞[. Man schreibt dann den Prozess als (X(t))0⩽t⩽T (X(t))t⩾0 • Man kann sich • Jedes X(t) t ein Intervall nichtnegativer reeller Zahlen, t als Zeit und X(t) als Ort oder Zustand vorstellen. X(t) unterliegt einer Wahrscheinlichkeitsverteilung. Der realisierte Wert eines ist X(t, ω). 1 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Pfade • In erster Linie interessiert man sich für die Pfade stochastischer Prozesse. • Ein Pfad beschreibt die Orte oder Zustände, die eine Realisierung des Prozesses im Laufe der Zeit aufsucht. • Mathematisch ist ein Pfad die Abbildung t 7→ X(t, ω). • Ein stochastischer Prozess hat i.a. viele Pfade für jedes • Die Menge aller Pfade eines Prozesses bildet seinen Pfadraum. Der Pfadraum ist ω∈Ω einen. ein Wahrscheinlichkeitsraum. 2 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Brownsche Bewegung Die Brownsche Bewegung ist fundamental für alles, was wir hier behandeln werden. Denition 1. [Brownsche Bewegung] Ein stochastischer Prozess (B(t))t⩾0 ist eine Brownsche Bewegung (oder: Wienerprozess), wenn gilt: 1. B(0) = 0, 2. B(t) − B(s) ∼ N(0, t − s) 3. {B(ti+1) − B(ti) | 0 ⩽ t1 ⩽ t2 ⩽ . . . ⩽ tk} 4. t 7→ B(t, ω) Anstatt (B(t))t⩾0 für 0 ⩽ s < t, sind unabhängige Zufallsvariablen, ist fast sicher stetig, d.h. P({ω ist auch die Notation (W(t))t⩾0 | t 7→ B(t, ω) ist stetig}) = 1. (W für Wienerprozess, benannt nach Norbert Wiener) für die Brownsche Bewegung gebräuchlich. 3 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Simulation einer Brownschen Bewegung 1.5 1.0 0.5 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 -0.5 Abbildung 1: Drei Pfade einer Brwownschen Bewegung 4 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Kovarianz der Brownschen Bewegung Satz 1. Beweis Cov(B(s), B(t)) 0 ⩽ s ⩽ t. = min{s, t}. Nach dem Verschiebungssatz für die Kovarianz ist Cov(B(s), B(t)) = E B(t)B(s)− E B(t) E B(s). Da die Erwartungswerte E B(t) und E B(s) null sind, ist Cov(B(s), B(t)) = Sei E B(t)B(s). E B(s) 2 Es ist E B(t)B(s) = E(B(s) + E(B(t) − B(s))(B(s) − B(0)). + B(t) − B(s))B(s) = Die Zuwächse B(t) − B(s) und haben den Erwartungswert null. Folglich ist Cov(B(s), B(t)) E(B(s) und + B(t) − B(s))B(s) = B(s) − B(0) = E B(s)2 = s. sind unabhängig □ 5 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Stationarität der Brownschen Bewegung Wenn man die Zuwächse einer Brownschen Bewegung ab einem beliebigen Zeitpunkt beobachtet, sieht man wieder eine Brownsche Bewegung: Satz 2. Ist (B(t))t⩾0 eine Brownsche Bewegung und s > 0, so ist auch (B(s + t) − B(s))t⩾0 eine Brownsche Bewegung. Beweis Der neue Prozess erfüllt alle vier Punkte von Denition 1. □ 6 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Selbstähnlichkeit einer Brownschen Bewegung Wenn man die Pfade einer Brownschen Bewegung in geeigneter Weise zoomt, sieht man wieder eine Brownsche Bewegung: Satz 3. Ist (B(t))t⩾0 eine Brownsche Bewegung und c > 0, so ist auch ( √1c B(ct))t⩾0 eine Brownsche Bewegung. Beweis □ Der neue Prozess erfüllt alle vier Punkte von Denition 1. Bemerkung. Die Aussage gilt sowohl für sehr groÿe als auch sehr kleine c. 7 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Existenz einer Brownschen Bewegung: Lévy-Konstruktion Die Lévy-Konstruktion 1 (benannt nach Paul Lévy) ist ein konstruktiver mathematischer Beweis für die Existenz einer Brownsche Bewegung. • Schrittweise wird eine Folge von Prozessen erzeugt, von denen jeder die Punkte 1 bis 3 von Denition 1 auf einer endlichen Menge dyadischer Stützstellen erfüllt und ausserdem stetige Pfade hat. • Bei jedem Schritt wächst die Stützstellenmenge und liegt dichter auf dem Zeitstrahl. • Die Folge der konstruierten Prozesse konvergiert pfadweise P-fast sicher gleichmäÿig auf kompakten Zeitintervallen gegen einen Grenzprozess. Dieser erfüllt alle vier Punkte von Denition 1. 1 Eine gut lesbare Beschreibung der Lévy-Konstruktion ndet man in [2]. 8 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Grenzwert einer skalierten symmetrischen Irrfahrt 2 Die Brownsche Bewegung kann durch eine skalierte symmetrische Irrfahrten approximiert werden . • Seien • X1, X2, . . . 3 mit P(X 1 iid Der diskrete Prozess • Für jedes n (Mk)k∈N Die Verteilung der Zuwächse ( lim P n→∞ 3 Mk = (Bn(t))t⩾0, d.h. 2 mit bilden die Zufallsvariablen kontinuierlichen Prozess Satz 4. = −1) = P(X1 = 1) = ∑ 1⩽j⩽k Xj heisst symmetrische Irrfahrt. Bn(t) = √1 n ∑ 1⩽j⩽nt Xj = √1 M⌊nt⌋ einen n eine skalierte symmetrische Irrfahrt. Bn(t) − Bn(s) Bn(t) − Bn(s) √ ⩽a t−s siehe hierzu [3], Abschnitt 3.2., und [1]. unabhängig und identisch verteilt (independent, 1 2. konvergiert gegen N(0, t − s), ) = Φ(a). identically distributed ) 9 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Pfade skalierter symmetrischer Irrfahrten 2.0 2.0 1.5 1.5 1.0 1.0 0.5 0.5 0.0 0.0 -0.5 - 0.5 -1.0 - 1.0 -1.5 - 1.5 -2.0 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 Abbildung 2: Einige Pfade von 1.0 B16(t) - 2.0 0.0 (links) und 0.2 B256(t) 0.4 0.6 (rechts) für 0.8 1.0 0 ⩽ t ⩽ 1. 10 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Quadratische Variation (1) Ein Maÿ für pfadweises Schwankungsverhalten stochastischer Prozesse ist die quadratische Variation. Denition 2. [Quadratische Variation] eines Prozesses (X(t))t⩾0 Die quadratische Variation ist, falls er existiert, der Limes nach Wahrscheinlichkeit lim n→∞ ∑ (n) (n) (X(ti ) − X(ti−1))2, 1⩽i⩽kn wobei der Limes über beliebige verfeinernde Folgen von Partitionen (n) t1 (n) ⩽ . . . ⩽ tkn = t} [X, X]t mit ∥Πn∥ = max1⩽i⩽kn (n) |ti (n) − ti−1| → 0 für (n) Πn = {0 = t0 ⩽ n→∞ gebildet wird. Denition 3. [Quadratvariations-Prozess] Der Prozess ([B, B]t)t⩾0 heiÿt Quadratvariations-Prozess. 11 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Quadratische Variation (2) Satz 5. 2. 1. [M, M]k := ∑ 1⩽j⩽k (Mj − Mj−1)2 = k für k ∈ N, [M, M]k = Var Mk, ∑ j j−1 2 (B ( ) − B ( n n 1⩽j⩽nt n n )) = t 3. [Bn, Bn]t := 4. [Bn, Bn]t = Var Bn(t) 5. [B, B]t = t 6. [B, B]t = Var B(t). für t⩾0 mit für t⩾0 mit nt ∈ N, nt ∈ N, P-fast sicher, Praktisch alle Pfade einer Brownschen Bewegung weisen also das gleiche Schwankungsverhalten auf. Wir werden auf dieses Resultat später zurückgreifen. 12 M.Gruber, SS 2014 Stochastic Processes in Risk and Finance Literatur [1] David Gamarnik and Premal Shah. Brownian Motion; introduction. http://ocw.mit.edu/NR/ rdonlyres/B93A685B-1781-406F-AD73-22040D2A4D0F/0/lec5.pdf. [2] Hank Krieger. Construction of Brownian Motion. http://www.math.hmc.edu/~krieger/ brownianmotion.pdf. [3] Steven E. Shreve. Stochastic Calculus for Finance II. Springer, 2004. 13